Die bekannte Metapher "Mutter Latein und ihre Töchter" sagt nichts darüber aus, wie unterschiedlich sich diese "Töchter" entwickelt und welche Nachkommen sie selbst geboren haben. Viele Wesensmerkmale der "Mutter" haben sich trotz einer 2000jährigen Entwicklung bis auf den heutigen Tag erhalten; andere waren schon bald so sehr verblasst, dass sie keine Chance einer "Renaissance" hatten und mit ziemlicher Sicherheit auch in Zukunft nicht haben werden. Dazu gehört auch das Deponens.
Deponentien, also jene Verbgruppe, die morphologisch dadurch bestimmt ist, dass sie nur passive Formen keknnt, und syntaktisch, dass diese Verben eine aktive Bedeutung haben gibt es heute in den romanischen Sprachen nicht mehr. Von da aus ergeben sich zahlreiche Fragen wie z.B.: Seit wann gibt es keine Deponentien mehr? Was ist an ihre Stelle getreten? Sind sie durch andere syntaktische Formen ersetzt worden? Haben sich wenigsten ihre Wortstämme erhalten? Mit anderen Worten: Es gibt zwar kein "conari" und keine "minari" mehr, aber gibt es vielleicht - z.B.im Französischen - einen von einem Infinitiv "conare" bzw. "minare" abgeleitete Form?
Diesen Fragen will die vorliegende Arbeit nachgehen, indem sie chronologisch vom klassischen über das Spätlatein, über Alt- und Mittelfranzösisch bis hin zum aktuellen Französisch anhand von Texten und Wörterbüchern eine akribische und detailreiche Untersuchung über das Nachleben der lateinischen Deponentien anstellt.
Inhaltsverzeichnis
- A) Einleitung
- 1) Definition des Deponens und Aufgabenstellung
- 2) Deponens und verwandte Genera
- 3) Ein Verb - zwei Aktionsarten - viele Genera
- 4) Das-to-Partizip: aktiv und passiv
- B) Hauptteil
- I. Zum Verbalsystem im klassischen Latein
- 1) Finite und infinite Verbformen am Beispiel der „Germania“
- 2) Das Genus der Partizipien
- 3) Die Bedeutung des -to-Partizips
- 4) Syntax und Stilistik. Ausblick aufs Spätlatein
- II. Zur Entwicklung im Spätlatein
- 1) Sermo vulgaris latinus
- 2) Systematisierung des spätlateinischen Deponens und seiner Nachfolge-konstruktionen
- III. Zum alt- und neufranzösischen „Deponens“
- 1) Straßburger Eide, Eulalia-Sequenz und methodische Folgerungen
- 2) Grenzen der Interpretation altfranzösischer Texte - aufgezeigt am Vergleich zweier Varianten
- 3) Hätte an dieser Stelle im Lateinischen ein Deponens gestanden? Untersuchung dreier Verben
- 4) Das Nachleben einer syntaktischen Bedeutungsnuance?
- C) Schluss: Das lateinische Deponens in der Romania
- D) Nachträge
- (I.) Weitere Literatur
- (II.) Hauptpunkte aus der Gamillscheg-Hatcher-Diskussion
- 1) Zur Hatcher-Gamillscheg-Kontroverse:
- 2) Zu Dubois' strukturaler Grammatik
- 3) Zu Tesnières strukturaler Syntax
- 4) Zu Herzogs-to-Partizip
- 5) Zu Hanssens spanischem Passiv
- (III.) Lateinisches Deponens, neufranzösisches Reflexiv und das Nachleben einer syntaktischen Bedeutungsnuance
- 1) Einige ergänzende Bemerkungen zum Diminutiv „-ul[1]us“, „-iculari“
- 2) Inwiefern können die neufranzösischen VEP als Deponentien angesehen werden?
- (IV.) Untersuchungen von Ludwig Schauwecker
- 2E) Anhang: Verbes essentiellement pronominaux (VEP)
- I. Chronologische Anordnung
- 1) Rolandslied und übrige Literatur des 12. Jahrhunderts
- 2) 13. 15. Jahrhundert
- 3) Ende 15. bis Anfang 17. Jahrhundert
- 4) 17. und 18. Jahrhundert
- 5) 19. und 20. Jahrhundert
- II. Zusammenstellung der 24 gebräuchlichen reziproken VEP:
- III. Anmerkungen zur Tabelle des Anhangs
- F) Literaturverzeichnis
- Die Rolle des Deponens im klassischen und spätlateinischen Verbalsystem
- Die Entwicklung des Deponens im Vulgär- und Spätlatein
- Die Nachfolgekonstruktionen des Deponens im Altfranzösischen
- Die Analyse von Verben im Neufranzösischen, die möglicherweise als Nachfahren des Deponens betrachtet werden können
- Die Bedeutung der syntaktischen Bedeutungsnuance des Deponens für die romanischen Sprachen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des lateinischen Deponens, einer Verbgruppe, die morphologisch durch passive Formen gekennzeichnet ist, aber syntaktisch mit aktiven Verben vergleichbar ist. Die Arbeit untersucht, wann, wie und warum diese Verbgruppe in der Romania verschwunden ist und welche Strukturen sie im Laufe der Zeit ersetzt haben. Dabei werden die Veränderungen im Vulgär- und Spätlatein sowie im Altfranzösischen bis hin zum Neufranzösischen analysiert.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung definiert das Deponens und stellt die Forschungsfrage nach dessen Untergang in der Romania. Sie beleuchtet außerdem das Deponens im Kontext verwandter Verbkategorien und die verschiedenen Aktionsarten, die in einem Verb vereint sein können.
Der Hauptteil untersucht zunächst das Verbalsystem im klassischen Latein, einschließlich der Partizipien und ihrer Bedeutung. Anschließend wird die Entwicklung des Deponens im Spätlatein und seine Nachfolgekonstruktionen im Altfranzösischen betrachtet. Die Analyse von drei Beispielverben im Altfranzösischen soll zeigen, ob ein Deponens in diesen Fällen im Lateinischen gestanden hätte.
Der Schlussteil beschäftigt sich mit dem Nachleben des lateinischen Deponens in der Romania und stellt fest, dass es zwar nicht als eigene Verbgruppe erhalten geblieben ist, aber seine syntaktische Bedeutungsnuance in anderen Strukturen weiterlebt.
Schlüsselwörter
Lateinisches Deponens, Vulgärlatein, Spätlatein, Altfranzösisch, Neufranzösisch, Verbalsystem, Syntax, Semantik, Aktionsart, Partizip, Verbes essentiellement pronominaux (VEP), Nachleben einer syntaktischen Bedeutungsnuance.
- Quote paper
- Klaus Bahners (Author), 1967, Das lateinische Deponens und seine romanischen Nachfolger, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351534