Eine Interpretation von "Ob ich dich liebe, weiß ich nicht".
Dieses von Johann Wolfgang Goethe fabulierte und verfasste Gedicht ist Teil der ‚Sesenheimer Lieder’, die Goethe an seine Geliebte Friederike Brion richtete. Diese Lieder/Gedichte zählen zu den bekanntesten Schreibungen Goethes und sind zudem von großer Wichtigkeit für die Entwicklung der deutschen Lyrik. Eigenschaften in der Literatur wie Spontanität, Gefühl, Witz, Einfachheit usw. haben wir demnach auch Goethe zu verdanken.
Das Gedicht verfügt über einen vierhebigen Jambus, ist in Paarreimen mit durchgehend männlicher Kadenz verfasst und das Hauptthema ist ein Paradox.
Wirft man einen Blick auf die Übersetzung des Gedichtes, so kann man daraus schließen, dass Goethe beschreibt, wie er seine Geliebte
1. Vorwort
Dieses von Johann Wolfgang Goethe fabulierte und verfasste Gedicht ist Teil der ‚Sesenheimer Lieder’, die Goethe an seine Geliebte Friederike Brion richtete. Diese Lieder/Gedichte zählen zu den bekanntesten Schreibungen Goethes und sind zudem von großer Wichtigkeit für die Entwicklung der deutschen Lyrik. Eigenschaften in der Literatur wie Spontanität, Gefühl, Witz, Einfachheit usw. haben wir demnach auch Goethe zu verdanken.
2. Interpretation
Das Gedicht verfügt über einen vierhebigen Jambus, ist in Paarreimen mit durchgehend männlicher Kadenz verfasst und das Hauptthema ist ein Paradox.
Wirft man einen Blick auf die Übersetzung des Gedichtes, so kann man daraus schließen, dass Goethe beschreibt, wie er seine Geliebte vor sich sieht und es ihm dabei gut geht. „Es reicht, nur einmal dein Gesicht zu sehen und schon wird mein Herz frei von aller Qual“ und weiter heißt es „nur Gott weiß, wie mir geschieht“ - interessanterweise scheint nur Gott darüber bescheid zu wissen, die Geliebte allerdings nicht. Das Paradox kommt mit der letzten Zeile: „Ob ich die liebe, weiß ich nicht“. Man kann also behaupten, dass Gott weiß wie wohl es Goethe dabei ist das Mädchen zu lieben - Goethe selbst kann jedoch nicht klar sagen, ob er sie liebt. Auf diesen Gedanken hin kann man interpretieren, dass man einer anderen Person nette und liebevolle Gefühle entgegenbringen kann, ohne diese Person unbedingt dabei zu lieben.
Die Insinuation lautet demnach: Es handelt sich um ein anderes Gefühl als um traditionelle Liebe; daraus sind zwei Elemente hervorzubringen. Zum einen könnte man davon ausgehen, dass es sich um etwas Höheres handelt als um die sinnliche Liebe. Das Sinnliche wird in der Literatur meistens als etwas Schlechtes angesehen und das Geistige als etwas Gutes - jedoch gehen manche davon aus, dass diese Überlegung auch umgekehrt funktionieren kann. Zum anderen könnte es auch etwas ganz ‚anderes’ als menschliche Liebe sein, denn es wird nicht explizit gesagt, was gemeint ist. Im Grunde ist eine hundertprozentig richtige Antwort auf diese Frage nicht möglich.
Durch den Vortrag von Prof. Solbach wurde ein wichtiges Element verdeckt, welches recht schwierig zu erkennen ist. „Ob ich dich liebe, weiß ich nicht“ - wir haben es in diesem Gedicht mit Jamben zu tun, d.h. wenn das ‚nicht’ alltagssprachlich betont wird, dann entsteht eine Art Voraussetzung für die Liebe. Die Voraussetzung könnte sein, dass es einen anderen gibt, der das Mädchen auch liebt oder aber, dass das Mädchen ihn liebt und Goethe selbst nicht weiß, ob er ‚zurücklieben’ kann. Es ist näherliegend anzunehmen, dass die zweite Behauptung die richtige ist - nach dem Motto: „Du liebst mich, das weiß ich bereits“ aber ob Goethe sie liebt, das weiß er eben nicht. Diese Annahme kann man als Reservatio mentalis bezeichnen. Eine Reservatio würde man dabei als eine Art geistige Zurückhaltung bezeichnen, was bedeutet, dass man sich einer Person nicht komplett hingibt. Ergänzend kann man sagen, dass es dem jungen Goethe wohltat geliebt zu werden. Ihm tat es in der Hinsicht wohl mit einem Gefühl des Geliebtwerdens nach Hause zu gehen, um dort gut und geistreich dichten zu können. Das Mädchen, das ihn liebt, dient ihm dabei als Inspirationsquelle und lässt seiner Kreativität freien Lauf.
Sicher geht diese Interpretation von ziemlich negativen und perfiden Gedanken Goethes aus, jedoch kann man dieses Vorgehen auch für vielen andere Autorinnen und Autoren des ‚Sturm und Drangs’ zuschreiben. Denn die poetische Existenz für Dichter war gerade im 18. Jahrhundert äußerst prekär. Auf der einen Seite war dies für Goethe nicht imminent wichtig, weil er von Zuhause aus gut gestellt war. Auf der anderen Seite aber war die poetische Existenz immer gefährdet, weil es sich beim Dichten um geistige Dinge dreht, für die viele Menschen kein Verständnis hatten. Um deshalb an eine poetische Existenz zu gelangen und sie anschließend auch zu behalten, musste Goethe das höchstmögliche Ziel verfolgen, nämlich Deutschlands größter Dichter zu werden und nicht auf Teufel-komm-raus so viele Romane wie möglich zu verkaufen.
Für dieses steile Vorhaben benötigte Johann Wolfgang Goethe eine andere Lebenslage und deshalb bediente er sich auch einer Konstruktion, die bei vielen anderen wichtigen Autoren zu erkennen ist. Diese nehmen eben für sich in Anspruch, dass sie nur dichten und nur diese poetische Existenz beibehalten können, wenn sie sie im Extrem ausleben. Demnach müsste alles andere herum beiseitetreten um diesen großen Dichtern zu helfen ihre Kreativität auszuleben. Das Problem dabei ist offenkundig, dass all diejenigen, die in den sozialen Umkreis dieser genialischer Naturen kamen, schwer darunter zu leiden hatten. Dieses Phänomen geht bis in die Gegenwart hinein. Ziel dabei ist das eine große bedeutende Werk, das über allem Anderem stehen soll.
3. Schlusswort
All diese Thesen, Behauptungen und Interpretationen stehen nicht eins zu eins im Gedicht, sondern es handelt sich dabei um Dinge, die von außen an das Werk herangetragen werden können. Bei der ersten oberflächlichen Lektüre des Gedichtes schlussfolgert man möglicherweise, dass es sich um ein unsicheres Liebesgeständnis hält: Person A mag eine Person B ohne sie unbedingt zu lieben - dieses Phänomen kann man heute auch in den verschiedensten Lebenssituationen erkennen. Durch die Breite an Charakteren ist der Gebrauch des L-Wortes (Liebe) für einige Menschen schwieriger als für andere. Man kann das Gedicht jedoch auch auf einer anderen Ebene rezipieren und durch weiterführende Gedankengänge anreichern.
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- Quote paper
- Raoul Michels (Author), 2016, Zu Goethes "Ob ich dich liebe, weiß ich nicht". Eine Gedichtinterpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366856
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