„Hab ich’s von Dir mein Schöpfer denn erbeten, dass du aus Lehm zum Menschen mich geformt? Dass du mich aus der Dunkelheit hervorzuziehen kamst.“ (Das verlorene Paradies, John Milton 1671, Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1967) „Es geschah in einer düsteren Novembernacht“… So beginnt Mary Shelleys berühmtestes Werk „Frankenstein oder der moderne Prometheus“, in dem der Wissenschaftler Viktor Frankenstein mit Hilfe der Elektrizität ein aus Leichenteilen bestehendes „Monster“ zum Leben erweckt. Doch ist das Monster wirklich ein so abgrundtief böses Geschöpf wie man es aus vielen anderen Schauerromanen kennt? Verkörpert Frankenstein den Prototypen des genretypischen Helden? Ist der Roman somit ein typisches Beispiel schauerromantischer Erzählliteratur? In dieser Arbeit versuche ich nun festzustellen, welche Bedeutung Frankenstein im Kontext der schwarzen Romantik zukommt, welches Merkmale und Motive der Schauerromantik allgemein zueigen sind, welche hiervon in Shelleys Werk zu finden und wie diese in Bezugnahme auf die Tradition des Schauerromans zu werten sind. Hierzu werde ich zunächst auf die allgemeine Definition der Schauerromantik und ihrer Motive eingehen, kurz den Roman selbst vorstellen und mich danach mit der Darstellung der Motive in „Frankenstein“ im Besonderen auseinandersetzen. Hierbei werde ich einen Vergleich zwischen den typischen Merkmalen der Schauerromantik und den Motiven in „Frankenstein“ ziehen, in dem die Besonderheiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen und der Schauerromantik herausgearbeitet werden. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der, aus dem Vergleich gewonnenen, Erkenntnisse. Grundlage meiner Arbeit werden in erster Linie die Reclam Ausgabe Nr. 8357 des „Frankenstein oder der moderne Prometheus “ sein, sowie Massari’s „Frankenstein - vom romantischen Mythos zu den Anfängen der Science-fiction“ und das Internet sein.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Schauerromantik / Schwarze Romantik
2.1 Allgemeines zur Schauerromantik
2.2 Motive und Werke der Schauerromantik
3. Frankenstein – Der Inhalt
4. Frankenstein im Kontext der Schauerromantik
4.1 Kulisse
4.2 „Ingredienzien des Bösen“ / Protagonisten
4.3 Motive
4.4 Frankenstein
4.5 Das Monster
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Hab ich’s von Dir mein Schöpfer denn erbeten,
dass du aus Lehm zum Menschen mich geformt?
Dass du mich aus der Dunkelheit hervorzuziehen kamst.“
(Das verlorene Paradies, John Milton 1671, Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1967)
„Es geschah in einer düsteren Novembernacht“…
So beginnt Mary Shelleys berühmtestes Werk „Frankenstein oder der moderne Prometheus“, in dem der Wissenschaftler Viktor Frankenstein mit Hilfe der Elektrizität ein aus Leichenteilen bestehendes „Monster“ zum Leben erweckt.
Doch ist das Monster wirklich ein so abgrundtief böses Geschöpf wie man es aus vielen anderen Schauerromanen kennt? Verkörpert Frankenstein den Prototypen des genretypischen Helden? Ist der Roman somit ein typisches Beispiel schauerromantischer Erzählliteratur?
In dieser Arbeit versuche ich nun festzustellen, welche Bedeutung Frankenstein im Kontext der schwarzen Romantik zukommt, welches Merkmale und Motive der Schauerromantik allgemein zueigen sind, welche hiervon in Shelleys Werk zu finden und wie diese in Bezugnahme auf die Tradition des Schauerromans zu werten sind.
Hierzu werde ich zunächst auf die allgemeine Definition der Schauerromantik und ihrer Motive eingehen, kurz den Roman selbst vorstellen und mich danach mit der Darstellung der Motive in „Frankenstein“ im Besonderen auseinandersetzen. Hierbei werde ich einen Vergleich zwischen den typischen Merkmalen der Schauerromantik und den Motiven in „Frankenstein“ ziehen, in dem die Besonderheiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen und der Schauerromantik herausgearbeitet werden.
Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der, aus dem Vergleich gewonnenen, Erkenntnisse.
Grundlage meiner Arbeit werden in erster Linie die Reclam Ausgabe Nr. 8357 des „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ sein, sowie Massari’s „Frankenstein - vom romantischen Mythos zu den Anfängen der Science-fiction“ und das Internet sein.
2. Schwarze Romantik (Schauerromantik)
2.1 Allgemeines zur Schauerromantik
Etwa um 1800 löst in Deutschland die so genannte „Schwarze Romantik“ die frühromantische Aufbruchstimmung ab. Die „Mondbeglänzten Zaubernächte“ eines Ludwig Tieck weichen einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse.
Der Ursprung der Schwarzen Romantik ist in der englischen Gothic novel zu finden, nämlich in Romanen wie: „Castle of Otranto“ von Horace Walpole (1764) oder auch Anne Radcliffs „The mysteries of Udolpho“ (1794).
Der Begriff „Schwarze Romantik“ bezeichnet eine Strömung innerhalb der europäischen Romantik, die der Literaturwissenschaftler Mario Praz in seiner Studie
„Liebe, Tod und Teufel. Die Schwarze Romantik, 1963“ näher untersucht.
Sie erweitert den Themenkreis der allgemeinen Romantik zum Irrationalen hin:
Sie wendet sich dem Abseitig – Exzessiven, Schaurig – Dämonischen, Satanischen und Phantastischen zu.
Weitere Themen sind unter anderem die verborgenen Ängste des Menschen, Träume, Wahnvorstellungen (vgl. hierzu das Doppelgängermotiv in E.T.A. Hoffmanns
„Der Sandmann“)
Nach Praz lässt sich in dieser Phase der Geistesgeschichte ein verfeinert dekadenter Ästhetizismus ausmachen. Der Ästhetizismus verschrieb sich ganz der genusshaften Betrachtung des Wirklichen. Dies wird vielleicht am besten deutlich in der Forderung des jungen Tieck, das Leben gänzlich in Kunst zu verwandeln.*
Neben dekadent ästhetischen Zügen beinhaltet die Schwarze Romantik auch nihilistische Züge: Der Halt, den überlieferte Werte geben, geht verloren, es zeigen sich dunkle, melancholisch resignative Stimmungen. Genauso werden auch krankhaft abseitige Neigungen, die sog. „Nachtseiten“ des menschlichen Geistes sowie Phantastisch-Gespenstiges und Groteskes thematisiert.
Die Haltung innerhalb der Dichtung reicht von stark erotisch-sensitiven Motiven (vgl. Vampirmotiv) bis hin zu übersteigert morbiden Themen:
„Die Wasserrose nimmt sich schön, neben deinem bläulich-fahlen Fleisch aus, das ein großer grüner Wurm verschlingt“.[1]
Darüber hinaus findet diese Tendenz vor allem in der Trivialliteratur mit ihrer teils amoralisch-abnormen Thematik (Inzest, Nekrophilie) zwei Ausprägungen: den Schauerroman und die Gespenstergeschichte.
Das Böse hat in der Schauerromantik viele Gesichter, die vermeintliche Amoralität viele Ausdrucksformen und Gestalten. Motive und Figuren sind: „ Die gefallene Unschuld, der dämonische Priester, der ewige Wanderer, Groteske, Peiniger und Gequälte, Henker, Vampire, männermordende Frauen (femme fatale), Zwerge, Gnome, und Dämonen.“[2]
Auch die Schauplätze der Dichtung zeugen ebenfalls vom morbiden, wildromantischen Charakter der Schwarzen Romantik: Burgen, Verliese, verschneite Berge, zerrissene Schluchten, Friedhöfe, Freudenhäuser, Irrenanstalten usw.
Es sind Räume des Dunklen und Mystischen im Menschen. Über allem steht die Erfahrung des Nächtlichen: Das Übernatürliche verbindet sich mit dem Unterirdischen. Die Faszination vieler Romantiker am Nachtraum speist sich aus der „ästhetischen Oppositionsströmung gegen klassische Literaturpositionen“.[3]
Allgegenwärtig ist die Ästhetisierung des Verfalls in der Schwarzen Romantik:
„Das Grauen im Schönen und das Schöne im Grauen“.[4]
Die Entdeckung des Grauens als Quelle von Lust und Schönheit blieb nicht ohne Rückwirkung auf den Begriff der Schönheit selbst. Das „Schauern“ wurde selbst zu einer Kategorie des Schönen.
Für die Romantiker erhöhte sich die Schönheit gerade durch die Eigenschaften, die ihr zu widersprechen scheinen: nämlich durch die Züge des Grausigen.
Je trauriger und schmerzlicher Schönheit sich offenbart, umso höher wird der Genuss empfunden. Ferner ist der Zusammenhang zwischen Wollust und Grausamkeit essentiell für die Themen der Schwarzen Romantik. So empfand Novalis Schmerz als integrierenden Bestandteil der Lust: „Sonderbar, dass der eigentlich Grund für Grausamkeit Wollust ist “,
schrieb er in einem Aphorismus.[5]
Insofern folgt Novalis dem Grundsatz der Schauerromantik, dass keine Schönheit existieren kann, ohne mit Unglück behaftet zu sein.
Allerdings hatten die Romantiker diesen Schönheitstypus keinesfalls als erstes entdeckt, auch wenn sie ihn zuerst theoretisch behandelten. So war z.B. schon auf Bildern des 16. Jahrhunderts die Umarmung einer Frau durch den Tod dargestellt. Eine Szene, in der alle Merkmale des Vampirismus zu finden sind, der die Romantiker später so faszinierte.[6]
Der Romantiker versucht die Verirrungen seiner Phantasie zu leben oder zumindest den Schein der Erfahrung durchblicken zu lassen. Es kam dem aktuellen Zeitgeschmack entgegen, das Ungeordnete, Grausige und Sonderbare zu thematisieren: Hierbei gab es allerdings unterschiedliche Intentionen: Dichter wie Marino versuchten die Vernunft des Lesers in Erstaunen zu versetzen, ein Baudelaire dagegen will eher das moralische Gefühl des Lesers wachrütteln.
Einige Texte aus der Zeit der Schwarzromantik sind weltbekannt geworden:
So schrieb um 1897 Bram Stoker den Vampirroman schlechthin: „Dracula“.
Stoker verband hierbei den Vampirmythos mit den puritanischen Moralvorstellungen des viktorianischen Englands. Die Figur des Vampirs war glänzend geeignet, im Zuge der Schwarzen Romantik die Abgründe der menschlichen Natur darzustellen.
Ein epochemachendes Ereignis lag in der Begegnung Percy Shelleys, Mary W. Shelleys, Lord Byrons und dessen Leibarzt William Polidori im Sommer 1816.
Lord Byron schlug vor, jeder der Anwesenden solle sich eine Gespenstergeschichte ausdenken. Mary Shelley verfasste hierauf ihren Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ und schuf damit einen Klassiker der phantastischen Literatur.
Sowohl die Motive als auch die Darstellung des Unheimlichen an sich stehen in Shelleys Werk in deutlichem Kontext der zeitgenössischen phantastischen Novelle und des Schauerromans. Das Thema des künstlichen Menschen entstammt dem Ideenkomplex der romantischen Transzendental- und Naturphilosophie und streift in einigen Aspekten („Elektrisierung des Monsters“) auch einen Grenzbereich der wissenschaftlichen Medizin.
Die philosophischen Dimensionen des Romans werden naturgemäß allerdings von der
Faszination des Schrecklichen überdeckt.[7]
Das Buch wurde ein Sensationserfolg beim zeitgenössischen Publikum und ist es bis heute geblieben.
[...]
[1] Mario Praz, "Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik“, München: DTV 1994; im folgenden zitiert als Praz, S. 46
[2] www.schwarzeromantik.de/WasistSR.htm, 02.07.2003
[3] members.aol.com/heukla/kbuch2002.htm, 02.07.2003
[4] vgl. Praz, S.46
[5] vgl. Praz, S.35
[6] Praz, S.39
[7] www.robert-morten.de/baseportal/Redaktionssytem/britannia_mini_detail&Id==908, 02.07.2003
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