Die Autorin klärt in ihrem Buch, ob und wie Inklusion auf einer Reitsportveranstaltung gelingen kann und erstellt im Zuge dessen einen Leitfaden, der theoretische Schilderungen und Expertenaussagen, durch ihre Erfahrungen im „Spannungsfeld“ zwischen Reitsport und Inklusion ergänzt. Eine Arbeit aus der Wissenschaft für die Praxis mit hilfreichen Ausführungen für die Umsetzung von Inklusion im Reitsport und darüber hinaus.
Soziale Inklusion entsteht nicht automatisch Es muss ein Veränderungsprozess der Gesellschaft in Gang gesetzt werden. Aber wo kann man ansetzen, um die komplexe Aufgabe „Inklusion“ umzusetzen? Es sind Anlässe die Menschen zusammenbringen, der tolerante Umgang jedes Einzelnen mit Vielfalt und Heterogenität, die Nutzung von Kreativität in der Gestaltung des Zusammenseins ganz unterschiedlicher Menschen aber auch politische Bewegungen, eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit und der Aufbruch von Leistungsstrukturen. Grundsätzlich gilt es, überhaupt erst damit anzufangen. Der Sport kann in einem solchen Prozess ein Inklusionsmotor sein. Alle diese kleinen Ansätze hin zu Inklusion werden im Sport vereint und gleichzeitig spiegelt er unsere Leistungsgesellschaft optimal wieder.
Der theoretische Teil (A) der vorliegenden Arbeit, greift die zunehmende Bedeutung des Sports in unserer Gesellschaft auf und fasst seine Chancen aber auch Risiken für Inklusion zusammen, definiert die zugrunde liegende Zielgruppe mit ihrem Menschenbild in unserer Gesellschaft und beäugt mit einem kritischen Blick, exklusive und inklusive Faktoren rund um den Reitsport und die Inklusion von Menschen mit Behinderung - bringt dies abschließend in Zusammenhang mit dem Studium der Rehabilitationswissenschaften.
Teil B stellt die Konzeption und praktische Durchführung des inklusiven Reitturniers vor.
Der empirische Teil (C) konkretisiert das Auswertungsverfahren der Untersuchung und die daraus entstandenen Resultate konkretisiert und fasst die wichtigsten Erkenntnisse, im Hinblick auf Inklusion im Reitsport zusammen.
Im Anhang befindet sich der „Leitfaden für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen“, welcher die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit aufgreift und sie durch meine Erfahrungen zwischen dem Reiten als Turniersport und der Inklusion von Menschen mit Behinderung ergänzt und den Leitfaden im Zuge dessen zu einer praktischen Orientierungshilfe für interessierte Inklusionsdebütanten des Reitsports werden lässt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
(A) Theoretischer Teil
1. Sport und Inklusion
1.1 Inklusion und Menschen
1.2 Inklusion und Sport konkret
1.3 Reitsport für Menschen mit und ohne Behinderung
1.4 Forschungslage und Theorie
1.4.1 Reitsport versus Inklusion
1.4.2 Inklusion und Vision durch Reitsport
1.4.3 Zusammenfassung und Ausblick
2. Ansatzpunkte der Rehabilitationswissenschaften zur Förderung von Inklusion durch Reitsportveranstaltungen
2.1 Pädagogische Aspekte
2.2 Psychologische Aspekte
2.3 Soziologische Aspekte
(B) Praktischer Teil
3. Inklusives Reitturnier - Konzeptionsentwicklung
3.1 Zielgruppe, Wertschöpfung und Ziele
3.2 Kooperationspartner: RV Kurtscheid
3.3 Der Weg zur Turnierausschreibung
3.4 Die Turnierausschreibung
3.5 Verbandliche Regularien zur Durchführung
3.6 Der Weg zum Turnier und die Öffentlichkeitsarbeit
4. Umsetzung: Erstes inklusives Reitturnier des RV Kurtscheid am 23.04.2016
4.1 Der Turniertag und meine Rolle
4.2 Nachbereitung
(C) Empirischer Teil
5. Konzeption und Methode der Untersuchung
5.1 Forschungsfragen
5.2 Forschungsdesign und Stichprobe
5.3 Operationalisierung
5.4 Reliabilität und Validität
5.5 Durchführung
5.6 Auswertung
5.6.1 Definition von Kategorien, Ankerbeispielen und Kodierregeln
5.6.2 Auswertung durch „Inhaltliche Strukturierung“
6. Ergebnisse
6.1 Forschungsfragen und -antworten: Schlussfolgerungen
6.2 Leitfaden, Nachhaltigkeit und weiteres Forschungsbedürfnis
7. Reitsport und Inklusion - Die wichtigsten Erkenntnisse
Literaturverzeichnis
Anhang
Leitfadens für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen
Einleitung
Heutzutage leben wir in einer stark vom Leistungsgedanken beeinflussten Gesellschaft. Nur wer mit der Zeit geht und sich an den ständigen Wandel der Begebenheiten anpasst, kann Leistung in den entsprechenden Gesellschaftsbereichen erbringen und sich im Job oder Privatleben weiterentwickeln. Dabei fallen Menschen durch ein Raster, die diesem Leistungsgedanken nicht entsprechen, dem Leistungsdruck nicht standhalten und dem schnellen Wandel nicht folgen können. Unsere Gesellschaft ist noch immer darauf ausgelegt, dass sich ihre Mitglieder entsprechenden Paradigmenwechseln anpassen und nicht darauf, dass sich das System umstrukturieren müsste, um neue Möglichkeiten für alle zu schaffen. Darin liegt das Problem von Inklusion, die Kinderschuhe abzustreifen, um in größere Fußstapfen zu treten: Inklusion kann nur dann funktionieren, wenn sich die Gesellschaft für die Belange ihrer Menschen öffnet und die uneingeschränkte Teilhabe an allen ihren Bereichen zur Selbstverständlichkeit wird - sie sich von Stigmatisierungen frei macht und Akzeptanz schafft (vgl. Anneken 2013, 3).
„ Wer Inklusion will, sucht Wege. Wer sie nicht will, sucht Begründungen “ (Hüppe 2013)
Soziale Inklusion entsteht nicht automatisch (vgl. Eberwein 2008, 62): Es muss ein Veränderungsprozess der Gesellschaft hinsichtlich der Einstellungen zu Menschen, gesellschaftlichen Strukturen und der praktischen Vorgehensweise inklusiver Prozesse initiiert werden, der einem Leben in Vielfalt gerecht werden kann. Aber wo kann man ansetzen, um die komplexe Aufgabe „Inklusion“ umzusetzen? Es sind Anlässe die Menschen zusammen bringen, der tolerante Umgang jedes Einzelnen mit Vielfalt und Heterogenität, die Nutzung von Kreativität in der Gestaltung des Zusammenseins ganz unterschiedlicher Menschen aber auch politische Bewegungen, eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit und der Aufbruch von Leistungsstrukturen. Grundsätzlich gilt es, überhaupt erst damit anzufangen.
Der Sport kann in einem solchen Prozess ein Inklusionsmotor sein. Alle diese kleinen Ansätze hin zu Inklusion werden im Sport vereint und gleichzeitig spiegelt er unsere Leistungsgesellschaft optimal wieder.
Der praktische Teil dieser Arbeit hat ebenfalls einen Anfang und Beitrag zum Inklusion leben geleistet: Am 23 April 2016 habe ich in Zusammenarbeit mit meinem Reitverein, dem RV Kurtscheid, ein inklusives Reitturnier für Menschen mit und ohne Behinderung veranstaltet, das auch in sportlicher Hinsicht für Jedermann zugänglich war. Mit diesem Turnier konnte ich meinen Beruf und meine Leidenschaft verbinden: Im Reitsport bin ich nun seit 18 Jahren aktiv, reite selbst Turniere und habe drei eigene Pferde. Mit der Thematik „Behinderung“ bin ich aufgewachsen. Mein Bruder hatte eine geistig und körperlich schwere Behinderung und verbrachte sein ganzes Leben in unserer Familie. Die eigene reiterliche Karriere, meine langjährige Tätigkeit im Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren und die hierdurch entstandene Überzeugung, dass vor allem Reitsport und der Kontakt zum Pferd, Menschen zusammen bringen kann, haben den Wunsch ein Reitturnier zu konzipieren, verfestigt. Die vorliegende Arbeit soll nun klären, ob und wie Inklusion auf einer Reitsportveranstaltung gelingen kann und im Zuge dessen einen Leitfaden erstellen, der theoretische Schilderungen und Expertenaussagen, durch meine Erfahrungen im „Spannungsfeld“ zwischen Reitsport und Inklusion ergänzt. Denn trotz der Spannungen zwischen Leistungsgedanken und den Inklusionschancen des Sports, ist er „in aller Munde, wenn es darum geht, menschliche Entwicklung zu fördern, körperliche und seelische Gesundheit zu erhalten [sowie] gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen […] (Schliermann, Anneken, Abel, Scheuer, Froböse 2014, 1).
Der theoretische Teil (A) der vorliegenden Arbeit, greift die zunehmende Bedeutung des Sports in unserer Gesellschaft auf und fasst seine Chancen aber auch Risiken für Inklusion zusammen, definiert die zugrunde liegende Zielgruppe mit ihrem Menschenbild in unserer Gesellschaft und beäugt mit einem kritischen Blick, exklusive und inklusive Faktoren rund um den Reitsport und die Inklusion von Menschen mit Behinderung - bringt dies abschließend in Zusammenhang mit dem Studium der Rehabilitationswissenschaften. Teil B stellt die Konzeption und praktische Durchführung des inklusiven Reitturniers vor, bis der empirische Teil (C), das Auswertungsverfahren der Untersuchung und die daraus entstandenen Resultate konkretisiert sowie die wichtigsten Erkenntnisse, im Hinblick auf Inklusion im Reitsport, zusammenfasst. Im Anhang befindet sich der „Leitfaden für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen“, welcher die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit aufgreift und sie durch meine Erfahrungen zwischen dem Reiten als Turniersport und der Inklusion von Menschen mit Behinderung ergänzt und den Leitfaden im Zuge dessen zu einer praktischen Orientierungshilfe für interessierte Inklusionsdebütanten des Reitsports werden lässt.
(A) Theoretischer Teil
1. Sport und Inklusion
„ Für mich war der Sport der wichtigste Bestandteil meiner Rückkehr ins Leben. “ ,
schreibt Marianne Buggenhagen (1996, 51), selbst Sportlerin mit Behinderung, in ihrer Autobiographie. Sie räumt dem Sport damit einen enorm hohen Stellenwert ein, den sein Bedeutungsgewinn in der Gesellschaft zu bestätigen scheint. Rund um den Sport ist ein Wachstum und gesteigertes Interesse zu verzeichnen, was sich vom Profi- und Leistungssport, über die Freizeit- und Sportindustrie, bis hin zum breitensportlichen Bereich als Alltagsgestaltung ausdehnt (vgl. Rheker 2005, 57). Darüber hinaus werden innerhalb des Sportsystems auch andere Gesellschaftssysteme, wie Bildung, Unterhaltung und Information sowie Gesundheit und Wirtschaft, angesprochen (vgl. Anneken 2013, 13). Er vereint damit körperliche Aktivitäten (Sportaktivität), gesellschaftliche Institutionen (Sportsystem) und Wirtschaftsfaktoren (Sportmarkt) in sich (vgl. Kemper/Teipel 2014, 26). Sport forciert zum Lebensstil, der für Jedermann einen Platz in Mitten unserer Gesellschaft wesentlich begünstigt. Er „ist definiert als eine selbstbestimmte sensomotorische Aktivität, die leistungsfrei oder leistungsorientiert in organisierter oder unorganisierter Form als wesentlicher Bestandteil eines selbstbestimmten Lebens stattfindet.“ (Schliermann et al. 2014, 2) Es treffen sich Leistungs-, Breiten-, Präventions- und Rehabilitationssport, weshalb sich im Sport die Bereiche Leistung und Chancengleichheit (vgl. Kiuppis/Kurzke- Maasmeier 2012, 281) genauso wiederfinden, wie Alltagsaktivitäten und die Gesundheitsförderung und -verbesserung (vgl. APUZ 2011). Inklusion im Sport meint dabei die uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen unserer Gesellschaft. Demnach sollte jeder Mensch die Möglichkeit erhalten, nach seinen individuellen Wünschen selbstbestimmt und gleichberechtigt, ein Sportangebot zu wählen, daran teilzunehmen sowie sich partizipativ daran zu beteiligen (vgl. DBS 2014, 15 ).
Die vorliegende Arbeit wird überwiegend den Breitensport und die Aspekte der Leistungsorientierung in Sportveranstaltungen untersuchen. Hier bieten inklusive Sportveranstaltungen die Möglichkeit, das Miteinander von Menschen zu fördern, Leistungen und Fähigkeiten zu präsentieren und eine gemeinsame Kommunikationsplattform von Menschen mit und ohne Behinderung und auch darüber hinaus, zu schaffen (vgl. Wegner/Scheid/Knoll 2015, 291).
Die Bedeutung des Sports für Inklusion lässt sich in seiner Wertevermittlung konkretisieren: Er vermittelt Fairness, Teamgeist und Kooperation, Selbstverwirklichung, Zielstrebigkeit und das Erkennen von Grenzen sowie die Anerkennung Anderer, Verantwortung und Solidarität (vgl. Rheker 2005, 58 f.). Sport kann ein Inklusionsmotor sein, aber auch exklusiv wirken. Dies soll mit Blick auf den Reitsport im Folgenden näher beleuchtet werden. Die Zielgruppe der Arbeit wird konkretisiert, Facetten und Merkmale von Inklusion im Pferdesport aufgezeigt sowie der Reitsport für Menschen mit und ohne Behinderung abgebildet. Abschließend wird das Kapitel einen Überblick zur Forschungslage geben und behandelt Faktoren des Ausschlusses bestimmter Personengruppen im Reitsport sowie gleichzeitig die besonderen Chancen für Inklusion.
1.1 Inklusion und Menschen
Inklusion heißt, dass jeder Mensch selbstbestimmt und gleichberechtigt sowie unabhängig von individuellen Merkmalen an allen gesellschaftlichen Bereichen teilnehmen kann, damit einen Platz in Mitten unserer Gesellschaft findet (vgl. DBS 2014, 12). In einer inklusiven Gesellschaft herrscht eine annehmende Grundhaltung aller Menschen, die dazu führt, dass niemand mehr integriert werden muss. Inklusion grenzt sich damit deutlich von dem Begriff der Integration ab, der eine Separation beinhaltet und den Einbezug von Menschen fordert, die aufgrund ihrer Behinderung von vielen Gesellschaftszweigen ausgeschlossen sind (vgl. imh).
Sofern wir Inklusion erreichen können, ist sie charakteristisch für ein Leben in dem jede Person die Möglichkeit hat, im Rahmen gesetzlicher Vorgaben, seinen eigenen Lebensweg frei zu gestalten und seine Rolle selbst zu definieren, ohne Einschränkungen oder Stigmatisierungen fürchten zu müssen. Die Chancen von Vielfalt liegen in den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Menschen unserer Gesellschaft - sie müssen lediglich erkannt und genutzt werden. Heterogenität „ist ein Gewinn für die Gemeinschaft im Kleinen sowie für die Gesellschaft im Großen“ (DBS 2014, 12). So trägt jede Person seinen individuellen Teil zu einem gemeinsamen Miteinander bei - ob Kinder, Erwachsene, alte Menschen, Frauen oder Männer, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderung.
Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung befassen und soll daher im Folgenden die Personengruppe definieren und deren Menschenbild in unserer Gesellschaft verdeutlichen. Die Definition von Behinderung des § 2 SGB IX ist hier nur bedingt tauglich, da sie lediglich die körperlichen, geistigen und seelischen Funktionsbeeinträchtigungen einer Person in den Fokus rückt, ohne die spezifische Lebenslage in Verbindung mit ihrer Behinderung zu beachten (vgl. SGB IX 2001, 1046). Das heutige Verständnis von Behinderung hebt dagegen die Potentiale des Einzelnen im gesellschaftlichen Kontext hervor (vgl. Weger et al. 2015, 28). Die „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICF) beschreibt hierzu sämtliche, auf die funktionale Gesundheit zutreffenden Bereiche. Die Aspekte des SGB IX zu Körperfunktionen und -strukturen werden durch die Fähigkeit zu selbstständigem Handeln als individuelle Leistungsfähigkeit und durch die Teilhabe an zentralen Lebensbereichen der Gesellschaft ergänzt (vgl. Schliermann et al. 2014, 24 f.). Die Beachtung von Umweltfaktoren hat auch in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN- BRK) für die Beschreibung des Begriffs „Behinderung“ eine zentrale Bedeutung: „Zu den Menschen mit Behinderung zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ (BMAS 2011 b, 205). Diese Definition bildet keinen unveränderbaren Zustand ab, sondern beschreibt einen dynamischen Prozess, indem es nicht zentral um die Eigenschaften einer Person, sondern vielmehr um ein soziales Phänomen geht (vgl. Anneken 2013, 18).
Um die Vielfalt der Zielgruppe dieser Arbeit zu unterstreichen, müssen darüber hinaus die genannten Bereiche der Beeinträchtigungen definiert werden. Von körperlichen Beeinträchtigungen spricht man, wenn eine Schädigung des Stütz- und Bewegungsapparates oder eine andere organische Schädigung vorliegt, die die Motorik des Menschen beeinträchtigt und ihn damit an Selbstverwirklichung und sozialer Interaktion hindert (vgl. Bechstein 2012, 1). Eine geistige Behinderung lässt sich als eine dauerhaft bestehende, signifikant verringerte Fähigkeit bezeichnen, neue und komplexe Informationen zu verstehen, Fähigkeiten zu erlernen und ein eigenständiges, sozial kompetentes Leben zu führen (vgl. Schliermann et al. 2014, 130). Bei Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen liegen Schädigungen in der akustischen und/oder visuellen Wahrnehmung vor, die sich durch das differenzierte Erfahren der Welt auf Bereiche des sozialen Lebens auswirken (vgl. Wegner et al. 2015, 181). Eine seelische Behinderung beschreibt die Abweichung der, für das jeweilige Lebensalter typischen, seelischen Gesundheit und damit der Bewältigung von Alltagsaufgaben und dem Umgang mit sozialen sowie kommunikativen Beziehungen (vgl. Erdélyi 2004, 1).
Menschen mit komplexer oder schwerst mehrfacher Behinderung müssen mit Einschränkungen emotionaler, kognitiver, motorischer, sensorischer, sozialer und kommunikativer Fähigkeiten leben. Bei ihnen können sich die Bereiche der körperlichen, seelischen, geistigen oder der Sinnesbeeinträchtigungen in unterschiedlicher Ausprägung in einer Person vereinen und besonders starke soziale Abhängigkeiten hervorrufen. Eine daraus resultierende und auf weiteren kommunikativen Aspekten beruhende Beziehungs- störung, bringt gleichzeitig gesellschaftlich isolierende Bedingungen mit sich (vgl. Maier- Michalitsch/Grunick 2012, 11 f.).
Nach der Definition von Behinderung soll im Folgenden die Auseinandersetzung mit dem Menschenbild von Menschen mit Beeinträchtigung in der Gesellschaft stattfinden. Es beschreibt aktuelle Einstellungen und Sichtweisen auf Menschen dieser Personengruppe, denn noch immer setzt unsere Leistungsgesellschaft einem Mensch mit Behinderung deutliche Grenzen, was individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und besonders die Teilhabe an wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens betrifft (vgl. Rheker 2005, 32). Distanz und Ablehnung entstehen vor allem durch ein geringes Maß an Inklusions- möglichkeiten in die entsprechenden Gesellschaftszweige und damit durch eine Koexistenz, ohne die Möglichkeit gegenseitiger Kontakte (vgl. ebd., 34). Unwissen über das „Fremde und Andersartige“ kann in der Interaktion zu Angst und Unsicherheit führen (vgl. Wegner et al. 2015, 86). Das erhebliche Informationsdefizit über Behinderungsbilder und die Menschen mit Behinderung bewirkt - ebenfalls bedingt durch seinen historischen Kontext - auch heute noch teilweise Entsetzen, Angst, Abscheu und Mitleid - welche proportional zum Behinderungsgrad und seiner äußerlichen Erschei-nungsform wachsen (vgl. Rheker 2005, 35). „Menschen mit Behinderung werden eher an ihrem abweichenden Merkmal und damit verknüpften Assoziationen […], als an ihren Kompetenzen gemessen“ (Wegner et al. 2015, 86). Diese Stigmatisierungen festigen ein Bild von Behinderung, welches durch seine Begrifflichkeit das Nichtvorhandensein von bestimmten Fähigkeiten suggeriert. Eine Klassifizierung und Etikettierung löst durch die Verhaltensunsicherheit der Menschen ohne Behinderung stereotype Zuschreibungen aus, die oft nur unzureichend die Stärken einer Person wiedergeben können (vgl. Barber 2013, 85 f.). Die Begegnung der Personengruppen ist damit einhergehend, oft geprägt von Anstarren und Ansprechen, diskriminierenden Äußerungen, Hänseleien oder Aggressivität (vgl. APUZ 2011). Das Festhalten an vermeintlich negativen Eigenschaften kann auf gesellschaftlicher Ebene Verdrängung, Schuldzuweisungen und auch die Ausgrenzung aus gesellschaftlichen Institutionen hervorrufen (vgl. Schmutzler 2006, 68). Die UN-BRK hat einen Meilenstein in der Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderung bewirkt und bereits dazu beigetragen, dass sich Institutionen und Gesellschaftsbereiche immer mehr für die Belange von Menschen mit Behinderung öffnen müssen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Schilderungen und mit Betonung des Diskriminierungsaspektes, kann Behinderung heute als gesellschaftliches Konstrukt verstanden werden, welches einen Verstoß gegen zivile, politische oder soziale Rechte darlegt (vgl. Kiuppis et al. 2012, 101).
Vereinfacht drückt Marianne Buggenhagen (1996, 102) ihre eigenen Erfahrungen mit dieser Thematik aus:
„ Gemeinhin werden Behinderte als Randgruppe bezeichnet. Ein verräterisches Wort. Denn der Rand ist da, wo man hingestellt wird. “
Das Verständnis von Behinderung und dem zugrundeliegenden Menschenbild, unterliegt jedoch einem eingangs erwähnten, ständigen Wandel. Gelingt es, die Persönlichkeit des Menschen ins Zentrum der Betrachtung zu stellen und weniger seine medizinisch diagnostizierte „Schädigung“ in den Fokus zu rücken, sollten sich einige der bestehenden Stigmatisierungen durch veränderte Kontextbedingungen auflösen und ein grundlegender gesellschafts- und sozialpolitischer Richtungswechsel entstehen (vgl. Anneken 2013, 20).
1.2 Inklusion und Sport konkret
Inklusion kann als Konzept des menschlichen Zusammenlebens verstanden werden und stellt einen variierbaren Prozess dar, in dem das Menschenrecht jedes Einzelnen auf Teilhabe an allen Bereichen der Gesellschaft umgesetzt, individuelle Kompetenzen, Bedarfe und Stärken anerkannt sowie Vielfalt und Heterogenität als Bereicherung angesehen werden (vgl. Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft 2010, 2). Um mit den
Worten Rainer Schmidts, einem Theologen, Kabarettisten und Paralympicssieger im Tischtennis, zu sprechen: „Inklusion ist die Kunst des Zusammenlebens sehr verschiedener Menschen.“ (DBS 2014, 5).
Vor dem Hintergrund der Chancenungleichheit zwischen Menschen mit und ohne Behinderung entwickelte sich Inklusion als Leitidee der 2009 in Kraft getretenen UN- BRK, deren völkerrechtlichen Vertrag auch die Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist (vgl. Anneken 2013, 12). Sie verfolgt das Ziel der Teilhabe und der Ermöglichung von Vielfalt in allen Lebensbereichen, die Umsetzung voller Bürgerrechte sowie die Abkehr vom Prinzip der Fürsorge und dem defizitorientierten Menschenbild (vgl. Hottenrott/ Stoll/Wollny 2011, 217). Diese Forderungen sind darüber hinaus im § 1 des SGB IX gesetzlich verankert und plädieren auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie auf die Vermeidung und das Entgegenwirken von Benachteiligungen (vgl. Scheid/Wegner/Creutzburg/Pochstein 2012, 32). Inklusion gilt als Menschenrecht und wird in der UN-BRK durch umfangreiche, staatliche Verpflichtungen zu seiner Umsetzung definiert, die überprüfbar und juristisch einklagbar sind (vgl. Scheid et al. 2012, 98). Dabei ist zu beachten, dass Inklusion, je nach kulturellen, politischen und sozialen Gegebenheiten, unterschiedlich verstanden und damit auch realisiert werden kann (vgl. Eberwein 2008, 79). Die Perspektive der Einbindung in das jeweilige Gesellschaftssystem ist stark von der Interpretation gesellschaftlicher Strukturen abhängig und bedingt wiederum Voraussetzungen, Wirkungen und Effekte der inklusiven Maßnahmen (vgl. Anneken 2013, 12).
Im Bereich des Sports besteht durch die Mitwirkung nichtstaatlicher Institutionen keine einklagbare „Mussnorm“ zur Umsetzung der UN-BRK (vgl. Kuippis et al. 2012, 32). Trotzdem betont das Gesetz in Artikel 30: Das Recht von Menschen mit Behinderung, „am kulturellen Leben, sowie Erholung, Freizeit und Sport“ und somit auch das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe und den diskriminierungsfreien, uneingeschränkten Zugang zu allen Angeboten. Diese stellen wiederum Herausforderungen an das Sportsystem, welche auf unterschiedlichen Ebenen bewältigt werden müssen (vgl. ebd., 13).
Inklusion findet grundsätzlich - und deshalb auch im Anwendungsfeld Sport - auf drei Ebenen statt: Einstellungen zu Menschen, gesellschaftliche Strukturen und die Methoden ihrer Umsetzung (vgl. ebd., 29). In diesen Bereichen lassen sich Facetten und Voraussetzungsmerkmale von Inklusion besonders gut zu einem Gesamtbild einer inklusiven Landschaft konkretisieren: Wenn von Einstellungen zu Menschen mit
Behinderung die Rede ist, handelt es sich zunächst um die Entwicklung einer gemeinsamen Philosophie der Inklusion (vgl. DBS 2014, 36). Die Dimension Strukturen beinhaltet die Grundsätze einer Organisation, Institution oder Veranstaltung und drückt sich in der Vorgehensweise und den Standards ihrer Arbeit aus (vgl. Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft 2010, 7). Inklusive Praktiken und Methoden spiegeln letztendlich das konkrete Handeln des jeweiligen Gesellschafts- oder Sportbereiches wieder und sind gleichermaßen geprägt von den Einstellungen zum Menschen, als auch von den jeweiligen Strukturen des Bereiches (vgl. Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft 2010, 7).
Die Umsetzung von Inklusion in jeglichen Gesellschaftsarealen und damit auch im Sport, scheint im Kern von einer Bewusstseinsbildung, über die Belange von Menschen mit Behinderung und die Chancen von Vielfalt, abzuhängen. Sie ermöglicht es, den Menschen mit Behinderung, in erster Linie als Mensch und den Sportler mit Behinderung in erster Linie als Sportler, wahrzunehmen. Strukturen und Methoden müssen demnach an die Bedürfnisse einer Gesellschaft und deren Vielfalt angepasst werden, um eine Kultur zu schaffen, in der alle Menschen die gleichen Rechte, Pflichten und Chancen haben.
1.3 Reitsport für Menschen mit und ohne Behinderung
Vom Nutztier zum Sport- und Freizeitpartner: Das Pferd hat in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit eine bedeutendere Rolle gespielt als jedes andere Haustier (vgl. Kröger 2005, 20). Reitsport ist eine Kunst, die die Bewegungen von Mensch und Pferd zu Einer werden lässt und ein Höchstmaß an nonverbaler Kommunikation und Einfühlungs- vermögen verlangt. Das heißt, um mit Bent Branderup zu sprechen: „Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können“ (Eichinger 2014). Bereits 1983 definierte Isenbart den Reitsport wie folgt: „Die Reiterei stößt vor an die Grenzen der Kunst, in der ein Kunstwerk entsteht, das in jedem Augenblick neu geschaffen werden muss, denn es hat Bestand nur für den Augenblick. Die Natur schreibt die Gesetze dieser Kunst. Denn was die Natur dem Pferd an Kraft und Freiheit der Bewegung mitgab, das soll es wieder gewinnen unter dem Gewicht des Menschen. Kein Sklave soll ihn tragen. Ein Tänzer soll schweben unter ihm.“ (Isenbart 1983, 127 in Kröger 2005, 19 f.). Die Kunst dieser anspruchsvollen Sportart ist dabei nicht abhängig von Leistung oder besonders ausgeprägten motorischen, kognitiven oder sozialen Fähigkeiten. Sie entsteht durch die Partnerschaft von zwei unterschiedlichen Lebewesen, die sich aufeinander einstellen und lernen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen (vgl. Helwin 1992, 7). Pferde spiegeln die Menschen in ihrer Gegenwart wieder - sie setzen durch ihren Aufforderungscharakter einen Bewegungsdialog in Gang, der motorisch, wie auch emotional und sozial bewegt (vgl. Schoo 2010, 296). Der durchaus zeit- und kostenintensive Pferdesport, mit über fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr, (vgl. ZDF 2012) ist zum Volks- und Trendsport avanciert: Er zählt heute mit 1,3 Millionen Reitern, über 9 Millionen Pferdeinteressierten und 80.000 Turnierreitern (vgl. ebd.) zu den beliebtesten Sportarten in Deutschland und wird von allen sozialen Schichten der Bevölkerung betrieben (vgl. Hucklenbroich 2014). Das Hauptmotiv für die Beschäftigung mit dem Pferd, liegt dabei in der Passion und Freunde im Umgang mit dem Sportpartner, trotz großer Unterschiede pferdebegeisterter Personen hinsichtlich deren Alter, Geschlecht, Herkunft, Disziplin, Reitsporterfahrung oder präferierter Pferderasse (vgl. ebd.). Die vorliegende Arbeit wird sich unter der Fülle an Lehrwegen auf die „klassische“ Reitweise konzentrieren und sich im Turniersport mit den Disziplinen Dressur- und Springreiten beschäftigen. Ziel der klassischen Reitlehre ist es, durch eine vielseitige Ausbildung, das Wohlbefinden und die Gesundheit des Pferdes zu stärken (vgl. Sanders 2012, 11). Der Dressurreitsport fokussiert hier den tänzerischen Ausdruck des Pferdes in Zusammenwirkung mit den reiterlichen Hilfen, wohingegen beim Springreiten die möglichst punktgenaue und schöne oder zeit-schnellste Bewältigung eines Parcours im Vordergrund steht. In beiden Disziplinen ist die Symbiose und damit das innere Gleichgewicht zwischen Reiter und Pferd entscheidend dafür, dass letztendlich beim Beobachter - unabhängig von dessen reitsportlicher Qualifikation - ein harmonisches Gesamtbild entsteht (vgl. ebd. 14).
Da die klassische Reitweise zu einem der größten Märkte in der Pferdebranche zählt, bestehen für Menschen ohne Behinderung zahlreiche Möglichkeiten der aktiven Beteiligung. Dies geht gleichzeitig mit einem enormen Maß an finanziellen Kapazitäten einher, die den Reitsport in Deutschland zu einem Sport mit starker Leistungsorientierung avancieren lassen. Er spiegelt durchaus unsere Leistungsgesellschaft wieder, in der es darum geht, durch gute Ergebnisse in den Bereichen Bildung, Arbeit oder Sport zu hohem Ansehen zu gelangen (vgl. Rheker 2005, 19). Für Personen, die diesen Leistungsnormen und Ansprüchen nicht gerecht werden können, fehlen oft entsprechende Angebote, finanzielle Mittel sowie die Bereitschaft ein gemeinsames Wettbewerbsziel zu finden. So sind 80 Prozent der Menschen ohne Behinderung in Zusammenschlüssen oder Verbänden organisiert, wohingegen nach Aussagen des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e.V. nur ein sehr geringer Teil der Menschen mit Behinderung eine Reitvereinszugehörigkeit besitzt (vgl. Horse Future Panel 2012).
Der Reitsport für Menschen mit Behinderung ist von der therapeutischen und pädagogischen Arbeit mit dem Pferd - der Hippotherapie, dem Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren oder der Ergotherapeutischen Behandlung (vgl. DKThR) - deutlich abzugrenzen und umfasst die Bereiche des Parasports für Menschen mit körperlicher Behinderung und die Sportorganisation der Special Olympics e.V. für Menschen mit geistiger Behinderung (vgl. DKThR. Leistungssport). Bisher sind keine Erfahrungen und Berichte über inklusive Angebote rund um das Thema Pferdesport in der entsprechenden Literatur vorhanden. Lediglich über die Internet-Suchplattform „Google“ lassen sich einige wenige, vereinsinterne inklusive Strukturen in Puncto Reitunterricht und Beschäftigung mit Pferden ausfindig machen. Ist von inklusiven Reitturnieren die Rede, handelt es sich in der Regel um Veranstaltungen, in denen nur ein Wettbewerb des gesamten Turnierablaufes für Menschen mit körperlicher Behinderung geöffnet ist. Es lassen sich in Deutschland bisher ausschließlich vereinsinterne Reitturniere finden, die inklusiven Standards gerecht werden und auch Menschen mit geistiger Behinderung durch Gruppenprüfungen sowie weitere inklusive Angebote einschließen (vgl. Berg 2014).
Es ist letztlich zu unterstreichen, dass der Reitsport einer Vielfalt an Menschen besondere Möglichkeiten eröffnet, um im Zusammenwirken mit dem Partner Pferd, die persönliche Freizeit zu gestalten, Sport zu treiben und sich gegeneinander zu messen. Die einzige Hürde besteht darin, Möglichkeiten zu erkennen und durch den Aufbruch bestehender Strukturen auf neuen Wegen den Zielen von Inklusion näher zu kommen.
1.4 Forschungslage und Theorie
Ist Sport ein Inklusionsmotor oder Hemmfaktor für Inklusion? In der Literatur sind zahlreiche Ausführungen über positive und negative Einflüsse sowie Chancen und Risiken von Sport auf Inklusion niedergeschrieben. Der Reitsport findet an dieser Stelle bisher noch keine große Beachtung, wenngleich - bestätigt durch das Wissen aus persönlichen Erfahrungen und Gesprächen mit Zuständigen des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e.V. - die allgemeinen Schilderungen aus der Literatur durchaus in den Pferdesport übertragbar sind.
Das vorliegende Kapitel zur Forschungslage wird exklusive und inklusive Faktoren von Reitsport thematisieren und gibt dazu in „Reitsport versus Inklusion“ einen kritischen Blick auf Exklusion durch Sport. „Inklusion und Vision durch Reitsport“ zeigt die Möglichkeiten und Chancen des Reitsports für Inklusion. Abschließend werden eine Zusammenfassung zur Forschungslage und ein Ausblick zu weiteren Entwicklungen sowie Voraussetzungen für Inklusion, die Schilderungen abrunden.
1.4.1 Reitsport versus Inklusion
Die Präsenz des starken nationalen, wie auch internationalen Leistungs- und Erfolgsgedanken im Sport ist der Ausgangspunkt exklusiver Prozesse (vgl. Kiuppis et al. 2012, 144), die es erst ermöglichen, das Bild eines Menschen mit Behinderung in ein Verhältnis von Norm und Abweichung zu setzen und damit letztlich Kategorisierung und Stigmatisierung begründen (vgl. Rheker 2005, 21). Im Leistungssport beginnt die Selektion bereits beim Pferd selbst: Sofern das Tier den körperlichen und seelischen Anforderungen des Sports nicht ausreicht, wird es oftmals durch ein anderes „Sportgerät“ ausgetauscht (vgl. ZDF 2012). Schon diese Tatsache macht den Pferdesport stark exklusiv und eher für bestimmte Personengruppen zugänglich als für andere - bedingt damit gleichzeitig das Bild der Menschen mit Behinderung: Behinderung suggeriert auch im Reitsport einen Zweifel an Leistungsfähigkeit, der durch Sportstrukturen und die Leistungsvorstellungen der Reiter beeinflusst wird. Marianne Buggenhagen (1996, 45) formuliert ihre Erfahrungen wie folgt:
„ Immer wieder habe ich später von Zweiflern, denen das wirkliche Bedürfnis nach Verstehen abgeht, gehört: Sie sind nun schon behindert, müssen Sie auch noch Sport treiben? Für diese Leute sind Behinderte, erst recht Sportler mit Behinderung, ein Tabuthema, weil sie nicht ins Schema passen. “.
Empirische Studien belegen, dass das größte Hemmnis von Inklusion im Sport in den Haltungen und Einstellungen seiner Akteure liegt (vgl. Gieß-Stüber/Burrmann/Radke/ Rulofs/Tiemann 2014, 19). Obwohl gerade Kontakte zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ein möglicher Ansatzpunkt zum Aufbruch negativer Grundeinstellungen sein können, bedingen sie nicht zwanghaft günstige Einstellungs- und Verhaltensänderungen und sind maßgeblich von hierfür förderlichen Bedingungen geprägt (vgl. APUZ 2011). Auch die Chance, durch günstige Bedingungen im Kontakt zwischen den Sportlern Veränderungsprozesse anzustoßen, bleibt oft durch die geringe sportliche Aktivität der Menschen mit Behinderung aus (Hebbel-Seeger/Horky/Schulke 2014, 52 in BMAS 2013, 221 ff.). Ursachen hierfür können im Kreislauf negativer Einstellungen zur Leistungs- erbringung von Menschen mit Behinderung gesucht werden und konkretisieren sich in zwischenmenschlichen Beziehungen in den Bereichen Familie, Bildung oder im Umgang mit der Peergroup (vgl. ebd.). Es kommt zu einer Distanzierung vom Sport aus Mangel an Spaß und persönlichem Erfolg, einhergehend mit der Manifestation einer defizitären Selbstwahrnehmung, was wiederum gesellschaftlich exklusive Wirkungen nach sich zieht (vgl. Barber 2013, 27).
Eine der größten Teilhabebarrieren besteht damit in einem einseitigen Sportverständnis, welches Vergleich und Wettkampf in den Vordergrund stellt und so der Bildung leistungsheterogener Gruppen entgegenwirkt (vgl. Schliermann et al. 2014, 28). Auch im Reitsport ist die Akzeptanz von Vielfalt noch nicht angekommen: Der immer präsenter werdende Leistungsgedanke führt in Kombination mit der steigenden Lobby des Pferdemarktes in einigen Bereichen zur Zentrierung auf Personen mit entsprechenden Kapazitäten (vgl. Anneken 2013, 36). Diese Kapazitäten können im Reitsport, durch finanzielle und zeitliche Mittel, sportlichen Erfolg ermöglichen oder behindern sowie mit kognitiven, sensorischen und motorischen Voraussetzungen zur Umsetzung reitsportlicher Aufgaben einhergehen.
Die vorzufindenden Formen von Behinderung im Pferdesport beschränken sich hauptsächlich auf körperliche Behinderungen und fokussieren damit ein anderes Problem:
Der Umgang mit Heterogenität wird durch die Attraktion der egalitären Differenz eingeschränkt. Sport als Leistungs- und Wettkampfsport wird erst durch den Leistungsvergleich und die Bildung homogener Gruppen interessant (vgl. Scheid et al. 2012, 256), sodass Reiter in Leistungsklassen, hinsichtlich ihres Alters oder dem des Pferdes, der Eintragung als Turnierpferd, seinen Erfolgen oder denen des Reiters sowie dem Grad der Behinderung, differenziert werden. Ein solcher Selektionsprozess disponiert letztendlich auch die Einteilung von Menschen in den Behindertensport, der als Paradebeispiel von Exklusion angesehen werden kann und nur die reitsportliche Elite der Menschen mit Behinderung, wiederum getrennt zwischen körperlicher und geistiger Behinderung, umfasst. Das Bild dieser Sportler, ob mit oder ohne Behinderung, entspricht jedoch nicht der Mehrzahl an Interessenten, die aufgrund fehlender finanzieller oder zeitlicher Ressourcen, unzureichenden motorischen, sensorischen oder geistigen Fähigkeiten sowie weiteren Rahmenbedingungen von einer Teilhabe ausgeschlossen bleiben (vgl. ebd., 263). Besonders Menschen mit komplexen Behinderungsbildern müssen mit einer Nichtbeachtung rechnen (vgl. Maier-Michalitsch et al. 2012, 50): Sie erhalten zwar in therapeutischen Angeboten mit dem Pferd große Aufmerksamkeit, jedoch bisher nicht in sportlichen Settings von Reitvereinen oder Turnierveranstaltungen, ganz gleich ob im Behindertensport oder auf inklusiv ausgeschrieben Turnieren. Sogar in der Terminwahl großer oder internationaler Veranstaltungen wurde noch vor Kurzem eine Trennung zwischen den Starts der Reiter mit und ohne Behinderung vorgenommen (vgl. Kiuppis et al. 2012, 112), weshalb es als Fortschritt auf dem Weg zu Inklusion galt, als im Jahr 2014 erstmals die Weltreiterspiele des Nichtbehinderten- und des Parasports auf ein gemeinsames Wochenende gelegt wurden.
Ein weiteres Problemfeld des Sports besteht in der Unkenntnis von Barrieren, die eng mit einem einseitigen Sportverständnis zusammen hängt (vgl. Anneken 2013, 37). Der geringe Organisationsgrad von Menschen mit Behinderung in Reitvereinen ist bekannt, jedoch weniger seine mentalen, physischen und psychosozialen Bedingungen, die eine Teilhabe prägen (vgl. ebd.) und somit die Möglichkeiten der Anteilnahme an einem Entwicklungsprozess, hin zu Inklusion, aktiv beeinflussen.
Massive Ausbildungsdefizite und fehlendes Interesse zur Beschäftigung mit inklusiven Prozessen schaffen letztendlich eine Barriere, die die Erstellung von Inklusionsbeispielen auch im Reitsport hemmt (vgl. ebd., 38). Darüber hinaus verfügen Reitlehrer und
Turnierrichter in der Regel nicht über eine pädagogische Vorbildung, um nötige didaktische und methodische Maßnahmen treffen zu können und neue, inklusive Ansätze zu entwickeln und umzusetzen. Trainer im Behindertenreitsport fördern in ihrer Arbeit meist Menschen mit körperlicher Behinderung - weitere Personengruppen, z.B. Menschen mit geistiger Behinderung und vor allem die Möglichkeiten und Chancen von Inklusion, geraten so aus dem Fokus.
Es bleibt zu konstatieren, dass die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Sport zwar der gesetzlichen Verpflichtung im Sinne der UN-BRK unterliegt, diese jedoch in der Wirklichkeit keine gelebte Selbstverpflichtung darstellt und bezugnehmend auf die Bedürfnisse und Ziele von Menschen mit Behinderung, in den Kinderschuhen steckt (vgl. Hebbel-Seeger et al. 2014, 16). Inklusion kann im Sport als Randthema angesehen werden, dessen Umsetzung zumindest bisher noch utopisch scheint (vgl. SOD 2012) und durch den Mangel an empirischen Informationen zu den beschrieben Problemfeldern behindert wird (vgl. Kemper et al. 2014, 76). Fediuk bringt den Kern der Inklusionsbarrieren im Sport auf den Punkt: „In der Tat schafft Sport die besondere Möglichkeit der Identifikation mit einem Kollektiv. Jedoch bedeutet Wettkampf immer auch Betonung des eigenen Könnens und der eigenen Identität […]. Sport mag integrieren, Wettkampf trennt dabei gleichzeitig desto stärker, je ernster er genommen wird“ (Fediuk 1999, in Hebbel-Seeger et al. 2014, 148).
1.4.2 Inklusion und Vision durch Reitsport
Warum Inklusion durch Sport trotz seiner exklusiven Eigenschaften umgesetzt werden kann und gesellschaftliche Chancen bietet, zeigt bereits die Betrachtung der Gründe des Sporttreibens von Menschen mit Behinderung: „Es kann im Grunde keine andere Antwort geben als bei denen, die die „normale“ Welt als nichtbehindert bezeichnet. Warum bleiben Läufer nicht stehen, Schwimmer nicht an Land, Fußballer nicht in der Kabine […]? Muß man überhaupt erklären, was dem Menschen als Fähigkeit gegeben ist, die jeder nach eigenem Willen nutzen kann?“ (Buggenhagen 1996, 53).
Im Reitsport wird eine Leidenschaft unter vielfältigen Personen geteilt - lediglich unter differenzierten und individuellen Voraussetzungen. „Inklusion heißt auch: Verschiedene Menschen verbinden sich, weil sie eine einzige Gemeinsamkeit haben. Mehr Gemeinsamkeiten sind nicht notwendig. Das ist die große Chance beim Sport. Deswegen kann Sport Inklusionsmotor werden.“ (Anneken 2013, 30). Sport ist für viele Menschen unserer Gesellschaft ein wichtiger Teil ihres Lebens, dessen Potentiale in der Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung liegen (vgl. Kiuppis et al. 2012, 13). Das bestätigt auch ein Modell der ICF: Diversität wird als Bereicherung verstanden, deren positive Wirkungen im Sport verdeutlicht werden und Anerkennung finden (vgl. ebd., 162) sowie zu einer Sensibilisierung hinsichtlich des Themas Heterogenität und der Initiierung inklusiver Prozesse beitragen (vgl. DBS 2014, 5). Sport kann als Vorreiter einer inklusiven Gesellschaft betrachtet werden, in der die Möglichkeiten und Chancen von Vielfalt genutzt werden und letztendlich allen Menschen zugute kommen (vgl. Kiuppis et al. 2012, 96).
Studien zufolge hat sportliche Aktivität starken Einfluss auf eine hohe gesundheits- bezogene Lebensqualität (vgl. Hottenrott et al. 2011, 49), auf die Steigerung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit sowie auf soziale Effekte der Menschen untereinander (vgl. Maier-Michalitsch et al. 2012, 53). Das erweiterte Aktivitätsspektrum fördert die Autonomie des Einzelnen und das Vertrauen in die eigene Kompetenz und trägt somit zur Stärkung des eigenen Selbstkonzepts bei (vgl. APUZ 2011). Nachgewiesene psychosoziale Wirkungen konkretisieren sich im Abbau von Vorurteilen, Berührungs- ängsten und sozialer Distanz sowie der Zunahme von Akzeptanz, Toleranz und sozialer Kontakte bis hin zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins der Akteure (vgl. DBS 2013). Es lässt sich konstatieren, dass Sport die Möglichkeit bietet, Erfahrungs- und Erlebnishorizonte zu erweitern und im Kontext von Lebensqualität, Identität und sozialer Wirklichkeit sowohl das Selbstbild als auch das Bild von Personen in einer Gesellschaft zu beeinflussen (vgl. Hebbel-Seeger et al. 2013, 146).
Das Erreichen von Inklusion durch Reitsport zielt auf ein verbessertes Selbstkonzept der Akteure als Anstoßpunkt inklusiver Prozesse ab: Die eigene Körperlichkeit wird stärker wahrgenommen und eine bessere Körperkontrolle erreicht, weshalb die individuelle physiologische und motorische Leistungsfähigkeit adäquater einzuschätzen ist (vgl. Maier- Michalitsch et al. 2012, 54). „Sport fördert die Entwicklung des Verständnisses für Gesundheit und Fitness“ und trägt maßgeblich zur Reduzierung von Krankheit und deren Risiken bei (vgl. Barber 2013, 26). Im Reitsport besteht für die Spürbarkeit körperlicher Erfahrungen durch den Einsatz des Pferdes keine leibliche Gebundenheit, die durch besondere sportliche Merkmale geprägt ist und beispielsweise durch die Körpergröße von Basketballspielern sichtbar wird (vgl. Kiuppis et al. 2012, 195). Auch Im Bereich der Kognition werden Lernprozesse gefördert, die zielgerichteteres Handeln beeinflussen, die geistige Leistungsfähigkeit verbessern und besonders im Umgang mit dem Pferd einer klaren Grundhaltung und gesteigerter Aufmerksamkeit bedürfen (vgl. Maier-Michalitsch et al. 2012, 54). Emotionen und deren Kontrolle werden erlebbar: Durch Erfahrungen im Sport selbst, die Sieg und Niederlage betreffen aber auch durch den Umgang mit dem Partner Pferd und seinen eigenen, emotionalen Bedürfnissen (vgl. ebd., 55). Die Aktivität durch Sport macht Studien zufolge glücklich und trägt zur Entwicklung eines positiven Selbstbildes bei, weshalb gerade diese Momente des Glückes zu suchen sind (Kiuppis et al. 2012, 264). Im gleichen Augenblick spricht Emotion, kommunikative Prozesse zwischen den Akteuren an, die sich zunächst in einer nonverbalen Verständigung von Pferd und Reiter ausdrücken und sprachliche Barrieren hemmen können. Aber auch über den Kontakt zum Pferd hinaus, wird im Sport ständig kommuniziert (vgl. ebd. 54), hiermit Kontakt aufgebaut und die Möglichkeit gestärkt, Vorbehalte zu überwinden. Die Bewältigung persönlicher Herausforderungen und die Wahrnehmung von Erfolgserlebnissen lässt Motivation entstehen, die letztendlich das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl steigert und zu einem Kreislauf von Motivation und der Verbesserung des Selbstkonzeptes führt (vgl. ebd.).
Das authentische Erleben des Selbst im Reitsport und die Erfahrungen körperlicher und seelischer Leistungsfähigkeit, stehen trotz ihrer individuellen Note in engem Zusammenhang zu sozialen Effekten des Sports (vgl. Kiuppis et al. 2012, 196). Seine psychosozialen Aspekte können damit maßgeblich zu einem verbesserten Menschenbild von Personen mit Behinderung in unserer Gesellschaft beitragen. Im Hinblick auf bisher bestehende Einstellungen zu Menschen mit Behinderungen, ist dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Inklusion - und er kann im Reitsport noch durch die besondere Wirkung des Pferdes ergänzt werden: Pferde stigmatisieren nicht, sie nehmen den Menschen und den Moment in seiner Tatsächlichkeit und Ehrlichkeit war, weshalb man sie als Vorbilder des Umgangs miteinander ansehen kann (vgl. Kröger 2005, 19). Akzeptanz ist das Stichwort, welches im Sport durch den Aufbruch bisheriger Rollenhierarchien und deren Interaktions- und Kommunikationsmuster erreicht werden kann (vgl. Kiuppis et al. 2012, 194 f.). Die Alltagswelt mit seinen Rollenerwartungen wird im Sport kontrastiert und das aus Pflichten und Aufgaben geformte Korsett abgestreift, was einen Erfahrungshorizont von Gemeinsamkeiten eröffnet und im Reitsport durch die Verbindung zur Natur und die Liebe zum Pferd an Ausdruck gewinnt. Die persönlichkeitsbeeinflussende sowie pädagogisch-psychologische Wirkung des Pferdes auf Menschen mit und ohne Behinderung ist bekannt und kann zu Einstellungsänderungen der Sportler beitragen (vgl. Kröger 2005, 16). Des Weiteren stehen Sportvereine Studien zufolge, der Inklusion von Menschen mit Behinderung positiv gegenüber, was sich für den Pferdesport am Beispiel des RV Kurtscheid abzeichnet (vgl. Anneken 2013, 100).
Die grundsätzlich bestehende Offenheit kann bei entsprechender Organisation der Beteiligten im Reitsport eine soziale Zugehörigkeit vermitteln, die dem Menschen das Gefühl gibt, ein selbstverständlicher Teil der Sportlandschaft zu sein und sich seinen Platz dort frei wählen zu dürfen (vgl. ebd., 55). Die bestehende Freiheit geht einher mit der Einhaltung aber auch Hinterfragung von Regeln in Verbindung mit dem Reitsport, welche sich bei inklusiver Ausrichtung an menschlichen Bedürfnissen nach Gerechtigkeit, Fairness und Solidarität orientieren (vgl. Kiuppis et al. 2012, 197). Studien belegen an dieser Stelle, dass die verbesserte soziale Eingliederung, das Verstehen und die Akzeptanz von Menschen mit Behinderung unterstützt (vgl. Barber 2013, 27) und so einen Kreislauf in Gang setzt, der verschiedenen Menschen die Möglichkeit gibt, sich ohne Vorbehalte kennenzulernen, Stärken zu nutzen und Schwächen auszugleichen. Interviews bezogen auf die Erprobung des gemeinsamen Sporttreibens von Menschen mit und ohne Behinderung machen darüber hinaus deutlich, dass alle Akteure von verbesserten sportlichen und persönlichen Fähigkeiten profitieren sowie gegenseitigen Respekt und Toleranz erleben (vgl. Hottenrott et al. 2011, 219). Das Pferd spielt als zusätzliches Wirkmoment die Rolle des Vorbildes: Es zeigt wie Menschen sich gegenüber ihrem Nächsten verhalten sollten, spiegelt das Verhalten der Akteure und reagiert auf die kleinsten nonverbalen Signale der Kommunikation. Pferde sind emphatische Lebewesen, die diese Fähigkeit auch an den Menschen weitergeben können (vgl. Bodderas 2012).
Hierin liegt die Vision von Inklusion durch Reitsport: Die Wahrhaftigkeit von Erfahrungen soll erlebbar werden und eine Gesellschaft abbilden, die Menschen ein gemeinsames Leben voller Akzeptanz und Respekt ermöglicht, ohne ihnen positive, wie auch negative Momente sportlicher Aktivität vorzuenthalten. Behinderungen werden dann nicht mehr als schicksalhafte Zustände betrachtet, sondern in Wechselwirkung zu ihren Kontext- bedingungen wahrgenommen und es werden Voraussetzungen geschaffen, um alle Akteure einzubinden (vgl. Anneken 2013, 20). Die Beschäftigung mit dem Pferd, gibt Menschen Halt, die an anderer Stelle keinen Halt finden und fördert so ihr Selbstvertrauen und die Identifikation mit den eigenen Stärken. Durch die Verantwortung für und das Vertrauen zu einem Lebewesen, dem wir Menschen physisch weit unterlegen sind, entsteht eine Verbindung, die geprägt ist von gegenseitiger Achtsamkeit, Fürsorge und Demut. Reitsport und die Beschäftigung mit dem Partner Pferd wird zu einer Lebenseinstellung, die in ihrer Ganzheitlichkeit für Inklusion richtungsweisend sein kann:
„ Wer immer in den Sattel steigt, der wird erzogen - zum Leben und zum Menschen “ (Kröger 2005, 18).
1.4.3 Zusammenfassung und Ausblick
Vor dem Hintergrund der beiden vorangegangenen Kapitel ist festzuhalten, dass die Einbindung von Menschen mit Behinderung in Bereiche des Reitsports nur dann gelingen kann, wenn der inklusive Gedanke von Vielfalt und Heterogenität auch im Sport angekommen ist (vgl. Schliermann et al. 2014, 30). Man kann an dieser Stelle im Pferdesport von einem sich abzeichnenden grundlegenden gesellschafts- und sozialpolitischen Wandel sprechen (Anneken 2013, 20), der sich in den gemeinsamen Starts von Reitern mit und ohne Behinderung auf großen Reitturnieren, der vermehrten Berichterstattung und Initiierung von Teilhabe zumindest bestimmter Personengruppen und der Zunahme inklusiv ausgelegter Angebote konkretisiert. Erst ein solcher Zugang macht auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen mit Behinderung aufmerksam und demonstriert die Chancen von Diversität.
Der Reitsport kann einerseits schon ohne den Einbezug von Menschen mit Behinderung, durch seine Leistungsmerkmale, stark exklusiv wirken, birgt jedoch durch den Partner Pferd die Chance, diese Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu beschreiten: Der Mensch ist in Interaktion mit dem Pferd in einer Ganzheitlichkeit und Vollkommenheit inkludiert, die in anderen Sportarten in dieser Intensität nicht zu finden sein wird. Auch wenn die Umsetzung von Inklusion im Hinblick auf Einstellungen, Strukturen und Methoden der Protagonisten des Reitsports noch in den Kinderschuhen steckt, wird sie zumindest vom Pferd selbst gelebt - von Anfang an und in all seiner Ehrlichkeit. Ein entscheidender Ansatz zum Umdenken im Handlungsfeld des Reitsports wird deshalb die vom Pferd gelebte Grundhaltung sein, die den Weg hin zu Annahme und gegenseitigem Respekt vorgibt.
Die notwendige Änderung von Strukturen und Praktiken muss an dieser Stelle mit der Partizipation der Menschen mit Behinderung einhergehen, um spezielle Bedürfnisse und Interessen zu identifizieren und wirksamen Einfluss nehmen zu können (vgl. ebd.). Inklusion hat damit auch einen berechtigten Ausschluss, sollte nicht die Pflicht von Teilhabe implizieren, eine Wahlmöglichkeit darstellen und bei aller Polarisation ihrer Für- und Gegensprecher keinesfalls die Interessen der Menschen mit Behinderung übersehen (vgl. Barber 2013, 36). Die bestehende Unkenntnis von Barrieren könnte durch den Erfahrungsschatz der Menschen mit Behinderung zumindest teilweise überwunden werden und neue methodische Ansätze zur Inklusion im Pferdesport, hin zu einem Paradigmen- wechsel, erzeugen. Das impliziert jedoch auch eine Veränderung der bestehenden Sportstrukturen, denen ein verengtes Leistungsverständnis innewohnt, welches trotz Betrachtung der positiven Wirkungen von Reitsport die Gefahr bringt, durch Überforderungen des gemeinsamen Sporttreibens, Schwächere auszuschließen (vgl. Schliermann et al. 2014, 30). Um einem verengten Sportverständnis entgegenzuwirken und alle Menschen mit einzubeziehen bedarf es einer Hinterfragung des Leistungsbegriffes - um die Akzeptanz von Diversität zu gewähren und trotzdem eine Angebotsvielfalt in Orientierung an den Bedürfnissen und individuellen Fähigkeiten des Einzelnen zu kreieren (vgl. Maier-Michalitsch et al. 2012, 58). Eine Zentrierung auf bestimmte Personengruppen kann darüber hinaus nur vermieden werden, wenn im Wettkampfsport eine Balance zwischen egalitärer Differenz und differenter Egalität geschaffen wird: Methodisch besteht dann ein Gegeneinander, Nebeneinander und Miteinander und damit die Erkenntnis, dass starke Homogenisierungen an Attraktion verlieren und trotzdem eine Wettkampf- atmosphäre entstehen kann (vgl. Scheid et al. 2012, 259 f.). Heterogenität wird zu einem zentralen Aktivitätsmoment und wird durch die Balance und Thematisierung der Unterschiedlichkeit hochattraktiv, sofern die Chancen von Diversität wahrgenommen und erlebbar gemacht werden (vgl. Schoo 2010, 32 f.).
Solch hohen Anforderungen an die Initiierung inklusiver Maßnahmen stehen massive Ausbildungsdefizite entgegen, die im Reitsport auf die geringe Auseinandersetzung mit der Thematik zurückzuführen sind. Durch die Ausbildung zum Trainer für inklusiven Reitunterricht des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e.V., zeichnet sich hier ein erster Schritt in Richtung einer intensiven sportpädagogischen- und didaktischen Auseinandersetzung ab. Im Zuge der Entstehung solcher „Inklusionsexperten des Reitsports“ könnten darüber hinaus Assistenzmodelle etabliert werden, die den Umgang mit Vielfalt im gesamten Sportsystem schulen und damit Inklusion erheblich nach vorn treiben (vgl. Schliermann et al. 2014, 30).
Experten in den Spitzenverbänden schätzen das gemeinsame Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung derzeit als nicht umsetzbar ein, was in erster Linie auf die ablehnende Haltung der Verantwortlichen zurückzuführen sein sollte (vgl. Anneken 2013, 61). Ein Beispiel hierfür ist das alljährliche Festhallenreitturnier in Frankfurt, das in der teilweise ausverkauften Arena zahlreiche Zuschauer anzieht: Zwar treten Para-Reitsportler zu Vorführungen an, werden jedoch nicht in das wirkliche, von Leistung und Prestige geprägte Turnierleben, eingebunden. Das zuvor erwähnte Wunsch- und Wahlrecht der Reiter mit Behinderung wird an dieser Stelle wenig beachtet, weshalb auf deren wertvolle Erfahrungen nicht zurückgegriffen werden kann.
Ohne einen Mentalitätswandel wird sich daher kein Wandel hinsichtlich einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung vollziehen können. Wo Inklusion gelebt wird, egal wie niederschwellig sie auch ist, unterstützt sie den Reformgeist der Gesellschaft und die Offenheit der Verantwortlichen gegenüber inklusiven Strukturen (vgl. ebd.). Inklusion bedeutet keinen Verlust sportlicher Werte von Leistung, Erfolg, Anmut oder Schönheit - sie fordert lediglich eine Umdeutung und gewandelte öffentliche Wahrnehmung (vgl. Kiuppis et al. 2012, 284). Schon lange Zeit verlangt der Reitsport eine stärkere Orientierung hin zu den Bedürfnissen seines Hauptakteurs: Das Pferd selbst wird durch den hohen Leistungsdruck häufig vor körperliche und mentale Überforderungen gestellt, an denen es zu zerbrechen droht. Gelingt es, den Belangen des Sportpartners wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken und seinen Bedürfnissen achtsam entgegenzutreten, sollte ein Umdenken reitsportlicher Strukturen in Gang gesetzt werden, das letztendlich auch die Möglichkeiten und Chancen der Inklusion von Menschen mit Behinderung maßgeblich beeinflussen könnte.
2. Ansatzpunkte der Rehabilitationswissenschaften zur Förderung von
Inklusion durch Reitsportveranstaltungen
Die adäquate Umsetzung von Inklusion kann vermutlich erst durch einen interdisziplinären Zugang erreicht werden, in dem verschiedene Wissenschaftsdisziplinen an einem Strang ziehen. Im Bereich Behinderung vereinen die pädagogischen Rehabilitationswissenschaften psychologische, soziologische, pädagogische, erziehungswissenschaftliche, medizinische sowie rechtliche und ethische Aspekte. Die humanwissenschaftliche Disziplin kann damit auf ein breites Spektrum unterschiedlicher Herangehensweisen, Ansatzpunkte und Theorien zurückgreifen, die eine ganzheitliche Sichtweise auf den Menschen und die Gesellschaft bewirken.
Sport ist in unserer Gesellschaft zu einem Phänomen geworden, dessen Bedeutung auch für den Reitsport immer weiter zunimmt (vgl. Rheker 2005, 57). Der Reitsport kann als Spiegel der Gesellschaft betrachtet werden: Strukturen von Inklusion können noch nicht adäquat umgesetzt werden und Einstellungsänderungen gegenüber der sportlichen (Leistungs-)Fähigkeit von Menschen mit Behinderung bleiben bisher noch weitestgehend aus - und das obwohl sie die gleichen Wünschen nach gemeinsamer sportlicher Aktivität und dem Leistungsvergleich haben, wie Menschen ohne Behinderung. Ansatzpunkte zur Förderung von Inklusion müssen sich daher an den zentralen Motiven zum Sporttreiben der Menschen unserer Gesellschaft orientieren. Sportler möchten aktiv werden, sie suchen Selbststärkeerfahrungen und sie möchten Zugehörigkeit erleben. Die Ermöglichung dieser Erfahrungen macht letztlich Inklusion aus (vgl. Anneken 2013, 29).
Grundsätzlich ist der Erkenntnisstand zum Gegenstandsbereich „Sporttreiben mit Behinderung“ vor allem im Reitsport als defizitär anzusehen (vgl. Wegner et al. 2015, 35). Im Hinblick auf Inklusion können jedoch pädagogische, psychologische und soziologische Aspekte herausgearbeitet werden, die Ansatzpunkte zur Umsetzung des Inklusionsgedanken wiedergeben und Zugänge zu der Thematik bereitstellen.
2.1 Pädagogische Aspekte
Grundlegend für die Umsetzung von Inklusion ist eine Pädagogik der Vielfalt, die im Diversity-Ansatz mündet und die Unterschiedlichkeit aller Personen unserer Gesellschaft in ihren Lebensstilen, Identitätsbezügen und gesellschaftlich relevanten Unterscheidungs- merkmalen berücksichtigt, akzeptiert und als Profit für den Einzelnen ansieht (vgl. APUZ 2011). Mit den Bemühungen um Kohäsion, gingen rechtliche Änderungen, wie z.B. die UN-BRK und die Neudeutung des Behinderungsbegriffes in der ICF einher, die Chancengleichheit fördern und dem Grundsatz der Heterogenität gerecht werden sollen (vgl. Gieß-Stüber 2014, 7).
Ein solcher Abbau von Dominanzkulturen kann auch im Reitsport Diskriminierung verhindern und die Potentiale aller Reiter nutzen (vgl. ebd.), vor allem wenn es darum geht, den Belangen der Pferde wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im Diversitäts- Management spricht man an dieser Stelle von dem sogenannten „Lern- und Effektivitäts- Ansatz“, der einen langfristigen Lernprozess in Gang setzen und neue „inklusive Kulturen“ entstehen lassen kann (vgl. ebd., 8). Auch in der Inklusionspädagogik gelten Bewegung und Sport als wichtige Dimensionen des Lernens und Lebens (vgl. Eberwein 2008, 165): Sie können im Terminus „Adapted Physical Activity“ (APA) zusammengefasst werden (vgl. Eberwein 2008, 166). APA geht von einer lebenslangen Aktivität der einzigartigen Individuen unserer Gesellschaft aus, die einer Überprüfung und Anpassung an das Ökosystem sowie gesellschaftliche Veränderungen hinsichtlich des Zugangs inklusiver Strukturen, des Bewegungserfolges und der Ermutigung und Selbstverwirklichung, hin zu lebenslangem Wohlbefinden, bedürfen (vgl. Wegner et al. 2015, 27 f.). Der Terminus ist durch seinen interdisziplinären Zugang nicht explizit in pädagogische Aspekte der Rehabilitation einzuordnen, wenngleich er im Hinblick auf das lebenslang Lernen von Individuen an dieser Stelle gut aufzugreifen ist. Für den Reitsport kann er von Bedeutung sein, da dieser bis ins hohe Alter betrieben werden kann und damit die Möglichkeit bietet, Erfahrungen von Reitern zu nutzen, die schon Jahrzehnte lang in das reitsportliche Leben involviert sind.
Der Ansatz „Physical Literacy“ von Whitehead betont darüber hinaus, die Bedeutung von Bewegung für die Entwicklung von Kreativität und Kompetenz (vgl. Eberwein 2008, 167). Gerade das Pferd kann den kreativen Umgang mit dem eigenen Körper fördern und die Entstehung von Ich-, Sach- und Sozialkompetenzen unterstützen. Durch seinen Auf- forderungscharakter fordert es diese Eigenschaften geradezu ein und macht durch einen kreativen Umgang mit reitsportlichen Aspekten von Behinderung eine inklusive Ausrichtung, mit der Berücksichtigung von Vielfalt auf Reitsportveranstaltungen, möglich.
An dieser Stelle ist bereits zu erkennen, dass die pädagogische Relevanz des Pferdes weit über motorische Faktoren hinaus ragt und vor allem Beziehungserfahrungen zwischen den Hauptakteuren Reiter und Pferd prägt. „Auf Beziehungen zurückgreifen zu können, in denen eine gegenseitige Achtsamkeit und Wertschätzung handlungsleitend sind, ist eine Voraussetzung für das Sicheinlassen auf neue Erfahrungen und die bedeutsamste Ressource für unsere Entwicklung“ (Urmoneit 2013, 26). Über die erhaltene Rückmeldung durch Tier und Umwelt, erfährt der Reiter eigene Kompetenzen, die er vermutlich durch die Sicherheit des Partners Pferd in Leistungsstrukturen des Wettkampfes eher bereit ist zu erproben, als in anderen Sportarten. Im Wesentlichen werden für die pädagogische Arbeit rund um das Pferd, Ansätze auf dem Pferderücken und im Umgang mit dem Tier genutzt (vgl. Kröger 2005, 20). Diese Ansätze sind immer von einem nonverbalen Dialog zwischen den Akteuren geprägt, dessen Ausdrucksformen und Partnerschaften mit Sicherheit auch für Zuschauer von Reitsportveranstaltungen ersichtlich sind und eventuell deren Beziehungen und Sichtweisen auf die Welt beeinflussen. In einem Dialog werden immer auch Forderungen deutlich, die es zu beachten gilt und die besonders im Sport nach dem Ansatz des Empowerment schreien. Empowerment könnte im Reitsport als Prozess angesehen werden, der die Potentiale und Ressourcen eines Menschen stärkt, um ihn zu einer aktiven Gestaltung seiner Sportbedingungen zu befähigen, solidarisches Verhalten hervorzurufen sowie Chancengleich und Inklusion zu bewirken (vgl. Hebbel-Seeger et al. 2014, 87). Reitsport und Wettkämpfe können daher auch einen entscheidenden Beitrag zu einer inklusiven Pädagogik der Freizeit leisten und Individuen zur sinnvollen Verwendung von Lebenszeit anleiten, individuelle Entwicklungspotentiale nutzen und optimieren sowie zur Teilhabe an der Gesellschaft beitragen (vgl. Maier-Michalitsch et al. 2012, 33).
Inklusive Reitsportveranstaltungen implizieren eine erlebnispädagogische Ausrichtung und sollen Veränderungen im emotionalen, sozialen, kognitiven und praktischen Kontext hervorrufen (vgl. Gäng 2001, 10). Im günstigsten Fall ist eine Übertragung des Erlebten auf andere Situationen und Gesellschaftsbereiche möglich und ein neuer Zugang zum Selbst und der Umwelt kann erreicht werden (vgl. ebd.) - vor allem durch den emotionalen und empathischen Zugang des Pferdes zu seinem Reiter und deren Statement einer respektvollen und annehmenden Beziehung zueinander.
2.2 Psychologische Aspekte
Durch die Einnahme einer psychologischen Perspektive im Kontext von reitsportlicher Aktivität und Behinderung werden innere Verarbeitungsmechanismen und soziale Prozesse der Begegnung und Interaktion von Personen nachvollziehbar und können zur Umsetzung von Inklusion genutzt werden (vgl. Wegner et al. 2015, 57).
In der Literatur lassen sich im Hinblick auf psychologische Aspekte zur Förderung von Inklusion auf Reitsportveranstaltungen hauptsächlich Effekte auf das Selbst- und Fremdkonzept der Protagonisten herausstellen. Die „Wahrnehmung der eigenen Behinderung und die Antizipation von Verhaltensweisen aus der Umwelt“ können sich auf die Persönlichkeit und die Verhaltensstrategien von Sportlern auswirken (Scheid et al. 2012, 58). Die Sozialpsychologie möchte an dieser Stelle aufklären, wie Menschen ihre Umwelt wahrnehmen und wie sie selbst von ihr wahrgenommen und bewertet werden (vgl. ebd.). In Interaktion mit dem sportlichen Umfeld, wie auch mit dem Pferd, erhält der Mensch Erkenntnisse über die eigene Person und über Menschen in seinem Sozialsystem: Positive und negative Einstellungen können entstehen, sich manifestieren und das Selbstkonzept sowie das wahrgenommene Fremdkonzept beeinflussen (vgl. ebd.). Betrachtet man die zahlreichen positiven Auswirkungen des Sports auf das emotionale, soziale, leistungs- und körperbezogene Selbst- und Fremdkonzept seiner Akteure - die Gesundheitsförderung, Körperwahrnehmung, Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl sowie die wahrgenommene Akzeptanz und Anerkennung des sozialen Umfeldes steigern (Hottenrott et al. 2011, 218) - wird deutlich, wie wichtig diese Einschätzung für die Entstehung einer inklusiven Gesellschaft ist.
Das Gefühl der Selbstwirksamkeit entsteht in Verbindung mit Kontrollüberzeugungen, die sich durch die Bewältigung reitsportlicher Aufgaben entwickeln und deshalb für die Etablierung von Wettkampfstrukturen zu beachten sind (vgl. Wegner et al. 2015, 60). Mit einem solchen Erfolg geht auch die Motivation der Menschen mit Behinderung einher, Wettkämpfe zu bestreiten und sich gegeneinander zu messen (vgl. ebd.). In Sportsystemen jeglicher Art kann jedoch nicht zu jeder Zeit ein Erfolgserlebnis herbeigeführt werden, das ist auch Teil eines inklusiven Prozesses und wird von Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen durchlebt. In Situationen, die kein Routinehandeln gestatten und in denen der Erhalt von Handlungsfähigkeit zu schwinden droht oder der Verlust antizipiert wird, müssen Menschen lernen auf Bewältigungsprozesse zurückzugreifen, um Verarbeitungs- prozesse zu steuern (vgl. ebd., 62).
Die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne konkretisiert in ihren Leitsätzen die Chancen und Risiken von Sport in Zusammenhang mit Inklusion. Entwicklung wird im Leitsatz der „Gewinn-Verlust-Dynamik“ als jegliche Veränderung in der adaptiven Kapazität eines Organismus angesehen (vgl. ebd., 37). In reitsportlichen Wettkämpfen können funktionelle Einschränkungen des Individuums (Verlust) beispielsweise durch einzelne Persönlichkeitsmerkmale ausgeglichen werden und durchaus einen Gewinn darstellen (vgl. ebd., 38) - besonders, wenn hiermit die Belange des Pferdes in den Vordergrund und der ständige Leistungszwang eher in den Hintergrund gerückt würde.
Der Leitsatz der „Multidirektionalität“ geht darüber hinaus von einem dynamischen Entwicklungsverlauf aus, in dem unterschiedliche Funktionsbereiche des Individuums nicht gleichsinnig und alterssynchron verlaufen (vgl. ebd., 39). Für die Inklusion auf Reitsportveranstaltungen kann der Ansatz von Bedeutung sein, da Wettkampfstrukturen in ihm Berücksichtigung finden sollten: Gehen wir davon aus, dass sich Stigmatisierungen nicht im Kindesalter manifestieren, sondern erst später adäquat die Sichtweisen von Menschen prägen, liegt es nahe, ein Reitturnier zu konzipieren, das möglichst niederschwellig angelegt ist und die Unbefangenheit junger Menschen im Bezug auf das Thema Behinderung nutzt. Darüber hinaus besteht eine Multidirektionalität von Koordinationsfähigkeit und motorischem Lernen (vgl. ebd.), was die Möglichkeit einer Ausbildung und Weiterentwicklung reitsportlicher Fähigkeiten bis ins hohe Alter impliziert und damit gleichzeitig sportlich interessanter macht.
Soll Inklusion erreicht werden, muss der Leitsatz der „Plastizität“, als intraindividuelle Variabilität bzw. Entwicklungskapazität unbedingt in die Bemühungen rund um Reitturniere eingebunden werden. Das Anpassungspotential von Individuen muss den äußeren Umständen gerecht werden, um die gemeinsame Möglichkeit des Sporttreibens sicherzustellen. Hier geht es um die Bestimmung des Leistungspotentials einer Person und seiner Entwicklungskapazität zur Initiierung geeigneter Interventionen (vgl. ebd., 40). Grundsätzlich muss der Leistungsbegriff im Kontext einer entwicklungspsychologischen Perspektive für Menschen mit geistiger Behinderung überdacht werden und hängt maßgeblich von veränderten Anforderungen, Betrachtungsweisen auf deren Motivation sowie sozialen und emotionalen Fähigkeiten ab (vgl. Hebbel-Seeger et al. 2014, 251).
Eine besondere Bedeutung im Hinblick auf Inklusion hat die soziale Dimension von Behinderung bezüglich der Einstellungen zu Menschen mit Behinderung, die als relativ stabiles System anzusehen sind, der Verhaltensreaktionen, die häufig von Verhaltensunsicherheit geprägt sind sowie der Vorurteile und Stigmatisierungen, die Menschen Ablehnung entgegenbringen (vgl. Wegner et al. 2015, 64 f.). Für eine Verhaltensänderung der Gesellschaftsmitglieder kann die Hypothese des Kontaktes zwischen Menschen mit und ohne Behinderung herangezogen werden. Demnach wirkt sich ein häufiger Kontakt zu Menschen mit Behinderung positiv auf die Einstellungen zu dem Menschen aus (vgl. ebd., 67). Eine Etablierung von Reitsportveranstaltungen würde diese Kontakthypothese unterstützen und einen weiteren Ansatzpunk treffen: Die Simulation. Sie stellt eine Art Rollenspiel dar und kann vermutlich für jeden Menschen, der ein Mal auf einem Pferd saß, Anwendung finden. Die Erkenntnis, dass das Bewegt-Werden durch ein Pferd und die Kontrolle des Tieres große Herausforderungen an den Reiter stellt, bewirkt eine Einschätzung zu den Fähigkeiten des Sportlers mit Behinderung, der meist sogar mit deutlich geringeren „reiterlichen Ressourcen“ auskommen muss, als der Reiter ohne Behinderung. Im Zuge dieser Einsicht könnte auch die Anerkennung der Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung gesteigert werden.
2.3 Soziologische Aspekte
Soziologisch gesehen ist die Welt des Reitsports eine gesellschaftlich vorinterpretierte Welt mit eigenen Standards, Menschenbildern und Sinnzuschreibungen. Provokant gesagt, passen Menschen mit (vor allem komplexen) Behinderung selten in diese von Leistung und Prestige geprägte Welt, der für eine Uminterpretation neue Richtungen aufgezeigt werden müssen. Gleichzeitig können es sich Vereine und Organisationen des Reitsports oft nicht vorstellen, ihre Sinndimensionen zu öffnen und neue Wege zu bestreiten.
Dabei ist die Wirklichkeits-, Ich- und Weltkonstruktion eine bewegbare Gestaltungs- aufgabe, die gestaltungsbedürftig und nicht durch determiniertes Verhalten vorausbestimmt ist (vgl. Scheid et al. 2012, 37). Das Bewusstsein über die Gestaltbarkeit der Welt des Reitsports, ist ein erster Schritt auf dem Weg hin zu Inklusion. Das Beschreiten unbekannter Pfade setzt Innovationsgeschick, Erfindungsreichtum und Kreativität voraus, um in Situationen unsicheren Ausgangs neue Sinndimensionen zu schaffen, die sich an den Bedürfnissen der Akteure orientieren (vgl. Hottenrott et al. 2011, 131). Der Reitsport verfügt über ein enorm hohes Potential zur Wertvermittlung für das Individuum und die Gesellschaft (vgl. Rheker 2005, 57), was sich maßgeblich auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung auswirken kann. Regeln und Grundsätze der Fairness müssen eingehalten werden, die eine Auseinandersetzung mit Bewertungsstrategien des Reitsports erfordern. Die Kooperation mit dem Partner Pferd impliziert gegenseitige Rücksichtnahme und Verantwortung. Die Beschäftigung mit dem Tier, die Reitweise, wie auch das Bestreiten von Wettkämpfen, fördert die Selbstverwirklichung, die Zielstrebigkeit und das Erkennen von Grenzen der Sportler . Solidarisch wird der Reitsport, wenn er die Sinndimension seines gemeinsamen Zieles hinsichtlich der Harmonie zwischen Reiter und Pferd teilweise neu definiert und nicht ausschließlich in Leistungsnormen der Protagonisten misst. Die Anerkennung anderer sollte dabei eine zentrale Sinndimension darstellen (ebd. 58 f.): Das gilt für die Leistung des Sportpartners Pferd aber auch für die individuellen Merkmale von Personen.
(B) Praktischer Teil
3. Inklusives Reitturnier - Konzeptionsentwicklung
Neue Wege brauchen zumindest teilweise neue Konzepte: Deshalb war es wichtig, trotz der Einbindung in das reguläre Turnierkonzept, inklusive Prozesse und Strukturen zu etablieren. Eine grundsätzliche Änderung der Rahmenbedingungen des Reitertages kam nicht in Frage, um für den Veranstalter, die Zuschauer und die Reiter das Gewohnte zu erhalten und damit die Öffnung für Neues voran zu treiben.
Im Folgenden soll der Weg zum „Inklusiven Reitturnier“ abgebildet werden: Die Zielgruppe, die Wertschöpfung und die Ziele der Veranstaltung werden konkretisiert, der Reitverein Kurtscheid soll vorgestellt und verbandliche Regularien zur Durchführung des Turniers aufgezeigt werden. Schritte rund um die Turnierausschreibung werden wiedergegeben und schließlich die Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Veranstaltung dargelegt.
3.1 Zielgruppe, Wertschöpfung und Ziele
Die Zielgruppe des Reitertages war in allen Bereichen der Sportveranstaltung breit gefächert, unterlag keinen strikten Kriterien und war durch Offenheit gekennzeichnet. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit beziehen sich dabei, hinsichtlich ihrer Fragestellung, auf die Menschen mit Behinderung, im inklusiven Prozess des Reitertages, zu den Menschen ohne Behinderung. Es konnten durch die Ausrichtung des Turniers nach WBO- Standards (siehe Kapitel 3.3) auch Menschen an den Start gehen, die nicht in Reitvereinen organisiert sind. Begrenzt waren die einzelnen Prüfungen lediglich hinsichtlich der Leistungsklassen, welche sehr niedrig angesetzt wurden, um eine Vergleichbarkeit im Nachwuchssport zu erreichen.
Mit dem Reitertag sollte ein Anfang in Richtung Inklusion gemacht werden und er sollte die Augen dafür öffnen, was Menschen mit Behinderung in der Lage sind zu leisten, was Pferde uns geben und wie einfach es sein kann, mit ein wenig Kreativität gemeinsam Sport zu treiben. Ziel war es, auch Menschen mit einer komplexen Behinderung ganz selbst- verständlich an der Reitsportveranstaltung teilhaben zu lassen, die Etablierung inklusiver Prozesse anzuregen und auch öffentlich für das Thema Inklusion zu sensibilisieren. Darüber hinaus sollten Anregungen für die Erstellung eines Leitfadens für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen entstehen, die letztendlich bundesweit als Konzept zur Umsetzung von Inklusion verstanden und mit dem vorliegenden Praxisbeispiel erläutert werden könnten.
3.2 Kooperationspartner: RV Kurtscheid
Der Reitverein Kurtscheid (RVK) besteht bereits seit 41 Jahren und hat sich mit 305 Mitgliedern und insgesamt 87 Turnieren, mit 29071 genannten Pferden und ca. 25850 Reitern, zu einem hochkarätigen, auch international etablierten Verein in Rheinland-Pfalz entwickelt (Spies 2016). Jährlich werden bis zu fünf Turniere im Bereich des Dressur- und Springsports sowie des Voltigierens ausgetragen und ziehen Zuschauer an, die auf einer exklusiven Reitanlage, Sport bis in die schwersten Klassen erleben möchten. (Broschüre: Spies 2016)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusätzlich steht der RVK für Nachwuchsförderung, die Ausbildung von Pferd und Reiter sowie breitensportliche Angebote und berufliche Aus- und Weiterbildungen. Seit dem letzten Jahr ist der Anlagenbetreiber Helmut Ewenz, mit einem neu errichteten Stall bereits hoch erfolgreich in die Pferdezucht eingestiegen.
Im Landesverband Rheinland-Pfalz und weit darüber hinaus, erfährt der RVK eine hohe Anerkennung innerhalb des Pferdesports. Gerade um eine erhöhte Aufmerksamkeit für inklusive Praktiken im Reitsport zu erreichen, war er deshalb der ideale Partner zur Durchführung eines inklusiven Reitturniers. Ich selbst bin seit mehr als 10 Jahren Mitglied im RVK und starte aktiv in Dressurprüfungen bis zur schwersten Klasse. Trotz des sportlich hohen Niveaus, herrscht im Reitverein eine familiäre, annehmende und wertschätzende Atmosphäre, weshalb mein Wunsch einer Kooperation hinsichtlich der Umsetzung von Inklusion im Reitsport nahe lag. Darüber hinaus verfügt der RVK über alle nötigen Rahmenbedingungen, um eine Umsetzung zu erreichen.
Mein Vorschlag zu einem Reitturnier für Menschen mit und ohne Behinderung wurde im Reitverein offen, interessiert und auch engagiert angenommen. Mir als Verantwortliche in Sachen Inklusion, brachte man schon zu diesem Zeitpunkt ein hohes Maß an Vertrauen entgegen, wenngleich das Betreten neuer Pfade nicht ganz ohne Bedenken ablief und auch Mut von Seiten des Vereins forderte.
3.3 Der Weg zur Turnierausschreibung
Innerhalb einer Turnierausschusssitzung am 25.08.2015 stellte ich erstmals ein Konzept für Inklusion im Reitsport in meinem Reitverein vor. Grundsätzlich sollte das Turnier in den jährlichen Ablauf des Reitertages auf WBO-Basis eingebunden werden: Die WBO (Wettbewerbsordnung) ist eine, die Leistungsprüfungsordnung (LPO) ergänzende, niederschwellig angelegte Richtlinie für Reitturniere, bei der innerhalb der Rahmenbedingungen des Tierschutzes und der Sicherheit von Pferd und Reiter, der Gestaltung von Wettbewerben wenig Grenzen gesetzt sind (vgl. FN, WBO). Diese Offenheit war sinnvoll, um inklusive Strukturen besser etablieren zu können.
Vor der Turnierausschusssitzung hatte ich mich bereits über inklusive Angebote auf Reitsportveranstaltungen erkundigt, mit dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. (DKThR) Rahmenbedingungen für Inklusion besprochen, Ideen zur Umsetzung zusammengetragen und ein erstes, vorläufiges Konzept erstellt. Hiernach wurde die Durchführung des Turniers durch meinen Verein abgesegnet und in einer weiteren Turnierausschusssitzung am Ende des letzten Jahres, der Termin und die Ausschreibung des Reitertages festgelegt. Währenddessen kontaktierte ich Trainer im Bereich des ParaReitsports, knüpfte weitere Kontakte rund um den Reitsport und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, konkretisierte einige Bestimmungen der Wettbewerbe und stellte Überlegungen hinsichtlich der Umsetzung von Inklusion an.
3.4 Die Turnierausschreibung
Diese Überlegungen konkretisierten sich, neben weiteren Rahmenbedingungen der Veranstaltung, in der Turnierausschreibung (Leitfaden [Lf.], 36 ff.): Die Altersklassen- einschränkungen wurden im Vergleich zum Vorjahr aufgehoben, so dass Menschen jeden Alters teilnehmen konnten. Die Regelung des Teilnehmerkreises beschränkte sich nach WBO-Standards auf einige umliegende Vereine und eine bundesweite Regelung für Menschen mit Behinderung, die jedoch eine Teilnahme auf Anfrage nicht ausschloss. Das Prüfungsangebot wurde weitestgehend beibehalten und lediglich durch einen Wettbewerb erweitert, was die gewohnte Atmosphäre aufrechterhalten und Stammgäste weiterhin anziehen sollte.
Die Erweiterung des Angebotes stellte das Herzstück der Veranstaltung in Sachen Inklusion dar: Eine Art Geschicklichkeitsparcours (Geführter und/oder gerittener Trail), welcher vom Reiter selbstständig oder mit bis zu zwei Helfern überwunden werden musste. Zusätzlich hatte der Reiter die Möglichkeit zwischen einem Voltigiergurt mit Haltegriffen und Pad oder einem Sattel zu wählen, was das Turnierangebot auch für Menschen mit komplexer Behinderung öffnete. Der Nennungs- oder Anmeldeschluss sollte entgegen der üblichen Frist von einer Woche, bereits zwei Wochen vor Turnierstart erfolgen, um eventuell anfallende organisatorische Begebenheiten frühzeitig klären zu können.
Am 14.03.2016 wurde die Ausschreibung von der Landeskommission des Pferdesportverbandes Rheinland-Pfalz ohne Änderungen oder Beanstandungen genehmigt und konnte veröffentlicht werden.
3.5 Verbandliche Regularien zur Durchführung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Schaubild zeigt einen Überblick zur Organisation des Pferdesports in Deutschland. Für die vorliegende Arbeit ist der Bereich des Sports hinsichtlich verbandlicher Regularien interessant und darüber hinaus die Kooperation der Deutschen Reiterlichen Vereinigung
(FN) mit ihrem persönlichen Mitglied, dem DKThR. Das Kuratorium treibt die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Reitsport immer weiter nach vorn und hilft bei der Durchsetzung inklusiver Strukturen in den Regelsport.
Der Nachdruck des DKThR war zur Durchsetzung des Vorhabens eines inklusiven Reitturniers im RVK allerdings nicht notwendig: Die Anmeldung des Wunschtermins, wurde mit Berücksichtigung einer möglichst geringen Wahrscheinlichkeit von Turnierterminkollisionen bei dem Pferdesportverband Rheinland-Nassau angegeben. Nach deren Absegnung wurde die Ausschreibung fristgerecht an den Pferdesportverband des Landes Rheinland-Pfalz gesendet und dort in letzter Instanz genehmigt (vgl. FN, WBO).
3.6 Der Weg zum Turnier und die Öffentlichkeitsarbeit
Mit der Genehmigung der Turnierausschreibung am 14.03.2016, begann auch die Öffentlichkeitsarbeit rund um den Reitertag. Bezüglich der Medienpräsenz herrschte trotz der Distanzierung vom reinen Para-Reitsport ein mediales Interesse und es wurde detailliert Bericht erstattet, was jedoch auch mit der Informationsbereitstellung zu tun haben kann. Grundsätzlich war es wichtig, durch Medien eine erhöhte Aufmerksamkeit zu erreichen, um überhaupt erst eine Wahrnehmung für die Möglichkeiten des Reitturniers zu schaffen (vgl. Kiuppis et al. 2012, 147).
Ich erstellte auf Facebook eine Veranstaltung mit dem Namen „Inklusives Reitturnier“ und informierte befreundete Reiter über das neue Konzept. Regelmäßig wurden dort sämtliche mediale Informationen geteilt und ausgetauscht, Fragen beantwortet und Kontakte geknüpft (vgl. Facebook). Darüber hinaus erstellte eine befreundete Mediendesignerin einen Flyer zum Reitertag (Lf., 39), den ich durch meine Arbeit als selbstständige Pferdetrainerin überall dort verbreitete, wo ich Reitschüler und Trainingspferde antraf.
Ich schrieb einen Bericht für das Kurtscheider Eventmagazin (vgl. Reitverein Kurtscheid e.V. 2016 ,10f.) welches jährlich im RVK und in umliegenden Vereinen über Neuerungen, Erfolge und Turniere des Reitvereins aufklärt. Dieser Bericht wurde in leicht abgewandelter, auch für Nicht-Reiter verständlicher Form, an Special Olympics Rheinland-Pfalz e.V. gesendet, damit diese gezielt reittherapeutische Einrichtungen und Menschen mit geistiger Behinderung im Reitsport ansprechen (vgl. Special Olympics 2016). Darüber hinaus, rief ich persönlich in entsprechenden Einrichtungen an, um ein Feedback zu erhalten und noch eher für die Möglichkeiten dieses Turniers sensibilisieren zu können.
Innerhalb meiner Tätigkeit bei „PferdeStärken“, einer kleinen Einrichtung des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens im Westerwald, akquirierte ich unsere Klienten zu einer Teilnahme, die gerne und interessiert von vielen Beteiligten bestätigt wurde. Zur gleichen Zeit war ich mit Vertretern des Para-Reitsports in Kontakt und verbreitete Informationen zum Reitertag über das DKThR auch an diese Personengruppe, während umliegende Vereine vom RVK selbst kontaktiert wurden.
In einer letzten Turnierausschusssitzung vor dem Reitertag am 13.04.2016 wurde die Zeiteinteilung der Veranstaltung erstellt (Lf., 41): Der Zeitplan wurde bewusst so gewählt, um in der Mittagszeit möglichst viele Zuschauer auf der Reitsportanlage für die Highlights der Veranstaltung - die Kostümprüfungen und den Trail - zu halten und den Auf- und Abbau der Materialien zu erleichtern. Des Weiteren wurde in der Ausschusssitzung die Idee eines Reiterflohmarktes auf dem Turniergelände abgesegnet, wofür ich eine Organisatorin fand. Unter anderem sollte dieser Flohmarkt als Unterstützung für eine andere Idee fungieren: Eine Spendenaktion, von der der Kinderunterstützungsfonds (KUF) des DKThR profitieren konnte. Rund um die Spendenaktion, den KUF und die einzelnen Turnierwettbewerbe sowie strukturelle Voraussetzungen, organisierte ich den Turnierablauf mit und verbreitete die Informationen an möglichst vielen Stellen.
Zur Durchführung des Reitertages verfügte der Verein über ausreichend finanzielles Eigenkapital: Die Kosten einer WBO-Veranstaltung halten sich, aufgrund der fehlenden Ausschüttung von Geldpreisen, relativ gering. Darüber hinaus erhielt der Verein einen Zuschuss vom Pferdesportverband Rheinland-Nassau für die Etablierung von WBOWettbewerben. Die finanzielle Ungebundenheit erleichterte die Organisation enorm und bedingte auch die Freiheit der Gestaltungsmöglichkeiten.
Für das sportliche Herzstück der Veranstaltung in Sachen Inklusion erstellte ich den Trailparcours mit seinen sechs, im Vorfeld festgelegten Stationen und nahm dafür meine Erfahrungen aus der Einrichtung „PferdeStärken“ zu Hilfe. Ein Parcoursbauer und erfolgreicher Springreiter des Vereins fertigte dann am Computer eine professionelle Skizze an, um diese den Reitern am Turniertag vorzulegen (Lf., 43). Zusätzlich schrieb ich, in Anlehnung an einen breitensportlichen Wettbewerb des RVK und die Richtlinien für Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung im Reitsport (vgl. DKThR 2013/ SOD 2015), einen Bewertungsmaßstab des Trails (Lf., 44 f.), welchen ich den Turnier- richterinnen vorlegte und erläuterte. In den Richtlinien der Special Olympics Deutschland (2015) wird auf Seite 34 die vorherige Erläuterung des Parcours für Teilnehmer solcher Prüfungen empfohlen. Ich entschied mich, die Route selbst und mit eigenem Pferd zu erläutern, um im Zuge dessen den Sinn des Turniers zu unterstreichen.
Für den Turniertag organisierte ich zusätzlich eine befreundete, heilpädagogische und psychologische Fachkraft mit langjähriger Praxiserfahrung, um mit Besuchern ins Gespräch zu kommen, kleine Interviews zu führen und einen noch genaueren Überblick im Sinne der Partizipation zu erhalten. Außerdem erstellte ich einen Fragebogen zur Erfassung der Teilnehmer hinsichtlich bestehender oder nicht bestehender Behinderung und darüber hinaus, eine Reihe von Piktogrammen zur besseren Orientierung rund um das Turniergeschehen (Lf., 42). Während dieser Zeit stand ich in Kontakt mit der Rhein- Zeitung, die eine Vorankündigung des Turniers veröffentlichte (Lf., 40). Zudem konnte ich den Lokalsender „WesterwaldTV“ von einem Besuch der Reitsportanlage in Bonefeld am 23.04.2016 überzeugen.
4. Umsetzung: Erstes inklusives Reitturnier des RV Kurtscheid am 23.04.2016
Im Folgenden soll die praktische Umsetzung des inklusiven Reitertages auf dem Birkenhof in Bonefeld wiedergegeben werden: Meine Aufgaben im Turniergeschehen werden abgebildet und der Turniertag wird beschrieben, sowie die Nachbereitung rund um den Reitertag zusammengefasst. Als praktisches Beispiel sorgt ein eigener Mitschnitt, mit der Erlaubnis der abgebildeten Personen, für einen noch genaueren Überblick der inklusiv wahrgenommenen Wettbewerbe (Cover am Ende).
4.1 Der Turniertag und meine Rolle
Nachdem am Vorabend des reinen Hallenturniers bereits alle organisatorischen Handgriffe und Aufbauten getan waren, traf ich am 23.04.2016 schon eine Stunde vor Beginn der ersten Prüfung um acht Uhr auf der Reitsportanlage des Birkenhofes in Bonefeld ein. Dort stimmte ich mit der Meldestelle letzte Unklarheiten ab, regelte den Aufbau des Reiterflohmarktes und platzierte die Spendenboxen des KUF.
Die Reiter konnten ihre Pferde in der 20x40 Meter großen Abreitehalle aufwärmen und mussten zur Prüfung in die 20x60 Meter große, lichtdurchflutete Panoramahalle wechseln, welche auf 40 Meter abgetrennt war, während das überbleibende Platzangebot für die Zuschauer und den Flohmarkt zur Verfügung standen. Bei Ankunft der Richterinnen, besprachen wir den Ablauf des Turniers und vor allem Bewertungsrichtlinien, Grundsätze der Initiierung eines inklusiven Reitertages und auch meine Motivation zu derselben. Mit dem Prüfungsstart um neun Uhr pendelte ich zwischen der Meldestelle, Verantwortlichen sowie Teilnehmen und Zuschauern, klärte dort anfallende Fragen, organisierte weitere Abläufe und beobachtete das Geschehen.
An den ersten vier Prüfungen des Tages nahm noch kein Reiter mit Behinderung teil, unter den Zuschauern hatte sich allerdings bereits eine beachtliche Vielfalt an Menschen versammelt. Gegen 10 Uhr erreichte meine, als Interviewerin in Sachen Inklusion bereitgestellte, heilpädagogische Fachkraft, das Gelände, knüpfte erste Kontakte, klärte mithilfe des im Event-Magazin veröffentlichten Bericht über das Turnierkonzept auf und sammelte Erkenntnisse. Währenddessen beobachtete ich weiter den Ablauf, führte Gespräche und kümmerte mich um eingetroffene Reitschüler.
Da sich der Turnierablauf verzögerte, begann die Prüfung Nummer 3. „Führzügel-WB“ ca. eine Stunde verspätet - sie war die erste Prüfung, in der auch Menschen mit Behinderung teilnahmen. Hier läuft ein Führender in den Gangarten Schritt und Trab, sichernd durch einen Strick am Pferdegebiss, neben dem Reiter entlang. Bewertet wird hauptsächlich ein ordnungsgemäßer Sitz des Reiters und dessen Einwirkung auf das Pferd. Insgesamt gingen in zwei Abteilungen zehn Reiter an den Start, von denen vier eine Behinderung hatten. Auch die Einrichtung „PferdeStärken“ war mit zwei Jugendlichen auf zwei Pferden vertreten und konnte ihr Können unter Beweis stellen. Ich fungierte während dieser Zeit als Hilfskraft und beobachtete die Prüfungen und die Bewertung der Richterinnen, die sehr objektiv schienen, ohne Bevor- oder Benachteiligungen. Letztendlich durfte sich in den Prüfungen 3,4,5 und 7 jeder Reiter über einen kleinen Ehrenpreis und eine Schleife am Pferdekopf freuen, wohingegen in den restlichen Wettbewerben nur ein Drittel der Teilnehmer platziert wurden und an der Ehrung teilnehmen durften.
Die erste Kostümprüfung des Tages wurde entgegen des geplanten Vorhabens zu zweit in einer Abteilung, anstatt einzeln geritten - aufgrund des Zeitverzugs und der Fülle der Teilnehmer, musste ein schnellerer Ablauf gewährleistet werden. Mit Beginn dieser Prüfung erreichten auch die weiteren Turnierteilnehmer der Einrichtung „PferdeStärken“ die Anlage und bereicherten die Besucher des Reitertages durch eine vermehrte Heterogenität an Menschen.
Gegen 13.30 Uhr traf auch das Team von WesterwaldTV in der Panoramahalle des RVK ein: Während die Kostümprüfung lief, führten sie nach einem kurzen Rundgang, Interviews mit der ersten Vorsitzenden des Vereins (Jutta Spies), dem Ehrenvorsitzenden (Charlie Peters), einem Vorstandsmitglied des Pferdesportverbandes Rheinland-Nassau (Thomas Peters) und mit mir. Das Team blieb bis ca. 15 Uhr vor Ort und konnte noch einige Eindrücke des Kostümwettbewerbes (ohne Menschen mit Behinderung) und des Trails gewinnen. Eine Genehmigung den Beitrag für die Arbeit zu verwenden, habe ich nicht erhalten.
Der Trail begann, dank der Ablaufänderung der vorherigen Prüfung, wieder planmäßig um 14.30 Uhr. Zuvor dirigierte ich den Aufbau des Parcours und stellte sicher, dass die Teilnahme eines jeden Reiters durchgesetzt werden konnte und die Sicherheit der jeweiligen Pferd-Mensch-Kombinationen bestehen blieb. Danach stellte ich den Parcours, meine Person und die Intension hinter dem Turnier persönlich und mit Hilfe meines Nachwuchspferdes vor. Die Rahmenbedingungen des Trail-Wettbewerbes (vgl. S. 34) führten dazu, dass ganz unterschiedliche Menschen das Angebot wahrnahmen und gemeinsam, gleichberechtigt Reitsport betreiben konnten. Insgesamt gingen 17 Personen an den Start, von denen acht eine Behinderung hatten. Menschen mit komplexen Behinderung sind gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung gestartet und hatten alle dieselben Chancen, was an der Rangierung der Sieger ersichtlich wurde.
Nachdem ich den Parcours vorgestellt hatte, fungierte ich als Helferin und Nebengängerin der Klienten der Einrichtung „PferdeStärken“, die so selbstständig wie möglich und höchst ehrgeizig die einzelnen Stationen und Aufgaben bewältigten, die auf einige Pferde sehr einschüchternd und angsteinflößend wirkten. Der Turniertag schloss mit zwei Springprüfungen ab, die unter anderem im Kostüm geritten wurden und an denen keine Personen mit Behinderung teilnahmen.
Noch am Turniertag erhielt ich Unterstützungsangebote für weitere Turniere und durchweg positive Rückmeldungen zur Organisation, dem Ablauf und dem inklusiven Konzept des Reitertages - vom Veranstalter selbst, dem Vorstand des RVK, dem Anlagenbetreiber, den Richterinnen, von zahlreichen Zuschauen und den Reitern, ob mit oder ohne Behinderung.
4.2 Nachbereitung
Im Anschluss an den Turniertag stand ich in Kontakt mit der Rhein-Zeitung des Kreises Neuwied, die am 25.04.2016 einen Bericht zum Reitertag veröffentlichte und einen wichtigen Aspekt dabei aufgriff: Ich selbst konnte eine Station des Parcours nicht korrekt ausführen, wohingegen ein Junge mit mehrfacher Behinderung gerade dort eine hohe Punktzahl erzielte (Lf. S. 46). Damit wurde deutlich, dass Leistung nicht zwingend mit Behinderung oder Nichtbehinderung zusammen hängt. Möchte man an dieser Stelle Kritik aussprechen, würde man sich wünschen, dass noch weniger auf den „schicksalhaften Zustand“ der Behinderung, des exemplarisch aufgeführten Jungens eingegangen wird (vgl. Wegner et al. 2015, 90). Darüber hinaus ist die Rhein-Zeitung an einem weiteren Beitrag interessiert: Die Spendenaktion zum KUF, mit der insgesamt 265,10 Euro eingenommen wurden, soll durch eine Scheckübergabe auf Papier gebracht werden.
Zur Nachbereitung gehören insbesondere Maßnahmen rund um den Leitfaden für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen. Dieser Leitfaden, praktische Eindrücke zum Turnier, wie auch die Turnierausschreibung, sollen an den Dachverband des Reitsports in Deutschland gesendet werden: Die FN in Warendorf (vgl. S. 35). Die Kurtscheider Ausschreibung und Aspekte des Leitfadens könnten bald als richtungsweisend für inklusive Prozesse im Reitsport herangezogen werden.
Alle medialen Informationen wurden darüber hinaus auf der Plattform Facebook verbreitet und durch verschiedene Menschen und Organisationen geteilt - unter anderem auch durch das DKThR (vgl. Facebook).
(C) Empirischer Teil
5. Konzeption und Methode der Untersuchung
Forschungsmethodische Vorüberlegungen. Zur empirischen Fundierung dieser Arbeit und zur Beantwortung der Fragestellung wurde eine qualitative Untersuchung durchgeführt. Die „Qualitative Sozialforschung benutzt nichtstandardisierte Methoden der Datenerhebung und interpretative Methoden der Datenauswertung […] (Fiebertshäuser, Prengel 1997, 75). Trotz des hohen Zeit- und Arbeitsaufwandes (vgl. ebd., 71) kann diese Art der Untersuchung, der Thematik am ehesten gerecht werden sowie die genauesten und erkenntnisreichsten Ergebnisse liefern. Im Unterschied zu einer quantitativen Forschungsmethode sind neben der Interpretation von Generalisierungen auch die Aussagen von Einzelpersonen bedeutsam (vgl. ebd., 75), was bei der vorliegenden Untersuchung, durch die Notwendigkeit der Heranziehung von Experten in Sachen Reitsport und Inklusion, unabdingbar war.
Das folgende Kapitel wird die Konzeption der Untersuchung vorstellen und insbesondere die untersuchungsleitenden Fragestellungen für die empirischen Analysen konkretisieren. Nach einem Überblick zu den Rahmendaten der Untersuchung hinsichtlich Design, Stichprobe und Zeitraum, folgt ein Abschnitt über forschungsrelevante Vorkehrungen und abschließend über die Durchführung und das Auswertungsverfahren zur Erlangung eines Forschungsergebnisses.
5.1 Forschungsfragen
1. Welche Voraussetzungen müssen bestehen, um Inklusion auf Reitsportveranstaltungen umzusetzen?
2. Konnte Inklusion auf dem Reitturnier des RV Kurtscheid am 23.04.2016 umgesetzt werden?
Die untersuchungsleitenden Fragestellungen, dienen unter anderem der Erstellung eines
Leitfadens für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen, der auf Seite 150 einzusehen ist. Darüber hinaus soll die praktische Umsetzung des inklusiven Kurtscheider Reitturniers, vor dem Hintergrund des entwickelten Leitfadens für Inklusion, beleuchtet und letztlich als Beispiel für Inklusion auf Reitsportveranstaltungen herangezogen werden.
5.2 Forschungsdesign und Stichprobe
Forschungsdesign. Das Leitfadeninterview mit Experten dient als sozialwissenschaftliche Erhebungsmethode der vorliegenden Untersuchung. Die Verwendung eines Leitfadens spendet Orientierung, soll eine Struktur geben und die Möglichkeit schaffen, Vergleiche zwischen den einzelnen Ergebnissen zu ziehen (vgl. Mayer 2009, 37). Durch die Nutzung eines Experteninterviews, kann ein klar definierter Wirklichkeitsausschnitt wiedergegeben und in Folge dessen, eine bestimmte Gruppe repräsentiert werden (vgl. ebd., 38). Die grundlegenden Fragen des Interviewleitfadens dürfen und sollten offen formuliert sein, um flexibel auf den Befragten einzugehen und sie müssen nicht strikt nach der festgelegten Reihenfolge verlaufen (vgl. ebd., 37). Basierend auf den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit sind daher neun Leitfragen entstanden, die im Anhang auf Seite 81 zu finden sind.
Stichprobe. Der Begriff Stichprobe kommt zustande, da nicht auf eine bestehende Grundgesamtheit zurückgegriffen werden kann, sondern nur mit einem Anteil von Menschen aus dem Themenbereich gearbeitet wird (vgl. ebd., 38). Die vorliegende Untersuchung benötigte Experten in den Bereichen Reitsport und Inklusion, die auf dem inklusiven Reitturnier des RV Kurtscheid anwesend waren - zur Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fragestellungen und zur Generalisierung der Erkenntnisse auf weitere Reitsportveranstaltungen. Der Begriff „'Experte' beschreibt die spezifische Rolle des Interviewpartners als Quelle von Spezialwissen über die zu erforschenden sozialen Sachverhalte.“ (Gläser/Laudel 2010, 12). Aufgrund der festen Kriterien wurde die Stichprobe daher durch eine Vorab-Festlegung der Samplestruktur gebildet (vgl. Mayer 2009, 39) und bestand aus vier unterschiedlichen Interviewpartnern. Die folgende Tabelle gibt die wesentlichen Informationen hinsichtlich Alter, Geschlecht und Beruf sowie Vertrautheit mit den Themen Reitsport und Inklusion der Interviewpartner wieder:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5.3 Operationalisierung
Zur Beantwortung der Fragestellungen und zur Entwicklung des Leitfadens, müssen Aspekte der Inklusion zunächst in konkrete Kategorien eingeteilt und schließlich in Leitfragen übersetzt werden. Eine solche Operationalisierung ist existentiell, um im Dialog mit dem Interviewpartner und seinen (größtenteils) subjektiven Äußerungen, den wissenschaftlichen Kontext nicht zu verlieren und um das Erkenntnisinteresse des Interviewers mit dem kulturellen Kontext des Gesprächspartners in Einklang zu bringen (vgl. Gläser et al. 2010, 112).
Den Interviewleitfragen wurden stichpunktartig entsprechende Kategorien zugeteilt, die sich an die Indexmodelle für Inklusion anlehnen (vgl. DBS 2014/ Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft 2010). So wird auch während des Expertengesprächs der wissenschaftlichen Bezug nicht verloren und es kann eine permanente, spontane Operationalisierung vorgenommen werden (vgl. Gläser et al. 2010, 112). Aufgrund der Fülle an Material, sind die Leitfragen auf Seite 81 ff. des Anhangs einzusehen.
5.4 Reliabilität und Validität
Zur Überprüfung der Interviewfragen als qualitative Forschungsmethode müssen besonders die Gütekriterien „Reliabilität“ und „Validität“ herangezogen werden. Die „Objektivität“ gewinnt erst in der quantitativen Forschung deutlich an Bedeutung, da hier die Freiheitsgrade des Forschers hinsichtlich der Interpretation der Messergebnisse deutlich eingeschränkter sind (Mayer 2009, 89).
Die Validität (Gültigkeit) hat in der qualitativen Forschung einen interpretativ- kommunikativen Charakter und gibt an, inwieweit das gemessen wird, was gemessen werden sollte - sie geht deshalb mit der Zustimmung der Befragten einher (vgl. ebd., 56 f.). Das Gütekriterium Reliabilität (Zuverlässigkeit), meint die Stabilität und Genauigkeit zur Erzielung des gleichen Ergebnisses bei wiederholter Messung und setzt in der qualitativen Forschung besonders beim Zustandekommen der Daten an: Die Aussagen des Forschers und des Befragten sollten genau ersichtlich voneinander getrennt sein, während nicht auf die Wiedergabe des gesamten Interviewvorgehens verzichtet wird (vgl. ebd.).
Als Basis zur Erfüllung der Gütekriterien und um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen, wurden in einem Pretest, zwei Probeinterviews mit Personen aus dem entsprechenden Themengebiet geführt. Dabei konnten zu komplexe und teilweise unverständliche Formulierungen erkannt und beseitigt werden (vgl. ebd., 45).
5.5 Durchführung
Zur Umsetzung der empirischen Untersuchung wurden, innerhalb eines face-to-face Experteninterviews, insgesamt vier Personen aus dem Themengebiet Reitsport und Inklusion befragt. Die Zahl vier ist entstanden, da durch die Unterschiedlichkeit der Befragten ein möglichst breites Spektrum von Anregungen und gemeinsamen, wie auch unterschiedlichen Äußerungen, erreicht werden konnte.
Durch die Anwesenheit der Experten am Turniertag, war deren Erreichbarkeit gegeben. Alle Interviewpartner waren auf Anhieb zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema bereit. Ihre Namen wurden mit deren Zustimmung nicht anonymisiert (vgl. ebd., 47). Eine weitere Zustimmung wurde für die Aufzeichnung des Gesprochenen durch ein Tonband vorausgesetzt: Auch hier sagten alle Interviewpartner zu, was die Konzentration auf die eigentliche Befragungen und damit einhergehend, die flexible Handhabung des Leitfadens erleichterte (vgl. ebd., 47). Um die Fragen des Leitfadens hinreichend beantworten zu können, erhielten die Experten schon vor Beginn des Interviews die Interviewfragen per E- Mail zugesandt. Diese wurden nach einer ersten persönlichen Auseinandersetzung, in einer öffentlichen Einrichtung oder im Wohnhaus behandelt, weshalb die Atmosphäre einen (relativ) störungsfreien Ablauf ermöglichte, indem sich die Interviewpartner auf wesentliche Aspekte des Gesprächs konzentrieren konnten.
5.6 Auswertung
Die Transkripte der vier Befragungen wurden mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet, da diese sich besonders gut dazu eignet, soziale Sachverhalte zu analysieren (vgl. Gläser et al. 2010, 47).
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