Im vorliegenden Urteil galt es seitens des IX. Senats des Bundesgerichtshofes festzustellen, ob die Kenntnis des Gläubigers von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 I S.2 InsO vorliegt und diese einen Anfechtungstatbestand begründe. Eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners wird regelmäßig schon vermutet, wenn der Gläubiger eine Inkongruenz der Leistung des Schuldners bemerkt oder wenn ein Anzeichen in den Handlungen des Schuldners auf eine Zahlungsunfähigkeit hinweist.
Der zu einem Urteil führende Sachverhalt beinhaltet zwei Streitparteien. Der Insolvenzverwalter
(nachfolgend: Klägerin) nimmt den Gläubiger (nachfolgend: Beklagte) auf Rückzahlung einer Vergleichszahlung im Rahmen der Insolvenzanfechtung gem. § 133 I S.2 InsO in Anspruch. Der Beklagten stunden fällige Forderungen in Höhe von € 59.703,20 zu. Mit Hilfe einer rechtskräftigen Titulierung von insgesamt € 25.416,85 erfolgte ein erfolgloser Versuch der Pfändung des Bankguthabens. Hierbei erhielt die Beklagte die Information, dass einerseits kein pfändbares Guthaben und andererseits bereits Vorpfändungen in Höhe von € 16.000 bestünden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 BGH Urteil vom 12.05.2016 - IX ZR 65/14
1.1 Sachverhalt
1.2 Problematik
2 Anforderungen an Sanierungskonzepte zur Exkulpation des Gläubigers von der Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners
2.1 Die Schlüssigkeit des Sanierungskonzeptes und die Prognose der Durchführbarkeit
2.2 Analyse der wirtschaftlichen Ausgangslage des schuldnerischen Unternehmens
2.3 Analyse der Krisenursachen und des derzeitig vorliegenden Stadiums
2.4 Angaben über die Art der Durchführung/Anfordern von Informationen .
2.5 Art und Nachhaltigkeit der Sanierung
2.6 Integrierte Unternehmensplanung
2.7 Anwendbarkeit des Sanierungskonzeptes nach BGH vom 12.05.2016, IX ZR 65/14
3 Auswirkungen des BGH Urteils vom 12.05.2016, IX ZR 65/14
4 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 BGH Urteil vom 12.05.2016- IX ZR 65/14
Im vorliegenden Urteil galt es seitens des IX. Senats des Bundesgerichtshofes festzustellen, ob die Kenntnis des Gläubigers von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 I S.2 InsO vorliegt und diese einen Anfechtungstatbestand begründe. Eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners wird regelmäßig schon vermutet, wenn der Gläubiger eine Inkongruenz der Leistung des Schuldners bemerkt1 oderwenn ein Anzeichen in den Handlungen des Schuldners auf eine Zahlungsunfähigkeit hinweist.2
1.1 Sachverhalt
Der zu einem Urteil führende Sachverhalt beinhaltet zwei Streitparteien. Der Insolvenzverwalter (nachfolgend: Klägerin) nimmt den Gläubiger (nachfolgend: Beklagte) auf Rückzahlung einer Vergleichszahlung im Rahmen der Insolvenzanfechtung gem. § 133 I S.2 InsO in Anspruch. Der Beklagten stunden fällige Forderungen in Höhe von € 59.703,20 zu. Mit Hilfe einer rechtskräftigen Titulierung von insgesamt € 25.416,85 erfolgte ein erfolgloser Versuch der Pfändung des Bankguthabens. Hierbei erhielt die Beklagte die Information, dass einerseits kein pfändbares Guthaben und andererseits bereits Vorpfändungen in Höhe von € 16.000 bestünden.3
Infolgedessen erhielt die Beklagte einen Vergleichsvorschlag von der seitens der Schuldnerin beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hierbei erhielt die Beklagte Kenntnis über eine buchmäßige Überschuldung der Schuldnerin und eine drohende Zahlungsunfähigkeit, welche nur mit Hilfe eines Konzeptes über einen gemeinschaftlichen Forderungsverzicht seitens der Gläubiger abgewendet werden könne.4 Es erfolgte eine Zustimmung der Beklagten Daraus resultierte eine, zwar begründet verzögerte, aber getätigte Vergleichszahlung in Höhe von € 20.896,12.5 Diese Zahlung wurde im vorliegenden Fall zum Anfechtungsgegenstand, da am 20. Januar 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet wurde.6
1.2 Problematik
Ausgangszweck des § 133 InsO ist nicht nur die Wahrung des Grundsatzes „par conditio creditorum“7, sondern vielmehr die Reaktion auf inadäquates Verhalten des Schuldners mit gleichzeitiger Kenntnis des Gläubigers über den Benachteiligungstatbestand. Hierbei wird insbesondere die Anfechtung gegen Gläubiger unterstützt, welche aufgrund ihrer Bösgläubigkeit nicht schutzwürdig sind.8 Fraglich ist nun, ob seitens der Beklagten eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorliegt. Dies könnte gem. § 133 I S.2 InsO zu einer positiven Kenntnis und somit zum Tatbestand des Vorsatzes bezüglich der Gläubigerbenachteiligung geführt haben. Dieser Tatbestand wäre widerlegt, wenn die Beklagte auf einen ernsthaften Sanierungsversuch hätte vertrauen können.9 Hierbei ist es weder schädlich, dass bereits ein Insolvenzgrund vorliegt, noch, dass dieser mit erkennbaren Risiken belastet ist. Jedoch muss aufgrund konkret benennbarer Umstände ein Sanierungserfolg prognostizierbar sein. In der Regel ist dies anzunehmen, sobald ein Sanierungskonzept, welches in seiner Ausführung Bezug zum Einzelfall und hiermit verbundene Schlüssigkeit aufweist, vorliegt.10 Der Beklagten lagen Informationen darüber vor, dass Fachleute mit der Sanierung betraut wurden, bereits Sanierungsverhandlungen mit wesentlichen Gläubigern stattfanden, Kreditinstitute in die Verhandlungen eingebunden waren und Liquidität durch Dritte zugeführt werden sollte.11 Über wesentliche Tatbestände, welche die Annahme einer Tragfähigkeit des Sanierungskonzeptes begründen könnte, war die Beklagte jedoch nicht informiert.12 Letztlich sollten also Gläubiger, welche bereit sind, einen Beitrag zu einer Sanierung zu leisten, stets auf ein Sanierungskonzept seitens des Schuldners bestehen, um jedwede Anfechtungsund Haftungsrisiken zu umgehen. Im Gegenzug sollten aber auch die zu sanierenden Unternehmen grundsätzlich, um das Vertrauen und die Sanierungsbereitschaft der Gläubiger zu stärken, schon bevor Anforderungen gestellt werden, ein schlüssiges Sanierungskonzept gem. BGH Urteil vom 12.05.2016, IX ZR 65/14 vorlegen.13
2 Anforderungen an Sanierungskonzepte zur Exkulpation des Gläubigers von §1331 InsO
Laut ständiger Rechtsprechung wird die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes seitens des Gläubigers geheilt, sobald die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist. Eine Benachteiligungsabsicht sei dadurch entkräftet, wenn die Rechtshandlung in unmittelbarem Zusammenhang mit einem schlüssigen Sanierungskonzept stand, welches zumindest in den Anfängen schon umgesetzt war.14
2.1 Die Schlüssigkeit des Sanierungskonzeptes und die Prognose der Durchführbarkeit
Die Schlüssigkeit eines Konzeptes ist nicht dadurch hinfällig, dass nicht alle Gläubiger einbezogen werden. Vielmehr ist es notwendig, dass es einen Sanierungszweck erfüllt und zumindest zu einer quotalen Befriedigung aller Gläubiger führt.15 Abweichende Befriedigungsquoten sind bei der Anwendung von Vergleichskonzepten möglich. Einerseits ist dies begründet durch die Freiheit der Gläubiger, auf diesen Vergleich einzugehen und andererseits durch die regelmäßige Anwendung von Verkehrswerten zur Bestimmung der Forderungen und deren quotaler Befriedigung.16
Bei der Erkennbarkeit der Unternehmenssituation und der Durchführbarkeit des Sanierungskonzeptes ist auf das Einschätzungsvermögen eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen. Für die Unvoreingenommenheit ist nicht zwingend eine fehlende Beteiligung notwendig.17 Neben der Erstellung eines neuen Leitbildes für das zu sanierende Unternehmen sind einige Voraussetzungen für ein adäquates Sanierungsgutachten, welche sich an den Standard des IDW S6 anlehnen, zu erfüllen.18 Abgrenzung zum IDW S6 Standard: Im Rahmen eines IDW S6 Gutachtens bedarf es einer strikten Klarheit und Übersichtlichkeit in der Darstellung der Informationen über die Ausgangssituation für die vorliegende Sanierung. Nur dadurch und durch die Realisierbarkeit der einzelnen Maßnahmen ist ein Konzept als schlüssig und nachvollziehbar anzusehen. Es muss aus Sicht des Erstellers eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Sanierung vorliegen. Somit müssen mehrAnhaltspunktefürden Erfolg sprechen, als dagegen. Ein letztendlicher Erfolg der Sanierung hängt jedoch nicht allein vom Konzept selbst ab, sondern auch von der Konsequenz der Durchführung, dem Sanierungscontrolling und der Fortschreibung des Konzeptes seitens der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens.19 Das Sanierungscontrolling beinhaltet zugleich ein sogenanntes Monitoring, welches stetig Gläubiger, insbesondere Kreditgeber und Gesellschafter, über die Entwicklung des Sanierungsprozesses, in Form einer Berichterstattung, unterrichtet.20
2.2 Analyse der wirtschaftlichen Ausgangslage des schuldne- rischen Unternehmens
Grundsätzlich muss seitens des Sanierungsbeauftragten eine Prüfung der wirtschaftlichen Ausgangslage des Unternehmens im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche erfolgen. Hierzu zählt weiterhin die Prüfung der Vermögens-, Ertragsund Finanzlage. Erforderlich für die Schlüssigkeit und für den ausreichenden Umfang des Konzeptes ist somit eine Analyse der bisherigen- und nachhaltig entstehenden Verluste und das Aufzeigen möglicher Maßnahmen zur Vermeidung dessen. Des Weiteren sollten die Erfolgsaussichten beurteilt-, die künftige Rentabilität des Unternehmens analysiert- und die Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung des Insolvenzgrundes dargestelltwerden.
Abgrenzung zum IDW S6 Standard: Grundsätzlich ist bei einem Sanierungsgutachten nach dem Standard des IDW S6 die Bewertung der Unterlagen nicht rein auf die Beurteilung eines branchenkundigen Fachmanns abzustellen, sondern vielmehr ist seitens eines Fachmanns festzustellen, ob anhand der gegebenen Informationen die Möglichkeit einer transparenten Darstellung der Ausgangslage des Krisenunternehmens darzustellen ist.21 Insbesondere sind hierbei die Glaubhaftigkeit und Richtigkeit der gegebenen Informationen einzuschätzen und wichtige Informationen aus allen Daten herauszufiltern. Weiterhin sollte eine Einschätzung und Herstellung der Schlüssigkeit der Buchhaltungsunterlagen und die Sicherstellung einer sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der bereits seitens des Krisenunternehmens erstellter Planungsrechnungen erfolgen.22 Im Rahmen eines umfangreichen IDW S6-Gutachtens erfolgt eine detaillierte Analyse des Unternehmensumfeldes, der internen Unternehmensverhältnisse, aller wirtschaftlichen internen und externen Faktoren und Kennzahlen, aber auch der künftigen Möglichkeiten der Entwicklung des Unternehmens im Planungszeitraum. Mit Hilfe der Beleuchtung von Problem- und Verlustbereichen werden alle Unternehmensbestandteile kritisch untersucht.23
2.3 Analyse der Krisenursachen und des derzeitig vorliegenden Stadiums
Notwendig für die Vollständigkeit eines Sanierungskonzeptes ist mitunter die Analyse der vorliegenden Krisenursachen.24 Nur mit Hilfe dieser Informationen kann eingeschätzt werden, in welcher Lage sich das schuldnerische Unternehmen befindet und inwiefern die genannten Maßnahmen zu einer Sanierung beitragen können.
Hierzu ist eine Darlegung der Ursache für eine drohende Insolvenz notwendig. Besonders wichtig ist die Prüfung und Erläuterung, ob die Krise Resultat finanzwirtschaftlicher- oder leistungswirtschaftlicher Probleme ist. Hieraus ist die Komplexität einer durchgreifenden Sanierung erkennbar.25
Abgrenzung zum IDW S6 Standard: Im Rahmen eines vollständigen IDW S6 Sanierungskonzeptes muss eine Darstellung der Entwicklung des Unternehmens gegebenenfalls bis hin zur Insolvenzreife erfolgen. Hierbei sind alle Krisenstadien, ausgehend von der Stakeholder-Krise zu beleuchten.26 Krisenstadien bauen meist aufeinander auf. Daher ist die Komplexität und der Umfang des Konzeptes abhängig davon, wie weit die Krise fortgeschritten ist und somit, wie viele Krisenstadien umfangreich beleuchtet werden müssen.27 Bei der Betrachtung der endogenen- oder exogenen Krisenursachen liegt ein besonderes Augenmerk auf Genauigkeit und Vollständigkeit der Analyse. Sollten Krisenursachen nicht identifiziert worden sein, so beeinflussen diese weiterhin die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und dessen Wettbewerbs- und Renditefähigkeit. Das führt zu einer rein kurzfristigen Überwindung der Krise durch Beseitigung anderer Ursachen und zu einem möglichen Wiederaufleben der Krise zu einem späteren Zeitpunkt. Hierdurch kann keine nachhaltige Sanierung gewährleistet werden.28 Die wesentlichen Unterschiede bestehen also in der Beleuchtung der Krisenstadien und dem Umfang der Identifizierung der Ursachen.
2.4 Angaben über die Art der Durchführung/Anfordern von Informationen
Sollte ein Sanierungsvergleich mit den Gläubigern Teil des Konzeptes sein, so ist die Art und Höhe der Verbindlichkeiten, die Anzahl und Art der Gläubiger und die den Sanierungszweck erfüllende Quote anzugeben.29 Um also einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz mit Hilfe eines schlüssigen Sanierungskonzeptes zu verneinen, bedarf es nicht der vollständigen Erfüllung der Vorgaben des IDW S6. Zwar ist dieser Standard empfehlenswert, da dadurch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Sanierung erhöht werden kann, jedoch ist er weder erforderlich, noch bildet es einen adäquaten Umfang insbesondere für kleinere Unternehmen.30 Maßgeblich für die Abwendung eines Anfechtungsrisikos für den Gläubiger ist das ausdrückliche Anfordern von Informationen zur Untermauerung der Ernsthaftigkeit des Sanierungsvorhabens im Vorfeld der Vereinbarung.31 Ein Recht auf Erhalt der anzufordernden Informationen hat der Gläubiger jedoch nicht. Dies ergibt sich aus dem Wahlrecht des Gläubigers, einen Sanierungsvergleich einzugehen oder einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.32 Eine Prüfung des vorgelegten Sanierungskonzeptes obliegt dem Gläubiger jedoch nicht. Hierbei ist ein Vertrauen auf die Schlüssigkeit der Angaben und die Kompetenz des Sanierungsberaters vertretbar und angemessen, sollten keine erheblichen Anhaltspunkte für eine Täuschung ersichtlich gewesen sein.33 Abgrenzung zum IDW S6 Standard: Im Sinne des IDW Standard S6 ist von vornherein deutlich zu kennzeichnen, ob es sich um ein Konzept nach Vorgaben des S6 handelt oder dieses lediglich in Anlehnung an den Standard erstellt wurde, bzw. Teilbereiche dessen abgedeckt wurden.34 Im Rahmen des IDW S6 besteht ein Teilbereich dessen nur aus der Beschreibung des Auftragsgegenstandes und des -umfangs. Da, wie bereits unter Punkt 2.2.1 erwähnt, alle durchlaufenen und das aktuelle Krisenstadium analysiert werden und alle Krisenursachen umfassend identifiziert und erörtert werden, kann sich aus dieser vorangegangenen Analyse der Auftragsgegenstand und -umfang messen. Im Rahmen der Bearbeitung dessen erweitert sich der ursprüngliche Auftragsgegenstand meist um Lösungskonzeptionen der festgestellten Probleme.35 Aufgrund der unterschiedlichen Auftraggeber und Beteiligten bei der Erstellung von Konzepten nach IDW Standard stellen sich folglich unterschiedliche Haftungsfragen, welche durch das Sanierungskonzept abgesichert werden sollen. Daher müssen Zweck des Ergebnisses und Aufgabenbereiche der Wirtschaftsprüfer bzw. der Konzep- tersteller klar definiert und erkennbar sein.36 Um im vornherein festzulegen, welche Beteiligten dazu befugt sind, Informationen durch das erstellte Konzept zu erhalten, wird seitens des Erstellers festgelegt, unter welchen Voraussetzungen das Konzept an Dritte übergeben werden kann und welche Haftungsrisiken mit der Überlassung des Konzeptes einhergehen.37 Regelmäßig wird diesbezüglich eine Haftungsbegrenzung zwischen dem Dritten und dem Konzeptersteller festgelegt. Diese beschränkt sich meist auf die zwischen Auftraggeber und Ersteller vereinbarte Haftungssumme, welche im Haftungsfall alle Adressaten als Gesamtgläubiger verlangen können.38
Die Prüfung eines Sanierungskonzeptes im Rahmen des IDW Standard S6 ist wesentlich umfangreicher. Das fertiggestellte Konzept wird seitens des Erstellers allen beteiligten Gläubigern vorgestellt, welche einen Beitrag zur Sanierung leisten. Somit ist hierbei nicht rein auf die fachmännische Erarbeitung des Konzeptes zu vertrauen, sondern vielmehr zu prüfen, ob Schlüssigkeit in der Feststellung der Sanierungswürdigkeit liegt und das Konzept allgemein alle rechtlichen Anforderungen erfüllt und dem betriebswirtschaftlichen Standard gerecht wird. Die Prüfung beinhaltet Abwägungen, ob einerseits die für die Sanierungswürdigkeit zugrunde gelegten Prämissen nachvollziehbar und schlüssig dargelegt sind, aber auch ob bezüglich der unterschiedlichen Sanierungsbeiträge der Gläubiger Angemessenheit und Ausgewogenheit gegeben ist.39
Im Rahmen der Darstellung der Auftragsdurchführung wird in der Regel aufgezählt, welche Unterlagen der Konzeptersteller erhalten hat, wer die Hauptan- sprechpartnersind und schlussendlich wo und in welchem Zeitraum das Konzept erstelltwurde.40
2.5 Art und Nachhaltigkeit der Sanierung
Eine Gläubigerbenachteiligung ist nicht schon dann zu verneinen, wenn die Sanierung nur kurzfristige Missstände beseitigt, das Unternehmen jedoch nachhaltig Verluste erwirtschaftet.41 Die Sanierung des Unternehmens sollte eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für bestehende und künftige Kapitalgeber zum Ziel haben. Dies folgt aus einer bestandskräftigen durchschnittlichen branchenüblichen Rendite.42 Um auch künftig Gläubiger zu schützen und die Attraktivität für Kapitalgeber zu steigern, sollte eine angemessene Eigenkapitalausstattung bestehen.43 Diese nachhaltige Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit sorgt zusätzlich für eine Stabilisierung des Unternehmens.44 Im Sinne des § 133 I InsO reicht eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung für einen Anfechtungstatbestand aus. Das bedeutet grundsätzlich, dass keine tatsächliche Benachteiligung im Zeitpunkt der Rechtshandlung vorliegen muss, sondern dieser Nachteil auch erst nach Abschluss der Rechtshandlung, durch Hinzutreten diverser anderer Umstände, eintritt.45 Somit erstreckt sich ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht nur auf die bis dato bestehenden Gläubiger, sondern auch künftige Gläubiger. Sollte also eine Sanierung nur auf eine reine Befriedigung der Verbindlichkeiten abzielen und das Unternehmen nicht insoweit saniert werden, dass es nicht nur lediglich kostendeckend wirtschaften kann, so liegt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung vor. Maßgeblich für eine nachhal- tige Sanierung ist die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit.46 Im Falle der Notwendigkeit von Sanierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen bedarf es keiner umfangreichen Erörterung. Jedoch ist auszuführen, dass die genannten Maßnahmen durchgeführt werden und diese zu künftigen Erfolgsaussichten und Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit führen. Aus diesen Maßnahmen muss die positive Fortführungsprognose resultieren.47 Somit muss vorausgesetzt werden können, dass im Prognosezeitraum keine Insolvenzantragsgründe i.S.d. §§ 17 ff. InsO eintreten. Hinzugezogen werden hierbei auch rechtliche oder tatsächliche Ereignisse, welche im Zeitraum der Prognose entstehen können und die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen.48
Abgrenzung zum IDW S6 Standard: Bei der Erstellung eines solchen Sanierungskonzeptes ist ausschließlich auf objektive- oder zumindest objektivierbare Tatbestände abzustellen.49 Objektivierbare Tatbestände sind solche, welche aus subjektiven Tatbeständen entstehen. Somit fließt der Begriff der Sanierungswürdigkeit, welcher sich mitunter aus subjektiven Wertungen der einzelnen Stakeholder ergibt, als objektiver Rahmen für die Bewertung der möglichen Sanierungsmaßnahmen in das Konzept mit ein.50 Ein gewisser Beurteilungsspielraum steht dem grundsätzlich objektiven Konzeptersteller jedoch zu. Die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit muss sich jedoch auf plausible Annahmen stützen, welche eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Sanierungserfolg in einem nicht ausschweifenden Zeitraum annehmen lassen.51 Die Nachhaltigkeit der Sanierung soll einerseits durch die konzeptgemäße Durchführung der Sanierung, aber auch durch die Überwachung dessen im Rahmen des Sanierungscontrollings erreicht werden. Weiterhin besteht eine Obliegenheit der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft darin, das Konzept über den Sanierungszeitraum hinaus zu erweitern.52 Eine Nachhaltigkeit oder auch Verstetigung der Sanierung resultiert aus der Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit, der Erzielung einer zumindest marktüblichen Rendite, einer angemessenen Eigenkapitalausstattung und der stetigen Orientierung am Leitbild des sanierten Unternehmens.53 Hierzu muss eine Behebung aller Krisenursachen erfolgen, da eine bloße Liquiditätsgenerierung mit Hilfe von Sofortmaßnahmen lediglich zu einem Kurieren von möglichen Krisensymptomen beiträgt.54 Das Ziel einer Sanierung sollte somit über die reine Behauptung am Markt hinaus gehen. Das Streben nach Wettbewerbsvorteilen sollte zu Rentabilität führen, welche das Unternehmen wieder an Attraktivität für Eigen- und Fremdkapitalgeber gewinnen lässt.55
[...]
1 Bork, R./ Gehrlein, M.: Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, S. 181, Rn. 640.
2 a.a.O., S. 183, Rn. 647.
3 BGH, Urteil vom 12.05.2016-IX ZR 65/14 Rn.1.
4 a.a.O., Rn. 2.
5 a.a.O., Rn. 3.
6 a.a.O., Rn. 4,5.
7 Borgrakos,C./Kirstein, D. in: Praxis der Insolvenzanfechtung, S. 208, Rn. 1.
8 Bork in: Kübler/Prütting/Bork, Kommentarzur Insolvenzordnung, § 133, Rn. 2.
9 BGH, Urteilvom 12.05.2016-IX ZR 65/14, Rn. 9.
10 Kayser in: Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 2, § 133, Rn. 37-37a.
11 BGH, Urteilvom 12.05.2016-IXZR 65/14, Rn.10.
12 a.a.O., Rn.11.
13 Rossbach, O., „Gläubigeraufgepasst: BGH konkretisiert Voraussetzungen eines schlüssigen Sanierungskonzepts, URL: http://pier11.de/bgh-sanierungskonzept/, (online abgerufen am 21.11.2016).
14 BGH, Urteil vom 16.10.2008 -IXZR 183/06 Rn. 52.
15 BGH, Urteil vom 12.05.2016-IXZR65/14 Rn. 16.
16 BGH, Urteil vom 10.02.2011 - IXZR 176/08 Rn. 5.
17 BGH, Urteil vom 04.12.1997-IX ZR 47/97, Rn. 25.
18 Steffan, B., ZIP 2016, 1718.
19 IM Steffan, B., ZIP 2016, 1717.
20 Thierhoff, M., Implementierung und Überwachung des Sanierungsprozesses, in: Unternehmenssanierung, S. 265, Rn. 27.
21 Steffan, B., ZIP 2016, 1715.
22 IDW S6, Rn. 35 ff.
23 Steffan, B., ZIP 2016, 1715.
24 BGH, Urteil vom 04.12.1997-IX ZR 47/97, Rn. 25.
25 BGH, Urteil vom 12.05.2016-IX ZR 65/14, Rn. 35.
26 Steffan, B., ZIP 2016, 1715.
27 Crone, A., Erstellung von Sanierungskonzepten nach IDW ES6 n.F., in: Modernes Sanierungsmanagement, S. 61.
28 IDW S6, Rn. 62.
29 BGH, Urteil vom 12.05.2016-IX ZR 65/14 Rn. 18.
30 a.a.o., Rn. 19.
31 a.a.o., Rn. 25.
32 a.a.o., Rn. 26.
33 a.a.o., Rn. 27.
34 IDW S6, Rn. 4.
35 IDWS6, Rn. 25.
36 a.a.O., Rn. 26.
37 a.a.O., Rn. 26.
38 Häger,M./Hiltner, E. in: Handbuch Restrukturierung, Gutachterliche Kommentierung IDW-S6, BGH-Rechtsprechung und Restrukturierungsplanung, S. 9.
39 Staatz, S.: Externe Sanierungsberatung aus Bankensicht, S.36 f.
40 Häger,M./Hiltner,E.,S.9f.
41 BGH, Urteilvom 12.05.2016-IXZR 65/14, Rn.29.
42 Steffan, B., ZIP 2016, 1713.
43 IDWS6, Rn. 90.
44 Richter, F., Effiziente Unternehmenssanierung in der Praxis, in: Effizientes Sanierungsmanagement, Krisenunternehmen zielgerichtet und konsequent restrukturieren, S. 439.
45 Bornheimer in: Pape/Uhländer, NWB Kommentarzum Insolvenzrecht, § 129, Rn. 120.
46 BGH, Urteil vom 12.05.2016-IX ZR 65/14, Rn. 30.
47 a.a.O., Rn. 36.
48 IDW Positionspapier, Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fortführungsannahme und insolvenzrechtlicherFortbestehensprognose, Rn. 3 (Stand: 13.07.2012).
49 BGH ZIP 2016, 1716.
50 IDWS6, Rn. 17.
51 IDWS6, Rn. 154.
52 Häger,M./Hiltner, E., S. 41.
53 a.a.O., S.44.
54 a.a.O., S.22.
55 Steffan, B., ZIP 2016, 1716.
- Quote paper
- Pierre Michaels (Author), 2017, Sanierungskonzepte. IDW S6 und höchstrichterliche Rechtsprechung. Auswirkungen des BGH Urteils vom 12.05.2016, IX ZR 65/14, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358070
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