Georg Simmel ist und bleibt einer der herausragendsten Soziologen. In seinem Werk „Die Individualisierung und das Allgemeine“ wird dies deutlich: Es gibt ein über alles lastendes „Sowohl als Auch“, das eine Vereinnahmung Simmels unmöglich macht. Hier beschreibt er die Unterschiede zwischen dem germanischen und dem romanischen Stil, am Beispiel des Malers Rem-brandt veranschaulichend. Es wird deutlich, dass man viel mehr sehen und verstehen kann, als es auf den ersten Blick scheint; sogar das italienische Fernsehen und die Commedia dell´Arte scheinen sich erklären zu lassen. Dabei offenbart er in seinen Ideen eine erstaunliche Nähe zu Friedrich Schiller.
Einführung
Georg Simmel erlebte ein Deutschland, das durch ausgeprägte Spannungen geprägt war. National vereinigt, stürmisch industrialisiert und autoritär geführt, dampfte die verspätete Nation der „Urkatastrophe“ des Zwanzigsten Jahrhunderts entgegen. Simmel, durch die werdende Metropole Berlin geprägt, nahm diese Spannungen auf und integrierte sie in seine Soziologie.[1]
Ein Kennzeichen jener Epoche war die ausgeprägte Unentschlossenheit, die auch Simmel als solche erkannte.[2] In diesem Zustand entwickelten sich die fundamentalistischen Strömungen, die eine allgemeine und absolute Lösung anstrebten. Diese Strömungen waren darüber hinaus durch einen hohen Grad an Ideologie gekennzeichnet.
Darunter war auch ein aufkeimender Antisemitismus, der es Simmel unmöglich machte, in der deutschen Öffentlichkeit eine herausragende Position zu erreichen. Obwohl ihn Weber sehr unterstützte, war dies der Grund, der ihn schlussendlich nach Straßburg zur dortigen Universität zwang. So ist es auch nahe liegend, dass sich Simmel dieser Entwicklung zum Absoluten und Allgemeinen entzog. In jedem seiner Werke ist ein „Sowohl als Auch" zu finden, was dazu führt, dass ihn keine Seite für sich instrumentalisieren kann. In diesem Licht muss man auch das immer wiederkehrende Thema der Individualisierung und des Allgemeinen sehen.
Simmels Theorie und Schillers Briefe
Die herausragende Dynamik seiner Zeit prägt Simmel. Dabei verfällt Simmel aber nicht irgendeiner Mode seiner Zeit, die für diese Dynamik steht. Nein, seine Theorie hat eben dieses gewisse Zeitlose und gerade dies ist als Reaktion auf die sich damals scheinbar immer schneller drehende Welt zu werten.
Wissenschaften unterscheiden sich nach Simmel nur durch ihre analytische Perspektive.[3] Sie zerlegen die Gegenstände und fassen sie unter ihren eigenen Begriffen wieder zusammen. Philosophie beschäftigt sich gemäß Simmel mit den Voraussetzungen und Methoden wissenschaftlicher Erkenntnis. Die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin fragt nach den Motiven und dem Handlungskontext historischer Akteure und analysiert Ereignisse unter dem Blickwinkel ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge.
Simmels Schaffen lässt sich in vier Phasen einteilen:[4] In der ersten Phase beschäftigt sich Simmel unter dem Eindruck von Charles Darwin und Herbert Spencer mit gesellschaftlichem Wandel. In dieser Zeit (1900) entsteht zum Beispiel so die Philosophie des Geldes. In seiner zweiten Schaffensperiode wendet sich Simmel der Analyse sozialer und kultureller Formen unter dem Konzept des Dualismus von Form und Inhalt zu. In der dritten Phase erweitert er den Dualismus mit der Kategorie „Leben“ und somit der Idee des Werdens und der Dynamik. In dieser Zeit entstehen „Rembrandt“ und andere personenbezogene Schriften. In der vierten und letzten Schaffensperiode beschäftigt sich Simmel mit dem Krieg.
Simmel meint, dass Menschen sowohl Kreateure, als auch Betroffene von Wechselwirkungen sind. Kreateure im Sinne von Handeln, und Betroffene im Sinne von Erleben. Simmels These ist: „Je mehr Individuen an mehreren Gruppen (Kreisen) teilnehmen, desto größer ist die Chance zur Differenzierung ihrer Persönlichkeit.“[5] Dabei entsteht eine doppelte Problematik: Wie kann ein so differenziertes Individuum ein Ich-Gefühl entwickeln und wie sollen so stark differenzierte Persönlichkeiten in Wechselwirkung treten?
Schiller lebte ungefähr hundert Jahre vor Simmel, seine Gedanken in Bezug auf diese Frage sind jedoch sehr ähnlich und teilweise komplementär. Schiller meint zum Thema Differenzierung:
„In demselben Maße wie die Gesellschaft im Ganzen reicher und komplexer wird, läßt sie den einzelnen in Hinsicht auf die Entfaltung seiner Anlagen und Kräfte verarmen. Indem das Ganze sich als reiche Totalität zeigt, hört der einzelne auf, das zu sein, was er gemäß einem idealisierenden Vorurteil in der Antike gewesen sein soll: eine Totalität im Kleinen. Statt dessen findet man heute unter den Menschen nur ´ Bruchstücke, was zur Folge hat, daß man von Individuum zu Individuum herumfragen muß, um die Totalität der Gattung zusammenzulesen´.[6]
[...]
[1] Siehe Wauschkuhn, Annette. 2002. Georg Simmels Rembrandt-Bild : ein lebensphilosophischer Beitrag zur Rembrandtrezeption im 20. Jahrhundert. Worms. S.7
[2] Lichtblau, Klaus. 1997. Georg Simmel. Frankfurt/Main, New York. S.115
[3] Siehe Fetscher, Iring und Münkler, Herfried. 1987. Pipers Handbuch der politischen Ideen - Band 5: Neuzeit. München, Zürich. S. 14/15
[4] Siehe Fetscher, Iring und Münkler, Herfried. 1987. Pipers Handbuch der politischen Ideen - Band 5: Neuzeit. München, Zürich. S.145
[5] Fetscher, Iring und Münkler, Herfried. 1987. Pipers Handbuch der politischen Ideen - Band 5: Neuzeit. München, Zürich. S.149
[6] Schiller, Friedrich. 1794/ 1795 Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. in: Safranski, Rüdiger. 2004. Schiller und die Erfindung des Deutschen Idealismus. München, Wien.
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