Die sinnliche Verführungskraft Don Juans hat nicht nur die Frauenwelt fasziniert, sondern die Motive seines Handelns haben zahllose Interpreten aufgegriffen. Es gibt Hunderte von Don Juan-Gestalten und unterschiedlichste Deutungen seines Verführerdaseins, die sich im historischen Wandel weiterentwickeln.
Der Don Juan des siebzehnten Jahrhunderts präsentiert sich am Anfang als Gotteslästerer und Verführer aller Frauen, der unter Vorspiegelung einer falschen Identität handelt oder durch Heiratsversprechen viele Frauen entehrt und sie getäuscht zurücklässt. Am Ende wird der Sünder für seine vielfachen Frevel zur Rechenschaft gezogen und durch himmlische Rache bestraft.
Die Renaissance stellt Don Juan als Rebell dar, der die gesellschaftlichen Normen infrage stellt. Im 19. Jahrhundert dann beginnt Don Juan einen Platz in der Philosophie einzunehmen. In Gestalt der Mozartschen Don Giovanni bestimmt Kierkegaard Don Juans Verführungszwang als ‚sinnlich-erotisch‘. Ein Jahrhundert später erscheint er Camus als Prototyp des absurden Menschen, der eine sinnliche Existenz lebt. Mit dem Einbruch der Männlichkeitskrise wird im 20. Jahrhundert versucht, „einen potenten verführerischen Don Juan zu demontieren“. Es findet eine Rollenverkehrung statt, und der Jäger der Frauen wird zu ihrer Beute.
Trotz der Vielfalt an Adaptationen geht die überwiegende Zahl aller späteren Bearbeitungen wohl auf die drei großen frühen Fassungen von Tirso de Molina, Moliere und Mozart/Da Ponte zurück, die als Basis des Don Juan-Mythos angesehen werden sollen. Dabei werden zwar die bei diesen Autoren anzutreffenden Grundmotive in den neuen Bearbeitungen teilweise aufgegeben, dennoch können sie nicht gänzlich vernachlässigt werden. Eine der neueren Bearbeitungen, die im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, stammt von Peter Handke: „Don Juan (erzählt von ihm selbst)“ aus dem Jahr 2004.
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Was macht den Handkeschen Don Juan aus? Ist er ein skrupelloser Jäger des weiblichen Geschlechts oder ein Suchender wahrer Empfindungen? Inwiefern entfernt er sich von der Tradition des klassischen Verführers? Was sind die Motive seiner Verführung? Schafft Handke einen ganz neuen Don Juan?
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- EINLEITUNG
- DON JUAN IN DER LITERARISCHEN TRADITION
- Don Juan als betrügerischer Verführer
- Die Dienerfigur
- Der bestrafte Verführer
- DON JUAN IN DER PHILOSOPHIE
- Don Juan als Inbegriff sinnlicher Genialität
- Don Juan als Prototyp des absurden Menschen
- DON JUAN (ERZÄHLT VON IHM SELBST) – ANALYSE UND INTERPRETATION
- Erzähler-Zuhörer-Erzähler
- Don Juan und die Frauen
- Die Dienerfigur
- „Herr seiner Zeit“ – Don Juans Verhältnis zur Zeit
- Das Prinzip der Wiederholung
- Sieben Tage, sieben Frauen... Mythisierung des Erzählens
- Don Juan auf der Flucht
- ZUSAMMENFASSUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Masterarbeit analysiert Peter Handkes Don Juan (erzählt von ihm selbst) und untersucht, wie sich Handkes Darstellung von Don Juan von der traditionellen Figur abhebt. Die Arbeit beleuchtet die Motive des Handkeschen Don Juans und versucht zu verstehen, ob er ein skrupelloser Jäger des weiblichen Geschlechts oder ein Suchender wahrer Empfindungen ist.
- Die literarische Tradition des Don Juan-Stoffes
- Die philosophischen Bedeutungen des Don Juan-Mythos
- Handkes Interpretation des Don Juan
- Don Juans Verhältnis zu Zeit und Wiederholung
- Die Rolle der Dienerfigur in Handkes Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung stellt den Don Juan-Mythos in seiner historischen und literarischen Entwicklung vor. Sie beleuchtet die verschiedenen Interpretationen der Figur und zeigt die verschiedenen Aspekte, die über die Jahrhunderte hinweg in den Vordergrund gerückt wurden.
Das zweite Kapitel untersucht den Don Juan-Mythos in der literarischen Tradition. Es beleuchtet die Werke von Tirso de Molina, Moliere und Mozart/Da Ponte, die als Grundlage des Don Juan-Mythos angesehen werden können. Dieses Kapitel analysiert die Motive des betrügerischen Verführers, der Dienerfigur und der metaphysischen Rache, die in diesen Werken vorkommen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der philosophischen Bedeutung des Don Juan-Mythos. Es analysiert Sören Kierkegaards Deutung des Don Juan, der ihn als Prototyp des sinnlichen Menschen darstellt. Dieses Kapitel beleuchtet die Bedeutung der Augenblickserfahrung für den Don Juan und die Rolle des reflektierten Verführers.
Das vierte Kapitel analysiert Peter Handkes Don Juan (erzählt von ihm selbst). Es untersucht die Erzählstruktur der Geschichte, die Rolle der Frauen und die Funktion der Dienerfigur. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit Don Juans Verhältnis zur Zeit, dem Prinzip der Wiederholung und der Mythisierung des Erzählens.
Schlüsselwörter (Keywords)
Peter Handke, Don Juan, Verführer, Mythos, Literatur, Philosophie, Sören Kierkegaard, sinnliche Genialität, absurder Mensch, Zeit, Wiederholung, Dienerfigur, Erzählstruktur.
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- Tamara Sikharulidze (Author), 2014, Das Bild des Verführers in Peter Handkes "Don Juan (erzählt von ihm selbst)", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353386