Dieser Essay stellt eine Zusammenfassung des politischen Geschehens zum genannten Thema dar und wurde im Rahmen des Grundlagenseminar "Einführung in die Politikwissenschaft" verfasst.
Der Begriff „Antisemitismus“ wird heutzutage als Vorgeschichte der nationalsozialistischen Angriffe gegenüber Juden angesehen, was ohne Zweifel korrekt ist, dennoch liegen die Wurzeln in der Entwicklung antisemitischen Denkens und Handelns bereits im frühen Mittelalter. Antisemitismus als Begriff entstand Mitte der 1870er Jahre aus einer judenfeindlichen Bewegung wegen einer ökonomischen und politischen Krise des deutschen Kaiserreiches.
Antisemitismus bezeichnet die sozioökonomische, ethnisch-nationalistische und rassistische Judenfeindschaft, die sich durch offene Beleidigungen, verbale und physische Gewalt sowie Angriffe auszeichnet und die Kommunikation zwischen Nichtjuden über Vorurteile, angebliche Eigenschaften, Absichten oder Handlungen mit einschließt, die dazu führen, Juden als Gesamtheit auszuschließen, zu verfolgen und zu vernichten. Abzugrenzen vom Begriff des Antisemitismus ist der Begriff Antijudaismus, der ausschließlich die religiöse und christliche Judenfeindschaft bezeichnet. Heute spielt der Begriff Antijudaismus in Deutschland nur noch eine kleine Rolle und ist hauptsächlich auf Internetseiten christlicher Sekten zu finden; dennoch ist der Begriff wichtig für die Entwicklung des Antisemitismus in seiner aktuellen Form. Um den Begriff Antisemitismus in einfachen Worten zu beschreiben: „Antisemitismus ist Feindschaft gegen Juden als Juden“, allerdings nicht wegen ihrer jüdischen Religionszugehörigkeit.
Einführung in die Politikwissenschaft
Erstellt von:
Stefan Roggenkamp, Fachsemester 3
Studiengang: Sozialarbeit/-pädagogik
Der Begriff „Antisemitismus“ wird heutzutage als Vorgeschichte der nationalsozialistischen Angriffe gegenüber Juden angesehen, was ohne Zweifel korrekt ist, dennoch liegen die Wurzeln in der Entwicklung antisemitischen Denkens und Handelns bereits im frühen Mittelalter. Antisemitismus als Begriff entstand Mitte der 1870er Jahre aus einer judenfeindlichen Bewegung wegen einer ökonomischen und politischen Krise des deutschen Kaiserreiches (Rürup, 2007, S. 150).
Antisemitismus bezeichnet sozioökonomisch, ethnisch-nationalistisch und rassistische Judenfeindschaft, die sich durch offene Beleidigungen, verbale und physische Gewalt und Angriffe auszeichnet und die Kommunikation zwischen Nichtjuden über Vorurteile, angebliche Eigenschaften, Absichten oder Handlungen mit einschließt, die dazu führen, Juden als Gesamtheit auszuschließen, zu verfolgen und zu vernichten (Benz, 2008, S. 9). Abzugrenzen vom Begriff des Antisemitismus ist der Begriff Antijudaismus, der ausschließlich die religiöse und christliche Judenfeindschaft bezeichnet. Heute spielt der Begriff Antijudaismus in Deutschland nur noch eine kleine Rolle und ist hauptsächlich auf Internetseiten christlicher Sekten zu finden; dennoch ist der Begriff wichtig für die Entwicklung des Antisemitismus in seiner aktuellen Form (Geiger, 2008, S. 12). Um den Begriff Antisemitismus in einfachen Worten zu beschreiben: „Antisemitismus ist Feindschaft gegen Juden als Juden“, allerdings nicht wegen ihrer jüdischen Religionszugehörigkeit (Klug, 2004, zit. in Pfahl-Traughber, 2007, S. 5).
Der politische Antisemitismus als Ideologieform ist verbunden mit sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung von Juden, sowie daraus entstandene Vorurteile. Juden gelten als homogene Gesamtheit mit einflussreicher sozialer Macht, deren gemeinsamen Handeln politische Ziele verfolgt, wie die Herrschaft im jeweiligen Land, bzw. der ganzen Welt. Demzufolge wird die Schuldzuweisung für politische Umbrüche wie Kriegen, Revolutionen und Wirtschaftskrisen auf die jüdische Gemeinschaft gelegt. Bereits im Mittelalter entstand der Gedanke, Juden würden Brunnen vergiften, um dadurch Menschen zu vergiften. Die Vorurteile gegenüber Juden traten erstmals im 19. Jahrhundert in systematischer Form auf, als ihnen vorgeworfen wurde, sich mit Freimaurern zusammen geschlossen zu haben, um gegen die Sozialordnung zu agieren. Weiter entwickelte sich der politische Antisemitismus im 20. Jahrhundert zu der Vorstellung der „jüdischen Weltverschwörung“, der Grundgedanke des nationalsozialistischen Denkens war. Auch aktuell lässt sich der politische Antisemitismus wieder erkennen. Nach 1948 stieg die Aufmerksamkeit der „jüdischen Weltverschwörung“ in arabischen Ländern, die durch das Überleben des Staates Israel im Krieg bestärkt wurde. In der westlichen Welt findet diese Art des politischen Antisemitismus große Aufmerksamkeit bei Rechtsextremisten, da eine große Verbindung zum Nationalsozialismus erkennbar ist (Pfahl-Traughber, 2007, S. 7 f.).
Wie bereits beschrieben reichen die Wurzeln des Antisemitismus bis ins Mittelalter zurück. Zu dieser Zeit richtete sich die Feindschaft auf Grund religiöser Motive gegen Juden. Ziel des so genannten Antijudaismus war die Taufe als „sittliche Bekehrung“. Die damalige Judenverfolgung endete folglich mit der Bereitschaft der Juden sich taufen zu lassen und Christen zu werden (Benz, 2008, S. 84). Zur damaligen Zeit wurden Juden an den Rand der Gesellschaft gedrängt und als Fremde betrachtet, deren wirtschaftliches und kulturelles Leben als Bedrohung der christlich-feudalen Gesellschaft galt (Rürup, 2007, S. 148). Die Zwangs- und wahnhaften Ansichten gegenüber Juden wurden aus dem religiösen Bereich in das soziale Leben projiziert und im 19. Jahrhundert wandelten sich Gerüchte und Verdächtigungen quasi eigenständig zu „Beweisen“ um und verbreitet. Der nun so genannte „moderne Antisemitismus“ bekam insbesondere in Deutschland hohes Interesse zugeschrieben. Juden galten im letzten drittel des 19. Jahrhunderts als „Inkarnation alles Bedrohlichen und [wurden] zur Erklärung aller Weltübel instrumentalisiert.“ (Benz, 2008, S. 83). Als weiterer feststehender Begriff gilt seit Mitte des 19. Jahrhunderts die „Judenfrage“, die ursprünglich im damaligen sozialen Kontext gebraucht wurde, die zum einen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Missmut ausdrückt und zum anderen Existenz- und Überfremdungsängste mit einschließt. Das Problem mit Juden lag demnach nicht länger auf religiös motivierter Basis, sondern auf der Überzeugung, dass Juden als Rasse konstitutionell anders waren (Benz, 2008, S. 83).
Dass Antisemitismus nicht länger auf religiösen Gründen basiert, sondern auf den Weg in den Rassismus war, zeigt ein Einblick in die Geschichte jüdischer Emanzipation. Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn bereiteten den Weg für die Emanzipation von Juden in der Zeit der Aufklärung mit der Verbreitung der Auffassung von Toleranz gegenüber Juden. Der Prozess der Aufbrechung von sozialen und rechtlichen Einschränkungen dauerte in Deutschland von Beginn des 19. Jahrhunderts bis Ende 1860 an. Begleitet wurde dieser Prozess von pogromartigen Ausschreitungen, die in dieser Zeit immer wieder verdeutlichten, dass die Judenfeindschaft „eine Form von sozialem Protest war, bei dem Aggressionen verschoben und gegen Juden gerichtet wurden.“ (Benz, 2008, S. 84). Besonders im „Gründerkrach“, eine wirtschaftliche und politische Krise im ersten Jahrzehnt des deutschen Kaiserreiches, wurde der Antisemitismus instrumentalisiert, um gegen den Liberalismus zu protestieren. Der Antisemitismus „verselbstständigte“ sich von da an, klang aber mit Abklingen der Krise nicht ab. Nach dem Zeitalter der Emanzipation (zwischen 1780 bis 1870) folge bis 1945 ein Zeitalter des Antisemitismus (Rürup, 2007, S. 149 f.).
Hätten sich diese Ausschreitungen aus religiösen Motiven vollzogen, wären sie mit der Taufe von Juden zu Christen beendet gewesen; der rassistische Gedanke dahinter allerdings war nicht mit der Taufe zu beenden. Die so genannte Judenfrage verlangte eine Lösung und unter diesen Gesichtspunkten bedeutete die Lösung nicht länger die Taufe, sondern ausschließlich die Vertreibung oder Vernichtung der Juden, was der Nationalsozialismus im frühen 20. Jahrhundert zum Anlass der „Endlösung“, dem Völkermord, nahm (Benz, 2008, S. 85).
Im „modernen Antisemitismus“ verlagerte sich die Judenfeindschaft von judenfeindlichen Konservativen, Protestanten und Katholiken auf politisch, überparteiliche Organisationen, die von da an öffentlich als „Antisemiten“ auftraten (Rürup, 2007, S. 150). Erste politische antisemitische Organisationen waren die Antisemiten-Liga, mit ca. 600 Mitgliedern 1879 und Stoeckers Christlich-Soziale Partei.
Adolf Stoecker (1835 – 1909), Hofprediger in Berlin, forderte als einer der ersten öffentlich die Rücknahme jüdischer Emanzipation und legte somit seine Auffassung der Problemlösung offen. 1875 gründete er die „christlich-soziale Arbeiterpartei“, zu seiner Zielgruppe gehörten in erster Linie Arbeiter und Handwerker. Ziel seiner Partei war die Entfremdung der Sozialdemokratie, was er mit Hilfe der instrumentalisierten Judenfrage verfolgte. Zu seiner Argumentationsstruktur gehörte die Vermischung völkischer, sozialer und religiöser Argumente gegen Juden. So griff Stoecker soziale und ökonomische Wünsche seiner Anhänger auf, verband sie mit den damals herrschenden existenziellen Ängsten und wies die Schuld dafür den Juden zu, wobei er zeitgleich Erklärungen und Lösungen anbot, die in antisemitischen Erwartungen Zuspruch fanden. In einer Rede am 19. September 1879, die unter dem Motto „Unsere Forderungen an das moderne Judentum“ stand, sprach Stoecker eingangs davon, dass die christlich-soziale Arbeiterpartei ausschließlich eine Lösung aus der gesellschaftlichen und politischen Krise sieht, wenn es Juden und Christen schaffen in ein rechtes Verhältnis zu kommen. „Einen anderen Weg giebt es nicht.“ Im selben Absatz der Rede allerdings greift Stoecker das Vorurteil der Herrschaft auf und wirft den Juden vor, dass „Israel [muß] den Anspruch auf geben muss, der Herr Deutschland werden zu wollen.“ Dieses angebliche Vorhaben unterstütze den Glauben, dass die jüdische Gemeinschaft das Judentum als zukünftige Religion sehe. Weiterhin provoziert Stoecker mit der Aussage, dass das „Reformjudentum [ist] gar keine jüdische Religion“ sei; allein diese Aussage weist auf, dass sich Juden in den Augen der damaligen Gesellschaft nicht mehr als Religionsgemeinschaft verstehen. Stoecker sieht in seiner Rede die sozialen Ungleichheiten zwischen Juden und der restlichen Gesellschaft nur mit einer neuen, „organischen Gesetzgebung“ aus der Welt zu schaffen, womit er die Rücknahme der jüdischen Emanzipation explizit fordert; er führt aus: „Beseitigung des Hypothekenwesens [...]; eine Aenderung des Kreditsystems, welche den Geschäftsmann von der Willkür des großen Kapitals befreit; [...] Wiedereinführung der konfessionellen Statistik, damit das Missverhältnis zwischen jüdischem Vermögen und christlicher Arbeit festgestellt werden kann; Einschränkung der Anstellung jüdischer Richter auf die Verhältniszahl der Bevölkerung; Entfernung der jüdischen Lehrer aus unsern Volksschulen [...]; das sind die Mittel um dem Ueberwuchern des Judentums im germanischen Leben, diesem schlimmsten Wucher, entgegenzutreten.“ (Benz, 2008, S. 93 ff.)
Letztlich blieb die christlich-soziale Arbeiterpartei, trotz des hohen Ansehens Adolf Stoeckers, auf Dauer erfolglos. Lediglich einen Grundstein für antisemitische Parolen hinterlies einen bleibenden Eindruck im Kleinbürgertum (Benz, 2008, S. 96).
1882 fand erstmals in Dresden mit 300-400 Antisemiten ein „Antijüdischer Kongress“ statt, an dem vorwiegend deutsche Judenfeinde teilnahmen. In den Folgejahren erweiterten sich die Teilnehmer auf internationaler Ebene. Kleinere judenfeindliche Organisationen waren die „Allgemeine Vereinigung zur Bekämpfung des Judentums“ (1883) und der „deutsche Antisemitenbund“ (1884) (Benz, 2008, S. 102 f.).
Wie bereits beschrieben verlagerte sich ebenfalls die Feindschaft gegen Juden an sich. Juden wurden nicht länger auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit verstoßen; sie wurden als soziale Gruppe neu definiert und somit als Abstammungsgemeinschaft, als Rasse betrachtet. Demnach erweiterte sich die Judenfeindlichkeit auch auf Juden, die zum Christentum konvertiert waren. Weiterhin wird der moderne Antisemitismus als post-emanzipatorische Bewegung beschrieben. Juden wurden als Repräsentanten der Moderne gesehen und wegen ihrer angeblichen Beherrschung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft angesehen (Rürup, 2007, S. 151).
Kernpunkt des modernen Antisemitismus ist allerdings „das antisemitische Zerrbild einer Theorie der modernen Gesellschaft“. Der moderne Antisemitismus ist zu einer „Weltanschauung“ geworden, die die neu gestellte Judenfrage als Schlüssel zum Verständnis, und damit zur Lösung, allgemeiner gesellschaftlicher Probleme sieht (Rürup, 2007, S. 152).
Der moderne Antisemitismus verbreitete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts europaweit und auch in wenigen Ländern außerhalb Europas. Besonders ausgeprägt war die Judenfeindschaft in Ungarn, Österreich und Frankreich. Am stärksten zu Zeiten des deutschen Kaiserreiches brach die Judenfeindschaft 1880 in Russland aus. In England, den Niederlanden und Italien blieb eine antijüdische Massenbewegung aus, jedoch hielten sich antijüdische Organisationen nur bedeckt (Rürup, 2007, S. 154).
Mit dem Rückgang erfolgloser antisemitischer Organisationen und deren Wandlung in Sekten mit nur noch wenigen Mitgliedern, vergrößerte sich der Raum für die Verfassung radikal-antisemitischer und rassistischer Fantasien und Zukunftsvisionen. So kam es, dass Schriften von Autoren wie beispielsweise Jörg Lanz von Liebenfels in Umlauf kamen, die sozial, sowie auch politisch nur wenig beachtet wurden, von dem jungen Adolf Hitler allerdings durchaus hoch angesehen wurden.
Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts entstand die so genannte „Neue Rechte“, ein Zusammenschluss von meinungsbildenden akademisch gebildeten Mitgliedern des deutschen Bürgertums mit antisemitischem Denken. Die politische Richtung dieser Verbindung war antiliberal, aber nicht mehr konservativ. Die „Neue Rechte“ war nationalistisch, imperialistisch und rassistisch orientiert und sah das kommende 20. Jahrhundert als das „Jahrhundert der Deutschen“, welches das durch Frankreich und England geprägte Bürgertum des 19. Jahrhunderts ablösen sollte. Die Forderung dieser Organisation war eine unsentimentale, nationale Interessenpolitik ohne Lenkung durch menschliche Bedenken, insbesondere im innenpolitischen Denken. Von da an wurden Juden als wortwörtliche Fremdkörper angesehen, die das Ziel nationaler Größe gefährdeten. In diesem Sinne schloss das Adjektiv „deutsch“ im deutschen Sprachgebrauch ab sofort alle Juden und alles jüdische aus. Um jedem Missverständnis auszuweichen, wurde sogar das Adjektiv „deutsch-national“ eingeführt und gängig für das Bürgertum (Rürup, 2007, S. 156 f.).
Dennoch wurden bis zum Ende des deutschen Kaiserreiches für Juden keine Sondergesetze eingeführt – die Emanzipation der Juden wurde trotz antisemitischer Programme und Proteste nicht zurück genommen. Der Antisemitismus innerhalb der deutschen Gesellschaft festigte sich trotz alledem, wobei auch praktische Diskriminierung von Juden durch den Staat eine wichtige Rolle spielt. Juden, die qualifiziert waren für den Posten als Reserveoffizieren, wurden seit den 1880er Jahren nicht mehr für diesen Posten aufgenommen.
Ein weiteres Beispiel für die jüdische Diskriminierung durch den Staat war ein politischer Skandal 1901. Der preußische Justizminister von Schönstedt musste sich wegen Benachteiligung von Juden vor dem preußischen Abgeordnetenhaus rechtfertigen und erklärte, dass er zum einen das Interesse der Bevölkerung verfolge und zum anderen äußerte er seinen Missmut, warum er sich wegen Benachteiligung von Juden rechtfertigen müsse, da er der einzige Minister in Preußen sei, der noch jüdische Assessoren einstelle.
Auch die Politik war beeinflusst. Immer weniger liberale Parteien stellten jüdische Kandidaten bei Reichs- und Landtagswahlen auf, aus Angst Wählerstimmen zu verlieren (Rürup, 2007, S. 157 f.). Nicht so beeinflusst vom Antisemitismus waren zu dieser Zeit allerdings die Sozialdemokraten und ihre Arbeiterschaft. Politisch bekämpften sie den Antisemitismus seit den 1890er Jahren. Von allen Reichstagsabgeordneten zwischen 1881 und 1914 waren 10 % Juden oder jüdischer Herkunft. Bis in den ersten Weltkrieg hinhein gab es jüdische Vorsitzende in der Partei und in der Reichsfraktion, was mehr Wertung fand als alle politischen Aktionen gegen Antisemitismus (Rürup, 2007, S. 159).
Mit dem Ersten Weltkrieg wuchs bei den deutschen Juden die Hoffnung, dass mit dem Krieg auch antisemitische Vorbehalte verschwinden würden. Jedoch wurde diese Hoffnung von der „Judenzählung“ des preußischen Kriegsministeriums 1916 zerstört. Deutschland fiel in alte Verhaltensmuster zurück und das jüdische Vertrauen in den Staat ging verloren. Der „Alldeutsche Verband“ (vorher bekannt als die „Neue Rechte“) richtete 1918 offiziell einen „Ausschuss zur Bekämpfung des Judentums“ ein (Rürup, 2007, S. 163).
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem „Versagen des Vaterlandes“ wurde schnell ein Sündenbock gefunden: Die Juden. Die deutsche Bevölkerung war nach durch den Krieg, dessen Niederlage und die innerdeutsche Revolution antisemitisch aufgeladen und gaben die Schuld der militärischen und politischen „Katastrophe“ den Juden; im Hinterkopf immer denkend an die „jüdische Weltverschwörung“. Demzufolge konnte der Wiederaufstieg des deutschen Volkes nur durch Problemlösung erfolgen; es galt die Ursache (die Juden) zu beseitigen (Rürup, 2007, S. 163).
Mit Gründung der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich die Gewaltbereitschaft der Deutschen vehement: Politische Morde und Attentate gegenüber politischen Gegnern und Juden nahmen zu. Insbesondere häufte sich eine gewisse Verunsicherung für Juden an, da der neuen demokratischen Verfassung eine undemokratische Gesellschaft gegenüber stand, die die Stabilität und die Sicherheit aus den Zeiten des Kaiserreiches verlor. Die Ausmaße des Antisemitismus wurden stärker und gefährlicher. Da jegliche Aggression nach Außen auf Grund der Machtverhältnisse der Weimarer Republik unmöglich gemacht wurde, erhielten Organisationen und Parteien wie die „Rechten“ im Allgemeinen, besonders aber die NSDAP einen besonderen Stellenwert und Anerkennung. Die neuen Gegner kamen nun von innen und die jüdische Gemeinschaft wurde mehr und mehr zur „Rasse“; mit dieser Rassenvorstellung ging es fortan in den „Existenzkampf“ auf Leben und Tod und sollte in Zeiten Hitlers im Völkermord enden (Rürup, 2007, S. 164 f.). Bereits im Programm der NSDAP fokussierte die Partei seit 1920 Grundsätze des Antisemitismus, die schon im 19. Jahrhundert in Schriften veröffentlicht waren und Basis für das Rassen-Denken waren: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutsches Blut ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.
Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben können und muss unter Fremdengesetzgebung stehen.
Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen.“ (Benz, 2008, S. 111).
Politisch nahm der Antisemitismus nun noch mehr Raum ein und vor allem Bedeutung an. Mit antisemitischen Parolen und Programmen ließen sich Massen bewegen und erfolgsversprechende Wahlergebnisse erzielen. Die liberalen Parteien und die politischen linken Parteien stellten weder jüdische Kandidaten, noch Kandidaten mit jüdischer Herkunft auf, da dies die Wahlchancen in der Weimarer Republik beeinflusste. Zu den Ladtagswahlen 1932 schlossen sich die „Deutsche Demokratische Partei“ und die antisemitischen „Jungdeutschen Orden“ zusammen zur „Staatspartei“ und waren ohne jüdischen Repräsentanten.
Die Forderung nach der Aufhebung der Rechtsgleichheit für Juden und die Drängung der Juden aus den kulturellen Leben und Berufen fand 1933 mehr Zustimmung denn je. Eine radikale und antisemitische Veränderung war abzusehen (Rürup, 2007, S. 166 f.).
Das „Rassen-Denken“ bürgerte sich ein; mit diesem Rassen Denken entstand in Zeiten Hitlers der Begriff der „Rassenhygiene“, dessen Aufgabe es ist, die Rasse rein zu halten und ggf. durch negative und positive Maßnahmen zu korrigieren. Um die Fortpflanzung unreiner Rassen zu stoppen, wurde die Zwangssterilisation eingeführt bei denjenigen, deren Fortpflanzung unerwünscht war. Weiterhin gehört zu diesem Gedanke die Wegsperrung und Vernichtung „lebensunwerter Rassen“, worunter chronisch kranke und behinderte Menschen, „Asoziale“ (Obdachlose, Dirnen, Alkoholiker, Homosexuelle usw.) und auch Juden zählten. Die „Biologisierung der Gesellschaftlichen“ sah vor, dass nur noch Erbgut arischer Bevölkerung als neue Rasse zur Verfügung stehen sollte (Rürup, 2007, S. 168). In „Die Sünde wider das Blut“ (1935) veröffentlichte Artur Dinter einen antisemitischen Roman, der die Ausschließung der Juden und das Verbot der „Rassenmischung“ propagierte und große Zustimmung Hitlers fand. Hitler verinnerlichte den Rassenantisemitismus und veranlasste die Rassenhygiene. Durch Propaganda und antisemitische Veröffentlichungen begann Hitler der Bevölkerung den Gedanken der Demokratie abzulösen und den der Diktatur einzuflößen (Benz, 2008, S. 111).
Der Antisemitismus in seiner schlimmsten Form nahm 1933 eine politische Form an, die ihn zur Herrschaftsideologie machte und in den Zweiten Weltkrieg und zum Völkermord führte (Rürup, 2007, S. 169).
Nach dem Zweiten Weltkrieg im Dezember 1946 führten alliierte Militärregierungen in Teilen Deutschlands erstmals Meinungsumfragen zum Thema Antisemitismus durch, diese wiesen auf, dass immer noch 18 % der Bevölkerung als „harte“ Antisemiten, weitere 21 % als Antisemiten und 22 % als Rassisten eingestuft werden konnten. Um gegen die scheinbar noch anherrschende NS-Ideologie vorzugehen, kämpften die Alliierten mit Entnazifizierung, Kriegsverbrecherprozessen und Reeducations-Programmen gegen dieses Denken und hielten das öffentliche Leben, Presse und Politik frei von Antisemitismus (Bergmann & Erb, 2007, S. 171).
Mit Gründung der Bundesrepublik entfiel für die Alliierten ein Teil ihrer Auflagen und rechtsradikale Organisationen lebten wieder auf. In Deutschland wurde gegen die Entnazifizierung demonstriert und die Begnadigung von NS-Verbrechern wurde gefordert, begleitet wurden diese Proteste mit antisemitischen Aktionen (Friedhofsschändung) und sorgte für erneute Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien. Nach Kriegsende 1946 scheint der Antisemitismus nicht stark zurück gegangen zu sein. Der Umgang mit Juden wurde zur Prüfung für die neue Demokratie und alte Vorurteile gegenüber Juden lebten erneut auf, z. B. Geldgier, Rachsucht. Doch zurück zu führen ist dieses Verhalten auf eine Generation, die im Zweiten Weltkrieg aufwuchs und antijüdische Einstellungen in die Wiege gelegt bekommen haben. In den nächsten Jahren sollten antisemitische und rassistische Anschläge, Einstellungen und Denken zurückgehen. Die Politik bestärkte dieses Vorhaben mit dem Verbot der rechtsradikalen Sozialistischen Reichspartei 1952 durch das Bundesverfassungsgericht. Ein Jahr später bei den Bundestagswahlen festigte sich das Parteiensystem in der Bundesrepublik; die Parteien CDU/CSU, SPD und FDP konnten 72% aller Stimmen für sich gewinnen. Eine erneute Umfrage gab einen deutlichen Rückgang antijüdischer Einstellungen zu erkennen. Das Desinteresse, bzw. eine unentschlossene Haltung über den Verbleib von Juden im Land wurde immer offensichtlicher. Mit einer neuen Generation, viel verbliebener Zeit, bildungspolitischen und gesetzgeberischen Maßnahmen gehen antisemitische Einstellungen zurück (Bergmann & Erb, 2007, S. 174).
In einer Studie 1974 fanden Alphons Silbermann und Herbert Sallen heraus, dass der Antisemitismus zwar zurückgeht, aber damals noch 20 % der westdeutschen Bevölkerung antisemitische Einstellungen hat. Sei schließen diesen Wert auf den so genannten „Privatisierungsprozess“ der Vorurteile. Hervorzuheben ist, dass der Wert immer weiter schrumpft, auch auf Grund dessen, dass Antisemitismus seine politische Funktion verloren hat (Bergmann & Erb, 2007, S. 175).
Abschließend ist noch einmal zusammenzufassen, dass die Entwicklung des Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 50 Jahren des 20. Jahrhunderts langsam und unkontinuierlich rückläufig ist, was allerdings weniger auf der Einstellungsänderung antisemitisch geprägter Generationen beruht, sondern viel mehr auf der aktiven Bekämpfung von Vorurteilen von Schulen, sowie politischer und Öffentlichkeitsarbeit und zudem auf der Vermittlung eines liberalen, demokratischen Wertesystems (Bergmann & Erb, 2007, S. 182).
Literaturliste
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Quote paper
- Stefan Roggenkamp (Author), 2010, Politischer Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Zusammenfassung der politischen Entwicklungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/357286
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