Die Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik auf europäische Geschäftsbanken. Es wird den Fragen nachgegangen, wie sich die Niedrigzinspolitik konkret auf die Ergebniskomponente Zinsüberschuss auswirkt, welche Geschäftsbereiche hiervon betroffen sind und ob die Niedrigzinspolitik einen Strukturwandel im Bankensektor ausgelöst hat. Die Fragestellungen werden auf der Grundlage der Auswertung aktueller Fachliteratur diskutiert. Eigene Berechnungen und die Auswertungen statistischer Daten stellen ergänzende Informationsquellen dar.
Im Ergebnis wird deutlich, dass insbesondere Retailbanken im derzeitigen Niedrigzinsumfeld Schwierigkeiten haben, ihre geplante Zinsmarge zu erreichen. Der Zinsüberschuss ist seit Bestehen der Niedrigzinspolitik zurückgegangen. Jedoch ist ungewiss, ob sich die Effekte untereinander ausgleichen und die Reduzierung des Zinsergebnisses somit auf den intensiven Wettbewerb innerhalb der Bankenbranche zurückzuführen ist oder ob allein die negativen Auswirkungen der Niedrigzinspolitik hierfür ursächlich sind. Mit Blick auf den strukturellen Wandel innerhalb der Bankenbranche kann gesagt werden, dass die Niedrigzinspolitik den Strukturwandel nicht ausgelöst, aber auch nicht abgeschwächt hat.
Diese Bachelorarbeit ist für Studierende im Bereich Finanzwirtschaft mit Bezug zum Bankensektor interessant.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
KURZZUSAMMENFASSUNG
ABSTRACT
1 EINLEITUNG
2 BANKENSYSTEM
2.1 Zentralbank
2.1.1 Definition, Aufgaben und Ziele der Europäischen Zentralbank
2.1.2 Niedrigzinspolitik: Ziele, Maßnahmen und Auswirkung auf die Höhe und Struktur der Zinsen
2.2 Geschäftsbanken
2.2.1 Definition und typische Geschäftsbereiche
2.2.2 Bankwesen in europäischen Ländern
2.2.3 Strukturwandel
3 AUSWIRKUNGEN DER NIEDRIGZINSPOLITIK AUF GESCHÄFTSBANKEN IN EUROPA
3.1 Zinsergebnis
3.1.1 Rolle und Bestandteile
3.1.2 Konditionsbeitrag
3.1.3 Strukturbeitrag
3.1.4 Zwischenfazit
3.2 Betroffene Geschäftsbereiche
3.3 Handlungsoptionen als Gegensteuerungsmarnahme
3.4 Auslöser/Treiber des Strukturwandels im Bankensektor?
4 FAZITUNDAUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Leitzinsen der EZB
Abbildung 2: Zinsstrukturkurven
Abbildung 3: Typische Geschäftsbereiche
Abbildung 4: Anzahl der Kreditinstitute
Abbildung 5: Bilanzsumme im Verhältnis zum BIP
Abbildung 6: Einwohner je Filiale undje Bankmitarbeiter
Abbildung 7: Anteil des Zinsergebnisses am operativen Ertrag
Abbildung 8: Bestandteile des Zinsergebnisses
Abbildung 9: Aktivmarge deutscher Banken
Abbildung 10: Zinsentwicklung für kurzfristige und mittelfristige Einlagen
Abbildung 11: Passivmarge deutscher Banken
Abbildung 12: Konditionsmarge deutscher Banken
Abbildung 13: Konditionsbeiträge pro Szenario
Abbildung 14: Zinsstrukturkurve und fehlender Fristentransformationsbeitrag
Abbildung 15: Überschussliquidität und Ankaufprogramm der EZB
Abbildung 16: Überschussliquidität in Mio. Euro
Abbildung 17: Veränderung des Zinsergebnisses 2013 bis 2017
Abbildung 18: Zinsüberschuss nach Institutsgruppen
Abbildung 19: Cost-Income-Ratio
Abbildung 20: EuroStoxx Banken
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kurzzusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik auf europäische Geschäftsbanken. Es wird den Fragen nachgegangen, wie sich die Niedrigzinspolitik konkret auf die Ergebniskomponente Zinsüberschuss auswirkt, welche Geschäftsbereiche hiervon betroffen sind und ob die Niedrigzinspolitik einen Strukturwandel im Bankensektor ausgelöst hat. Die Fragestellungen werden auf der Grundlage der Auswertung aktueller Fachliteratur diskutiert. Eigene Berechnungen und die Auswertungen statistischer Daten stellen ergänzende Informationsquellen dar.
Im Ergebnis wird deutlich, dass insbesondere Retailbanken im derzeitigen Niedrigzinsumfeld Schwierigkeiten haben, ihre geplante Zinsmarge zu erreichen. Der Zinsüberschuss ist seit Bestehen der Niedrigzinspolitik zurückgegangen. Jedoch ist ungewiss, ob sich die beschriebenen Effekte untereinander ausgleichen und die Reduzierung des Zinsergebnisses somit auf den intensiven Wettbewerb innerhalb der Bankenbranche zurückzuführen ist oder ob allein die negativen Auswirkungen der Niedrigzinspolitik hierfür ursächlich sind. Mit Blick auf den strukturellen Wandel innerhalb der Bankenbranche kann gesagt werden, dass die Niedrigzinspolitik den Strukturwandel nicht ausgelöst, aber auch nicht abgeschwächt hat.
Diese Bachelorarbeit ist für Studierende im Bereich Finanzwirtschaft mit Bezug zum Bankensektor interessant.
Abstract
The bachelor thesis deals with the impact of low-interest-rate policy on European banks. It examines the question of how the low-interest-rate policy impacts on the earnings component "net interest income", which areas of business are affected by this, and whether the low-interest-rate policy has triggered a structural change in the banking sector. The questions are discussed based on the evaluation of current literature. Own calculations and evaluations of statistical data are complementary sources of information. The result shows that especially retail banks have problems to reach their planned interest rate margin in the current low-interest environment. The net interest income has declined since the existence of the low-interest-rate policy. But it's uncertain whether the described effects can be compensated among each other and thus the reduction of the net interest income can be explained by the intense competition within the banking sector or if the negative effects of the low-interest-rate policy are the only reason for this. Regarding the structural change within the banking sector, it can be said that the low- interest-rate policy did not trigger the structural change but also did not contribute to mitigating it.
This bachelor thesis is interesting for students in the financial sector regarding the banking sector.
1 Einleitung
Durch die globale Finanzkrise ab dem Jahr 2007 und die europäische Staatsschuldenkrise ab 2010 rutschte der Euroraum in eine Rezession. Um die Konjunktur zu beleben, verfolgten Notenbanken weltweit von Anfang an eine expansive Geldpolitik. Die Europäische Zentralbank (EZB) intervenierte unter anderem durch eine sukzessive Senkung der Leitzinsen von noch 4,25 Prozent im Juli 2008 auf aktuell null Prozent. Die niedrigen Zinsen und die großzügige Liquiditätsversorgung haben zur kurzfristigen Stabilisierung des Finanzsystems beigetragen. Zunächst profitierten Geschäftsbanken von günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten. Mittlerweile laufen allerdings die höherverzinslichen Kundenkredite aus und werden durch Kredite mit geringen Zinssätzen ersetzt. Zudem drückt die Niedrigzinspolitik die Marge im Einlagengeschäft, und durch die zunehmend flachere Zinsstruktur wird auch der Transformationsbeitrag geringer. Da der Zinsüberschuss einen großen Teil des Gesamtertrages einer Bank ausmacht, könnte das anhaltende Niedrigzinsumfeld eine wesentliche Herausforderung für die Geschäftsmodelle der Banken darstellen.
Die vorliegende wissenschaftliche Ausarbeitung untersucht die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der Notenbank auf Geschäftsbanken in Europa. Mit Abschluss der Arbeit sollen Antworten auf die folgenden Fragen gegeben werden.
Wie wirkt sich die Niedrigzinspolitik aufdie Ergebniskomponente „Zinsüberschuss" aus?
Welche Geschäftsbereiche sind von den Auswirkungen betroffen?
Führen die Auswirkungen zu einem Strukturwandel im Bankensektor beziehungsweise haben die Auswirkungen den Strukturwandel ausgelöst?
Um Analysen zu den Fragestellungen durchführen zu können, wird im einleitenden Kapitel das theoretische Fundament hierfür gelegt. Das Bankensystem besteht aus den Geschäftsbanken und der Zentralbank. Zunächst ist es wichtig, die generellen Aufgaben und Ziele der Notenbank zu kennen, um zu verstehen, was mit der Niedrigzinspolitik bezweckt werden soll. Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich die EZB als Notenbank herangezogen, da sie für den Großteil der europäischen Banken zuständig ist. Anschließend werden die Ursachen, Ziele und Maßnahmen der Niedrigzinspolitik sowie deren Einfluss auf die Höhe und Struktur der Zinsen erläutert. Dies ist insbesondere für die im weiteren Verlauf der Arbeit betrachteten Auswirkungen auf das Zinsergebnis relevant.
Im Anschluss wird der Begriff „Geschäftsbanken" definiert. Darauf folgt eine Beschreibung der typischen Geschäftsfelder einer Bank sowie der Struktur des Bankwesens für die relevantesten europäischen Länder der Branche. Hierauf wird ebenfalls zum Ende der Arbeit nochmals eingegangen, wenn es um die Beantwortung der zweiten Frage geht. Um die letzte der oben erwähnten Fragen beantworten zu können, ist ebenso zu klären, was genau unter dem Strukturwandel im Bankensektor zu verstehen ist.
Das dritte Kapitel bildet den Hauptteil der Arbeit und gibt schrittweise eine Antwort auf die zuvor gestellten Fragen. Wie bereits erwähnt, ist davon auszugehen, dass eine anhaltende Niedrigzinsphase einen Einfluss auf das Zinsergebnis der Banken hat. Daher wird diese Veränderung zuerst untersucht. Die Analyse wird in die beiden Hauptbestandteile des Zinsergebnisses, Konditions- und Strukturbeitrag, unterteilt. Darauf folgt ein Zwischenfazit, in welchem die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst werden. Im Anschluss daran werden diese Ergebnisse auf die Geschäftsbereiche der Banken übertragen, da auf diese Weise das Ausmaß der Auswirkungen besser eingeschätzt werden kann. Hiernach werden Handlungsmöglichkeiten für Banken diskutiert, die in Erwägung gezogen werden können, um den Auswirkungen des niedrigen Zinsniveaus zu begegnen. Diese
Gegensteuerungsmaßnahmen könnten Treiber beziehungsweise Auslöser des Strukturwandels sein, was im letzten Schritt analysiert wird.
Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung der Kernaussagen und einem Ausblick.
2 Bankensystem
2.1 Zentralbank
2.1.1 Definition, Aufgaben und Ziele der Europäischen Zentralbank
Das Bankensystem der Eurozone besteht aus den Geschäftsbanken und der Zentralbank. Die Zentralbank, auch Notenbank oder Zentralnotenbank genannt, hat eine grundsätzlich andere Funktion als die Geschäftsbanken und wird auch als „Bank der Banken" bezeichnet.1 Geschäftsbanken sind auf Zentralbankgeld angewiesen, da sie es für die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs benötigen und Bankkunden es in Form von Bargeld nachfragen. Ebenso verpflichtet das Eurosystem die Geschäftsbanken zur Haltung von Mindestreserven, deren Umfang sich aus der Höhe ihrer Kundeneinlagen ergibt. Um dem Bedarf nachzukommen, vergibt das Eurosystem an die Geschäftsbanken Kredite. Die Zentralbank besitzt das alleinige Monopol, Zentralbankgeld zu schaffen. Damit nimmt das Eurosystem Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Banken, insbesondere aufderen Konditionen im Kredit- und Einlagengeschäft.2 Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Zentralbank für 19 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Deren vorrangige Aufgabe ist es, die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten und so die Kaufkraft der gemeinsamen Währung zu erhalten.3 Im Jahr 2003 stellte der EZB-Rat klar, dass er bei der Verfolgung dieses Ziels bestrebt ist, die Teuerungsrate im Eurogebiet mittelfristig unter, aber nahe zwei Prozent zu halten.4 Die Kernaufgabe wird anhand der Steuerung des Geldmarktzinssatzes ausgeführt.5
2.1.2 Niedrigzinspolitik: Ziele, Maßnahmen und Auswirkung auf die Höhe und Struktur der Zinsen
Im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise rutschte der Euroraum in eine wirtschaftliche Schwächephase, in der auch der Preisauftrieb deutlich nachließ.6 So lag die Teuerungsrate im Juli 2009 bei -0,7 Prozent und bildete damit den niedrigsten Wert der letzten zehn Jahre. Um die Konjunktur zu beleben und das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen, wurde unter anderem der Hauptrefinanzierungssatz von der EZB schrittweise auf null gesenkt und der Einlagensatz bei -0,4 Prozent festgesetzt.7 Gewissermaßen müssen Banken seitdem Strafzinsen auf Bankguthaben bei der EZB zahlen.8 Zudem hat die EZB seit Ende 2014 durch das umfangreiche Quantitative Easing (QE)9 Programm die Märkte mit Geld geflutet und so die Zinsen am langen Ende gedrückt.10 Des Weiteren vergibt die EZB Langfristkredite an Geschäftsbanken zu einem Zinssatz nahe null Prozent (Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTRO) mit Laufzeiten von ursprünglich drei und jetzt vier Jahren.11
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Leitzinsen der EZB (Quelle: Deutsche Bundesbank, eigene Darstellung)
Die Leitzinsen beeinflussen in erster Linie die kurzfristigen Zinssätze. Eine Leitzinssenkung führt also zum Absinken des Zinsniveaus. Die langfristigen Zinssätze sind weniger stark von einer Leitzinssenkung betroffen. Hierauf zielen allerdings die zuvor genannten Maßnahmen wie TLTRO und QE ab. Diese bewirken, dass die Zinsstrukturkurve in den letzten Jahren immer flacher wurde.12 Das heißt, der Abstand zwischen den kurzfristigen und den langfristigen Zinsen wurde zunehmend geringer.
Eine Zinsstrukturkurve stellt die Renditen festverzinslicher Wertpapiere in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Restlaufzeit grafisch dar. Die folgende Abbildung zeigt die Zinsstrukturkurven für Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und europäischer Unternehmen mit Investment Grade zum 31.08.2016. Das Zinsniveau in Deutschland ist für Laufzeiten von bis zu zehn Jahren negativ und liegt bis 15 Jahre sogar konstant unter dem Niveau von Japan, wo schon seit Jahrzehnten ein geringes Zinsniveau herrscht.13 Der flache Verlauf der Kurven ist das Ergebnis einer unkonventionellen Geldpolitik, die betrieben wird, wenn die kurzfristigen Zinsen bereits sehr niedrig sind. Die Bereitstellung von Zentralbankgeld zu langen Laufzeiten gepaart mit dem glaubwürdigen Versprechen, dass diese Haltung anhalten wird, hat den gewünschten Effekt, dass die langfristigen Zinsen gesenkt werden und damit die Zinsstrukturkurve verflacht wird.14
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Zinsstrukturkurven (Quelle: zeb)
Für Banken ist die Steigung der Zinsstrukturkurve sogar wichtiger als das Zinsniveau.15 Aus welchem Grund die Zinsstruktur so bedeutungsvoll ist, wird im Kapitel 3.1.3 Strukturbeitrag noch erläutert.
2.2 Geschäftsbanken
2.2.1 Definition und typische Geschäftsbereiche
Geschäftsbanken sind Wirtschaftsunternehmen, die Dienstleistungen rund ums Geld erbringen.16 Sie werden auch als Bank bezeichnet, da sie über keinerlei entscheidende Alleinstellungsmerkmale verfügen und unterschiedliche rechtliche Strukturen haben. Die Geschäftsbanken sprechen sowohl Privatkunden als auch Geschäftskunden an.17 Sie erfüllen insbesondere drei Funktionen, indem sie Zahlungsverkehrs-, Geldanlage- und Finanzierungsleistungen anbieten. Damit erfüllen sie auch wichtige volkswirtschaftliche Aufgaben. Vor allem die Ballungs- und die Fristenverlängerungsfunktion sind hierbei von besonderer Bedeutung. Kleine Einlagen von Haushalten und Unternehmen werden gebündelt, um große Kredite für Investitionsvorhaben vergeben zu können. Ebenso werden die unterschiedlichen Laufzeitinteressen von Gläubigern und Schuldnern in Einklang gebracht.18
Im klassischen Zinsgeschäft verdienen die Banken Geld, indem sie bei der Kreditvergabe einen höheren Zins verlangen, als sie den Sparern für ihre Einlagen entrichten. Diese Differenz wird als Zinsmarge bezeichnet. Das übrige Geld verdienen Banken, indem sie von ihren Kunden für verschiedene Dienstleistungen, zum Beispiel für die Ausführung von Kaufaufträgen an der Börse, Gebühren verlangen.19
Die einzelnen Geschäftsbereiche werden nicht bei allen Banken gleich unterteilt und bezeichnet. Die typischen Geschäftsbereiche einer Großbank sind in der folgenden Abbildung dargestellt.20 In vielen Fällen hat sich eine Bank nur auf einen der drei Großteil aller Leistungen an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Typische Geschäftsbereiche (Quelle: iconomix, eigene Darstellung)
2.2.2 Bankwesen in europäischen Ländern
Bis vor 25 Jahren waren die Bankensysteme fast aller europäischen Länder durch das so genannte Drei-Säulen-Modell gekennzeichnet, welches aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und privaten Banken besteht. Heute ist die Bedeutung der drei Bankengruppen in den verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Gemessen am Marktanteil spielen die Sparkassen insbesondere in Deutschland und Spanien nach wie vor eine wichtige Rolle. Dies ist zum Beispiel in Frankreich und Italien nicht mehr der Fall. Die Genossenschaftsbanken haben in Frankreich und Österreich eine starke Position. Nur noch in wenigen Ländern, etwa in Deutschland und Österreich, sind beide Bankengruppen wichtige Bestandteile des Systems.21 Insgesamt fällt auf, dass der Bankensektor in Deutschland mit über 1.000 Genossenschaftsbanken und 400 Sparkassen außergewöhnlich kleinteilig strukturiert ist.22 Dies wird in der folgenden Abbildung verdeutlicht, in der die Anzahl der Kreditinstitute für jedes Land im Euroraum dargestellt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Anzahl der Kreditinstitute (Quelle: ECB, eigene Darstellung)
2.2.3 Strukturwandel
„Strukturwandel meint die grundlegende Veränderung eines bestimmten Gebietes oder einer Region, oder auch einer Gesellschaft oder Bevölkerungsgruppe. Dabei geht es um die Veränderung im wirtschaftlichen Bereich, im Verkehr oder im sozialen Bereich. Jedem Strukturwandel ist gemein, dass die Veränderung grundlegend, nachhaltig und fortdauernd ist. Durch den Wandel entsteht eine neue Struktur, die ein altes, vorherrschendes Muster ablöst."23
Mit dem Ausbruch der Finanzkrise begann für europäische Banken eine neue Phase, welche dem bisher großen Wachstum der Branche ein abruptes Ende setzte. Viele Institute erlitten Verluste, schieden aus dem Markt aus oder konnten durch Übernahmen oder staatliche Eingriffe gerettet werden.24 In Abbildung 4 ist zu erkennen, dass die Anzahl der Kreditinstitute in den einzelnen Ländern zum Teil stark abgenommen hat. Insgesamt hat sich die Anzahl der Banken im Euroraum von 2008 zu 2015 um 1.294 Institute reduziert, was 21 Prozent entspricht.
Im Jahr 2009 schrumpfte erstmals die kumulierte Bilanzsumme der deutschen Banken.25 Abbildung 5 zeigt die Bilanzsumme der Banken im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). In einigen Ländern, wie Deutschland, Luxemburg und Belgien, ist ein deutlicher Unterschied von 2008 zu 2015 zu erkennen. Die Bankenbranche in Deutschland war im Jahr 2008 rund 3,5 Mal so groß wie die Wirtschaftsleistung des Landes. Im Jahr 2015 lag das Verhältnis hingegen nur noch bei 2,2 und somit unter dem Wert des Euroraums von 2,3.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Bilanzsumme im Verhältnis zum BIP (Quelle: ECB, eigene Darstellung)
Darüber hinaus haben sich in den letzten zehn Jahren weitere Entwicklungen ergeben, so zum Beispiel die Zentralisierung. Das heißt, Wertschöpfungsstufen und Funktionen wurden zur Realisierung von Skaleneffekten gebündelt. Des Weiteren fand in allen wesentlichen Geschäftsprozessen und -aktivitäten ein Automatisierungsprozess statt. Ebenso spielen das Online-Banking, die verstärkte Digitalisierung sowie die Konkurrenz durch FinTechs26 eine immer größere Rolle. Und nicht zuletzt wurden viele Maßnahmen zur Effizienzsteigerung vorgenommen.27 Unter anderem beinhaltete dies einen
Personalabbau sowie die Straffung des Filialnetzes, was in der folgenden Abbildung deutlich wird. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist die Darstellung auf einige ausgewählte Länder des Euroraums beschränkt. Im Euro-Währungsgebiet ist die Anzahl der Einwohner pro Filiale durchschnittlich um 26 Prozent und die Anzahl der Einwohner pro Bankmitarbeiter um 21 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass im Jahr 2015 mehr Einwohner auf eine Filiale beziehungsweise einen Bankmitarbeiter kamen als noch 2008.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Einwohner je Filiale und je Bankmitarbeiter (Quelle: ECB, eigene Darstellung)
Zusammenfassend ist zum Strukturwandel im Bankensektor zu sagen, dass ein nachhaltiger Konsolidierungsprozess besteht. Das heißt, in fast allen Ländern des Euroraums hat sich die Anzahl der Banken reduziert. Im gleichen Zuge wird Personal abgebaut, und Filialen werden geschlossen oder zusammengelegt. Gleichzeitig macht die Bankenbranche in den meisten Ländern in Relation zum BIP weniger aus. Des Weiteren ist ein anhaltender Trend zur Zentralisierung, Automatisierung sowie Digitalisierung erkennbar. Auch treten mit den FinTechs neue Akteure in den Markt.
[...]
1 Vgl. Deutsche Bundesbank 2015, S. 88
2 Vgl. Deutsche Bundesbank 2015, S. 175 f.
3 Vgl. European Central Bank 2017a
4 Vgl. Europäische Zentralbank 2011, S. 9
5 Vgl. Gischer, H.; Herz, B.; Menkhoff, L. 2012, S. 278
6 Vgl. Weidmann, J. 2013
7 Vgl. Stickling, H.-G.; Bauer, E.; Rotermann, B. 2016
8 Vgl. Raudjärv, M.; Hennies, M. O. 2015, S. 16
9 Hierbei handelt es sich um den Ankauf von Anleihen, Pfandbriefen und Kreditverbriefungen durch die EZB.
10 Vgl. Stickling, H.-G.; Bauer, E.; Rotermann, B. 2016
11 Vgl. Raudjärv, M.; Hennies, M. O. 2015, S. 15
12 Vgl. Troiano, M.; Romano, C. 2016, S. 3 f.
13 Vgl. Stickling, H.-G.; Bauer, E.; Rotermann, B. 2016
14 Vgl. Troiano, M.; Romano, C. 2016, S. 4
15 Vgl. Troiano, M.; Romano, C. 2016, S. 3
16 Vgl. Deutsche Bundesbank 2015, S. 88
17 Vgl. Fachgruppe Geld
18 Vgl. Richard, W.; Mühlmeyer, J. 2007, S. 15 f.
19 Vgl. iconomix 2015, S. 4
20 Vgl. iconomix 2015, S. 2
21 Vgl. Burgmaier, S.; Hüthig, S. 2015, S. 34
22 Vgl. Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle e.V. 2016
23 Pleye, M. 2017
24 Vgl. Sinn, W.; Schmundt, W. 2014, S. 10
25 Vgl. Sinn, W.; Schmundt, W. 2014, S. 10
26 „...Unternehmen, die mit Hilfe technologiebasierter Systeme spezialisierte und besonders kundenorientierte Finanzdienstleistungen anbieten." (BaFin, 2016)
27 Vgl. Sinn, W.; Schmundt, W. 2014, S. 9
- Arbeit zitieren
- Franziska Koopmann (Autor:in), 2017, Geschäftsbanken in Europa. Strukturwandel und Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der Notenbank, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359232
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