Das Feld der Regionalpolitik rückt in einer wachsenden EU und damit sich verschärfenden regionalen Disparitäten und stetig steigenden europäischen Ausgaben immer mehr in den Blickpunkt. Dabei ist die Raumwirtschaftspolitik, wie sie oft synonym verwendet wird, primär nationalstaatlich entstanden. Bei aller wirtschaftstheoretischen Fundierung muss berücksichtigt werden, dass das Feld nicht nur der ökonomischen Rationalität sondern vor allem auch den Zwängen der Politik gehorcht. Regionalpolitik wird in diesem Kontext als „institutionelle Arrangements, Entscheidungsprozesse und Maßnahmen“, bezogen auf Regionen und deren wirtschaftliche Entwicklung verstanden. (Conzelmann, 2002, S.17) Das Hauptthema meiner Arbeit ist neben der Vorstellung der theoretischen Fundierung und Instrumente der Regionalpolitik die Frage, ob die Maßnahmen, allen voran die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“, überhaupt sinnvoll sind aus gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht - geben sie Anlass zur Hoffnung für die Regionen oder zu Resignation ? [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Fundierung der Regionalpolitik aus ökonomischer Sicht
3. Staatliche Steuerung der Raumgestaltung
3.1 Strategien der Raumgestaltung
3.2 indirekte Steuerung der Regionalentwicklung
4. Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA)
4.1 Geschichte und Grundlagen der GA
4.2 Voraussetzungen und Durchführung der GA
5. Regionalprogramme in Schleswig Holstein
5.1 Geschichte der Regionalpolitik
5.2 Das Regionalprogramm 2000 in Schleswig-Holstein
6. Kritische Betrachtung der Regionalpolitik
6.1 Probleme bei der Evaluierung
6.2 Ergebnisse der Maßnahmen und Bewertung
6.2.1 Bewertung der GA auf Bundesebene
6.2.2 Evaluierung der Regionalprogramme in Schleswig-Holstein
6.3 Generelle Probleme der Regionalpolitik
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Feld der Regionalpolitik rückt in einer wachsenden EU und damit sich verschärfenden regionalen Disparitäten und stetig steigenden europäischen Ausgaben immer mehr in den Blickpunkt. Dabei ist die Raumwirtschaftspolitik, wie sie oft synonym verwendet wird, primär nationalstaatlich entstanden. Bei aller wirtschaftstheoretischen Fundierung muss berücksichtigt werden, dass das Feld nicht nur der ökonomischen Rationalität sondern vor allem auch den Zwängen der Politik gehorcht. Regionalpolitik wird in diesem Kontext als „institutionelle Arrangements, Entscheidungsprozesse und Maßnahmen“, bezogen auf Regionen und deren wirtschaftliche Entwicklung verstanden. (Conzelmann, 2002, S.17)
Das Hauptthema meiner Arbeit ist neben der Vorstellung der theoretischen Fundierung und Instrumente der Regionalpolitik die Frage, ob die Maßnahmen, allen voran die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“, überhaupt sinnvoll sind aus gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht – geben sie Anlass zur Hoffnung für die Regionen oder zu Resignation ?
2. Theoretische Fundierung der Regionalpolitik aus ökonomischer Sicht
Die Regionalpolitik in Deutschland befindet sich in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Wachstums- und dem Ausgleichsziel. Art.72, Abs.2 GG fordert die Herstellung der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ und ist somit als Begründung für einen relativen Ausgleich der Wirtschaftskraft der unterschiedlichen Regionen in Deutschland anzusehen. Art.109, Abs.2 GG betont jedoch die Verantwortung des Staats für das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“, was ein Wachstumsziel legitimiert, nach dem möglichst ein maximales Einkommen im gesamten Wirtschaftsraum Deutschland zu erzielen ist, das nicht nach einzelnen Regionen differenziert und so Disparitäten in Kauf nimmt. Über die Möglichkeit, diese beiden Ziele zu harmonisieren gibt es in der Literatur konträre Meinungen. Die Regionalpolitik in Deutschland versucht beide Ziele zu erreichen. (Conzelmann, 2002, S.127)
Dazu gründet sie sich auf drei verschiedene Säulen, die Export-Basis-Theorie, das Zentrale-Orte-System sowie die Theorie der öffentlichen Güter.
Die Export-Basis-Theorie besagt, dass überregional wirtschaftende Betriebe durch Export zusätzliches Einkommen für die Region erzielen, was zusätzliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aus der Region erzeugt. Die so erzeugte Wachstumsdynamik wird nach Primäreffekten und Sekundäreffekten unterschieden. Als Primäreffekt bezeichnet man die unmittelbare und andauernde Steigerung des Gesamteinkommens der Region, erzielt von den exportierenden Betrieben mit den Verkaufserlösen. Diese „Basis-Betriebe“ und ihre Aktivitäten sind zentral für die Wohlfahrtseffekte und die Einkommenssteigerung einer Region und deshalb laut der Theorie besonders förderungswürdig und dem Wachstumsziel zuzuordnen. Die Sekundäreffekte bezeichnen die zusätzliche Nachfrage nach lokalen Gütern durch das erhöhte Kapitalangebot, welche auch „Nicht-Basis-Betriebe“ in ihrem Wirtschaften positiv beeinflusst. Die „Nicht-Basis-Betriebe“ sind lokale Produzenten für den täglichen Bedarf, die keinen Einkommenszugewinn für die Region generieren, sondern nur für den innerregionalen Kapitalaustausch zuständig sind. (Conzelmann, 2002, S.125)
Das Zentrale-Orte-System ist in Deutschland eine theoretische Grundlage der Raumplanung und basiert auf der Standorttheorie von Christaller, die Orten verschiedener Hierarchiestufen unterschiedliche Versorgungsfunktionen zuweist. Die Regionalpolitik konzentriert ihre Mittel räumlich auf Wachstumszentren innerhalb des Systems und nicht auf bedürftige Gebiete oder ländliche Räume, da eine Mindestausstattung mit Produktionsfaktoren nicht in allen Orten gegeben ist und dieses Niveau zu erreichen nicht überall möglich ist. Aufgrund dieser Konzentration auf Entwicklungskerne, die dann positive Effekte auf das Umland ausstrahlen sollen, sogenannte „spill-over“-Effekte, kann diese Grundlage ebenfalls wachstums- anstatt ausgleichsorientiert genannt werden. (Conzelmann, 2002, S.126)
Die Theorie der öffentlichen Güter weist der Infrastruktur als zentrales öffentliches Gut eine limitierende Wirkung für die wirtschaftliche Entwicklung zu. Öffentliche Güter werden dabei als Sach- und Dienstleistungen verstanden, die eine Gesellschaft funktionsfähig erhalten, aber nicht von privaten Unternehmen erbracht werden. (von Sachs, 2002, S.37)
Infrastruktur unterscheidet man in materielle, die zur Erbringung notwendiger Vorleistungen für den privaten Sektor dienen, institutionelle, unter der man den rechtlich-sozialen Rahmen versteht, sowie die personelle Infrastruktur, die hauptsächlich das Humankapital betrifft. Die Bereitstellung dieser Infrastrukturen wird in der Theorie als entscheidend für die Attraktivität für mobile Produktionsfaktoren angesehen, deren Verteilung für die Herausbildung von regionalen Strukturen verantwortlich ist. Ist eine Region mit zu wenig Infrastruktur ausgestattet, so verhindert das die wirtschaftliche Entwicklung, der Staat gerät also unter Druck, von diesem Engpassfaktor mehr zur Verfügung zu stellen. Andererseits kann der Staat auch freiwillig vorher aktiv werden und im voraus in Infrastruktur zu investieren, um späteres Wachstum zu begünstigen. (von Sachs, 2002, S.38)
Die ökonomische Begründung für ein Eingreifen des Staats lässt sich aus dem Problem des Marktversagens ableiten. Wenn es im realen marktwirtschaftlichen Allokationsprozess entgegen der Theorie eines perfekten Marktes nicht zu einer optimalen räumlichen Anordnung der Produktionsfaktoren kommt, so entstehen disparitäre Standort- und Regionalstrukturen. Gründe für Marktversagen können externe Effekte sein wie technische Neuerungen, die beispielsweise räumliche Konzentrationsprozesse mit ihren Agglomerationsvor- und Nachteilen verursachen. Informationsmängel der Marktteilnehmer sind ebenso wie Mobilitätshemmnisse ursächlich dafür, dass es oft keine interregionalen Wanderungen der mobilen Produktionsfaktoren gibt, also beispielsweise Arbeitskräfte eher in einer Region arbeitslos bleiben als in eine andere Region mit freien Arbeitsplätzen ziehen. (Schätzl, 1994, S.18) In der Wissenschaft gibt es viele unterschiedliche Meinungen und Begründungen, ob ein Eingreifen des Staats wirklich notwendig ist und entsprechend viele verschiedene Lösungsansätze zur Behebung des Problems des Marktversagens.
Für die Export-Basis-Theorie legitimiert ein Marktversagen das Eingreifen des Staats in Form einer Förderung des Exportsektors, da sonst nur eine schwache Einkommensentwicklung stattfände. In der Zentrale-Orte-Theorie findet sich dagegen keine Notwendigkeit zum Eingreifen, weil das Modell einen optimalen räumlichen Zustand impliziert. Aus der Theorie der öffentlichen Güter (auch „Theorie der Infrastruktur“ genannt) lässt sich ableiten, dem endogenen Potential einer Region erntsprechend ausreichend Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. (von Sachs, 2002, S.42)
3. Staatliche Steuerung der Raumgestaltung
3.1 Strategien der Raumgestaltung
Wenn Disparitäten erkennbar sind und eine Entscheidung zum Eingreifen gefällt wurde, so müssen einige Vorraussetzungen geklärt sein, um geeignete Strategien zur Raumgestaltung zu erstellen. Erstens muß die Ausgangslage empirisch erfasst sein. Zweitens müssen die Ursachen der Unterentwicklung theoriegeleitet geklärt sein und drittens müssen regionalpolitische Ziele gesetzt werden, die es zu erreichen gilt. Je nach theoretischer Konzeption gibt es verschiedene zu treffende Grundsatzentscheidungen, von denen ich zwei Bereiche kurz erklären will.
Die Frage einer aktiven vs. einer passiven Sanierung betrifft die Entscheidung, ob in strukturschwachen Regionen, gekennzeichnet unter anderem durch die Abwanderung mobiler Produktionsfaktoren, eine hohen Arbeitslosigkeit und eine niedrige Produktivität, der Schrumpfungsprozess beschleunigt oder ihm entgegengewirkt werden soll.
Die aktive Sanierung ist am Ausgleichsziel orientiert, der Staat soll einer Entleerung entgegenwirken und ökonomische Aktivitäten induzieren. Strittig ist, wie das erreicht wird, hauptsächlich werden jedoch der Infrastrukturausbau, um regionale Standortbedingungen zu verbessern, und das Anlocken von Wachstumsbranchen aus höher entwickelten Regionen präferiert. Die Verfechter einer passive Sanierung sind dagegen am Wachstumsziel orientiert. Der Staat soll die Entleerung beschleunigen, um mobile Produktionsfaktoren aus schwachen in höher entwickelte Regionen zu lenken und so eine höhere Produktivität und schließlich ein Gesamtwirtschaftswachstum erzeugen. Instrumente hierfür wären die Subventionierung der Abwanderung von Arbeitskräften. (Schätzl, 1994, S.31)
Die Grundsatzentscheidung einer Entwicklung „von oben“ vs. „von unten“ wirft die Frage auf, welche hierarchische Ebene die Raumentwicklung steuern soll, also die politischen Entscheidungen treffen soll einerseits, und andererseits von wo die Entwicklung ausgehen soll um die Zentrums-Peripherie-Struktur zu überwinden, dem Zentrum oder der Peripherie.
Die Entwicklung „von oben“ propagiert die Verantwortung einer zentralen Behörde, die für das gesamte Raumsystem Lageanalysen durchführt, Ziele festlegt, den Instrumenteneinsatz durchführt und anschließend kontrolliert. Der Ausgangspunkt wirtschaftlichen Wachstums ist das Zentrum, von wo aus Sickereffekte und Entwicklungsimpulse auf das Umland wirken. Die Ausbreitung dieser Effekte soll beschleunigt werden als regionalpolitische Maßnahme. Instrumente sind die Förderung von Diffusion, Umverteilung von Ressourcen sowie ein hierarchisches Standortsystem. Die „Entwicklung von unten“ zielt auf eine Dezentralisierung der Entscheidungsträger auf Teilgebiete eines Raumsystems ab, um Kontrollfunktionen und Ressourcen regional anzusiedeln, da diese oft besser vor Ort die Probleme kennen und räumliche Schwerpunkte setzen können. Es soll eine partielle Abkopplung schwacher Regionen vom Zentrum geschehen, damit negative Entzugseffekte abgewehrt werden. Endogene Potentiale werden laut Theorie mobilisiert und erzeugen so Wirtschaftswachstum. Dafür ist jedoch ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Ressourcen notwendig. (Schätzl, 1994, S.29)
3.2 indirekte Steuerung der Regionalentwicklung
Unter einer indirekten Steuerung der Regionalentwicklung versteht man Eingriffe sektoraler Art, also branchenspezifische, deren Wirkungen nicht direkt auf bestimmte Regionen zielen, sondern für den jeweils gewählten Sektor insgesamt positive Effekte schaffen sollen. (Liefner und Schätzl, 1998, S.288) Die indirekten Maßnahmen ergeben einen viel größeren Betrag als die direkte Steuerung der Regionalentwicklung, so dass sie hier kurz dargestellt werden sollen. Einen wichtigen Teil nimmt hierbei die Industriepolitik von staatlicher Seite ein, die auf einzelne Sektoren konzentriert ist. Instrumente hierbei sind beispielsweise Preisfixierungen im Agrarsektor, Handelshemmnisse wie Kontingente und Zölle, Technologietransfer durch Beratung sowie im weiteren Sinne Subventionen. Der Staat hat dabei die Möglichkeit, strukturgestaltend oder strukturerhaltend zu agieren.
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- Arbeit zitieren
- Lars Schieber (Autor:in), 2005, Regionalpolitische Maßnahmen auf Länder- und Bundesebene: Hoffnung oder Resignation?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35867
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