Diese Bachelorarbeit analysiert anhand einer standardisierten Befragung von aktiven Pflegefachpersonen auf Normalstation erlebte und wahrgenommene Behandlungsverlauf-Strukturen unter Berücksichtigung der Bedeutung des interdisziplinären Prozessmanagements und der generellen Rolle und Bedeutung der Pflegefachperson im Behandlungsprozess.
Zunächst werden arbeitsrelevante Begriffe literaturgestützt definiert und somit voneinander abgegrenzt. Anschließend erfolgt eine Darstellung von relevanten gegenwärtigen sozialpolitischen Entwicklungen: im Gesundheitswesen ist es für das Management zu einer elementaren Aufgabe geworden, dem Patienten zusätzlich Kundeneigenschaften zuzusprechen. Daraus resultierend müssen sämtliche patientenrelevanten Arbeitsprozesse im stationären Krankenhausalltag vermehrt kundenorientiert gestaltet werden, um ein hohes Maß an Zufriedenheit im Rahmen des Krankheitsempfindens zu erzeugen. Dies geschieht unter sich fortlaufend verändernden Bedingungen für das Pflegefachpersonal wie zum Beispiel knappere Personalplanung, Einflüsse der DRG-Regelungen, vermehrte Betreuung von multimorbiden Patienten und zunehmenden Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben. Gleichzeitig strebt die Pflege eine Professionalisierung ihres Berufsbildes an und versucht, sich in den Prozessstrukturen im Krankenhausalltag klar von anderen Berufsgruppen abzugrenzen.
Die Prozessqualität der Behandlungsverlauf-Strukturen ist jedoch in jedem Fall das Ergebnis von interdisziplinärer Kooperation und Interaktion. In welchem Maße der Patient als Kunde davon profitiert ist abhängig vom Grad des erfolgreich geplanten und durchgeführten berufsgruppenübergreifenden Prozessmanagements. Alle am Behandlungsprozess beteiligten Akteure werden ebenso exemplarisch dargestellt wie auch die verschiedenen Aspekte der Verlaufsphasen.
Eine differenzierte Darstellung der erlebten und beobachteten Prozessumsetzung aus Sicht der Pflege erfolgt durch eine quantitative, deduktive Umfrage, die anonym durchgeführt wird. Sie soll Erfahrungswerte und Beobachtungen des Personals in den jeweiligen Phasen des Behandlungsverlaufs erfassen.
In der Darstellungs- und Auswertungsphase wird literaturgestützt herausgearbeitet , an welchen Stellen der Prozessgestaltung aus Sicht des Pflegefachpersonals Optimierungsbedarf besteht, welche konkrete Rolle dabei die Pflegefachperson hat und welchen Nutzen bzw. welche Auswirkung eine dargestellte Veränderung zur Folge haben kann.
Inhalt
Gesetzestexte
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Definitionen und Grundlagen
1.1 Prozessmanagement
1.2 Qualitätsmanagement
1.3 Schnittstellenmanagement
1.4 Klinische Behandlungspfade
1.5 Case Management
1.6 Care Management
2 Darstellung von sozialpolitischen Entwicklungen
2.1 Wandel und Veränderungsbedarf in den Versorgungsstrukturen
2.2 Veränderte Wahrnehmung der Patientenrolle
2.3 Professionalisierungsbestreben der Pflege
3 Stationärer Behandlungsprozess im Krankenhausalltag
3.1 Beteiligte Berufsgruppen im Behandlungsprozess
3.2 Aufnahmemanagement
3.3 Behandlungsmanagement
3.4 Entlassungs- und Überleitungsmanagement
4 Evaluationsphase
4.1 Zielsetzung der Evaluation
4.2 Vorstellung der Mitarbeiterumfrage
4.3 Initiierung und Durchführung der Umfrage
5 Auswertung der Mitarbeiterumfrage
5.1 Differenzierte Darstellung der allgemeinen Merkmale der erhobenen Daten und der Teilnehmer
5.2 Darstellung der allgemeinen organisationsstrukturellen Informationen
5.3 Darstellung der berufspolitischen Aspekte
5.4 Darstellung der Prozessphase „Geplante Aufnahmesituation“
5.5 Darstellung der Prozessphase „Stationäre Versorgung“
5.6 Darstellung der Prozessphase „Entlassungssituation“
6 Bewertung der Mitarbeiterumfrage
6.1 Potentielle Einflussnahme der Pflegefachperson auf die Prozessqualität
6.2 Die Rolle der Pflegefachperson im interdisziplinärem Kontext
6.3 Zusammenfassung
6.4 Reflexion
Literaturverzeichnis
Anlage 1: Schaubild zu Kapitel 1
Anlage 2: Quelle Hausarbeit Rüdiger Uhl
Anlage 3: Prozesshafte Übersicht der am Behandlungsverlauf beteiligten Berufsgruppen
Anlage 4: Umfragebogen Pflegefachpersonal
Anlage 5: Auswertung des Umfragebogens
Gesetzestexte
BDSG: §11 Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten vom 20.12.1990 i.d.F.v. 25.02.2015, BGBl. 2015 I:162.
HeilBG: §3 Aufgaben der Kammern vom 19.12.2014, GVBI. 2014 I:302.
KHEntgG: §2 Krankenhausleistungen vom 23.04.2002 i.d.F.v. 10.12.2015, BGBl. 2015 I:2229.
KHG: §17b Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für DRG-Krankenhäuser vom 29.06.1972 i.d.F.v. 10.12.2015, BGBl. 2015 I:2229.
SGB V. Gesetzliche Krankenversicherung: §11 Leistungsarten vom 20.12.1988 i.d.F.v. 18.07.2016, BGBl. 2016 I:1710.
SGB V. Gesetzliche Krankenversicherung: §63 Grundsätze vom 20.12.1988 i.d.F.v. 18.07.2016, BGBl. 2016 I:1710.
SGB V. Gesetzliche Krankenversicherung: §135a Verpflichtung der Leistungserbringer zur Qualitätssicherung vom 20.12.1988 i.d.F.v. 18.07.2016, BGBl. 2016 I:1710.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Definitionen und Grundlagen
Im ersten Teil der Bachelorarbeit werden arbeitsrelevante Begriffe literaturgestützt definiert und voneinander abgegrenzt. Auf diese Weise wird eine theoretische Grundlage für das Verständnis und die Kontexterfassung geleistet.
1.1 Prozessmanagement
Zunächst wird der Begriff Prozess differenziert betrachtet und definiert:
Betriebswirtschaftlich formuliert Geiger einen Prozess als „…ein System von Tätigkeiten, das Eingaben (Input) in Ergebnisse (Output) umwandelt“ (Geiger, W. 1998: 89).
Für Horvath ist ein Prozess „…eine Folge von Aktivitäten, deren Ergebnis eine Leistung für einen (internen oder externen) Kunden darstellt“ (Horvath, P. 2003: 107).
Im QM beschreibt ein Prozess lt. Hensen „…den strukturellen Ablauf von einzelnen Tätigkeiten und Verrichtungen“ (Hensen, P. 2016: 204).
Auf die Patientenversorgung bezogen ist ein Prozess „…eine Kette von Tätigkeiten zur zeitlich vorgegebenen Schaffung von Leistungen, die in einem direkten Zusammenhang miteinander stehen...mit einem Ergebnis, das für den Patienten einen Mehrwert enthält“ (Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 26).
Prozesse, die der Gestaltung der Aufbauorganisation dienen, sind aufgrund der Verantwortungsverteilung auf verschiedene Facheinheiten funktionsorientiert. Dies kann allerdings zu Schnittstellenproblemen in Form von Informationsverlusten bzw. Qualitätsproblemen führen (vgl. Hensen, P. 2016: 210). Im Krankenhaus kann es bei einem Wechsel von Zuständigkeitsbereichen zu Problemen in der Behandlung des Patienten[1] kommen. Das Gegenkonzept stellt die Prozessorientierung dar, die sowohl die Kundenorientierung als auch die umfassende Berücksichtigung der Querschnittsfunktionen beinhaltet (vgl. Hensen, P. 2016: 211).
„Prozessmanagement bedeutet eine kontinuierliche Anpassung der Geschäftsprozesse, der Organisation sowie der IT-Landschaft an Markterfordernisse und Kundenanforderungen zur Steigerung der Wertneuschöpfung für den Kunden“ (Greiling, M.; Wüst, J. 2011: 35).
PM ist somit als Schaltstelle dem strategischen Management zuzuordnen und zielt auf eine zukunftsorientierte Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ab (vgl. Blonski, H. in Blonski, H.; Stausberg, M. 2003: 32).
Lt. Greiling und Osygus ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Unternehmen ein Ziel des PM (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 23). Für Bettig ist die Kundenzufriedenheit das oberste Ziel des PM (vgl. Bettig, U. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 131). Die Ausrichtung der Prozesse auf die Kundenbedürfnisse stellt ebenfalls ein Ziel des PM dar (vgl. Ament-Rambow, C. in Blonski, H.; Stausberg, M. 2003: 110). Die Ziele werden ideal durch eine geplante Prozessoptimierung erreicht (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 31), deren Kontrollparameter Zeit, Kosten, Qualität und die Kundenzufriedenheit darstellen (vgl. Bettig, U. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 133). Der Aspekt der Termintreue wird ebenfalls in der Literatur erwähnt (vgl. Eckardt, J. in Eckardt, J.; Sens, B. 2006: 23). Verbesserungspotentiale durch Prozessoptimierung beziehen sich im stationären Alltag auf die Verkürzung der Aufenthaltsdauer des Patienten, Reduktion von Untersuchungen, Steigerung der Zufriedenheit der am Prozess beteiligten Akteure und die Minimierung von organisatorischen Ablaufproblemen (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 32).
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Abb. 1: Fünf Phasen des Prozessmanagements (vgl. Greiling, M. ; Osygus, M. 2014: 33).
Erfolgreiches Prozessmanagement umfasst fünf Ablaufphasen (vgl. Abb. 1), die ein dynamisches System darstellen. Die vorhandenen Prozesse werden z.B. in Form eines Flussdiagramms abgebildet (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 37). Die Ist-Analyse soll strukturelle und technische Schwachstellen aufzeigen (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 40). Ein mögliches Analyseverfahren stellt die FMEA dar. In der Phase der Prozess-gestaltung werden Prozesse verändert bzw. neugestaltet. Das QFD ist als interdisziplinäre, schnittstellenorientierte und kundenorientierte Teamarbeit zu nennen (vgl. Greiling, M.; Wüst, J. 2011: 62). Die Implementierung stellt eine große Herausforderung dar, da nun die geplanten Prozesse umgesetzt werden. Es müssen fachliche und methodische Voraussetzungen erfüllt sein sowie die Akzeptanz der Mitarbeiter erreicht werden (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 46). Mögliche Implementierungsschritte sind: Dry Run [2], Wet Run [3] und Installation (vgl. Hensen, P. 2016: 220). Um eine effektive Evaluation durchführen zu können, werden idealerweise überprüfbare Kennzahlen gebildet, wie z.B. eine softwarebasierte Balanced-Scorecard: „Dabei können Ziele weiterentwickelt, Kennzahlen formuliert und Maßnahmen abgeleitet werden“ (Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 47).
Abschließend lässt sich sagen, dass PM als Führungsaufgabe die Mitarbeiter zu Partizipation, Eigenverantwortlichkeit und auch zur abteilungs- und hierarchie-übergreifenden Problemlösung führen soll, um die eingangs erwähnten Ziele bestmöglich zu erreichen (vgl. Ament-Rambow, C. in Blonski, H.; Stausberg, M. 2003: 123).
1.2 Qualitätsmanagement
„Im Sinne des Prozessmanagements ist Qualität die negative Abweichung von festgelegten Output- oder Outcome[4] -Normen“ (Zapp, W.; Oswald, J. in Zapp, W. 2010: 40). Eine allgemeine Definition stammt aus dem Jahr 1995: „Qualität ist die Gesamtheit der Merkmale einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (DIN-EN-ISO-Norm 8402 von 1995). Eine Einheit kann als ein Produkt oder eine Dienstleistung gesehen werden, sich aber auch auf Personen beziehen (vgl. Geiger, W. 2013: 346). Merkmalsdimensionen sind quantitativ (z.B. die metrische Dokumentation einer Visitendauer) oder qualitativ (z.B. der Qualifikationsgrad der Mitarbeiter) (vgl. Hensen, P. 2016: 12). Allerdings steht in der aktuellen Diskussion über Qualität und deren terminologischer Darstellung weniger eine betriebswirtschaftlich geprägte Produktqualität im Vordergrund als vielmehr die Aspekte der Kunden- und Prozessorientierung. Dabei stellt der Mitarbeiter als human capital den wichtigsten Qualitätsfaktor (vgl. Marhold, D. in Blonski, H.; Stausberg, M. 2003: 126) dar. Im Sinne der Qualitätsbestimmung und Qualitätssicherung ist Qualität der „Grad der Erfüllung (Ist) von Qualitätsanforderungen (Soll)“ (Hensen, P. 2016: 15). Die Einführung eines Qualitätsmanagements und prozessorientierter Qualitätssicherung stellt auch für Lorenz eine schlüssige Beschreibung von Qualität dar (vgl. Lorenz, D. 2006: 8).
Im Gesundheitswesen hat sich der Qualitätsansatz nach Donabedian [5] durchgesetzt, der Qualität in die Dimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität einteilt. Während Strukturqualität personenbezogene und infrastrukturelle Voraussetzungen sowie organisatorische Elemente wie die Aufbauorganisation berücksichtigt (vgl. Hensen, P. 2016: 24 f.), beschreibt die Prozessqualität die Art und Weise der Leistungserbringung im Sinne der Ablauforganisation und die Einhaltung von Vorgaben und Standards aller Teilprozesse (vgl. Hensen, P. 2016: 25). Die Ergebnisqualität entspricht zum einen dem Resultat der Transformation der Produktionsfaktoren (z.B. der Behandlungsergebnisse) und zum anderen dem Erfolg des wirtschaftlichen Ergebnisses (ebd.).
„Qualitätsmanagement beschreibt eine Managementmethode, die die Verbesserung der Qualität der erbrachten Leistung zum Gegenstand hat“ (Schrappe, M. in Lauterbach, K.W. et al. 2010: 280).
Dabei ist QM markt- und personenorientiert (im Interesse der Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten), um das qualitative und quantitative Wachstum zu steigern (vgl. Weigert, J. 2003: 31).
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Abb. 2: PDCA-Zyklus nach Deming.
Grundsätze des QM sind u.a. die Kundenorientierung, Einbeziehung aller Mitarbeiter, Prozessorientierung, Optimierungsbestreben und ein systemorientierter Managementansatz (vgl. Wolf, K.; Kossack, P. 2016: 12). QM schließt Qualitätspolitik, -planung, -ziele, -lenkung und -sicherung mit ein (vgl. Schrappe, M. in Lauterbach, K.W. et al. 2010: 281). Dies beschreibt auch der PDCA-Zyklus von Deming (vgl. Abb. 2). Die dokumentierte Sicherung der Struktur- und Prozessqualität und auch die Messung der Ergebnisqualität sind bei steigendem Kostendruck (z.B. DRGs) im Sinne einer leistungsorientierten Prozesssteuerung unabdingbar (vgl. Knon, D. et al. 2013: 14).
§135a des SGB V legt fest, dass eine Einrichtung im Gesundheitswesen mit kassenärztlichem Versorgungsauftrag ein QM-System einführen muss. Die Auswahl des konkreten Systems kann jedoch frei vorgenommen werden (vgl. Wolf, K.; Kossack, P. 2016: 14). Ein QM-System sollte idealerweise effektiv, effizient und konsistent sein (vgl. Weigert, J. 2003: 33) und als Steuerungs-instrument zur Führung einer Organisation beitragen (vgl. Kahla-Witzsch, H.A. 2010: 13). Alle im Weiteren aufgeführten QM-Modelle unterstützen die Umsetzung der Merkmale eines Qualitätsmanagementsystems (vgl. Knon, D. et al. 2013: 64).
DIN EN ISO 9001:2015 kann eine Etablierung tragfähiger Strukturen und Prozesse sowie die Erzielung von nachhaltigen Ergebnissen bewirken. Voraussetzungen dafür sind prozessorientiertes Arbeiten, risikobasiertes Planen und die Umsetzung des PDCA-Zyklus (vgl. Wolf, K.; Kossack, P. 2016: 24).
Das Modell für Excellence der EFQM stellt eine regelmäßige, systematische Selbstbewertung anhand neun festgelegter Kriterien dar u.a. mit den Zielen, einen Nutzen für den Kunden zu schaffen, die Zukunft nachhaltig zu gestalten und durch Miteinbezug der Mitarbeiter dauerhaft herausragende Ergebnisse zu erwirken (vgl. Knon, D. et al. 2013: 38).
KTQ ist ein Selbstbewertungs- und Zertifizierungsverfahren, bei dem Prozess-abläufe nach 63 Kriterien aus sechs Kategorien dokumentiert werden und im Rahmen einer externen Visitation erfasst werden. Dies ermöglicht die Darstellung des QM der Einrichtung und die Identifikation der Verbesserungspotenziale (vgl. Knon, D. et al. 2013: 53). Neben der Bewertung der einzelnen Fachabteilungen wird die gesamte Leistung prozessorientiert überprüft (vgl. Stojic, G. 2008: 12). Dies geschieht im Rahmen der Fremdbewertung durch KTQ-Visitatoren, die selbst in den Berufsfeldern des Krankenhausumfeldes arbeiten, wie Stojic weiter aufführt.
1.3 Schnittstellenmanagement
Im Gesundheits- und Sozialwesen beschreibt eine Schnittstelle den Übergang zwischen den verschiedenen Bereichen des Versorgungssystems (vgl. Ehlers, C. 2011: 78). Halbach definiert Schnittstellen „…als Berührungspunkte oder Kopplungen zwischen Objekten bzw. Systemen“ (Halbach, W.R. 1998: 168). In Krankenhäusern lassen sich Schnittstellen auf vier Ebenen beschreiben (vgl. Tab. 1).
Tab. 1: Schnittstellenmatrix eines Krankenhauses (nach Pföhler, M. 2010: 127):
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Dies bestätigt Hensen terminologisch mit intraprozessualen (entspricht den internen, organisatorischen Schnittstellen) und interprozessualen Schnittstellen (entspricht den externen organisatorischen Schnittstellen) (vgl. Hensen, P. 2016: 206). Durch eine funktionsbereichsbezogene und berufsgruppenspezifische Arbeitsgestaltung tritt ein Kompetenz- und Verantwortungswechsel auf (vgl. Hensen, P. 2016: 210), wodurch an den Schnittstellen entlang des Behandlungspfades Informationen verloren gehen, was eine patientenorientierte, ganzheitliche Versorgungssteuerung verhindert (vgl. Ehlers, C. 2011: 79). Technische Schnittstellen im Sinne der Aufbauorganisation sollten in einem Optimierungsbestreben nicht vernachlässigt bzw. unterschätzt werden. Pföhler beschreibt Folgen der Schnittstellenproblematik wie folgt:
„Schnittstellenproblematik…führt zu Leerzeiten bei Personal, Gerätschaften und Räumen, unzureichenden Informationsflüssen sowie unnötigen Doppelarbeiten und Wartezeiten“ (Pföhler, M. 2010: 49).
Ökonomisch betrachtet stellen Schnittstellen somit einen vermeidbaren Kostenfaktor dar (vgl. Stojic, G. 2008: 14). Zusätzlich können funktionale Abschottung und Intransparenz der krankenhausspezifischen Abläufe Folgen sein (vgl. Greiling, M.; Dudek, M. 2009: 69 f.). Hensen stellt fest, dass Prozessoptimierung im Sinne von Prozessmanagement oftmals dem Schnittstellenmanagement entspricht (vgl. Hensen, P. 2016: 206).
So betrachtet steht Schnittstellenmanagement für eine sektorenübergreifende Prozessoptimierung, die Funktionsbereich übergreifend Schwachstellen der Schnittstellen identifiziert, analysiert und optimiert (vgl. Reichert, M. 2000: 903).
Je weniger Schnittstellen im Verlauf der Behandlungsprozesse existieren, desto geringer sind der Koordinationsaufwand und der Informationsverlust (vgl. Greiling, M.; Dudek, M. 2009: 69). Einen möglichen Lösungsansatz der Schnittstellenproblematik stellt die Einführung von klinischen Behandlungspfaden dar (vgl. Pföhler, M. 2010: 128).
1.4 Klinische Behandlungspfade
Ihren Ursprung finden KBP in der industriellen Netzplantechnik, die seit der Einführung des fallpauschalierten Vergütungssystems in den USA in den 1980er Jahren nach und nach im Gesundheitswesen Einzug findet.
„Klinische Behandlungspfade[6] stellen den analysierten Ist-Ablauf dar und liefern somit im Rahmen des Prozessmanagements die Datengrundlage für eine Prozessoptimierung, indem sie Optimierungspotenziale aufdecken“ (Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 49).
Sie dienen somit der Standardisierung der Behandlung homogener Patientengruppen (vgl. Amelung, V.E., Schumacher, H. 2004: 193) und „…setzen mit der angestrebten Standardisierung den Prozessgedanken in logischer Konsequenz fort“ (Pföhler, M. 2010: 50), was die veränderte Ausrichtung von der funktionalen Organisationsstruktur hin zu einer bereichsübergreifenden Prozessorientierung verdeutlicht. Dies zeigt, dass KBP Methoden des PM sind. Die Gestaltung von Leitlinien, Pflegestandards und interdisziplinären Behandlungsrichtlinien (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 50 f.) wird somit gefördert. Zu beachten ist hierbei, dass es sich nicht um verbindliche Vorschriften handelt, sondern um Handlungsempfehlungen (vgl. Greiling, M.; Dudek, M. 2009: 24). Die Prozesse sollen mittels KBP gesteuert und qualitätsorientiert evaluiert und optimiert werden (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 51). Merkmale eines KBP sind Richtigkeit, Verständlichkeit, Aktualität und Verfügbarkeit (Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 52 f.). Das zeigt, dass die Einführung und Umsetzung von KBP im Sinne des PM nicht nur eine Praxisaufgabe, sondern vielmehr eine delegationsfähige Managementaufgabe ist, die nur durch strategisches Personalmanagement, gezieltes Projektmanagement und im Sinne einer Kultur des Miteinanders durch Veränderung der alten Hierarchie- und Strukturebenen erfolgreich sein kann (vgl. Greiling, M.; Dudek, M. 2009: 28). Ergebnisse einer erfolgreichen Implementierung von optimierten Prozessen können sowohl Kosteneinsparungen als auch eine gesteigerte Qualität sein, was auch von Dykes in seiner Zielsetzung neben der Verringerung der Verweildauer beschrieben wird (vgl. Dykes, P. in Dykes, P.; Wheeler, K. 2002: 34).
Ziele der Patientenpfade eines Krankenhauses können organisatorische Steuerung, Qualitätssicherung und eine Möglichkeit der Kostenkalkulation sein (vgl. Seyfarth-Metzger, I.; Vogel, S. in Hellmann, W. 2002: 35). Weiter erwähnen sie u.a. als Voraussetzung zur Umsetzung das DRG-System, die Berücksichtigung der Kunden und Mitarbeiter sowie die Orientierung im Sinne von PM unter Berücksichtigung von EFQM und KTQ (ebd.). Das entspricht dem grundlegenden Gedanken, medizinische und ökonomische Aspekte kundenorientiert zusammen zu führen. Generell verstärken fallpauschalierte Versorgungsstrukturen den Bedarf an standardisierten und optimierten Versorgungsprozessen (vgl. Hensen, P. 2016: 226). „Wettbewerb orientiertes Kostenmanagement unter den DRG ist ohne Klinische Pfade Illusion“ (Hellmann, W. in Hellmann, W. 2003: 25). Dies unterstreicht, dass für eine zukunftsorientierte Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Lösungen wie KBP unerlässlich sind. Dass aus Sicht des Einrichtungsbetreibers der Kostenfaktor trotz differenzierter Zielvorgabe dominiert, zeigt die Tatsache, dass viele Studien vorrangig ökonomische Aspekte untersuchen (vgl. Schwarzbach, M.; Ronellenfitsch, U. 2008: A-2512 /B-2135 /C-2059).
Klinische Behandlungspfade sind „…ein nützliches, interdisziplinäres Instrument, das die Sicherheit bietet, dass der Patient alle erforderlichen Elemente der Versorgung erhält, die für eine angemessene Entlassung und einen reibungslosen Übergang in die eigene Wohnung nötig sind“ (Dykes, P. in Dykes, P.; Wheeler, K. 2002: 54 f.).
In der stationären Anwendung der KBP „…werden Versorgungspläne vom Zeitpunkt der Einweisung an festgelegt und enden bei der Entlassung“ (Dykes, P. in Dykes, P.; Wheeler, K. 2002: 33). Um Behandlungspfade erfolgreich in seiner Umsetzung zu planen, sollte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zusammengestellt werden, um bereichsübergreifend die Prozessgestaltung vorzunehmen (vgl. Dykes, P. in Dykes, P.; Wheeler, K. 2002: 40). Die jeweils definierten KBP spiegeln dabei den interdisziplinären Konsens wider, der als personenabhängiges Kriterium von Klinik zu Klinik unterschiedlich sein kann (vgl. Hensen, P. 2016: 228). Versorgungspläne sind demnach standardisierte Prozessfolgen, die nach festgelegten Rastern (z.B. DRG-System) und einer gewünschten Zielsetzung (Ergebnisqualität) gestaltet werden. Hensen nennt den Begriff des multidisziplinären Versorgungsfahrplans (vgl. Hensen, P. 2016: 228).
Potentieller Nutzen von KBP liegt einerseits in der standardisierten Prozessdokumentation, die im Rahmen von Zertifizierungsmaßnahmen eine strukturierte Grundlage bietet, und andererseits in der Funktion der Orientierungshilfe für neue Mitarbeiter (vgl. Greiling, M.; Osygus, M. 2014: 51). Abb. 3 stellt die Ablaufschritte zur erfolgreichen Einführung von KBP zusammenfassend dar. Die aufsteigenden seitlichen Pfeile symbolisieren die notwendige Evaluations- und Steuerungsaufgabe des gesamten Managements.
Abb. 3: Allgemeine Ablaufschritte zur erfolgreichen Einführung von KBP (eigene Darstellung).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.5 Case Management
CM stammt von seiner Grundbedeutung her von der methodischen Einzelfallhilfe (case work) der beruflichen Sozialarbeit ab. Durch Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des Ansatzes kam es in Deutschland zu einer Anwendungs-erweiterung u.a. im Bereich des Gesundheitswesens (vgl. Löcherbach, P. in Hensen, G.; Hensen P. 2012: 155).
Die terminologische Präzisierung des Begriffs ist aufgrund des breiten Spektrums von Zielen und Aufgaben im Case Management nicht eindeutig möglich.
Während Neuffer von einem Konzept zur Unterstützung von Individuen spricht, das kontinuierlich fallorientiert stattfindet, um dem Klienten zu einem möglichst selbstständigen Lebensgestaltung zu verhelfen (Neuffer, M. 2007: 19), ist CM lt. CMSA „…a collaborative process of assessment, planning, facilitation, and advocacy for options and services…to promote quality cost-effective outcomes“ (Wendt, W.R. 2015: 25).
Die DGCC sieht CM als einzelfallorientierte Verfahrensweise in Human-diensten. „Das Handlungskonzept ist zugleich ein Programm, nach dem Leistungsprozesse in einem System der Versorgung…effektiv und effizient gesteuert werden können“ (Wendt, W.R. 2015: 25).
Im konkreten stationären Fall sollen durch CM Behandlungsprozesse optimiert und die stationäre Verweildauer reduziert werden (vgl. Ehlers, C. 2011: 84). In der stationären Anwendung ist ein Case Manager „…auch für die nachstationäre Behandlung zuständig“ (Greiling, M.; Dudek, M. 2009: 45). Diese Aufgabe übernimmt oftmals das Überleitungs- oder Entlassungsmanagement (vgl. Wendt, W.R. 2015: 217).
Die Verzahnung der ökonomischen und der interdisziplinären, therapeutischen Perspektive stellt das zentrale Ziel des CM dar, indem der Patient „…möglichst kostengünstig sektorenübergreifend zu versorgen [ist]“ (Greiling, M.; Dudek, M. 2009: 44).
Der Leitgedanke im CM ist der ganzheitliche Versorgungsansatz[7], der es ermöglichen soll, die Fähigkeiten und Stärken der Menschen[8] gezielt zu aktivieren und zu fördern (Empowerment) (vgl. Ehlers, C. 2011: 14). Neben dem Empowerment werden dem CM weitere Grundeigenschaften zugesprochen: Klienten- und Lebensweltorientierung, Ressourcenorientierung, Selbsthilfe, Zielorientierung, Förderung von Vernetzung, Effektivität und Effizienz und Versorgungskontinuität (vgl. Ehlers, C. 2011: 15). Somit lassen sich die wichtigsten Kennzeichen von CM wie folgt bestimmen: Versorgungssektor übergreifende Betreuung und Begleitung, Aufgabenabstimmung aller am Fall beteiligten Personen und Organisationen, Auswertung und Weiterentwicklung der Fallarbeit und der Versorgungskoordination (vgl. Ehlers, C. 2011: 18[9] ). Der Anspruch auf Versorgungsmanagement zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche ist im SGB V rechtlich verankert (vgl. §11 Abs.4 SGB V).
Ein Case Manager sollte verschiedene Funktionen erfüllen, die in idealtypischer Form kurz skizziert werden. In der Praxis werden sich diese Funktionen so differenziert nicht umsetzen lassen, worauf Ewers hinweist (vgl. Ewers, M. in Ewers, M.; Schaeffer, D. 2005b: 71). Die fürsprechende Funktion (Advocacy) bedeutet, dass die Interessen der Betroffenen gegenüber Behörden oder Institutionen vertreten werden (vgl. Ehlers, C. 2011: 19) sowie gegenüber der eigenen Einrichtung. Eine weitere Funktion ist die des Vermittlers (Broker) bzw. Dienstemaklers (Bezeichnung nach Wendt, W.R. 2015: 191): Der Case Manager agiert als Übersetzer zwischen dem Betroffenen und den Strukturen der sozialen und gesundheitlichen Versorgung und versorgt ihn mit Informationen (vgl. Ehlers, C. 2011: 19). Ein unabhängig arbeitender Case Manager kann diese Funktion neutral ausführen. Die im Krankenhaus wichtigste Funktion ist die Türöffner-Funktion (Gate-Keeper). Der Case Manager ermöglicht Betroffenen den Zugang zum Hilfs- und Versorgungsangebot einer Einrichtung (vgl. Wendt, W.R. 2015: 190). In diesem Zusammenhang sollte ein Case Manager aus ökonomischer Perspektive das aus der DRG-Einstufung resultierende Betriebsbudget in seine Planung miteinbeziehen (vgl. Stojic, G. 2008: 21). Zuletzt wird die unterstützende Funktion (Supporter) aufgeführt. Hierbei steht die Stärkung der Selbstbestimmung der Klienten im Vordergrund. Der Case Manager steht als Ratgeber bereit und erinnert die Betroffenen im Bedarfsfall an die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen (vgl. Wendt, W.R. 2015: 191). Im stationären Umfeld übernimmt das CM primär prozessoptimierend bzw. als Koordinator die Gate-Keeper-Funktion (vgl. Stojic, G 2008: 20). Dies begründet Stojic mit der angespannten finanziellen Situation der Krankenhäuser.
CM sollen nach internationaler Meinung ein abgeschlossenes humanberufliches Hochschulstudium vorweisen können (vgl. Wendt, W.R. 2015: 174).
Das Kompetenzprofil für Case Management wird in Tab. 2 (vgl. S. 19) dargestellt:
Tab. 2: Kompetenzprofil Case Management (vgl. Junk, M. et al. 2015: 24):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Indikationen zur Aufnahme des CM-Prozesses sind im Feld der Humandienstleistung eine komplexe Problem- bzw. Bedarfslage und eine hohe Akteursdichte (vgl. Broer, W. in Zieres, G.; Weibler, U. 2011: 22). In einem allgemeineren Rahmen können das Nicht-Greifen von Regelversorgungspfaden[10] und fehlende Ressourcen des Klientensystems als Indikatoren ergänzt werden.
CM verläuft idealerweise in verschiedenen Ablaufphasen (vgl. Abb. 4). Das Intake klärt dabei vorab, ob CM indiziert ist. Im Falle der Zusammenarbeit wird versucht, eine vertrauensvolle Arbeitsgrundlage zu schaffen (vgl. Broer, W. in Zieres, G.; Weibler, U. 2011: 25). Die Qualität des Intakes ist entscheidend für ein erfolgreiches CM, daher muss eine Einrichtung klare Indikatoren zur Aufnahme von CM-Prozessen formulieren (vgl. Kollak, I.; Schmidt, S. 2016: 11). „Die Falleinschätzung[11] beinhaltet die Erhebung, Bewertung und Dokumentation von Informationen“ (Ehlers, C. 2011: 39). Dies geschieht im CM nach dem situativen Ansatz der Betrachtung der Lebenslagen[12] der betroffenen Person (vgl. Wendt, W.R. 2015: 146). „Im Assessment kommen bei dessen ganzheitlicher Orientierung auch die Stärken einer Person zur Sprache“ (Wendt, W.R. 2015: 144). Dies verdeutlicht den Ressourcenansatz im CM. In der Phase der Zielvereinbarung und der Hilfeplanung [13] werden auf das Assessment aufbauend mit Unterstützung des Case Managers kurzfristige und langfristige Versorgungsziele formuliert (vgl. Ehlers, C. 2011: 53) und die Planung der Versorgung (care planning) vorgenommen. „Hier werden die einzelnen Teile der Zielvereinbarung geplant und festgelegt“ (Broer, W. in Zieres, G.; Weibler, U. 2011: 25). Im Sinne einer Netzwerkplanung soll durch „Linking“ in dieser Phase festgelegt werden, welche Institutionen und Beteiligte eingebunden werden (ebd.). Die sich anschließende Phase der Implementierung bzw. Monitoring sieht für den Case Manager die Rolle des Kontrolleurs bzw. des Überwachenden der Prozesse vor, der die Umsetzung und Aufrechthaltung von Vereinbarungen und Verpflichtungen der Akteure überprüft (vgl. Löcherbach, P. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 163). Die Evaluation soll den stattgefundenen CM-Prozess u.a. hinsichtlich seiner Qualität und Wirksamkeit überprüfen. Dabei betrachtet der Case Manager in Form einer Selbstevaluation die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (vgl. Broer, W. in Zieres, G.; Weibler, U. 2011: 25).
Abb. 4: Ablaufphasen des Case Managements (vgl. Ehlers, C. 2011: 31).
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Es werden drei Ebenen der Umsetzung in der Literatur beschrieben: die Fallebene, die Systemebene und die Netzwerkebene. Das versorgungsorientierte CM ist als einzelfallorientierte Arbeit der Fallebene zuzuordnen, während auf Systemebene die Optimierung von Versorgungsprozessen und Strukturen im Vordergrund steht. „Auf der Netzwerkebene steht eine sektorenübergreifend gestaltete Zusammenarbeit zwischen den Trägern im Mittelpunkt“ (Löcherbach, P. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 153).
Anmerkend sei erwähnt, dass in der Literatur oft das Konzept des Managed-Care und das moderne CM synonym bezeichnet werden. Das führt zu Verständnisproblemen, denn Managed-Care-Konzepte sollen vor allem der ökonomischen Steuerung der Krankenversorgung dienen und können somit in den ganzheitlichen Versorgungsansatz des CM integriert werden (vgl. Ewers, M. in Ewers, M; Schaeffer, D. 2005a: 46).
1.6 Care Management
Die Versorgungssteuerung und -gestaltung wird im Gesundheits- und Sozialwesen als Care Management[14] verstanden (vgl. Ehlers, C. 2011: 27). Kollak und Schmidt ergänzen den Handlungsbereich des Care Managements in ihrer terminologischen Abgrenzung um die Netzwerkarbeit (vgl. Kollak, I.; Schmidt, S. 2016: 38 f.) Somit umfasst Care Management die bereits beschrie-bene System- und Netzwerkebene. Diese Ebenen stellen in der erfolgreichen Umsetzung des CM das Fundament oder auch die Aufbauorganisation dar, was für die individuelle Arbeit mit dem Betroffenen (Ablauforganisation) auf der Fallebene von großer Bedeutung ist (vgl. Kollak,
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Abb. 5: Unterscheidung von Care und Case Management im Versorgungsverlauf (eigene Darstellung).
I.; Schmidt, S. 2016: 39), wie in Abb. 5 verdeutlicht wird. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Case Management einzelfallbezogen notwendige Vernetzungen vollführt und daher auch strategisch auf Systemebene agiert (vgl. Löcherbach, P. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 158). Den Begriff des Care Managements umschreibt er an gleicher Stelle:
„Care Management hat Politik und Versorgung, institutionelle Netz-werkarbeit und Verankerung in der Organisation zum Gegenstand“ (ebd.).
Dies unterstreicht die normative und strategische Bedeutung. Lt. Ehlers umschreibt Care Management „…die fallübergreifenden Strategien und Tätigkeiten von Case Managern und Einrichtungen, die das Ziel verfolgen, die Versorgung für eine bestimmte Zielgruppe zu verbessern“ (Ehlers, C. 2015: 18).
Die ausführliche Literaturrecherche bringt nicht nur Klarheit, sondern zeigt auch die typischen babylonischen Verwirrungen in der Definition und Abgrenzung pflegewissenschaftlicher Modelle und Begriffe. Insgesamt verzichtet der Autor auf eine umfassendere Einführung in die jeweiligen Themenbereiche, um dem inhaltlichen Schwerpunkt der Arbeit gerecht zu werden. Abschließend wird versucht, die wichtigsten Begriffe graphisch in Relation zu setzen (vgl. Anlage 1).
2 Darstellung von sozialpolitischen Entwicklungen
2.1 Wandel und Veränderungsbedarf in den Versorgungsstrukturen
Im Rahmen der Krankenhausplanung sind die Bundesländer für die Sicherstellung der stationären Versorgung der Bevölkerung zuständig. Diese soll einerseits wirtschaftlich erfolgen und andererseits dem Bedarf und den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst sein (vgl. Schmola, G.; Rapp, B. 2014: 20 f.). Somit ist die Krankenhausversorgung durch verschiedene Reformen und angepasste gesetzliche Rahmenbedingungen[15] einem ständigen Veränderungs-prozess unterworfen und verlangt vom Krankenhausmanagement hohe Flexibilität und Bereitschaft zum Verändern, um gemäß der Gesetzgebung leistungsstark und wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben.
In Tab. 3 werden ausgewählte, aktuelle Problemfelder skizziert, die eine Herausforderung für die zukünftige Gestaltung der Krankenhausversorgung darstellen. Im Anschluss folgt eine deskriptive, literaturgestützte Aufführung.
Tab. 3: Aktuelle Problemfelder mit Veränderungsbedarf in der stationären Patientenversorgung (eigene Darstellung):
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Aktuell sind im Bereich der Krankenhausversorgung generell Fachkräftemangel bzw. Stellenbesetzungsprobleme festzustellen. Im Bereich der Normalpflege können 34% der Krankenhäuser ihre Stellen nicht voll besetzen (vgl. Blum, K. et al 2013: 18). Vor allem kleinere Häuser leiden unter dem Fachkräftemangel (40% der Häuser haben offene Stellen zu verzeichnen) (vgl. Blum, K. et al. 2013: 19). Das bedeutet, dass hochgerechnet auf ganz Deutschland rund 2300 Vollkraftstellen unbesetzt sind (zutreffend für Häuser ab 50 Betten) (vgl. Blum, K. et al. 2013: 20). Der zukünftige Bedarf an Vollkraftstellen in der Pflege wird sich bis 2060 voraussichtlich auf rund 1,4 Millionen mehr als verdoppeln (2011: 673.000 Vollzeitkräfte) (vgl. Beske, F. 2016: 21).
Patienten sind durch die umfassenden Informationsmöglichkeiten des Internets deutlich aufgeklärter und somit in der Lage, Leistungsangebote zu vergleichen. Für ein Krankenhaus ist es demnach im Sinne von Benchmarking wichtig, z.B. durch eine Zertifizierung Transparenz und Vergleichbarkeit der eigenen Leistung zu erzeugen, um die Qualität der Einrichtung aufzuzeigen (vgl. Schmola, G.; Rapp, B. 2014: 14). Patienten wählen demnach nicht mehr zwingend das geographisch nächste Krankenhaus, sondern entscheiden aufgrund der Reputation und der subjektiv wahrgenommenen Qualität (vgl. Neumann, S. 2005: 182). Tatsächlich kann ein Patient mittlerweile anhand von Klinikführern vergleichbare Informationen über Krankenhäuser beziehen (vgl. Lohmann, H. in Lauterbach, K.W. et al. 2010: 417). Ab 2017 soll durch das IQTIG zusätzlich die Qualität der Behandlungsprozesse anhand des Kriteriums „Behandlungserfolge“ transparent dargestellt und den Patienten zur Verfügung gestellt werden, wie Lauterbach in einem Interview erwähnt (vgl. Bidder, B.; Teevs, C. 2016). Zusätzlich erhöht die steigende Lebenserwartung die Erwartungen der Patienten an die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens (vgl. Stojic, G. 2008: 6).
Der steigende Kostendruck im Gesundheitswesen ist in aller Munde. Steigende Personalkosten, Gesundheitsreformen und der demographische Wandel sind einige Gründe dafür (vgl. Stojic, G. 2008: 4). Ebenfalls sind steigende Gesundheitsausgaben ein wesentlicher Faktor: mit 78,8 Mrd. Euro (lt. Statistischem Bundesamt 2014) stellt der Krankenhaussektor den größten Kostenblock der Gesundheitsausgaben dar. Im Jahr 2008 waren es noch 67 Mrd. Euro (vgl. Statistisches Bundesamt 2010: 7). In den Jahren von 2000 bis 2006 war bereits ein stetiger Anstieg der Kosten bei gleichzeitiger Reduktion der Anzahl der Einrichtungen zu verzeichnen (vgl. Pföhler, M. 2010: 35). 2014 hatte jedes dritte Allgemeinkrankenhaus einen Verlust zu beklagen, wohingegen 56% einen Jahresüberschuss erwirtschaften konnten (vgl. Blum, K. et al. 2015: 84). Für das Jahr 2016 prognostizieren nur noch 19% der in der von Blum initiierten Studie befragten Häuser eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, 38,6% erwarten eine Verschlechterung (vgl. Blum, K. et al. 2015: 89). Zu der numerisch skizzierten wirtschaftlich angespannten Gesamtlage kommt eine zunehmende Investitionskostenzuteilungsproblematik: Die im Rahmen der dualistischen Finanzierung zuständigen Bundesländer kommen ihrer Zuwendungsverpflichtung immer weniger nach, auch aufgrund eigener begrenzter finanziellen Möglichkeiten (vgl. Reifferscheid, A. et al. in Klauber, J. et al. 2015: 5). Dies führt zu einer Mehrbelastung der Krankenhäuser.
Ein bekanntes Phänomen stellt der demographische Wandel dar. Bis 2060 wird die Bevölkerungszahl um 13 Mio. sinken, während die Altersgruppe 67 und älter um fünf Millionen zunehmen wird. 2013 war jeder Fünfte 65 Jahre oder älter- bereits 2030 wird das jeder Dritte sein (vgl. Beske, F. 2016: 6 f.).
„Die steigende Lebenserwartung ist mit einer Zunahme zum Teil schwerer Krankheiten und damit einem wachsenden Versorgungsbedarf verbunden“ (Beske, F. 2016: 10). Stojic führt konkret chronische Erkrankungen und Multimorbidität an (vgl. Stojic, G. 2008: 5). Gerlach et al. konstatieren, dass 82% aller Pflegebedürftigen 65 Jahre oder älter sind und prognostizieren bis 2050 einen Anstieg von 2,25 Millionen Gesamtfällen im Jahr 2007 auf 4,35 Millionen (vgl. Gerlach, F. et al. in Günster, C. et al. 2011: 30). Der erhöhte Pflege- und Versorgungsbedarf führt zu einer langen Verweildauer im Krankenhaus (vgl. Stojic, G. 2008: 6). Felder sieht im Aufschub der Mortalität in ein höheres Alter keine signifikante Relation zu den Lebensausgaben für die Gesundheit, da sie durch die Nähe zum Tod und nicht durch das reine Alter erzeugt werden (vgl. Felder, S. in Günster, C. et al. 2012: 23). Dagegen sprechen lt. Beske Berechnungen der GKV aus dem Jahr 2008, die einen mit dem Lebensalter kontinuierlich steigenden Ausgabenzuwachs feststellen (vgl. Beske, F. 2016: 11).
Krankenhäuser sind traditionell funktionsorientiert strukturiert - die Umsetzung von prozessorientierten, interdisziplinären Versorgungsabläufen gestaltet sich mühsam und erfordert Geduld. Ärzte nehmen eine herausgehobene Position in einem heterogen organisierten Arbeitsfeld ein. Somit entstehen in der Gestaltung der Behandlung Schnittstellen zu anderen Berufsgruppen (vgl. Junk, M. et al. 2015: 15 f.). Dabei wird die Aufgabengestaltung der einzelnen Berufsgruppen primär den eigenen Bedürfnissen angepasst (vgl. Ehlers, C. 2011: 83). Dominanz einzelner Personen oder Bereiche sowie ungenügende Abstimmungsprozesse zwischen behandelndem und einweisendem Arzt kennzeichnen ebenfalls bestehende Probleme (vgl. Ament-Rambow, C. in Blonski, H.; Stausberg, M. 2003: 109). Da auch auf politischer Ebene unterschiedliche Akteure eigene Interessenlagen vertreten, ist die Bedarfserfassung von Reformen eine kontroverse Herausforderung (vgl. Reifferscheid, A. et al. in Klauber, J. et al. 2015: 3). Krankenkassen fordern z.B. einen weiteren Abbau von Krankenhausbetten und weisen darauf hin, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich überproportional viele Krankenhausbetten gibt, was die Krankenhausindikatoren Bettenziffer, Verweildauer, Bettenauslastung und Krankenhausfälle bestätigen (vgl. Beske, F. 2016: 32 f.).
Während des Wandels der Versorgungsstrukturen wird durch verschiedene Ansätze versucht, den Herausforderungen zu begegnen. In folgender Tabelle werden sie zusammengefasst (vgl. Tab. 4):
Tab. 4: Lösungsansätze im Zeichen des Wandels (eigene Darstellung):
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Die Einführung eines pauschalisierten Entgeltsystems zum 01.01.2003 war ein markanter Einschnitt in die Behandlungsstruktur. Das sogenannte DRG-System ist im Krankenhausfinanzierungsgesetz verankert. Ziel war es, mit einem durchgängigen, leistungsorientierten und pauschalisierten Vergütungssystem Komplexitäten praktikabel umzusetzen (vgl. §17b KHG). „Prozedural wird inner-halb des DRG-Systems jeder Behandlungsfall genau einer Fallpauschale zugeordnet“ (Dziewas, R. 2011: 13). Es werden Haupt- und Nebendiagnosen basierend auf dem ICD-10 sowie OPS erfasst und mittels DRG-Grouper als DRG herausgebildet (vgl. Schmola, G; Rapp, B. 2014: 34 f.) Die Finanzierung über tagesgleiche Pflegesätze wurde somit von einer prospektiven pauschalisierten Vergütungssystematik abgelöst (vgl. Reifferscheid, A. et al. in Klauber, J. et al. 2013: 3 f.). Das stellt einen ökonomischen Anreiz zur Erzielung einer effizienten Leistungsherstellung dar. Das für Deutschland verfeinerte G-DRG wird jährlich aktualisiert. DRGs sollen Leistungen transparent und vergleichbar aufzeigen, die Behandlungsqualität verbessern, die Verweildauer verkürzen und eine Optimierung der Ablauf- und Aufbauorganisation erzielen. Somit sollen die Krankenhäuser bewusst Kosten ohne einhergehenden Qualitätsverlust einsparen (vgl. Stojic G. 2008: 7). Seyfarth-Metzger und Vogel berichteten 2002, dass sich in anderen Ländern, die DRG-Systeme anwenden, „…die Transparenz in Bezug auf Leistungen und Kosten erheblich verbessert hat“ (Seyfarth-Metzger, I.; Vogel, S. in Hellmann, W. 2002: 20).
Die numerische Entwicklung der DRG-Fälle in Deutschland zwischen 2007 und 2011 zeigt einen Anstieg um 6,7% auf 17,7 Mio. (vgl. Blum, K.; Offermanns, M. 2012: 8). Gleichzeitig wurden im Zeitraum von 2004 bis 2014 186 Krankenhäuser geschlossen (8,5%), 30.653 Betten abgebaut (5,7%), die Verweildauer auf 7,4 Tage reduziert (von 8,7) und die Krankenhausfälle auf 19,1 Mio. erhöht (von 16,8 Mio.) (vgl. Geschäftsbericht DKB 2015: 45). Zur Existenzsicherung eines Krankenhauses ist es also wichtig, interne Prozesse zu optimieren und damit individuelle Kosten zu reduzieren, zumal auch die DRG-Einführung den Kostenanstieg in der Krankenhausversorgung nicht aufhalten konnte (vgl. Reifferscheid, A. et al. in Klauber, J. et al. 2013: 17).
In den USA konnte beobachtet werden, dass die Verkürzung der Verweildauer einen Kosten- und Leistungsanstieg in der poststationären und ambulanten Pflege zur Folge hatte (vgl. Stojic, G. 2008: 8) und somit die Kostenreduktion der Krankenhäuser lediglich eine Verlagerung innerhalb des Gesundheitssystems darstellt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass individuelle Pflegeleistungen im DRG-System nicht abgebildet werden können (vgl. Bücker, T. 2011: 36) und die DRG-Einführung einen bestehenden Trend der Betten- und Krankenhauszahl-reduzierung nur gering beeinflusst hat (vgl. Dziewas, R. 2011: 29).
Wie schon aufgeführt, ist insbesondere im Bereich der stationären Pflege ein Fachpersonalmangel zu beobachten. Im Rahmen einer gezielten Personalplanung muss der Fokus zukünftig vermehrt auf Anwerbung und Integration von ausländischen Fachkräften liegen (vgl. Schmola, G.; Rapp, B. 2014: 13) und auf die Etablierung von Personalpools in der Pflege als Steuerungsinstrument (vgl. Schmidt-Rumposch, A. 2016: 389) gesetzt werden.
Eine weitere Maßnahme ist die Spezialisierung der medizinischen Versorgung in Fachkrankenhäusern, die in Kooperation zu anderen Fach-einrichtungen stehen (vgl. Beske, F. 2016: 33). Lt. Beske haben kleinere Krankenhäuser nur so eine Zukunftsperspektive (vgl. Beske, F. 2016: 36 f.).
Die Problematik der sektoralen Versorgung kann nur mit einer Neugestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation gelöst werden. Dabei ist die Delegationsfähigkeit von ärztlichen Maßnahmen, die von Pflegekräften[16] übernommen werden können, sowie pflegerische Maßnahmen, die auf nicht-examiniertes Personal zu übertragen sind, zu prüfen (vgl. Schmola, G.; Rapp, B. 2014: 13).
Ebenfalls muss die einseitige Dominanz der Ärzteschaft im Sinne einer sektorenübergreifenden Versorgung abgebaut werden, wie auch Seyfert in Bezug auf das zukünftige Aufgabengebiet des „Leitenden Arztes“ beschreibt (vgl. Seyfert, U.T. in Hellmann, W. 2003: 39 f.). Die Notwendigkeit von transparenten QM-Systemen wurde bereits thematisiert. So sieht Ehlers das CM als Strategie, der Einführung der pauschalisierten Vergütung und den gesetzlichen Anforderungen des QM erfolgreich zu begegnen (vgl. Ehlers, C. 2011: 84).
Wie schon beschrieben wird der ambulante Sektor durch die Einführung der DRGs in Form von Kostenverlagerungen beeinflusst. Dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ muss aus Sicht der Krankenhäuser verstärkt Folge geleistet werden, da eine Optimierung der Behandlungsabläufe zu einer verstärkten vorstationären Behandlung führt (vgl. Dziewas, R. 2011: 38). Eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringer (Krankenhaus, ambulantem Sektor) und Kostenträger (gesetzliche und private Krankenkassen) ist demnach in Zukunft bedeutend und kann Kosten reduzieren und Qualität verbessern (vgl. Schmola, G.; Rapp, B. 2014: 13).
Will ein Krankenhaus also den steigenden Fallzahlen immer älter werdender Patienten erfolgreich gegenüberstehen, kann nur eine fortlaufende und dynamische Prozessoptimierung und Realisierung von Einsparpotenzialen der erste Lösungsansatz sein. Dessen Erfolgsaussicht ist bei den ständig verän-derten Bedingungen allerdings kaum vorhersehbar (vgl. Lux, G. et al. in Klauber, J. et al. 2013: 81 f.). Ebenfalls steht der in diesem Kapitel beschriebenen Neuausrichtung der Krankenhauslandschaft der Interessendissens der verschie-denen Akteure im Weg. Eine politische Anpassung an veränderte Versorgungs-anforderungen kann nachhaltig nur durch Einschnitte oder Zugeständnisse möglich werden (vgl. Reifferscheid, A. et al. in Klauber, J. et al. 2015: 11).
2.2 Veränderte Wahrnehmung der Patientenrolle
Patienten im stationären Kontext stehen dem Krankenhaus als Leistungsnehmer in einer nicht-schlüssigen Austauschbeziehung gegenüber. D.h. sie erheben gegenüber dem Kostenträger einen Anspruch auf eine Dienstleistung, die durch den Leistungsgeber erbracht wird. Der wiederum hat mit dem Kostenträger entsprechende vertragliche Regelungen zur Verpflichtung zur Leistungs-erbringung bei monetärer Gegenleistung getroffen (vgl. Kortendieck, G. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 81). Auf das Verhältnis zwischen Krankenhaus und Patient bezogen ergibt sich folgende Beziehung (vgl. Abb. 6):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Interaktionsebene Krankenhaus und Patient (eigene Darstellung).
Das Krankenhaus erhält demnach vom Patienten keine konkrete Gegenleistung für die Leistungserbringung. Somit ist es terminologisch schwer, das im marktwirtschaftlichen Sinne beschriebene „gleichberechtigte Vertrauensver-hältnis“ zwischen Anbieter und Nachfrager auf das Gesundheitswesen zu projizieren (vgl. Kortendieck, G. in Hensen, G.; Hensen, P. 2012: 82 f.). In der fachbezogenen Literatur wird versucht, dem Patientenbegriff Kunden-eigenschaften zu übertragen. Teilweise gab es Bestrebungen, den Begriff des „Nutzers“ anstelle des Patienten in die Diskussion einzubringen, was sich aber zunehmend als Umetikettierung des Kundenbegriffs herausgestellt hat (vgl. Hensen, P. 2016: 238). Hensen beschreibt weiter, dass dem Patienten Eigenschaften des Kundenbegriffs zugesprochen werden müssen. Mediale Vernetzung verhilft Patienten zu einer gesteigerten Handlungs- und Bewertungssouveränität, was zu einer gesteigerten Qualitätserwartung führt (vgl. Uhl, R. 2016: 15[17] ). Stachel versucht, den Kunden- und Patientenbegriff abzugrenzen (vgl. Tab. 5).
Tab. 5: Unterscheidung von Kunde und Patient (nach Stachel, K. 2008: 56):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anhand dieser Auflistung wird deutlich, dass im Hinblick auf die Gestaltung patientenorientierter Behandlungsprozesse und der damit verbundenen gesteigerten Entscheidungs- und Bewertungskompetenz der Patienten diese durchaus in diesem Kontext gleichwertig als Kunden bezeichnet werden können. Dem Patienten werden durch Verwendung des Kundenbegriffes Rechte und Ansprüche zugesprochen (vgl. Hensen, P. 2016: 239). Bei näherer Betrachtung wird klar, dass sich die Kundenrolle in dem System nicht-schlüssiger Austauschbeziehungen auf verschiedene Personenkreise verteilt: Neben dem Patient als Kunde sind zum einen die Krankenkassen und die zuweisenden niedergelassenen Ärzte in Funktion von Bedürfnisvertretern der Patienten als Kunden der Leistungsanbieter zu erwähnen (vgl. Ziring, M. in Lauterbach, K.W. et al. 2010: 395 f.). Zum anderen wird an gleicher Stelle die steigende Bedeutung der Angehörigen von Patienten beschrieben, die insbesondere bei Beschwerden als Fürsprecher der Patientenbedürfnisse fungieren und somit die souveräne Kundenrolle einnehmen können. Die Berücksichtigung des sozialen Umfeldes des Patienten entspricht einem ganzheitlichen Versorgungsansatz.
In der ökonomischen Betrachtung beanspruchen Patienten als Zielgruppe von Dienstleistungen die Kundenrolle. Dabei beschreiben Rapp und Schmola, dass Patienten vor allem dann verärgert sind, „…wenn Dinge mit ihnen geschehen, die ihren normalen Verhaltensweisen widersprechen“ (Schmola, G.; Rapp, B. 2014: 130). Beispielsweise werden hier lange Wartezeiten, Flurbetten oder unangemessene Ansprache durch Mitarbeiter erwähnt. Ziring schreibt dazu bezugnehmend auf die ärztliche Behandlung: „Je unrealistischer die Erwartung ist, desto wahrscheinlicher ist die Entstehung von Unzufriedenheit“ (Ziring, M. in Lauterbach, K.W. et al. 2010: 396). Anzumerken ist hierbei, dass die Erwartung „Heilung“ nicht für jeden Patienten erreicht werden kann. Dennoch kommt der Aspekt der ganzheitlichen und situationsgerechten Behandlungsorientierung zur Geltung. Eine transparente Informationspolitik kann Erwartungen in realistische Bahnen lenken. Verglichen mit Abb. 6 sieht das QM die Krankenhaus-Patienten-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Produktionsprozess der Ergebnisqualität im Krankenhaus (eigene Darstellung).
Beziehung aus ethischen Gründen auf einer gleichberechtigten Ebene (vgl. Abb. 7), da der Leistungsempfänger Teil des „Produktionsprozesses“ ist und somit Einfluss auf die Ergebnisqualität nehmen kann (vgl. Hensen, P. 2016: 238 f.). Gerade im Rahmen der Aufnahmesituation ist es von großer Bedeutung, dass der in der Regel unfreiwillig eingewiesene, verunsicherte, mitunter schmerzgeplagte und teilweise ängstliche Patient nicht aufgrund der institutionellen Dominanz souverän agierender Akteure in eine einseitige Abhängigkeit gelangt. Natürlich kann der Patient als Kunde auf fachlicher Ebene nicht gleichberechtigt agieren, wenngleich er durch die mediale Durchdringungskraft deutlich sensibilisierter und kritischer handelt und reagiert (vgl. Blum, K.; Offermanns, M. 2012: 17). Ein neutraler Case Manager kann beispielsweise die Advocacy-Funktion einnehmen und damit die notwendigen Kundeneigenschaften übernehmen.
[...]
[1] Zur Vereinfachung wird stets die maskuline Form verwendet
[2] Theoretische Vorabberatung
[3] Probelauf im Sinne eines Pretests
[4] Synonym für Ergebnisqualität
[5] Avedis Donabedian (7. Januar 1919 – 9. November 2000), Gesundheitswissenschaftler
[6] Synonym für interdisziplinäre Behandlungspfade, Critical Pathways, integrierte Patientenpfade oder integrierte Versorgungspfade
[7] Umfasst lt. Ehlers körperliche, geistig-seelische, soziale, finanzielle und kulturelle Merkmale der Menschen
[8] Fähigkeiten und Stärken der Menschen werden auch als Selbsthilfepotenziale bezeichnet
[9] Nach Ewers, M. in Ewers, M.; Schaeffer, D. 2005: 53–90
[10] Synonym für Klinische Behandlungspfade
[11] Synonym für Assessment
[12] Dimensionen der Lebenslagen nach Wendt: Außenwelt/ Sozialraum, Lebensentwurf/ Perspektiven, persönliche Disposition/ Innenwelt und Lebensgeschichte/ Biographie
[13] Wird in der Literatur sowohl als eine als auch als geteilte Phase betrachtet
[14] Synonym entsprechend der Übersetzung ins Deutsche: Versorgungsmanagement
[15] Z.B. Anpassung des KHSG, KHG, Krankenhausgesetze der Länder
[16] Synonym für Pflegefachperson, Krankenpfleger oder Gesundheits- und Krankenpfleger; im Folgenden wählt der Autor die Bezeichnung „Pflegefachperson“
[17] Siehe Anlage 2
- Quote paper
- Rüdiger Uhl (Author), 2016, Die Rolle der Pflegekraft im interdisziplinären Patientenmanagement im Kontext von sozialpolitischen Entwicklungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358935
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