Dieses Lehrheft hebt sich von dem anderen Lehrmaterial vor allem dadurch ab, dass hier keine einzelvorschriftenbezogene und in sich geschlossene Behandlung von Gesetzen bzw. Gesetzesabschnitten erfolgt.
Dieses Kapitel umfasst zwei relativ selbstständige Teile.
Die erfolgreiche Berufstätigkeit als Securitymitarbeiter setzt Grundwissen über die Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden sowie der Staatsanwaltschaft voraus. Der Lernende muss das Privatrecht vom öffentlichen Recht unterscheiden und die sich aus dieser strikten Trennung ergebenden Konsequenzen für die Tätigkeit des privaten Sicherheitsgewerbes verständig herleiten können.
Dieses Lehrheft wird den Lernenden mit der methodischen Empfehlung übergeben, die einzelnen Teile jeweils für sich zu studieren und vor Eintritt in den nächsten Abschnitt die Kontrollfragen und -aufgaben des abgeschlossenen Teils schriftlich zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
Teil I Die Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte
1. Warum ist Gefahrenabwehr überwiegend Sache des Staates?
2. Mit welchem „Recht“ erfüllt der Staat seine Gefahrenabwehraufgaben?
2.1 Öffentliche Sicherheit und Ordnung - was ist das?
2.2 Wie und durch wen erfüllt der Staat seine Handlungspflichten?
2.3 Die geschichtliche Entwicklung der „Polizei“
2.4 Polizei heute - was ist das?
2.4.1 Die Polizeihoheit liegt bei den Ländern - warum?
2.4.2 Die Ausnahmen - Bundespolizeibehörden
2.4.2.1 Bundespolizei
2.4.2.2 Das Bundeskriminalamt
2.4.2.3 Zollfahndung
2.5 „Entpolizeilichung“ - eine historische Konsequenz
2.6 Die heutigen Aufgaben der Polizei
2.6.1 Gefahrenabwehr
2.6.2 Die Strafverfolgung
2.6.2.1 Die Stellung der Staatsanwaltschaft
2.6.2.2 Das Strafverfahren und die Strafgerichtsbarkeit
2.6.2.2.1 Strafverfahren = Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren
2.6.2.2.2 Rechtsmittel im Strafverfahren
2.6.2.2.3 Übersicht über die Strafgerichtsbarkeit
2.6.3 Amts- und Vollzugshilfe
2.7 Gefahrenabwehr durch Ordnungsbehörden
2.7.1 Sonderordnungs- und Sonderpolizeibehörden
2.7.2 Die staatliche Organisation der Gefahrenabwehr im Überblick
2.8 Gefahrenabwehr durch „Privat“ - Möglichkeiten und Grenzen
3. Kontrollfragen und -aufgaben
Teil II Die Abgrenzung von Privatrecht zum öffentlichen Recht in ihrer Bedeutung für die privaten Sicherheitsdienste
1. Begriff und Gegenstand des Privatrechts
2. Begriff und Gegenstand des öffentlichen Rechts
3. Die Bedeutung der Unterscheidung von Privatrecht und öffentlichem Recht für die Tätigkeit privater Sicherheitsdienste
4. Kontrollfragen und - aufgaben
Anhang - Zugehörigkeit der unterschiedlichen Rechtsgebiete
Vorwort
Dieses Lehrheft hebt sich von dem anderen Lehrmaterial vor allem dadurch ab, dass hier keine einzelvorschriftenbezogene und in sich geschlossene Behandlung von Gesetzen bzw. Gesetzesabschnitten erfolgt.
Dieses Kapitel umfasst zwei relativ selbstständige Teile.
Die erfolgreiche Berufstätigkeit als Securitymitarbeiter setzt Grundwissen über die Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden sowie der Staatsanwaltschaft voraus. Der Lernende muss das Privatrecht vom öffentlichen Recht unterscheiden und die sich aus dieser strikten Trennung ergebenden Konsequenzen für die Tätigkeit des privaten Sicherheitsgewerbes verständig herleiten können.
Dieses Lehrheft wird den Lernenden mit der methodischen Empfehlung übergeben, die einzelnen Teile jeweils für sich zu studieren und vor Eintritt in den nächsten Abschnitt die Kontrollfragen und -aufgaben des abgeschlossenen Teils schriftlich zu beantworten.
Berlin, im März 2017
Ulf Erik Finkewitz
Teil I Die Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte
1. Warum ist Gefahrenabwehr überwiegend Sache des Staates?
„Das Recht ist eine Gewalt, die der Gewalt das Recht streitig macht.“ Dieses Wort von Hans Kudszus beschreibt das Motiv, warum sich eine Gemeinschaft Recht schafft:
Das menschliche Miteinander soll durch ein Mosaik von Vereinbarungen - zum Vorteil aller - in geordnete und gewaltfreie Bahnen gelenkt werden. Die Gemeinschaft erteilt damit dem Faustrecht und der Selbstjustiz eine klare Absage. Marie von Ebner-Eschenbach bringt eine Grundüberzeugung zivilisierter Gemeinschaften auf den Punkt: „Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht“.
Eine Gemeinschaft gibt sich aber nicht nur Regeln, die die Verhältnisse der Menschen zu- und untereinander oder zum Staat und seinen Einrichtungen definieren und ausgestalten.
Recht verlangt immer auch, respektiert, geschützt und durchgesetzt zu werden. Es ist nur konsequent, dass der auf die Verwirklichung dieser Ziele gerichtete Teil des Rechts zwei Grundregeln aufstellt:
- Er schreibt die entsprechenden Aufgaben zum überwiegenden Teil den Gemeinschaftsinstitutionen zu und
- untersagt es dem einzelnen, sein Recht - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in die eigene Hand zu nehmen, wenn es denn einmal streitig gemacht oder gefährdet wird.
Und das hat gute Gründe. Z. B. werden dadurch Chancengleichheit und Ausgewogenheit im Rechtsausgleich überhaupt erst möglich.
Der Volksmund sagt: Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei. Er zielt damit (fast nur) auf das Problem des Klägers, der sein Recht nicht oder nur schwer beweisen kann.
Wie viel bedrückender wäre die Situation, müsste der Schwächere gegenüber dem Stärkeren selbst und allein seinen Ansprüchen Bahn brechen!
Was für die Durchsetzung von Rechten richtig ist, kann auf die Verteidigung bedrohter Rechte nur mit Einschränkungen übertragen werden. Bestehende Rechte gegen Gefahren zu schützen ist auch, aber nicht nur staatliche Aufgabe. Hier ist jetzt zu untersuchen, wie der Staat seiner entsprechenden Schutzverpflichtung gerecht wird.
2. Mit welchem „Recht“ erfüllt der Staat seine Gefahrenabwehraufgaben?
Die deutsche Rechtsordnung schützt den vorhandenen Bestand an Recht durch ein Rechtsgebiet, das als Gefahrenabwehrrecht bezeichnet wird. Dieses Recht wird auch Polizei- und Ordnungsrecht genannt.
Das hat seinen Grund darin, dass Gefahrenabwehr heute nicht mehr nur Aufgabe der Vollzugspolizei ist.
An diesem gemeinsamen Strang ziehen auch allgemeine Ordnungs- und Sonderordnungsbehörden (die in manchen Bundesländern allgemeine Polizeibehörden und Sonderpolizeibehörden genannt werden) und allgemeine Verwaltungsbehörden.
Das Polizei- und Ordnungsrecht ist Teil des (besonderen) Verwaltungsrechts. Es weist der Vollzugspolizei und den Ordnungsbehörden die Aufgabe zu, Gefahren für die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ abzuwehren.
Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung taucht im Umgang mit Behörden häufig auf, weshalb auch hier auf ihn kurz eingegangen werden soll.
2.1 Öffentliche Sicherheit und Ordnung - was ist das?
„ Öffentliche Sicherheit “ meint die Unversehrtheit
- der gesamten geschriebenen Rechtsordnung,
- der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie
- aller Rechtsgüter der Bürger, insbesondere Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum.
Die „ öffentliche Ordnung “ bezeichnet die Gesamtheit der z. T. ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, die im Interesse eines geordneten und gedeihlichen Zusammenlebens beachtet werden müssen.
2.2 Wie und durch wen erfüllt der Staat seine Handlungspflichten?
Der Staat erfüllt seine Verpflichtungen durch das Verwaltungshandeln seiner Behörden.
Anmerkung:
§ 1 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) definiert Behörde als jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung vornimmt.
Verwaltungshandeln kann sich z. B. als Eingreifen, Überwachen, Planen, Leisten oder Versorgen darstellen. Im demokratischen Staat kommt der Administration kaum noch eine lenkende Funktion zu.
Auch auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts überlässt die moderne Verwaltung fast das gesamte gesellschaftliche Geschehen solange der Wirtschaft und den Privatpersonen, so lange sich nicht für den Einzelnen oder die Allgemeinheit Gefahren abzeichnen.
2.3 Die geschichtliche Entwicklung der „Polizei“
Gefahrenabwehr ist also Aufgabe u. a. der Polizei. Bevor dieses Kapitel die Aufgaben der Polizei näher beschreibt, soll ein kurzer geschichtlicher Rückblick interessante Informationen zu dem Begriff „Polizei“ vermitteln.
„Polizei“ ist von dem griechischen Wort politeia abgeleitet, was soviel heißt wie Staat bzw. Verfassung. Im deutschsprachigen Raum lässt sich dieser Ausdruck bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen.
Damals und für etwa drei Jahrhunderte lang bezeichnete die „gute Polizey“ einen gut geordneten Zustand des Gemeinwesens.
In jener Epoche kannte man noch keine Unterscheidung in privates und öffentliches Recht. Die Reichs- und Landespolizeiordnungen befassten sich mit dem überwiegenden Teil der Rechtsordnung überhaupt:
Z. B. Berufs- und Religionsausübung, Vertragswesen, Sittlichkeit, „Familien- und Erbrecht“, Wirtschaftsverkehr, Maße und Gewichte, Zollwesen, Preise, Lebensmittelrecht.
Im 18. Jahrhundert stand „Polizei“ nicht mehr nur für einen gut geordneten Zustand. Im Zeitalter des Absolutismus vereinigte der absolute Herrscher in seiner Person alle Staatsgewalt. Er war zugleich Gesetzgeber, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung.
Die „Polizeigewalt“ des Herrschers war wichtigstes Element der zusammengeführten absoluten Staatsgewalt.
Polizeigewalt war ein Hoheitsrecht, mit dem der regierende Monarch praktisch alle Lebensbereiche seiner Untertanen reglementieren und seine Anordnungen mit Zwang und Strafe auch durchsetzen konnte.
Die Staatsgewalt war an keine Verfassung oder parlamentarische Gesetzgebung gebunden. Ihre Ausübung berücksichtigte keine bürgerlichen Rechte und Freiheiten und unterlag keiner gerichtlichen Kontrolle. (Anmerkung: Es fehlte also alles, was einen Rechtsstaat kennzeichnet.)
Als „Polizei“ galten alle staatlichen Verwaltungszweige und alle Bediensteten des Herrschers, die diese Polizeigewalt für ihn ausübten.
Erst im ausklingenden 19. Jahrhundert und erst als der liberal-rechtsstaatliche Verfassungsstaat die absolute Monarchie abgelöst hatte, fand der Polizeistaat sein Ende.
Für Preußen hob 1882 das preußische Oberverwaltungsgericht in dem sog. Kreuzberg-Urteil (Streit um die Höhe der zulässigen Bebauung bestimmter Grundstücke) die fast unbegrenzten Zuständigkeiten und Möglichkeiten der Polizei auf.
Die Aufgabe der Polizei wurde seither auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung begrenzt. Und: Fortan war es der Polizei nicht mehr möglich, allein auf Grund der allgemeinen Polizeigewalt Anordnungen zu erlassen. Ohne eine spezielle gesetzliche Grundlage durfte nicht mehr in Freiheit und Eigentum eingegriffen werden.
Auf dieses Urteil und die darauf aufbauende Fortentwicklung geht der weite Polizeibegriff zurück, der sich bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus, unterbrochen und suspendiert durch den Gestapo- und SS-Staat, erhalten hat:
Polizei ist der Inbegriff der Behörden, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und bereits eingetretene Störungen zu beseitigen haben.
Dieses sehr weite Verständnis von „Polizei“ erklärt, warum viele Bereiche der öffentlichen Verwaltung das Anhängsel „Polizei“ trugen: Z. B. Bau-, Feuer-, Gewerbe-, Friedhofs-, Jugend-, Fremden-, Sitten-, Maß- und Gewichts-, Theaterpolizei usw.
2.4 Polizei heute - was ist das?
Der heute gebräuchliche enge Polizeibegriff meint nur noch die Vollzugspolizei der Bundesländer und des Bundes:
Die Polizei der Länder ist Die Polizei des Bundes ist
- die uniformierte - die uniformierte
- Schutzpolizei, Bundespolizei,
- Bereitschaftspolizei, - das Bundeskriminalamt.
- Wasserschutzpolizei, Als Polizeibehörde gilt aber auch
- der Zollfahndungsdienst, bestehend aus dem
- die Kriminalpolizei. - Zollkriminalamt und den Zollfahndungsämtern.
Aus dieser Gegenüberstellung lässt sich erkennen, dass die Polizei - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht dem Bund untersteht. In ihrem weit überwiegenden Teil ist die Polizei den einzelnen Ländern unterstellt. Polizisten sind zumeist Beschäftigte des Landes, nicht des Bundes.
Der Verzicht auf eine umfassend zuständige und schlagkräftige Bundespolizei, wie es sie z. B. in den USA gibt (FBI), hat in Deutschland historische Gründe.
2.4.1 Die Polizeihoheit liegt bei den Ländern - warum?
Die erschütternden Erfahrungen mit dem gerade überwundenen zentralistischen Polizeistaat der nationalsozialistischen Diktatur veranlassten den Verfassungsgeber dazu, auf eine erneute Konzentrierung der Polizeihoheit zu verzichten; sie wurde (wieder) den einzelnen Ländern eingeräumt.
Gefahrenabwehr und Strafverfolgung liegen also in erster Linie in der Verantwortlichkeit der einzelnen Bundesländer.
2.4.2 Die Ausnahmen - Bundespolizeibehörden
2.4.2.1 Bundespolizei
Die Aufgaben und Befugnisse der Bundespolizei sind im Bundespolizeigesetz (BPolG) geregelt. Dazu gehören u. a.: Polizeiliche Überwachung der Grenzen zu Lande, zu Wasser und aus der Luft; polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt sowie der Grenzfahndung; die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenzen beeinträchtigen, im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 km, Aufgaben der Bahnpolizei; Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs; Sicherheitsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen; Schutz von Verfassungsorganen des Bundes und von Bundesministerien.
2.4.2.2 Das Bundeskriminalamt
Mit dem Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (BKA-Gesetz) schuf der Bundesgesetzgeber im März 1951 die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden.
Sein Auftrag beschränkte sich zunächst auf sehr wenige unmittelbare Verfolgungsbefugnisse. Im Vordergrund stand dabei die Bekämpfung des Verbrechers, der sich über Ländergrenzen hinaus oder im internationalen Bereich betätigt oder betätigen wird.
Dem Amt kam und kommt auch heute noch auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung im Verhältnis Länder/Bund eine zusammenführende und koordinierende Funktion zu.
Seine aktuelle Bedeutung erlangte das Bundeskriminalamt erst 1973, als das BKA-Gesetz dieser Polizeibehörde auch eigene Verfolgungszuständigkeiten zuwies:
- Bekämpfung des international organisierten ungesetzlichen Handels mit Waffen, Munition, Sprengstoffen oder Betäubungsmitteln (Rauschgift),
- Bekämpfung international organisierter Herstellung oder Verbreitung von Falschgeld, die eine Sachaufklärung im Ausland erforderlich macht,
- Verfolgung politisch motivierter Straftaten, insbesondere von Angriffen gegen Leben oder Freiheit
- des Bundespräsidenten,
- der Mitglieder
- der Bundesregierung,
- des Bundestags,
- des Bundesverfassungsgerichts,
- von Staatsgästen und Angehörigen diplomatischer Vertretungen in der Bundesrepublik, soweit dadurch bundes- oder außenpolitische Belange berührt werden.
- Personenschutzaufgaben für Mitglieder der vorstehend genannten Verfassungsorgane (Sicherungsgruppe), soweit nicht der Bundesgrenzschutz zuständig ist.
- Neben diesen eigenen Ermittlungskompetenzen blieben bisherige Aufgaben bestehen bzw. traten u. a. neu hinzu:
- Bekämpfung der international organisierten Geldwäsche,
- Bekämpfung des Verbrechers, der sich über Ländergrenzen hinaus oder im internationalen Bereich betätigt oder betätigen wird,
- Zuweisung der Strafverfolgung an ein Bundesland bei über den Bereich eines Landes hinausgreifenden Tatzusammenhängen,
- Instrument der Zusammenarbeit und Koordination zwischen Bund und Ländern,
- Unterstützung der Länderpolizeibehörden bei der Strafverfolgung auf Anforderung oder nach Anordnung durch den Bundesinnenminister,
- zentrale Nachrichten- und Informationssammelstelle der deutschen Kriminalpolizei. Ziel ist es, alle Nachrichten und Unterlagen für die kriminalpolizeiliche Verbrechensbekämpfung und die Erforschung von Straftaten zu sammeln und die Länder über die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu unterrichten,
- Zentralstelle im Polizeibereich für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern,
- Führen der Kriminalstatistik, Forschung
- Unterhalten eines effizienten Erkennungsdienstes und hoch entwickelter Kriminaltechnik.
- Dienstverkehr mit ausländischen Polizei- und Justizbehörden; Nationales Zentralbüro für die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol).
2.4.2.3 Zollfahndung
Die Zollfahndung ist Teil der Bundesfinanzverwaltung. Diese Polizeibehörde bekämpft Delikte, die sich im weitesten Sinne als (Steuer-)Straftaten im Zusammenhang mit grenzüberschreitendem Verkehr darstellen:
Z. B. Zollhinterziehung, gewerbsmäßiger Schmuggel, Steuerhehlerei (z. B. Ankauf unverzollter Zigaretten), Bannbruch, d. h. verbotswidrige Ein-, Aus- oder Durchfuhr zollpflichtiger Gegenstände (z. B. Kriegswaffen).
2.5 „Entpolizeilichung“ - eine historische Konsequenz
Das heute übliche Verständnis von Polizei, der „enge Polizeibegriff“, spiegelt neben der Aufteilung der Polizeigewalt auf die einzelnen Länder eine weitere historische Konsequenz wieder, die man als „Entpolizeilichung“ bezeichnen kann.
Entpolizeilichung ist die Herauslösung allgemeiner Aufgaben der Gefahrenabwehr aus der Vollzugspolizei und Übertragung dieser Zuständigkeiten auf eigenständige Behörden, die zumeist keine eigenen Exekutivbefugnisse haben.
Bis 1933 gab es die für alle Aufgaben der Gefahrenabwehr zuständige Polizei. Die Polizei war Vollzugs- und gleichzeitig Fachverwaltung. Seit 1945 sind die Aufgaben der Polizei sehr viel enger gefasst. Heute stehen im Vordergrund:
- Der Schutz von Leben und Eigentum,
- die Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung,
- die Verhütung und Aufklärung von Straftaten und
- die Übergabe der Rechtsbrecher an die Gerichte.
Nach dem Krieg wurde die Polizei von vielen Verwaltungsaufgaben zu Gunsten von allgemeinen und sachorientierten Ordnungsbehörden entbunden.
Diese führen zumeist nicht mehr die Bezeichnung „Polizei“ in ihrem Behördennamen, was allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich konsequent gehandhabt wurde.
Ihnen steht es häufig nicht zu, bei der Durchsetzung ihres Verwaltungshandelns gegenüber dem Bürger unmittelbaren Zwang anzuwenden. Sie haben also keine unmittelbaren Eingriffsbefugnisse.
Die Vollzugspolizei wird in den verlorenen Aufgabenbereichen dennoch tätig, wenn eine „ Eilzuständigkeit “ eintritt:
Kann die zuständige Fachbehörde in einem akuten Gefährdungsfalle nicht rechtzeitig handeln (z. B. Nachtzeit, Wochenende, Feiertage), dann sind die Polizeivollzugsbeamten in der Pflicht.
Sie müssen die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen einleiten und auch gegenüber den Fachbehörden verantworten, die unverzüglich zu unterrichten und einzuschalten sind.
Entpolizeilichung zeigte sich dort besonders deutlich, wo früher von sicherheitspolizeilichen Aufgaben die Rede war: Im Pass-, Melde-, Ausländer-, Presse-, Vereins- und Versammlungswesen sind heute oft von der Polizei abgetrennte Ordnungsbehörden zuständig.
2.6 Die heutigen Aufgaben der Polizei
Das Wissen um diesen geschichtlichen Hintergrund erleichtert das Verständnis von Art und Umfang der Aufgaben unserer heutigen Vollzugspolizei. Das Aufgabenspektrum umfasst demnach drei große Bereiche:
- Gefahrenabwehr,
- Strafverfolgung sowie
- Amts- und Vollzugshilfe.
2.6.1 Gefahrenabwehr
Die polizeiliche Aufgabe „ Gefahrenabwehr “ ist heute auf Situationen beschränkt, die ein rasches Eingreifen und/oder körperliches Dasein von Polizeiautorität bzw. -schutz am Ereignisort erfordern.
Rechtsgrundlage für das Abwehrhandeln der Vollzugspolizei sind die Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer. Dabei gilt allgemein der Grundsatz, dass Gefahrenabwehr in erster Linie Sache der Ordnungsbehörden ist und die Polizei nur in „ Not- bzw. Eilfällen “ einschreiten darf.
Die Aufgaben und Befugnisse der Polizeibeamten sind im Rahmen der Gefahrenabwehr allein auf solche Maßnahmen ausgerichtet, die im Interesse des Rechts sofort getroffen werden müssen und von den eigentlich Zuständigen in dieser kurzen Zeit nicht veranlasst werden können.
Beispiel 1: Verkauf verdorbener Lebensmittel in Restaurants: Die Polizei nimmt Lebensmittelproben entgegen und bewahrt sie sachgerecht auf (Kühlung), damit die zuständige Ordnungsbehörde die erforderlichen Untersuchungen anstellen kann.
Beispiel 2: Auf einer Baustelle führt die Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften (z. B. „provisorische“ Verbindung von Gerüstteilen mit Bindfaden) zu einer akuten Unfallgefahr. Die Polizei unterbindet die weitere Bautätigkeit und informiert die Bauaufsicht.
Beispiel 3: Veranstaltungen, Katastrophen, Naturgewalt oder erhebliche Schadensereignisse erfordern es, die Bewegung einer Vielzahl von Menschen so zu „kanalisieren“, dass das Aufeinandertreffen der Personen nicht in körperliche Auseinandersetzungen oder in eine Panik mündet, kein oder kein weiterer Schaden entsteht, Hilfe herangeführt und geleistet werden kann.
2.6.2 Die Strafverfolgung
Die zweite große Aufgabe der Polizei ist die Mitwirkung an der Strafverfolgung. Diese Formulierung enthält für den Lernenden vielleicht eine Überraschung: Für die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist in erster Linie die Staatsanwaltschaft zuständig.
Auf dem Gebiet der Strafverfolgung wird die Polizei für die Staatsanwaltschaft tätig, die die „Herrin des Verfahrens“ ist. Anders ausgedrückt:
Die Staatsanwaltschaft ist ein Kopf ohne Hände und die Polizei übernimmt die Funktion dieser Hände 1.
Dies trifft nicht nur für die Kriminalpolizei, sondern für die gesamte Polizei zu und ist auch nicht auf die „ Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft “ beschränkt.
Die führende Rolle der Staatsanwaltschaft ergibt sich aus § 160 Abs. 1 StPO.
Im Wortlaut:
§ 160 StPO - Aufgaben der Staatsanwaltschaft
(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.
(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.
(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.
(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.
Ein Wort zur Staatsanwaltschaft selbst:
2.6.2.1 Die Stellung der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft ist ein selbstständiges Organ der Rechtspflege. Sie gilt als Justizbehörde und ist weder der vollziehenden noch der rechtsprechenden Gewalt zuzurechnen.
In Strafsachen ist sie Untersuchungs- und Anklagebehörde, der allerdings die Pflicht obliegt, nicht nur belastendes, sondern auch entlastendes Beweismaterial zusammenzutragen.
Das Gerichtsverfassungsgesetz fordert, dass bei jedem Gericht eine Staatsanwaltschaft bestehen soll:
Beim Bundesgerichtshof gibt es den Generalbundesanwalt und mehrere Bundesanwälte, bei den Oberlandes- und Landgerichten Staatsanwälte und bei den Amtsgerichten Staats- und Amtsanwälte. Die Beamten der hierarchisch aufgebauten Staatsanwaltschaft sind an die dienstlich zulässigen Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden.
Die Weisungskompetenz der Staatsanwaltschaft hat dort ein Ende, wo nicht mehr die Strafverfolgung, sondern die Gefahrenabwehr im Vordergrund steht.
Das nachfolgende Beispiel erläutert nicht nur die gerade getroffene Aussage, sondern verdeutlicht auch, warum eine genaue Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung so wichtig ist:
Die Verfolgung eines flüchtenden Bankräubers ist Strafverfolgung. Nimmt dieser Straftäter jedoch eine Geisel, dann tritt die Strafverfolgung hinter die Abwehr der Gefahr für Leben und Gesundheit der Geisel zurück. Praktisch bedeutet dies: Die Entscheidung darüber, ob den Forderungen eines Geiselnehmers nachgegeben und damit möglicherweise der schnelle Festnahmeerfolg gefährdet wird, liegt nicht mehr beim Staatsanwalt, sondern allein bei der Polizei.
Auf dem Gebiet der Strafverfolgung kommt der Polizei in Bezug auf die Staatsanwaltschaft eine Zuarbeiterfunktion zu, die allerdings einige markante Besonderheiten aufweist. § 163 StPO bestimmt für die Polizei:
Im Wortlaut:
§ 163 StPO - Aufgaben der Polizei
(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.
(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.
(3) …
Die Besonderheiten sind:
- Es sind nicht die Länderpolizeigesetze, die der Polizei bei der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ihre Aufgaben und Befugnisse zuweisen.
Bundesrecht bildet die Rechtsgrundlage für dieses Handeln der Länderpolizeibeamten. Es ist das Strafverfahrensrecht, das die Rolle der Polizei in der Strafverfolgung definiert.
- Die Polizei ist weder Justizbehörde, noch gehört sie organisatorisch zur Staatsanwaltschaft. Dennoch ist die Staatsanwaltschaft in den Fragen der Strafverfolgung gegenüber der Polizei weisungsbefugt.
- Die Polizei muss von sich aus in Ermittlungen eintreten, sobald sie von einer Straftat erfährt (Legalitätsprinzip).
Dabei darf sie keine noch so geringfügige Straftat „unter den Tisch fallen lassen“. Ihr steht in dieser Frage kein Ermessensspielraum zur Verfügung.
Die sofortige Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft ist eher die Ausnahme, als die Regel.
In der Gestaltung des Ermittlungsverfahrens ist die Polizei zwar an gesetzliche Voraussetzungen gebunden, aber im Übrigen weit gehend frei. Sie orientiert ihre Tätigkeit an kriminaltaktischen und -technischen Erfordernissen.
[...]
1 Wolf-Dietrich Brodag, Strafverfahrensrecht, 7. Auflage, Stuttgart 1991, Rand-Nr. 20
- Arbeit zitieren
- Ulf Erik Finkewitz (Autor:in), 2017, Öffentliches Recht. Die Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden sowie der Staatsanwaltschaft in Abgrenzung zu denen privater Sicherheitsdienste, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356804
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