Schon seit einigen Jahren besteht in der Sozialforschung das gesteigerte Interesse an der Untersuchung der Reproduktion sozialer Ungleichheiten im Bildungsverlauf. Insgesamt ist ein abnehmender Einfluss der sozialen Herkunft besonders auf den sekundären Bildungsbereich zu verzeichnen, im tertiären Bereich setzt sich der Einfluss sozialer Herkunft jedoch weiterhin fort. Da nur wenig umfassende empirische Studien den tertiären Bereich betreffend vorliegen, haben sich Lenger (2009) und Jaksztat (2014) in ihren Ausführungen der Untersuchung des Einflusses der sozialen Herkunft auf den höchsten Abschluss, der Promotion gewidmet. Die beiden Autoren beziehen dabei ihre Ergebnisse auf unterschiedliche theoretische Grundlagen. Jaksztat (2014) greift die Theorie der primären und sekundären Effekte nach Boudon auf, Lenger (2009) die Unterscheidung des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals nach Bourdieu. Inwieweit sich der theoretische Hintergrund mit der empirischen und deskriptiven Analyse vereinbaren lässt und ob der Bezug gelungen ist, soll Thema dieses Essays sein.
Essay 3:Soziale Herkunft und Promotion
Schon seit einigen Jahren besteht in der Sozialforschung das gesteigerte Interesse an der Untersuchung der Reproduktion sozialer Ungleichheiten im Bildungsverlauf (vgl. Lenger, 2009, S. 104). Insgesamt ist ein abnehmender Einfluss der sozialen Herkunft besonders auf den sekundären Bildungsbereich zu verzeichnen, im tertiären Bereich setzt sich der Einfluss sozialer Herkunft jedoch weiterhin fort (vgl. Jaksztat, 2014, S. 286). Da nur wenig umfassende empirische Studien den tertiären Bereich betreffend vorliegen, haben sich Lenger (2009) und Jaksztat (2014) in ihren Ausführungen der Untersuchung des Einflusses der sozialen Herkunft auf den höchsten Abschluss, der Promotion gewidmet. Die beiden Autoren beziehen dabei ihre Ergebnisse auf unterschiedliche theoretische Grundlgagen. Jaksztat (2014) greift die Theorie der primären und sekundären Effekte nach Boudon auf, Lenger (2009) die Unterscheidung des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals nach Bourdieu. In wie weit sich der theoretische Hintergrund mit der empirischen und deskriptiven Analyse vereinbaren lässt und ob der Bezug gelungen ist, soll Thema dieses Essays sein.
Jaksztat (2014) legt seiner empirischen Studie Bildungsherkunft und Promotionen: Wie beeinflusst das elterliche Bildungsniveau den Übergang in die Promotionsphase? die Theorie der primären und sekundären Effekte nach Boudon zugrunde. Die primären Effekte beziehen sich auf die Leistungsunterschiede, welche sich zwischen Studierenden unterschiedlicher sozialer Herkunft ergeben, die sekundären Effekte kommen bei den Bildungsentscheidungen zum Tragen, wobei es hauptsächlich um eine Kosten – Nutzen – Abwägung geht (vgl. Jaksztat, 2014, S. 289). Daraufhin formuliert er Hypothesen zu den Bereichen Leistungsunterschiede, Studiengangwahl und akademischer Integration, welche er anschließend im empirischen Teil überprüft und verifiziert (vgl. Jaksztat, 2014, S. 289).
Besonders die herkunftsspezifische Wahl eines Studiengangs mit hoher Promotionsquote hat einen starken Einfluss auf das Antreten einer Promotionsstelle. Auch die besseren Leistungen der Studenten aus akademischem Elternaus wie auch die erhöhte Tendenz derer, eine Hilfstätigkeit in der Universität anzunehmen und dadurch Kontakte zu knüpfen führen zu einer Begünstigung der Aufnahme einer Promotionsstelle (vgl. ebd., S.298). Die festgestellten Leistungsdifferenzen, welche den primären Herkunftseffekten zuzuordnen sind, erklären fast die Hälfte der Unterschiede bei der Aufnahme einer Promotion zwischen den Herkunftsgruppen (vgl. ebd., S. 295). Die Wahl Studierender aus akademischem Elternhaus für prestigeträchtige Studiengänge mit höheren Promotionsquoten und der damit verbundenen Neigung des Statuserhalts lässt sich den sekundären Effekten zuteilen. Der Aufbau eines sozialen Netzwerkes im universitären Kontext lässt sich keinem dieser beiden Effekte zuteilen. In der empirischen Analyse finden monetäre Faktoren, welche ich als gewichtige Größe einer Kosten-Nutzen-Abwägung im Sinne des Einflusses der sekundären Effekte vermuten würde keine Beachtung.
Lenger (2009) stützt sich in seiner deskriptiven Analyse Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital von Promovierenden auf die entsprechenden theoretischen Ausführungen nach Bourdieu und prüft dahingehend die Ergebnisse seiner durchgeführten Befragung von Promovierenden. Er betrachtet die Studiengänge bezüglich der Promotionsneigung ebenfalls getrennt und merkt nebenbei an, dass Studierende in den unterschiedlichen Fächern sehr unterschiedliche soziale Hintergründe aufweisen (vgl. Lenger, 2009, S. 107). Die Studienleistung und Studiendauer wird ebenfalls erhoben, soll aber keinen bedeutenden Einfluss auf die Promotionsneigung ausüben (vgl. ebd., S. 123). In den Mittelpunkt der Faktorenbetrachtung rückt die Bedeutung des ökonomischen Kapitals. Obwohl die Finanzierung einer Promotion nur geringfügig von der privaten Finanzierung abhängig ist, fand Lenger heraus, dass Studierende welche durch ihr Elternhaus finanziell abgesichert sind, eher eine Promotionsstelle antreten (vgl. ebd., S. 116). Daneben spielt das kulturelle Kapital eine Rolle. Darunter versteht Lenger besonders die Bildungsvererbung, die von dem Bildungshintergrund der Eltern abhängig ist (vgl. ebd., S. 117).
Das soziale Kapital worunter in diesem Kontext das Aufbauen eines Netzes sozialer Beziehungen im universitären Kontext verstanden wird, gewinnt besonders aufgrund des persönlichen, non-formalen Auswahlprozesses von Doktoranten an Einfluss. Persönlicher Kontakt zu Professoren kann unter anderem durch eine Werkstudententätigkeit, welche vermehrt Studenten aus akademischem Elternhaus ausüben, zustande kommen (vgl. ebd., S. 122). Bestehende Verhaltensunsicherheiten bezüglich des „universitären Habitus“ (ebd., S.119) können durch das Aufwachsen in einem akademischen Elternhaus stark kompensiert werden. Die sich dadurch ergebende Annäherung des Habitus des Studierenden und des universitären Habitus könnte zu einer Bevorzugung Studierender aus akademischem Elternhaus führen, wodurch sich die sozialen Ungleichheiten reproduzieren (vgl. ebd., S. 122).
Beide theoretischen Ansätze besitzen im verwendeten Kontext ihre Berechtigung. Bei Lenger (2009) besteht ein sehr enger Bezug zwischen den theoretischen Grundlagen und der Anwendung auf das konkrete Beispiel der Promovierenden. Der Bezug wird allerdings so eng gehalten, dass anfänglich keine allgemeine Definition des theoretischen Hintergrundes formuliert wurde, wodurch es dem Leser etwas schwer gemacht wird, das Ausmaß des Einflusses, besonders des kulturellen Kapitals nachzuvollziehen, weil die Abgrenzung dessen ausschließlich aus dem Kontext nachzuvollziehen ist. Allerdings decken die drei Bereiche des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals offensichtlich alle einzuordnenden Einflussfaktoren umfassend ab.
Jaksztat (2014) beschreibt den theoretischen Hintergrund sehr verständlich und ausführlich. Der Leser beginnt schon während den allgemeinen Ausführungen eine Idee für die Richtung der folgenden Analyse zu entwickeln. Getrennt von dem theoretischen Hintergrund folgt der empirische Teil des Beitrags, wobei es dem Leser überlassen wird, die Verknüpfung zu den theoretischen Ausführungen zu bilden. Anhand der ausführlichen Beschreibung des theoretischen Hintergrundes sollte dies dem Leser auch gut gelingen, allerdings lassen sich die Einflussfaktoren der Aufnahme einer Promotionsstelle nur bedingt den primären und sekundären Effekten zuordnen. Die Leistungsunterschiede lassen sich in dem Einfluss der primären Effekte zuordnen, die bildungsbiographischen Unterschiede dem Einfluss der sekundären Effekte. Offen bleibt die Zugehörigkeit des Einflusses der akademischen Integration, welche weder mit fachlicher Leistung, noch mit Bildungsentscheidungen des Studierenden zu tun hat.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Lenger (2009) in seinem Beitrag den ein engerer Bezug zwischen theoretischem Hintergrund und deskriptiver Analyse gelungen ist, allerdings ohne ihn ausreichend einzugrenzen. Dies wäre ihm mit einer vorausgehenden theoretischen Definition der drei Arten des Kapitals gelungen. Jaksztat (2014) hingegen, hat den theoretischen Hintergrund ausführlich allgemein formuliert, jedoch fehlt ihm zum Teil der Bezug zu den geprüften Einflussfaktoren, wie auch die formulierte Verbindung des theoretischen Hintergrundes und der empirischen Ergebnisse im Text.
Recherche
Lenger, A. (2008). Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit. (S. 39 – 50). Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft.
Die Kapitel Der methodische Ansatz von Pierre Bourdieu und seine Bezugspunkte zur Bildung und Die Promotion in der Konzeption von Pierre Bourdieu in dem Buch Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit ergänzen den Essay sinnvoll, da der theoretische Hintergrund mit der Unterscheidung in ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital nach Bourdieu in dem Beitrag von Lenger (2009) gut gewählt ist, jedoch die allgemeine Definition vernachlässigt wird und damit der Bezug zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten bei der Promotion nicht ausreichend verdeutlicht wird.
In den beiden Kapiteln wird die Bedeutung zunächst theoretisch abgehandelt und abgegrenzt und dann ausführlich nochmal auf den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Promotion bezogen.
Literaturangaben
Jaksztat, S. (2014). Bildungsherkunft und Promotionen: Wie beeinflusst das elterliche Bildungsniveau den Übergang in die Promotionsphase?. Zeitschrift für Soziologie 43, 286 – 301.
Lenger, A. (2009). Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital von Promovierenden: Eine deskriptive Analyse der sozialen Herkunft von Doktoranden im deutschen Bildungswesen. die hochschule 18, 104 – 123.
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- Quote paper
- Neema Li (Author), 2015, Soziale Herkunft und Promotion. Reproduktion sozialer Ungleichheiten im Bildungsverlauf, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366531
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