Im 14. Jahrhundert entwickelt sich der Begriff der „Zeitung“ im Kölner Raum aus dem „zidunge“, das für „Nachricht“, „Neuigkeit“ stand.
1445 legt die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern des Mainzers Johannes Gensfleisch zur Lade - auch Johannes Gutenberg genannt - die Grundlage zur Massenverbreitung von Presseerzeugnissen.
Es werden vor allem Flugschriften und Flugblätter veröffentlicht und verteilt. Der Name Flugblatt bezieht sich wahrscheinlich auf ihre schnelle Verbreitung. Sie erschienen nicht periodisch, oft sogar nur einmal, zählen bis heute dennoch zu den Printmedien. Als nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung alphabetisiert war, übermittelten vor allem die Illustrationen Botschaften des Flugblattes. Außerdem sollten sie zum Kauf anreizen. Sehr beliebt waren Abbildungen von fremden, wilden Tieren; unbekannten Gegenständen, Ländern oder Kreaturen und Monstrositäten. Damit waren sie bereits erstaunlich nahe an modernen Boulevardmedien. Was auf diesem Weg dennoch alles passierte, erläutert diese Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Entwicklung der modernen Zeitung
1.1 Eine kurze Gesichte der Zeit(ung)
1.1.1 Geburtswehen
1.1.2 Zeitungskiosk um 1550?
1.1.3 Die Zeitung ein deutsches Produkt?!
1.1.4 Von der Meinungs- zur Massenpresse
1.2 Von der Neuzeit in die Moderne – 350 Jahre Leipziger Zeitungsgeschichte
1.2.1 Die Anfänge
1.2.2 Günstige Startbedingungen
1.2.3 Timotheus Ritzsch
1.2.4 Zeitung als Handwerk
1.2.5 Die Politisierung
1.2.6 Lokales und Feuilletons
1.2.7 Das Postulat der Unabhängigkeit
1.2.8 Krieg auf dem Boulevard
1.2.9 Die neuen Medien
Ausblick und Schluss
Einleitung
„Ob Btx, Satellitenfernsehen oder D2-Mac: Der Anbruch eines neuen Medienzeitalters wird heutzutage beinahe jährlich gefeiert – und fast genauso schnell wieder vergessen.“[1] Bei diesem ständigen auf und ab wundert es wenig, dass das Wort Zeitung vom niederdeutschen Wort „Tiden“ kommt, das die Gezeiten bezeichnet.[2] Die Geburt der modernen Presse zu Beginn des 17. Jahrhunderts war dagegen ein vergleichsweise unspektakuläres Ereignis. „Das neue Medium entstand offenbar lautlos, ohne Feierstunde und ohne jedes öffentliche Aufsehen.“[3] So jedenfalls beschreibt der Zeitungsforscher Thomas Schröder die Anfänge des Mediums Zeitung, das aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken ist und sich trotz Fernsehen, Radio und Internet noch immer glänzend zu behaupten versteht. Und Hans-Ulrich Nieter kommt in seinem Buch „Erlebniswelt Zeitung“ zu folgendem Fazit[4]: „Unaufhörlich wird der moderne Mensch durch Radio, Fernsehen und Internet, durch die vielfältigen Printmedien, durch Werbemittel und Werbeträger mit Nachrichten und Informationen überflutet. Wie aber kommt der Bürger an die Nachrichten, die er täglich braucht, um sich ein Bild von der Welt zu machen, in der er sich zurechtfinden muss? Das intelligenteste Konzept bietet die Tageszeitung. Sie filtert die massenhaft einlaufenden Nachrichten und bereitet sie derart auf, dass sich der Leser in nur 30 bis 40 Minuten einen Überblick in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport weltweit, regional und lokal verschaffen kann. [...] Die Zeitung ist ein modernes Medium.“
Dennoch hat sich das Blatt seit den bescheidenen Anfängen sprichwörtlich gewendet und die moderne Zeitung hat mit ihren Vorfahren aus dem 16. Jahrhundert außer dem Namen kaum noch etwas gemeinsam, auch wenn sich die Präferenz für Themen wie Katastrophen, Mord und Totschlag vor allem im Boulevardbereich erhalten hat. Vom Einseitenschwarzweißdruck mit zweistelliger Auflage bis hin zur Süddeutschen mit Millionenauflage und Farbbildern ist es indes ein langer Weg. Im Zuge dieser Arbeit möchte ich deshalb die Entwicklungsgeschichte der modernen Zeitung von ihren Anfängen bis zum Zenit Anfang des 19. Jahrhunderts kurz beleuchten und dabei auf Themen, Technik und Journalisten eingehen. Konkretisieren möchte ich diese Analyse mit einem kurzen Abriss der 350-jährigen Zeitungsgeschichte in Leipzig.
Die Entwicklung der modernen Zeitung
1.1 Eine kurze Gesichte der Zeit(ung)
1.1.1 Geburtswehen
Die Stunde „Stunde Null“ der Zeitungsgeschichte lässt sich jedoch weiter zurückdatieren und wird im Allgemeinen mit dem Jahr 1609 angegeben, als Johann Carolus in Straßburg mit der „Relation“ die erste erhaltene Wochenzeitung herausbrachte.[5] Die Etymologie des Wortes „Zeitung“ lässt sich jedoch noch weitaus weiter zurückverfolgen, weiter noch als die Entstehung des Buchdruckes in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Denn am Anfang stand die gesprochene Nachricht. „Für die mündliche Weitergabe einer Nachricht entstand um 1300 im Kölner Raum das Wort Zidunge, aus dem sich das Wort Zeitung bildete. Zeitung wurde bis ins 19. Jahrhundert für Nachricht gebraucht. So sprach man von fröhlichen oder schrecklichen Zeitungen und meinte Nachrichten damit.“[6] Im Rahmen des privaten Nachrichtenflusses übermittelten die Mächtigen auch schon lange wichtige Informationen durch berufsmäßige Nachrichtenvermittler.[7] Im Ausgehenden 14. Jahrhundert wuchs mit dem Aufkommen des relativ preiswerten Papiers auch die Bedeutung geschriebener Nachrichten, auch wenn dieser Nachrichtenweg aufgrund des noch weit verbreiteten Analphabetismus anfangs nur den besseren Kreisen offen stand. Aus dieser privaten Korrespondenz entstanden die ersten Nachrichtenübermittlungssysteme: „Nachrichten wurden nun auch in Briefen mitgeteilt oder auf gesonderten Zeddeln geschrieben, die man als Appendix oder Zeyttung kennzeichnete und den Briefen beilegte. Diese Briefzeitungen wurden vom Empfänger mit neuen Nachrichten ergänzt, abgeschrieben und an Freunde weitergeschickt. Den vielkorrespondierenden Humanisten um 1500 wird die größte Kettenbriefaktion der Weltgeschichte zugeschrieben.“[8]
Besonders Kaufleute verfügten aufgrund ihrer weiträumigen Geschäftsbeziehungen über ein ausgedehntes Nachrichtennetz. „Die handschriftlichen Fuggerzeitungen des 16. Jahrhunderts sammelten Nachrichten über politische, militärische und wirtschaftliche Vorgänge in aller Welt.“[9] Da die Nachrichten meist den gesamten Briefumfang ausmachten oder als Anhang beilagen, konnten sie meist bedenkenlos an andere Personen weitergereicht werden, auch wenn sie ursprünglich vor allem für den persönlichen Gebrauch und die Archivierung in den Handelskontoren gedacht waren.
Schnell entwickelte sich so aus der privaten Nachrichtenkorrespondenz eine gewerbliche Neuigkeitsschreiberei. „Einer der ersten, die sich professionell mit dem Sammeln und Weiterleiten von Nachrichten befassten, war der Nürnberger Humanist, Jurist und Politiker Christoph Scheurl. Zwischen 1512 und 1537 schrieb er als Korrespondent für eine Reihe von Fürsten und reichen Privatleuten.“[10] Im ausgehenden 16. Jahrhunderts machten sich Zeitungsschreiber erstmals als Verleger selbständig: „Sie schrieben die gesammelten Nachrichten zusammen und ließen sie zu handschriftlichen Zeitungen vervielfältigen, die sie an zahlungskräftige Abonnenten verkauften.“[11] Einige dieser Nachrichtensammler gründeten später auch Nachrichtenagenturen. Doch anfangs mussten die „Zeitungen“ immer noch mühsam mit der Hand vervielfältigt werden. Entsprechend gering war ihre Verbreitung und teuerer ihr Preis. Dies änderte sich erst durch die Erfindung des Druckens mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1450: „Gedruckte Nachrichten jagten nun als Streitschriften, Flugblätter und Neue Zeitungen durchs Land und kündeten dem Volk von Entdeckungen neuer Kontinente, Reformation und Bauernkriegen , aber auch von Sensationen. Die Neuzeit war angebrochen.“[12] Hier muss aber angemerkt werden, dass der Zeitungsruck anfangs noch ein Dasein als Nischenprodukt fristete, das von Druckern gefertigt wurde, denen mangels Zunftzugehörigkeit oder Kapital der lukrative aber schnell überlaufene Buckmarkt verwehrt blieb: „Marktsättigung führte zur Suche nach Nischenprodukten: Neue Medien entstanden.“[13] „Und hier haben wir den Schlüssel für die Entstehung der Presse aus der Handschriften- und Buchkultur.“[14]
1.1.2 Zeitungskiosk um 1550?
Doch waren diese sogenannten „Newen Zeytungen“[15] keineswegs mit ihren modernen Verwandten vergleichbar und auch der Bezug per Abonnement harrte noch seiner Entdeckung.[16] Tatsächlich berichteten diese Druckereignisse meist nur über ein Ereignis und erschienen allein aus diesem Anlass, vergleichbar also mit einer heutigen Sonderausgabe. „Verkauft wurden sie durch Umbträger, Zeitungskrämer und Zeitungsboten dort, wo viele Menschen zusammenkamen: auf Märkten und Messen und in den Gassen der Städte. Den Großvertrieb übernahmen die Buchführer, die auf den Reisen zu Messen Bücher und Zeitungen mit sich führten.“[17] Der Transport von eiligen Druck-Erzeugnissen und Nachrichten wurde meist über berittene Boten abgewickelt. „Schon im fünfzehnten Jahrhundert legten die Kaufleute von St. Gallen einen regelmäßigen Botenritt über Lindau, Ravensburg und Ulm nach Nürnberg an [...] Von Mecheln bis Innsbruck brauchte ein Stafettenreiter ungefähr 5 1/2 Tag, von Venedig nach Nürnberg 20 Tage.“[18] Anfang des 17. Jahrhunderts gab es dann bereits wöchentlich erscheinende Zeitungen als Nachrichtensammlungen, die den Abonnenten durch die Post zugesandt wurden. Wie man sich aber vorstellen kann, waren diese nicht zuletzt auf Grund des aufwendigen Zustellservice im Vergleich zu den recht preiswerten Einzelzeitungen beim Zeitungskrämer äußerst teuer. „Mit zunehmendem Interesse breiter Bevölkerungsschichten an den Ereignissen ihrer Zeit war der Schritt zur gedruckten wöchentlich erscheinenden Zeitung nur folgerichtig“, wie Hans-Ulrich Nieter schreibt.[19] Ein wenig weiter greift Dr. Ludwig Salomon zurück: „Das Bedürfnis über die Vorgänge in der Welt unterrichtet zu werden, machte sich, als die wüste Zeit der Völkerwanderung vorüber war und wieder geordnete Verhältnisse eintraten, besonders an den Haupthandelsplätzen bemerkbar, und daher fanden sich hier nach und nach Leute, die die neuen Nachrichten, die mit den Boten und Schiffen eintrafen, sammelten, auf Blätter verzeichneten und diese schriftlichen Mitteilungen an Interessenten teils aus freier Hand verkauften, teils als Brief versandten.“[20] Während im Mittelalter aber vor allem Venedig der Hauptsammelpunkt für alle Nachrichten war, kristallisierte sich später vor allem Deutschland als Wiege der modernen Zeitung heraus.
1.1.3 Die Zeitung ein deutsches Produkt?!
Bereits 1605 kam der deutsche Johann Carolus in Straßburg auf die Idee, seine bisher handgeschriebene Zeitung zu drucken und im wöchentlichen Turnus herausgegeben: „Die Relation , so nannte er seine Zeitung, war die erste gedruckte wöchentlich erscheinende Zeitung der Welt, ein deutsches Produkt.“[21] Doch schon bald gab es Nachahmer. Ähnliche „Blätter“ erschienen 1609 in Wolfenbüttel, 1610 in Basel und 1615 in Frankfurt. Wenig später folgten auch das Ausland. So erschien 1618 die erste nichtdeutschsprachige Zeitung in Amsterdam und 1620 in Antwerpen. Weil es damals in England und Frankreich noch keine eigenen Zeitungen gab, übersetzten die Holländer ihre eigene ins Englische und Französische und exportierten sie nach London und Paris. Eigene Zeitungen gab es dort erst 1621 beziehungsweise 1631. „Geschriebene Zeitungen lebten noch nach dem Aufkommen der periodischen Presse weiter. Wegen der Unmöglichkeit, die geschriebenen Zeitungen zu kontrollieren, waren sie insbesondere in Zeiten einer strengen Kommunikationskontrolle sehr verbreitet und wurden darum ihrerseits wiederholt und vergeblich verboten.“[22] Sie wurden meist in Auflagen von lediglich 20 bis 25 Exemplaren in Umlauf gebracht, dürften aber wegen ihres von der Obrigkeit gefürchteten subversiven Inhalts dennoch durch viele Hände gegangen sein.[23]
Themen von Holzschnitt-Flugblättern im 16. Jahrhundert[24]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Doch auch wenn die Preise langsam zu sinken und die Auflagen zu steigen begannen, waren Zeitungen damals kein Wegwerfprodukt. Viele Menschen ließen ihre Zeitungen zu Büchern binden oder gaben sie nach Gebrauch an Freunde und Verwandte weiter. Das alte Sprichwort jedenfalls, dass nichts so alt wie die Zeitung von gestern ist, hatte noch keine Gültigkeit. Wie auch, war die täglich erscheinende gedruckte Nachricht aus technischen und logistischen Gründen doch noch immer Zukunftsmusik. „Moderne Zeitungen zeichnen sich durch Aktualität, Periodizität, Publizität und Universalität aus. [...] Die ersten Blätter, die als direkte Vorformen der Tageszeitung betrachtet werden können und die diesen vier Kriterien unter Berücksichtigung der damaligen Möglichkeiten gerecht zu werden versuchten, wurden von ihren Zeitgenossen Avisen oder Relationen genannte.[25] „Avis“ leitet sich dabei von „avisieren“ (ankündigen) ab und meint eine briefliche Meldung, während „relation“ die Berichterstattung meint und von „referieren“ (wiedergeben) stammt.[26]
[...]
[1] Schröder, Thomas: Die ersten Zeitungen. Textgestaltung und Nachrichtenauswahl. Tübingen 1995, S. 1.
[2] Vgl. Schlimper, Jürgen. In : Stadt Leipzig (Hg.): „Zeitungen Drucken ist ein wichtiges werck.“ 350 Jahre Tagespresse in Leipzig. Leipzig 2000, S. 37.
[3] Schröder, S. 1.
[4] Nieter, Hans-Ulrich: Erlebniswelt Zeitung – Ursprung und Anfang der Presse. Krefeld 2000, S. 3.
[5] Vgl. Schröder, Seite 1.
[6] Nieter, S. 6.
[7] Vgl. Nieter, S. 9 ff.
[8] Nieter, S. 10.
[9] Stöber, Rudolf: Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar. Konstanz, 2000, S. 34.
[10] Stöber, S. 35.
[11] Nieter, S. 13.
[12] Nieter, S. 14.
[13] Stöber, S. 31.
[14] Stöber, S. 31.
[15] sinngemäß: „Neue Nachricht“
[16] Vgl. im Folgenden Nieter, S. 18ff.
[17] Nieter, S. 17.
[18] Salomon, Ludwig: Allgemeine Geschichte des Zeitungswesens. Leipzig 1907, S. 9.
[19] Nieter, S. 18.
[20] Salomon, S 9.
[21] Nieter, S. 18.
[22] Stöber, S. 35.
[23] Vgl. Stöber, S. 35.
[24] Vgl. Stöber, S. 42.
[25] Stöber, S. 58.
[26] Vgl. Stöber, S. 58.