Diese Arbeit hat insofern einen interdisziplinären Ansatz, als sie ausgehend von dem
sportwissenschaftlichen Seminar "Grundlagen und Methoden empirischer Sozialforschung in
der Sportwissenschaft" im Fach Soziologie als Leistungsnachweis Anerkennung sucht.
Dabei lässt der Autor die Ergebnisse des Seminars in Teilen zur Veranschaulichung in die Arbeit mit
einfließen. Da es Ziel des Seminars ist, Grundlagen und Methoden der empirischen Sozialforschung zu
vermitteln, somit den praktischen Nutzen zu betonen, wird in dieser Ausarbeitung
genauer auf die Methodologie eingegangen, also gewissermaßen erkenntnistheoretische
Vorüberlegungen zu den Methoden angestellt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung – Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft
2. Erkenntnistheoretische Voraussetzungen
2.1 Wirklichkeit bei Max Weber
2.2 Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft
2.3 Sozialforschung und Praxis
3. Methoden empirischer Sozialforschung
3.2 Die Forschungsfrage
3.3 Theoretische Grundlegung
3.4 Definitionen
3.5 Indikatorenbildung und Operationalisierung
4. Methoden zur Datengewinnung
4.1 Befragung
4.2 Formen der Befragung
4.3 Beobachtung
4.4 Inhaltsanalyse
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung – Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft
Diese Hausarbeit hat insofern einen interdisziplinären Ansatz, als sie ausgehend von dem sportwissenschaftlichen Seminar „Grundlagen und Methoden empirischer Sozialforschung in der Sportwissenschaft“[1] im Fach Soziologie als Leistungsnachweis Anerkennung sucht. Dabei lasse ich die Ergebnisse des Seminars in Teilen[2] zur Veranschaulichung in die Arbeit mit einfließen.
Da es Ziel des Seminars ist, Grundlagen und Methoden der empirischen Sozialforschung zu vermitteln, somit den praktischen Nutzen zu betonen, möchte ich in dieser Ausarbeitung genauer auf die Methodologie eingehen, also gewissermaßen erkenntnistheoretische Vorüberlegungen zu den Methoden anstellen. Zunächst sollen die Begriffe aber klar voneinander abgegrenzt werden. Friedrichs zitiert dazu Bönisch (1970, S. 20f). Methodologie behandelt demnach:
1. Die Analyse der Vorgehensweise bei der theoretisch-erkennenden und praktisch-gegenständlichen Tätigkeit des Menschen einschließlich der diesem Vorgehen zugrundeliegenden Gesetze, Regeln und Normen sowie deren erkenntnistheoretisch-logische Struktur;
2. die Synthese allgemeiner, vielen Methoden gemeinsamer, wesentlicher invarianter Züge, Eigenschaften und Relationen zu einem System von regulativen Prinzipien, Forderungen und Regeln, deren philosophisch-weltanschaulicher und erkenntnistheoretisch-logischer Begründung mit dem Ziel, Extrapolationen zu ermöglichen und die Wirksamkeit spezifischer Arbeits- und Erkenntnismethoden zu erhöhen.[3]
Eine Methode wird definiert als
„ein spezielles System von Regeln, das die Tätigkeit bei der Erlangung neuer Erkenntnisse und der praktischen Umgestaltung der Wirklichkeit organisiert ... Für eine Explikation des Begriffs Methode ist also wesentlich, daß Methode einen Prozeß kennzeichnet, der auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist bzw. ein System von Regeln umfaßt, daß diesen Prozeß festlegt“[4]
Ich werde im Zuge dieser Arbeit also zunächst auf einige Aspekte von Erkenntnistheorie behandeln, um dann über exemplarisch ausgewählt Techniken der Datengewinnung auf ein aktuelles Forschungsvorhaben einzugehen, dessen Forschungsdesign im Laufe des Seminars entwickelt wird. Da das Seminar zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Hausarbeit noch nicht abgeschlossen ist, werden nur Auszüge mit aufgenommen.
2. Erkenntnistheoretische Voraussetzungen
Da mit den Werkzeugen (oder: Methoden) empirischer Forschung Wirklichkeit ver messen wird, erscheint es mir notwendig, den Wirklichkeitsbegriff wissenssoziologisch zu erläutern.
Es handelt sich hierbei um sehr abstrakte Diskussionen, die aber grundlegend sind für die moderne Soziologie und unser Verständnis von Wirklichkeit geprägt haben.
Mit dem Seienden beschäftigten sich insbesondere Philosophen wie Immanuel Kant (1724-1804) und der Neukantianist Heinrich Rickert (1863-1936), die mit ihren erkenntnistheoretischen Überlegungen grundlegend waren für Soziologen wie beispielsweise Max Weber (1864-1920). Die Wissenschaft des Seienden, auch: Ontologie[5], war geprägt durch einen Streit über das, was die Ontologie (oder auch: Metaphysik) überhaupt umfassen und erklären sollte. Zurückzuführen ist dies im wesentlichen auf die Problematik der unterschiedlichen Wirklichkeitsbegriffe, auf die die Philosophen damals ihre Überlegungen stützten. Während die Naturwissenschaftler im 16. und 17. Jh. die Definitionsgewalt des Wirklichkeitsbegriff für sich beanspruchten, so versuchte J.B. Hamel (1624-1706) die Ontologie bzw. Metaphysik in Abgrenzung zu der naturwissenschaftlichen Physik greifbar zu machen:
„Die Physik wendet sich, wie Fr. Bacon bemerkte, lediglich der Existenz der Dinge zu, der Bewegung und einer natürlichen gewissen Notwendigkeit der Materie, die Metaphysik hingegen forscht sehr sorgfältig nach dem ersten Grund und der Idee des herzustellenden Dinges.(...)“[6]
Diese Erkenntnis ist für unseren Bereich der empirischen Sozialforschung besonders interessant: es geht uns nicht in erster Linie um die Feststellung der bloßen Existenz eines Tatbestandes, sondern gerade um die Erforschung der Ursache [ Idee des herzustellenden Dinges ] und die Erklärung, also das Warum.
Nach dieser philosophischen Grundlegung möchte ich im folgenden Abschnitt den Wirklichkeitsbegriff eines „klassischen“ Soziologen – Max Weber – besprechen. Weber hat sich intensiv mit der Methodologie der Soziologie beschäftigt und daraus seine „Theorie“ entwickelt.
Es ist für jede Untersuchung nach meiner Überzeugung hilfreich und nützlich, wenn eine klare Vorstellung über den Gegenstand (Wirklichkeit) seiner Untersuchung zugrunde liegt. Betrachtet man die Wirklichkeit und erkennt Dinge, dann mag man sich auch nach den Ursachen, dem warum, fragen, die diesen Dingen zugrunde liegen. Diese Dinge können sowohl materiell als auch geistlichen Charakter haben. Für den Soziologen ist natürlich eher die soziale Wirklichkeit interessant, er bemüht sich um eine theoriegeleitete und systematische Vermessung der Wirklichkeit. Ein bekannter Soziologe, der sich dadurch auszeichnet, in nahezu jeder soziologischer Abhandlung zitiert oder erwähnt zu werden, wird von mir im nächsten Abschnitt gebraucht, um den Begriff der Wirklichkeit zu erläutern.
2.1 Wirklichkeit bei Max Weber
Zunächst möchte ich eine allgemeine Begriffsdefinition geben. In der philosophischen Tradition bezeichnet der Modus der Wirklichkeit erstens die Verwirklichung im Gegensatz zum Möglichen und zweitens im Gegensatz zu dem Scheinbaren[7]. Diese Beschreibung soll mit Kant erläutert werden. Für ihn ist mit dem Begriff der Empirismus und die Wahrnehmung verbunden. So ist alles, was wahrnehmbar ist, auch wirklich.
Als ein Postulat des empirischen Denkens gilt demnach:
„Was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (der Empfindung) zusammenhängt, ist wirklich“[8]
2.2 Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft
In seinem Aufsatz über die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis erfahren wir explizit Max Webers Grundlegung der Sozialwissenschaften. Weber geht in diesem Aufsatz der Frage nach, in welchem Sinne es objektiv gültige Wahrheiten über Kulturleben gibt. Er behandelt damit die Eigenart sozialwissenschaftlicher Arbeit als eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, in der das handelnde Subjekt in seinem historischen Kulturzusammenhang zu sehen ist.[9]
Weber definiert Sozialwissenschaft als eine Wirklichkeitswissenschaft und legt gleichzeitig das Erkenntnisinteresse fest:
„Wir wollen die uns umgebende Wirklichkeit des Lebens, in welches wir hineingestellt sind, in ihrer Eigenart verstehen – den Zusammenhang und die Kulturbedeutung ihrer einzelnen Erscheinungen in ihrer heutigen Gestaltung einerseits, die Gründe ihres geschichtlichen So-und-nicht-anders-Gewordenseins andererseits.“[10]
Unter der Prämisse der objektiven Geltung wissenschaftlicher Erkenntnis versucht Weber darzulegen, wie dies in der unendlichen Mannifaltigkeit der sich darstellenden (sozialen) Wirklichkeit überhaupt möglich ist: es kann „jeweils nur ein endlicher Teil derselben ein Gegenstand den wissenschaftlicher Erfassung bilden, dass nur er »wesentlich« im Sinne von wissenswert sein solle.“[11] Was sind aber die Prinzipien, anhand derer entschieden wird, was wesentlich ist? Was sind also die Auswahlkriterien? Nach Weber geht es in jedem Fall nicht darum, in der Geschichte nach der „gesetzmäßigen Wiederkehr bestimmter ursächlicher Verknüpfungen“[12] zu suchen. Wirklichkeit kann, so Weber weiter, nicht aus einem System von Lehrsätzen deduziert werden.[13] Dieser Vorstellung können wir schon hier entnehmen, dass Weber Wirklichkeit immer als individuelle, geschichtlich gewordene betrachtet, die sich nicht entlang einer naturgemäßen Notwendigkeit entwickelt hat. Auch spiegelt sich hier Webers strikte Ablehnung gegen eine materialistische Geschichtsauffassung wieder[14]. Schon seine Absicht, soziales Handeln sinnhaft verstehen zu wollen zeigt, dass Weber gerade den „Einzelfall“ für bemerkenswert hält. Wirklichkeit an sich ist zwar in vielerlei Hinsicht für den Sozialwissenschaftler nicht greifbar, jedoch wirkt dies im Werke Max Webers keinesfalls „lähmend“. Im Gegenteil: Weber erarbeitet sich seine Handlungsfähigkeit gerade durch die konsequente Begriffsbildung und seine methodischen Hilfsmittel, wie den Idealtypus, den ich später noch besprechen werde. Zusammenfassend soll an dieser Stelle Weber zu Wort kommen, der den Zusammenhang zwischen Sozialwissenschaft und individuell gestalteter Historie in gewohnter Schärfe und Präzision herstellt:
[...]
[1] Seminar im WS 2003/2004, Dozent: Prof. Dr. Christian Wopp, Universität Osnabrück, Fachgebiet Sportwissenschaft
[2] eine ausführliche Darstellung würde den Rahmen einer als Einführung gedachten Hausarbeit sprengen
[3] Friedrichs 1990, S.13
[4] Friedrichs 1990, S.14
[5] Der Begriff der Ontologie wird in der Schulphilosophie des 16. und 17. Jahrhunderts auf R. Göckel zurückgeführt, gleichwohl sich bereits Aristoteles diesem Begriff mit der von ihm erdachten Seinswissenschaft – die später von seinen Nachfolgern Metaphysik genannt wird – in der Sache angenähert hat.
[6] Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 1190
[7] vgl. Philosophie Lexikon S. 680f.: Wirkichkeit
[8] Kant: KrV tr. Anal. 2.B..2.H.3. Abs. 4 nach Eisler
[9] vgl. Nusser 1986 S. 86 f.
[10] Weber 1988, S.170-171
[11] Weber 1988, S.171
[12] vgl. Weber 1988, S.171
[13] vgl. Weber 1988, S.172
[14] siehe dazu Brinkmann, C. 1942: „Man kann wohl mit Recht behaupten, „daß kein Forscher in deutscher und außerdeutscher Sozialwissenschaft den durch den Marxischen Materialismus aufgeworfenen, aber nicht gelösten Kreis von Fragen nach dem Zusammenhang der beiden Hälften aller ‘Kultur’, der der uns gleichmäßig gegebenen Welten naturhafter ‘Objektivität’ und subjektiver ‘Werte’, so tief gefaßt und so eigentlich schon über das Gesichtsfeld des neunzehnten Jahrhunderts hinausgeführt habe wie Max Weber.“ nach Wegener 1962, S. 93 – Auf den folgenden Seite legt Wegener sehr gut verständlich dar, dass vom Standpunkt des Neukantianismus aus der wissenschaftliche Sozialismus eines Karl Marx eben jenseit einer echten Erfahrungswissenschaft steht und eher als „Zwittergewächs aus Weltanschauung und Wissenschaft“ angesehen werden muss.
- Arbeit zitieren
- M.A. Andree Wippermann (Autor:in), 2004, Methodologie und Methoden empirischer Sozialforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35663
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