Welche sprachlichen und Medien-Frames dominierten im vergangenen September und im April des Jahres 2016 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Berichterstattung über Geflüchtete? Diese Frage soll in der Arbeit beantwortet werden. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen auf Nadine Bilkes Qualitätskriterien bezüglich der Sprache im Friedensjournalismus angewendet werden. Zunächst soll aber der Framing-Begriff abgegrenzt werden, mit dem im weiteren Verlauf gearbeitet wird.
„Ereignisse und Sachverhalte in der Welt sprechen nicht für sich, sie werden von uns zum Sprechen gebracht, indem wir sie in einer bestimmten Weise abgrenzen, interpretieren und verstehen. Dafür benutzen wir vorgefertigte Deutungsmuster, die es uns erlauben, interpretationsoffene Gegebenheiten mit Bedeutung aufzuladen und die dazu passenden Handlungsoptionen zu wählen.“
Was Frank Marcinkowski hier beschreibt, in seinem Vorwort zur neuen Auflage der Publikation Framing als politischer Prozess, lässt sich nicht nur mikrokosmisch als ein Erklärungsversuch des Verstehens, Denkens und Handelns eines einzelnen Menschen verstehen, sondern auch anwenden auf den Makrokosmos des klassischen Wegs von einem „interpretationsoffenen“ Ereignis über seine Berichterstattung im Journalismus und deren Rezeption hin zu einer reaktiven (politischen) Handlung des Rezipienten. Die vom Journalisten „zum Sprechen gebrachten“ Ereignisse und Sachverhalte in der Welt werden nicht nur im Denkapparat eines jedes Einzelnen abgegrenzt, interpretiert und verstanden, sondern auf gleiche Weise während der Entstehung der journalistischen Berichterstattung. Jede Information passiert mindestens diese beiden Filter, um Marcinkowskis Argumentation weiterzuführen, bevor eine Handlungsoption gewählt und gehandelt werden kann. Hinzu kommt, dass letzterer Filter (die Berichterstattung) wiederum oft nur auf bereits vorselektierte „zum Sprechen gebrachte“ Ereignisse zurückgreifen kann. Es ergibt sich ein Dilemma: Ereignisse müssen zu Sprache werden, um verstanden werden zu können, und um Menschen die Möglichkeit zu geben, mit ihnen umzugehen. Gleichzeitig können sie in ihrer Komplexität aber nie adäquat sprachlich erfasst werden, mehr noch: Sie werden „mit Bedeutung auf[ge]laden“, die ihnen von Natur aus nicht eigen ist.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung: „Auf leisen Sohlen ins Gehirn" -Framingin politischen Debatten
1.1.Die Theorie des „Bedeutungsrahmens" und der schwierige BegriffFraming
1.2.Die Rolle des Journalismus: Medien-Framing
1.3.Wir denken, wie wir sprechen? - Rezipienten-Frames
1.4.Exkurs PolitischesFraming:Verhängnisvolle Begriffe nach Elisabeth Wehling
2.Friedensjournalismus nach Johan Galtung und Nadine Bilke
2.1.„Qualitätsjournalismus"
2.2.Zum „Friedensjournalismus" und seiner Praxis
2.3.„Konfliktsensitivität" als zentrale Ergänzung
2.4.Die Rolle der Sprache im konfliktsensitiven Journalismus
3.Ausschnitte aus der journalistischen „Wirklichkeit"
3.1.Untersuchung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
3.2.Vorgehensweise: Qualitative Frame-Analyse orientiert an Reese und Buckalew unter Heranziehen kognitionslinguistischer Analyseelemente
3.3.Die Berichterstattung über Geflüchtete
3.3.1.Empathie-Frame
3.3.2.Massen-Frame
3.3.3.Festungs-Frame
3.3.4.Krisen-Frame
3.3.5.Helfernation-Frame
3.3.6.Bewältigungs-Frame und Schicksals-Frame
3.4.Fazit
4.Abschluss:Framingund Konfliktsensitivität
5.Literaturverzeichnis
6.Anhang
6.1. Tabellarische Übersicht über die Frames
6.2. Mitschriften der gesehenen Sendungen mit Stichpunkten, dominierenden Frames
6.3. Transkripte und Analysen
1.Einleitung: „Auf leisen Sohlen ins Gehirn“ -Framingin politischen Debatten
„Ereignisse und Sachverhalte in der Welt sprechen nicht für sich, sie werden von uns zum Sprechen gebracht, indem wir sie in einer bestimmten Weise abgrenzen, interpretieren und verstehen. Dafür benutzen wir vorgefertigte Deutungsmuster, die es uns erlauben, interpretationsoffene Gegebenheiten mit Bedeutung aufzuladen und die dazu passenden Handlungsoptionen zu wählen."1
Was Frank Marcinkowski hier beschreibt, in seinem Vorwort zur neuen Auflage der PublikationFraming als politischer Prozess,lässt sich nicht nur mikrokosmisch als ein Erklärungsversuch des Verstehens, Denkens und Handelns eines einzelnen Menschen verstehen, sondern auch anwenden auf den Makrokosmos des klassischen Wegs von einem „interpretationsoffenen" Ereignis über seine Berichterstattung im Journalismus und deren Rezeption hin zu einer reaktiven (politischen) Handlung des Rezipienten. Die vom Journalisten „zum Sprechen gebrachten" Ereignisse und Sachverhalte in der Welt werden nicht nur im Denkapparat eines jedes Einzelnen abgegrenzt, interpretiert und verstanden, sondern auf gleiche Weise während der Entstehung der journalistischen Berichterstattung. Jede Information passiert mindestens diese beiden Filter, um Marcinkowskis Argumentation weiterzuführen, bevor eine Handlungsoption gewählt und gehandelt werden kann. Hinzu kommt, dass letzterer Filter (die Berichterstattung) wiederum oft nur auf bereits vorselektierte „zum Sprechen gebrachte" Ereignisse zurückgreifen kann. Es ergibt sich ein Dilemma: Ereignisse müssen zu Sprache werden, um verstanden werden zu können, und um Menschen die Möglichkeit zu geben, mit ihnen umzugehen. Gleichzeitig können sie in ihrer Komplexität aber nie adäquat sprachlich erfasst werden, mehr noch: Sie werden „mit Bedeutung auf[ge]laden", die ihnen von Natur aus nicht eigen ist.
Entscheidend für den „Umgang mit der Welt", schreibt Marcinkowski, und auch für „die Folgen und Formen sozialer Interaktion" ist also die Wahl der spezifischen interpretatorischen Rahmen, in die ein Ereignis gesetzt wird.2 Diese Rahmen oderFramesbestimmen das Denken jedes Einzelnen und folglich die Struktur einer ganzen Gesellschaft und ganzer Staaten - „weil in politischen Debatten nicht Fakten an und für sich entscheidend sind, sondern gedankliche Deutungsrahmen".3 Diese Annahme, dass zur Wahl einer bestimmten Möglichkeit, die Welt zu verstehen, Deutungsrahmen von entscheidender Bedeutung sind, formulierte erstmals Erving Goffman in den 1970er-Jahren.4 Als Soziologe legte er den Schwerpunkt auf die „Bedingungen unmittelbarer Interaktion unter Anwesenden", wie Marcinkowski es zusammenfasst.5 Kommunikations-und Medienwissenschaftler wie beispielsweise Robert Entman, Bertram Scheufele und Jörg Matthes oder Linguisten wie George Lakoff und Elisabeth Wehling legen den Fokus dagegen eher aufFramingals einen Prozessbegriff, mit dem sich die Vorstellung verbindet,
„dass die öffentliche Kommunikation stets solche Interpretationsmuster für soziale Gegebenheiten bereitstellt, die sich mehr oder minder große Teile der Bevölkerung zu eigen machen, und die eben darum in der Lage sind, die ,öffentliche Meinung' zu einem Thema zu lenken."6
Die „öffentliche Meinung" in Form der präsentierten Frames für einen Sachverhalt und den daraus folgenden Interpretationen und Handlungen bildet sich unbemerkt7 - und der Schlüssel ist die Sprache, auf den die Kognitionslinguistin Elisabeth Wehling in ihrem BuchPolitisches Framingden Fokus legt: „Da der alltägliche Sprachgebrauch unser Gehirn ,lehrt', wie es über politische Fakten und Themen zu denken hat, kann langfristig kognitive Pluralität nur über sprachliche Pluralität bestehen."8 Der Journalismus als wörtlicher Überbringer von Nachrichten über Ereignisse schafft die durch Sprachlichkeit bestimmten Frames, in denen über die jeweiligen Ereignisse gedacht wird. Er ist die Schnittstelle zwischen dem Ereignis und demjenigen, der darüber denkt, vor allem auch, wenn das Ereignis - oder eine Handlung - politischer Natur ist. Journalisten selektieren über ihre Themensetzung aber auch über ihre SpracheFramessozusagen vor, und bestimmen so „nicht nur, über welche Objekte wir nachdenken, sondern auch wie wir über sie denken".9
Dieser Spagat zwischen dem soziologischenFraming-Begriff,dem kognitionslinguistischen und dem medienwissenschaftlichen, soll den Untersuchungen dieser Arbeit zugrunde liegen. Sprachlichkeit als einer der Faktoren für Qualität im Journalismus und für expliziten Friedens-Journalismus ist ein Element, um das die Journalistin Nadine Bilke das Friedensjournalismus-Modell von Johan Galtung ergänzt hat.10 Unter dem Themenschwerpunkt „Vermittlung" als eines von vier Qualitätskriterien konfliktsensitiven Journalismus reißt sie die Sprachlichkeit und auch Bildlichkeit in der Berichterstattung kurz an, führt sie aber nicht tiefergehend aus - auch wenn sie laut eigener Ausführung die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen individuellen Voraussetzungen wie beispielsweise Wissen und Werten und den Frames in Medieninhalten für „ein lohnendes Forschungsfeld" hält.11 Journalismus, der zum Frieden in der Welt beitragen soll, muss sich tatsächlich wohl in erster Linie seiner Sprachlichkeit und der Durchschlagskraft seiner Sprache bewusst werden.
Die Ergebnisse der Untersuchung in dieser Arbeit, welche sprachlichen und Medien-Fromes im vergangenen September und im April des Jahres 2016 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Berichterstattung über Geflüchtete dominieren, sollen auf Nadine Bilkes Qualitätskriterien bezüglich der Sprache im Friedensjournalismus angewendet werden. Zunächst soll aber derFroming-Begriffabgegrenzt werden, mit dem im weiteren Verlauf gearbeitet wird.
1.1.Die Theorie des „Bedeutungsrahmens“ und der schwierige BegriffFraming
Grundsätzlich wird der BegriffFramingin drei wissenschaftlichen Forschungsbereichen genutzt und hat in ihnen jeweils eine eigene Historie: die Soziologie, die Psychologie und die Kommunikationswissenschaft.12 Beginnt die Geschichte desFramingsin der Soziologie mitErvingGoffman bereits in den 70er-Jahren, ist die Tradition in der Kommunikationswissenschaft jünger. Der maßgeblich für die kommunikationswissenschaftliche Framing-Forschung prägende AufsatzFraming:toward clarification of a fractured paradigmstammtvon Robert Entmanund erschien im Jahr 1993. Bereits hier kritisiert Entman die „starke Fragmentierung des Framing-Ansatzes", schreibt Matthes, und fordert für alle Bereiche der Kommunikationsforschung ein einheitliches Vokabular.13
Die Definition vonFrame, die Entman liefert, ist eine Definition, die auch in dieser Arbeit verwendet werden soll.
„Toframe is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described."14
Sogehören fürEntman also vier Elemente zu einem Frame: eine Problemdefinition, eine kausale Attribution,eine moralische Bewertung und/oder eine Handlungsanweisung. Jörg Matthes und Matthias Kohring liefern dafür in ihrem AufsatzDie empirische Erfassung von Medien-Framesein Beispiel: Eine mögliche Problemdefinition beim Thema Drogen wäre so beispielsweise die Zunahme von Beschaffungskriminalität,beschuldigtwürde die Drogenpolitik der Bundesregierung, moralisch würde das Ganze negativ bewertet werden, und „Handlungsforderungen richteten sich auf eine schärfere Gesetzgebung".15 Die exemplarisch untersuchten Frame-Elemente gruppieren sich in diesem Beispiel zu einem charakteristischen Muster, das, sollte es in dieser Form auch in anderen Texten auftauchen, bei Matthes und Kohring als Frame bezeichnet wird.16 Da im Rahmen dieser Arbeit nicht genug Raum ist, eine vergleichbar hohe Anzahl an Texten zu untersuchen, wird unter Umständen auch ein einmalig auftauchendes Muster innerhalb eines Textes als Frame bezeichnet - sofern es die oben genannten von Entman formulierten Kriterien erfüllt und damit die für die Bewertung der konfliktsensitiven Qualität ausschlaggebende Funktion eines Frames hat: also bestimmte „aspects of perceived reality" betont, während andere ignoriert werden.17
Gleichzeitig führt Elisabeth Wehling einen anderen, wenn man so will sprachmikroskopischeren, Framing-Begriff ein, der in dieser Arbeit ebenfalls zur Analyse herangezogen werden soll. Ausgehend von kognitionswissenschaftlichen und psychologischen Forschungen basiert ihr Framing-Begriff auf der Annahme, dass bestimmte Wörter und Begriffe nur über die ihnen immanenten Frames verstanden werden können, und also aufgrund gelernter Denkmuster im Rezipienten entsprechende Deutungsrahmen auslösen: Frames, schreibt sie durchaus im Sinne Entmans, „heben bestimmte Fakten und Realitäten hervor und lassen andere unter den Tisch fallen". Doch: „Sind sie erst einmal über Sprache - etwa jener in öffentlichen Debatten - in unseren Köpfe aktiviert, so leiten sie unser Denken und Handeln an."18 Die Grundlage dieser auf den ersten Blick verdrehten Perspektive liegt für Wehling in der Tatsache, dass das menschliche Gehirn, um Worte zu begreifen, „ganze Vorratslager abgespeicherten Wissens" aktiviere - „zum Beispiel Bewegungsabläufe, Gefühle, Gerüche oder visuelle Erinnerungen", und die Dinge gedanklich simuliere, „um linguistischen Konzepten eine Bedeutung zuschreiben zu können"19, der Kernbegriff aus der Kognitionswissenschaft ist Embodied Cognition, also „verkörperlichte Kognition".20 Wenn es also darum geht, eben nicht ein von Natur aus nicht-sprechendes Ereignis, sondern die Worte darüber zu begreifen, „so aktiviert das Gehirn einen Deutungsrahmen, in der kognitiven Wissenschaft Frame genannt."21 Diese Annahmen unterstreicht auch Jörg Matthes in seinen Ausführungen zur Wirkung von Medien-Frames.22
Gleichzeitig führen diese unterschiedlichen Herangehensweisen an die Untersuchung vonFramingzu berechtigter Kritik des Ansatzes. Wie Entman es bereits formulierte, ist der Ansatz fragmentiert, und daher die Rede von einerFraming-Theorieoder einem Framing-Forschungsprogramm umstritten.23 Ein kohärentes Begriffsgebilde gibt es bislang nicht, keine in der Forschungsliteratur vorhandenen prüfbaren Sätze, die Sachverhalte erklären oder Vorhersagen, und generell keine Widerspruchsfreiheit in der Framing-Forschung.24 Gleichzeitig kann die Offenheit des Forschungsgebietes auch als Chance begriffen werden, wie Paul D'Angelo es beschreibt: Das fragmentierte Konzept ermögliche das Einbringen vielfältiger Perspektiven, es gewänne durch die Pluralität der Theorien.25
1.2.Die Rolle des Journalismus:Medien-Framing
Zur Entstehung und Verbreitung von Frames tragen Journalisten mit ihrer Berichterstattung entscheidend bei. DerFraming-Prozessläuft jedoch in mehreren Stufen ab, die Entman, Matthes und Pellicano26 beschreiben: Zunächst versuchen sogenannte Kommunikatoren, also soziale Bewegungen, Parteien, Kirchen und politische Akteure, ihre eigene Sicht auf ein Thema durchzusetzen und benutzen in ihren Pressemitteilungen oder öffentlichen Reden die ihrer Weltsicht entsprechenden Frames.27 Journalisten schließlich greifen die angebotenen Themen auf und entscheiden, ob und wenn ja, wie darüber berichtet wird. Dabei übernehmen sie nicht eins zu eins die Frames der Kommunikatoren, sondern mischen diese mit ihren persönlichen Ansichten (Journalisten-Frames) und Einflüssen und Faktoren wie beispielsweise der Blattlinie, der Orientierung an anderen journalistischen Akteuren oder einfach der Verfügbarkeit der Quellen, die gegebenenfalls einen bestimmten Frame unterstützen.28 Eng mit den Journalisten-Frames verwoben (weil von ihnen erzeugt) sind die Medien-Frames, also die Kontextualisierung eines Themas beziehungsweise einer spezifischen Sichtweise, die in einem Medienbeitrag eingenommen wird.29 Dabei gebe es bevorzugte Frames, die immer wieder genutzt würden, schreibt die Journalistin Nadine Bilke, und die resultierten aus der „dualistische[n] Erzählweise journalistischer Produktionsroutinen" - MedienFrames als Folge journalistischer Routine also.30 So sei das bevorzugteFramingin Kriegen und Krisen in der Berichterstattung beispielsweise „die bösen Täter gegen die unschuldigen Opfer", worauf folgend sich ebenfalls in der Gesellschaft ein bevorzugtesFramingzu einem Thema oder Ereignis durchsetze.31 Sei einmal ein solcher Trend gesetzt, sei es schwer, gar unmöglich, dagegen zu berichten, schreibt Bilke, und sieht die Verantwortung für die Setzung von Medien-Frames in erster Linie bei den Journalisten.32
Ähnlich selektiv wie Journalisten während ihrer Berichterstattung gehen am Ende die Rezipienten eines Medienbeitrages mit den besprochenen Inhalten um, übernehmen teilweise die Sichtweisen aus den Medien, wählen aber ihrerseits wiederum bestimmte Punkte in der Deutung aus und vernachlässigen andere.33 Dabei gibt es zwei Arten von Frames: generische Frames, also solche, die die Struktur beziehungsweise Präsentationsform einer Medienbotschaft in den Vordergrund stellen, und themenspezifische Frames, die die inhaltlichen Aspekte eines einzelnen Themas betrachten,34 die sich wiederum noch einmal in Valenz-Frames (mit einer Pro-vs.-Contra-Wertung) und Frames ohne explizite Bewertung unterteilen lassen.35 Letztere überwiegen in den untersuchten Texten, sowohl als Valenz-Frames als auch ohne explizite Bewertung. Der Umgang mit einzelnen Wörtern und Begriffen auf Grundlage der Ausführungen von Lakoff und Wehling wird aufgrund des an dieser Stelle sehr ergiebigen kognitionswissenschaftlichen Ansatzes in dieser Arbeit zusätzlich zur Analyse von Medien-Frames hinzugezogen.
In seinen Ausführungen zu den Befunden zur Wirkung von Medien-Frames führt Matthes drei Schritte aus, auf denen ein solcher Medien-From/ng-Effekt basiert. Erstens die kognitive Verfügbarkeit eines Gedächtnisinhaltes beim Rezipienten, dass dieser überhaupt aktiviert werden kann, zweitens seine Zugänglichkeit, also seine automatische Aktivierung, und drittens seine Anwendbarkeit auf das „Einstellungsobjekt".36 Wichtig ist hierbei, dass Inhalte laut Matthes' Ausführung stärker und dauerhafter verfügbar und also als Gedächtnisinhalt abrufbar sind, je häufiger sie aktiviert werden. So spielen diese „chronisch verfügbaren Gedächtnisinhalte" eine übergeordnete Rolle bei der Urteils- und Einstellungsbildung beim Rezipienten - und auch bei der erfolgreichen Wirkung von verwendeten Medien-Frames.37 Insgesamt gelte „es als recht gut gesichert", dass Medien-Frames auf die Einstellungen ihrer Rezipienten einen Einfluss ausüben können, dennoch haben auf persönliche Einstellungen und Urteile von Menschen wesentlich mehr Faktoren Einfluss als nur die konsumierte Medienberichterstattung.38 Die Einflüsse von MedienFrames sind zwar, so kann man annehmen, geringer als sie bei Experimenten unter Labor- Bedingungen nachgewiesen wurden, dennoch existiert der Einfluss von Medien-Frames auf die Einstellungen der Rezipienten.39
Vor allem hängenFraming-Effekteaber von zentralen Medienmerkmalen wie der FrameWiederholung, der Frame-Stärke und der Frame-Glaubwürdigkeit ab. Bei letzteren macht die Glaubwürdigkeit desKommunikatorsgleichzeitig die GlaubwürdigkeitdesFrames aus. Die Stärke einesFrames istbeeinflusst durch die Stärke dermitihm transportierten Argumente und des Grades, in dem Emotionen angesprochen werden. Besonders Emotionen wie Ärger oder Angst erhöhen laut einer Studie vonLene Aarøe40 die Stärke eines Frames: Knapp über 600 Studenten beantworteten in dieser Studie die Frage nach der Stärke eines Pro- oder Contra-Arguments zum Erhalt des dänischen „24-Jahre"-Gesetzes eher positiv, wenn der zur Begründung verwendete Frame bei ihnen die Emotionen Ärger oder Angst ansprach.41 Ebenso ist der Einfluss von Medienframes höher, wenn sie sehr oft wiederholt werden, schreibt Matthes: „Nur wenn die Rezipienten über einen längeren Zeitraum mit den gleichen Frames konfrontiert werden, lassen sich Wirkungen nachweisen."42 Geringer ist ein Frame-Effekt hingegen, je mehr gegensätzliche Frames in einemFrame-Wettstreitdie Rezipienten erreichen.43 Wie stark die in dieser Arbeit analysierten Frames in ihrer Wirkung auf die Gesellschaft (gewesen) sind, müsste an anderer Stelle untersucht werden. Hier geht es lediglich darum, sich der potenziellen Wirksamkeit von Medien-Frames bewusst zu werden, und die Qualität der Frames, die eine bedeutende Wirkung auf so etwas wie eine ,allgemeine Meinung' haben können, zu untersuchen.
1.3.Wir denken, wie wir sprechen? - Rezipienten-Frames
„Nein, die stärkste Wirkung wurde nicht durch Einzelreden ausgeübt, auch nicht durch Artikel und Flugblätter, durch Plakate oder Fahnen, sie wurde durch nichts erzielt, was man mit bewußtem Denken oder bewußtem Fühlen in sich aufnehmen mußte. Sondern der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewußt übernommen wurden."44
Was Victor Klemperer in seinem ersten Kapitel des BuchesLTI - Lingua TertiiImperii- Notizbuch eines Philologen„Einzelworte", „Redewendungen" und „Satzformen" nennt, und was seinen Beobachtungen und Mitschriften zufolge „das stärkste Propagandamittel der Hitlerei"45 gewesen ist, umfasst genau die Elemente, derer sich über 70 Jahre später Wehling und Lakoff in ihrer Erforschung der Rezpienten-Frames unter kognitionspsychologischen und -linguistischen Gesichtspunkten nähern. „Gut 80 Prozent unseres Denkens sind uns nicht bewusst", heißt es in ihrer PublikationAuf leisen Sohle ins Gehirn,46 und sei wesentlich beeinflusst durch den öffentlichen Sprachgebrauch: „Wird also in der politischen Debatte eine Metapher über lange Zeit hinweg ständig benutzt und durch die Medien verbreitet, so wird das, was eigentlich eine Metapherist,in unseren Köpfen zum Common Sense, also zum allgemeinen Verständnis der Situation."47 Was an dieser Stelle als Metaphern das Zentrum ihrer Argumentation bildet, fasst Wehling sieben Jahre später unter dem BegriffMetaphorische FramesoderKonzeptuelle Metaphernzusammen.48 In ihren Ausführungen sind sich Klemperer und Wehling/Lakoff einig: Einzelne Begriffe und Worte können, „verschluckt" wie „winzige Arsendosen"49, das Denken eines Menschen beeinflussen oder gar „steuern"50, und funktionieren in dieser Weise unbewusst.51
EmpirischeStudienuntersuchen diese Thesen im Hinblick auf die Übernahme von Medien-Frames durch die Rezipienten, deren Einflüsse auf Urteil, Einstellung und Entscheidung, und ob Medien spezielle Denk-Schemata bei Rezipienten etablieren können.52 Auf diese Weise zeigten beispielsweise unter anderem Nelson et. al., Eunkyung Park und Gerald Kosicki oder Vincent Price und David Tewksbury,53 dass Frames beim Rezipienten beispielsweise zunächst bestimmen, welche Schemata überhaupt anwendbar sind, und durch wiederholte entsprechende Berichterstattung „stabile Aktivationsmuster" aktivieren können, „die bei späteren Urteilen leicht zugänglich sind".54 Sie können also einen Einfluss auf die Urteilsbildung haben. „Kumulatives und konsonantesFraming"soll zudem bisherige Vorstellungen von Rezipienten verändern können, indem diese sich aus ihren persönlichen Denk-Schemata und dem Medien-Frame einen Bezugsrahmen konstruieren, den sie an„Personen,Sachverhalte, Ereignisse usw. anlegen".55 Durchdiezusätzliche Etablierung neuer Vorstellung beim Rezipienten kann entsprechendes Framing eine gesamte Einstellungsveränderung zur Folge haben.56
Menschen denken also so, um die angeführten Ergebnisse zusammenzufassen, wie in ihrem nächsten Umfeld gesprochen und geschrieben wird. Zum nächsten Umfeld und den Einflussfaktoren auf die Frame-Bildung wie persönliche Erfahrungen und Populärwissen57 zählt hier auch das regelmäßig konsumierte Nachrichtenprogramm oder die regelmäßig rezipierte Zeitung. Was sich durch Sprachlichkeit an Deutungsrahmen und Weltsichten etabliert, hat Einfluss auf das Denken jedes Einzelnen - und umgekehrt wieder auf sein Sprechen. Jemand, der sich also, wie Klemperer es formuliert, unbewusst der Sprache überlässt, wird, je mehr er das tut, von ihr in seinem Denken gesteuert.58
Elisabeth Wehling leitet daraus ab, dass „weil wir über abstrakte politische Themen nichtohneMetaphern denken können, [...] die Frage, welcher Metaphern wir uns bedienen, von höchster Bedeutung" sei.59 Im Folgenden werden einige der für diese Arbeit zentralen verhängnisvollen Begriffe vorgestellt, die Wehling exemplarisch kognitionslinguistisch untersucht.
1.4.Exkurs PolitischesFraming:Verhängnisvolle Begriffe nach Elisabeth Wehling
Das Besondere und in Bezug auf die Framing-Forschung Neue an Elisabeth Wehlings Publikation zum ThemaPolitisches Framingist wohl ihre detaillierte sprachwissenschaftliche und kognitionswissenschaftliche Untersuchung von bewusst ausgewählten Kernbegriffen, die die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren geprägt haben. Einige, schreibt Wehling, habe sie ausgewählt, „weil sie über das gesamte politische Spektrum hinweg unreflektiert benutzte Kernbegriffe sind", andere weil sie in ihrer Auffassung und ihren Analyseergebnissen folgend im Gegensatz zur aktuellen Gesetzes- und Rechtslage „und damit unserem demokratischen Common Sense" stehen oder davon abweichen.60 Mit ihrer Auswahl bildet sie jeweils einen Teil der Sprachbilder der jeweiligen Debatten ab, solche, die im alltäglichen Sprachgebrauch häufig genutzt werden und auch in der aktuellen Berichterstattung häufig vorkommen. Beispiele für einige Begriffe sind „Steuerzahler", „Umverteilung", „soziales Netz", „Islamophobie" oder „Flüchtlingsstrom",61 die jeweils Bilder und Zusammenhänge in den Köpfen der Rezipienten aktivierten, die das Gemeinte in einem bestimmten Interpretationsrahmen abbilden.
So charakterisiert sich der Interpretationsrahmen des Wortes „Steuerzahler" nach Wehling durch den Frame „Steuern als Last" und „Steuern als Bestrafung", der „die Einbindung des Bürgers in die Gemeinschaft und der kollektive Handlungszweck, nämlich das gemeinsame Schaffen staatlicher Strukturen" ausblende.62 Ähnlich irreführend sieht Wehling den Begriff der „Umverteilung", der den Frame des „Verteilens" und nicht den des „Teilens" aktiviere, und so - auch über das Affix „-um", das suggeriert, dass die Güter bereits fest verteilt seien - dem Rezipienten bedeutet, „dass denen, die Güter haben, etwas weggenommen werden muss".63 Auf diese hermeneutische und linguistische Weise bespricht Wehling auch Begriffe, die für die Analyse der für diese Arbeit ausgewählten Texte von Bedeutung sind.
1.4.1.„Das Boot ist voll"
Das Konzept, das der Metapher „Das Boot ist voll", die in den Pegida-Protesten Anfang 2015 wieder auflebte,64 entspringt, schreibt Wehling, sei die „Nation als Boot", die auch über Metaphern wie „auf den richtigen Kurs bringen" und der Bezeichnung politischer Führungskräfte als „Steuermänner", die Krisen „umschiffen", bekannt sei. Gleichzeitig müsse aber unterschieden werden zwischen der Metaphorik des Schiffes und derjenigen des Bootes, die „eine gewisse Dramatik" mit sich bringe:„DasBoot ist sehr viel kleiner als ein Schiff, weniger stabil, generell schwächer und gefährdeter, wenn es Wind und Wellen ausgesetzt ist."65 Gleichzeitig assoziiere der Rezipient des Jahres 2015 mit dem Begriff die in den Nachrichten lange präsent gewesenen Bilder von vollen „Flüchtlingsbooten" auf dem Mittelmeer. Die Schlussfolgerung nach Wehling: „Jeder weitere Zuwanderer, jeder weitere Flüchtling bringt also unser Land in Gefahr. Werden es zu viele, geht unsere Nation unter, sie zerbricht, versinkt und wir sind alle verloren."66
1.4.2. „Flüchtlingsstrom ", Flüchtlingswelle", „Flüchtlingsflut", „Flüchtlings- Tsunami"
Bild, Ö24, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Augsburger Allgemeine, Frankfurter Allgemeine - die Zahl derRadiosenderund Medienhäuser, die Schlagzeilen mit diesen Begriffen in der ersten Hälfte des Jahres 2015 produziert haben, ist groß.67 Und nicht nur diese vom Medienmarkt abhängigen Häuser, die ein Interesse an hohen Auflagen, Klicks und Einschaltquoten haben, nutzen diese Begriffe, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, die in dieser Arbeit untersucht werden.68 Die Metapher von Flüchtenden als Wassermasse, als Naturgewalt, führt laut Wehling zu vier zentralen Schlussfolgerungen, die dem Frame immanent sind, und die der Rezipient unbewusst zieht: Flüchtlingen wird die semantische Rolle der Bedrohung zugeschrieben, folglich übernehmen die Bewohner der deutschen Städte die semantische Rolle des Bedrohten. Drittens bewegt sich eine Wassermasse „ohne Sinn und Verstand" und „ohne Ziel und Zweck" und verwüstet - viertens - Landschaften, indem sie sie überschwemmt. Die Folgen sind „große[r] wirtschaftliche^] Schaden und eine traumatisierte Bevölkerung". Der Frame, den der Begriff „Flüchtlingsstrom" aktiviert, bringt laut Wehling dieselben Schlussfolgerungen mit sich, mit dem Unterschied, dass die Katastrophe erst eintritt, wenn der Strom zur „reißenden Flut" wird.69 Neben der sprachlichen Untersuchung der Wassermetaphorik verweist Wehling auch hier auf die im kollektiven Gedächtnis der vergangenen Jahre vorhandenen Bilder von „Wellen", die überwiegend Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen oder Tsunamis waren.70
1.4.3.„Nationale Ressourcen“
Da der Begriff der „Ressource" für das menschliche Gehirn ähnlich abstrakt und also schwer zu denken sei wie beispielsweise das Konzept der „Steuern", schreibt Wehling, werde als zentraler metaphorischer Frame, um die Idee der „Ressource" begreifbarer zu machen, die der „Ressource als physischer Raum" herangezogen. Als Beispiele für deren Verwendung nennt Wehling Debatten, in denen darüber diskutiert werde, „ob Deutschland oder Österreich genug ,Platz' für neu Dazukommende hätte", dass es „im Bildungssystem ,eng' würde und wir mehr ,Raum' schaffen müssen", oder dass das Bildungssystem „ausgebaut" und „erweitert" werden müsse. Im Falle der Zuwanderung funktioniere die Nation innerhalb dieser Metapher als „geschlossenes Gefäß", „Platz" steht also stellvertretend für „Ressourcen":
„Man ist ,in' einem Land geboren und lebt ,in' einem Land. Manche wandern ,ein', manche möchten ,rein', es sind Ausländer'. Es gibt Waren, die sind entweder für das ‚Inland' oder das Ausland' bestimmt, es gibt Reaktionen des ‚In'- und Auslandes' und es gibt ,NachrichtenausDeutschland'."71
Folge man der Logik dieses Frames, sei die Schlussfolgerung, dass die „Ressourcen [...] klar begrenzt", also endlich seien, und dass es keine Ressourcen gebe, „um weitere Menschen aufzunehmen". Schwierig an dieser Metaphernkombination - Ressource als Platz und Nation als Gefäß - sei, dass ausgeblendet werde, dass Ressourcen ausbaufähig sind, und „dass Zugewanderte unsere materiellen und sozialen Infrastrukturen nicht nur - wie im Übrigen alle Bürger - in Anspruch nehmen, sondern auch erheblich zu ihnen beitragen."72
An diesem hier beispielhaft verdeutlichten Ansatz Wehlings, an die Analyse einzelner Wörter und der Frames, die von ihnen aktiviert werden, heranzugehen, soll sich bei der Untersuchung der für diese Arbeit ausgewählten Texte orientiert werden. Herangezogen werden unter anderem die an dieser Stelle bereits analysierten metaphorischen Frames, zudem aber auch andere, die Wehling in ihrer Publikation nicht erfasst hat - vielleicht, weil sie nicht häufig genug genutzt wurden und also keine entsprechende Breitenwirkung hatten. Das folgende Kapitel ist ein Versuch, die an die später stattfindende sprachliche und Medien-Frame-Analyse angelegten friedensjournalistischen Maßstäbe zu erläutern.
2.Friedensjournalismus nach Johan Galtung und Nadine Bilke
Die gewohnheitsmäßig dualistische Berichterstattung, besonders wenn es um Kriege und Konflikte geht, und von der Nadine Bilke unter anderem im Hinblick auf das sprachliche Handeln in der Berichterstattung spricht, ist für Johan Galtung das Hauptproblem, mit dem Qualitätsjournalismus umgehen muss.73 Konflikte würden „als Gladiatorenkampf" angesehen, das Berichterstattungsmodell folge den Mustern militärischer Kommandos: „Es meldet, wer vorrückt, wer kurz vorm Ziel kapituliert und beziffert die Verluste nach der Anzahl der Toten und Verwundeten sowie der materiellen Verluste."74 Auch Verhandlungen würden als „verbale Schlachten" dargestellt, in denen eine Partei die andere zum Nachgeben zwinge und dazu, von ihrer Ausgangsposition abzuweichen.75 Auf diese Argumentation aufbauend folgt der gängige - zumindest zu Galtungs Zeit, aber auch durch Bilkes spätere Untersuchungen offenbar auch noch aktuelle - Kriegs- und Krisenberichterstattungsstil nicht nur beispielsweise militärischen Mustern, sondernüberträgtdie Krise und den Konflikt auf die sprachliche Ebene und verstärkt ihn somit: Der Konflikt findet nicht nur in der Welt statt, sondern gleichermaßen in dem darüber berichtenden Artikel und der für diesen Bericht gewählten Sprache und Semantik. Zugespitztistdie Sprache in der Berichterstattung über Gewalt nicht nur gewaltvolle Sprache, sondern in ihrem Sprechhandeln, durch das die kriegerische Situation auf die Lese-Situation übertragen wird, „der eigentliche Ort der Gewalt"76, in ihrer Verwendung bewusst wertender Begriffe eine „Waffe".77 Sie trägt zur Eskalation und nicht zur Deeskalation bei. Medien wie das Internet werden selbst zu „Waffen",78 werden „selbst zum Kriegsschauplatz".79
Friedensjournalismus, schreibt Galtung, müsse demnach mehr leisten als nur den Argumenten der beiden Hauptakteure eines Konflikts zu folgen, sich eine der beiden Positionen zu eigen zu machen und somit den Konflikt in die Berichterstattung zu übertragen. Es müssten weitere „wesentliche Punkte" recherchiert werden, um eine ausgewogene und qualitative Berichterstattung zu ermöglichen: den Gegenstand des Konflikts und alle involvierten Konfliktparteien inklusive ihrer jeweiligen Ziele, die eigentlichen strukturellen und historischen Wurzeln des Konflikts, unterschiedliche Lösungsideen und Folgen von potenzieller Gewaltanwendung. Gleichzeitig gehöre auch dazu zu untersuchen, wer sich bemühe, Gewalt zu verhindern, und wer anschließend den Wiederaufbau, Versöhnung und Konfliktlösung initiiere und wer wiederum „lediglich Nutznießer der Aktivitäten anderer" sei.80 Galtung plädiert für eine, wie Bilke es später formuliert, „pluralistische, menschenrechtsgeleitete Perspektive" auf den thematisierten Konflikt.81 Dabei wurzelt sein Modell sowohl in seiner oben beschriebenen Konflikttheorie als auch in seinen Überlegungen zur Nachrichtenauswahl.82 So fehle es im Journalismus an der Berichterstattung beispielsweise über Friedensinitiativen aller möglichen Akteure, also an Berichterstattung über Menschen, „die etwas Positives Leisten", und gleichzeitig an Berichterstattung über Kriegsinitiativen wie beispielsweise Waffenlieferungen,83 die jedoch zu „gewöhnlich" und nicht negativ genug seien und als „langweilig, trivial, nicht berichtenswert" angesehen würden. Seine wichtigsten Punkte bezüglich der Nachrichtenauswahl: „Personen vor Strukturen, negative vor positiven Nachrichten und Elite vor Nicht-Elite."84 Diese „low road", wie Galtung es formuliert, die sich in der Berichterstattung an Negativität orientiere und sich in ihrer Semantik an der Sportberichterstattung und den Mustern militärischer Kommandos orientiert, würde seinem Ideal der „high road" vorgezogen: Friedens- bzw. Konfliktorientiert, wahrheitsorientiert, menschenorientiert und lösungsorientiert.85
2.1.„Qualitätsjournalismus“
„Die Debatte um Qualität boomt in der Journalistik und im Journalismus. Es gibt Tagungen, Qualitätsinitiativen und - vereine, Beiträge auf Medienseiten, Forschungsprojekte, wissenschaftliche Publikationen - und jede Menge Wettbewerbe und Preise für herausragenden Journalismus.86
Vor einem Jahr, im September 2015, haben 26 Stiftungen und Vereine des Bundesverbands Deutscher Stiftungen einen Aufruf zur Förderung von „Qualitätsjournalismus" gestartet.87 Den Grund für diesen Aufruf formulierte Michael Göring, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes, so:
„Die fundamentalen Umbrüche der Medienlandschaft und die verschlechterten Arbeitsbedingungen vieler Journalistinnen und Journalisten haben uns aufgerüttelt. Wir wollen dazu beitragen, Meinungsvielfalt zu erhalten."88
Mit „fundamentalen Umbrüchen" meint Göring die Etablierung des Internets als journalistisches Medium und als ein Medium, in dem jeder Einzelne potenziell (para-)journalistisch tätig werden und seine Texte kostenlos anbieten kann - eine Entwicklung, die die Frage nach der Existenzberechtigung des Journalismus als kultureller Institution, eines „Qualitätsjournalismus", aufwirft.89 Als Gegenbegriff zu „Qualitätsjournalismus" etablierte sich das Wort „Bürgerjournalismus",90 ein Begriff, der die dahinter stehende Vorstellung von „Qualität" deutlich macht: professionell, redaktionell organisiert,91 Texten zugrunde liegende fundamentale Recherche, sichere Fakten und richtige Formulierungen, keine Klischees, Entwicklung neuer Ideen,92 kein einfaches Übernehmen von Pressemitteilungen.93 Mit diesen Begriffen definieren die Autoren des SammelbandsJournalismus in der digitalen Moderne 94 in den Nebensätzen ihrer jeweiligen Ausführungen das, was sie offenbar als selbstverständlich für guten Journalismus voraussetzen, und was im „Bürgerjournalismus" und auch dem professionellen Journalismus der „digitalen Moderne" untergehe, Stichwort: „Qualitätsverfall".95 Es scheinen jedoch zwei unterschiedliche Ebenen zu sein, unterschiedlich ausdifferenzierte Begriffe von „Qualität", auf denen sich Michael Göring und Kramp et. al. gegenüber Johan Galtung und Nadine Bilke in ihrer Journalismuskritik und der Formulierung ihres Ideals von Journalismus bewegen.
Im Jahr 2002 beschloss der Deutsche Journalistenverband (DJV) eine Charta, in der die Teilnehmer des entsprechenden Verbandstages neun Qualitätsdimensionen des Journalismus formulierten.96 Auf den ersten Blick scheinen diese Dimensionen den Vorstellungen sowohl Kramps et. al. als auch Johan Galtungs zu entsprechen, doch sie liefern allenfalls einen Grundstock für die tägliche Berichterstattung, ohne jedoch auf die länder- und zeitübergreifende Verantwortlichkeit von Journalismus hinzuweisen. Zunächst seien an dieser Stelle die wichtigsten Punkte der neun Qualitätsdimensionen einmal aufgeführt:
„Qualität im Journalismus" - so beginnt jeder der neun ausformulierten Punkte - beinhaltet für die Verfasser der Charta die im Pressekodex bereits formulierten Grundsätze und die Achtung der Menschenwürde in jeder Berichterstattung. Weitere Punkte sind: Unabhängigkeit, Selbstkontrolle und kritische Selbstreflexion, individuelle Fähigkeiten, die durch ständige Aus- und Weiterbildung der einzelnen Journalisten gesichert werden soll, Faktentreue, fundierte Recherche, interne und externe Medienkritik, „Präzision in Wahrnehmung und Wiedergabe" und damit einhergehend ein „verständlicher Sprachstil". Journalisten sollten zwischen Journalismus und Public Relations unterscheiden und „Auflagen- und Quotendenken dem öffentlichen Auftrag" unterordnen. Voraussetzung dafür seien unter anderem „professionelle Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheiten" sowohl für festangestellte als auch für freie Journalisten.97 Diese Qualitätsdimensionen bilden zwar ein Fundament, auf dem Friedensjournalismus funktionieren kann, jedoch sind wesentliche von Galtung genannte Punkte nicht explizit ausformuliert, was in der detaillierteren Ausführung des in dieser Charta letzten Punktes bestehen könnte:
„Qualität im Journalismus bedingt Unabhängigkeit von sachfremden Interessen. Journalistinnen und Journalisten sind vorrangig der Öffentlichkeit verpflichtet. Sie [...] unterscheiden Journalismus von Public Relations und ordnen in der Informationsvermittlung Auflagen- und Quotendenken dem öffentlichen Auftrag unter."98
So wäre in Galtungs Sinn eine Erweiterung nötig, die betont, dass Journalisten nicht nur der Öffentlichkeit vorrangig verpflichtet sind, sondern genauso dem Frieden in der Welt. Außerdem bestünde der „öffentliche Auftrag" nicht nur in der reaktiven Berichterstattung und damit der Information der Öffentlichkeit über bereits geschehene oder gerade geschehende Krisen und Kriege, sondern in der Aufklärung über strukturelle Probleme, die Krisen und Kriege auslösen können. Qualität im Journalismus bedingt demnach nicht nur die Unabhängigkeit von „sachfremden", sondern vonallen(einer Konfliktpartei zugehörigen) Interessen. Und: „Friedensjournalismus braucht eine Journalismus-Definition, die individuelle Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten nicht ausklammert".99
Die DJV-Charta beschreibt ein Ideal. In seinem AufsatzQualität im Journalismus am Beispiel der Kriegsberichterstattung 100 zeigt Uli Gleich, dass es im Journalismus der „Realität" vor allem an den im neunten Punkt der Charta formulierten Dimension, fehlt. So sei der Krieg ein wichtiger Faktor, der „die Entstehung und Verbreitung von Massenmedien beförderte", und somit gleichzeitig ein Gegenstand, der in der Berichterstattung „immer hohe Priorität" habe:101 „Plight and Might', Zwist und Macht, haben Vorzug bei den Medien".102 Die Interessen sind an dieser Stelle folgerichtig keine aufklärerischen oder idealistischen, sondern marktbezogene: Als berichtenswert angesehen würden so beispielsweise Geschehnisse, durch die das eigene Land im hohen Grad betroffen sei, an denen Elitenationen beteiligt seien, und die eine „geringe kulturelle, politische und ökonomische Distanz" zum „eigenen" Land aufwiesen. Personalisierter und visualisierter Krieg interessiere und bringe Leser und Einschaltquoten.103 Ein Krieg, über den unter diesen Gesichtspunkten berichtet wird, werde verzerrt dargestellt, und die entsprechende Berichterstattung sei geprägt durch „festgefügte Stereotype".104 Vor diesem Hintergrund ist die Aussage zulässig, dass der Nachrichtenwert in den für diese Studie untersuchten Texten nicht im Hinblick auf die Auswirkungen eines Ereignisses auf den Frieden in der Welt bestimmt wurde, sondern offenbar vor dem Hintergrund des generierten Interesses einer Leserschaft für das Thema. Der Standpunkt wäre demzufolge kein friedens- oder qualitätsjournalistischer, sondern ein (zugespitzt formuliert) boulevardesker, einer, der vom Interesse der Leser ausgeht und nicht von der friedensjournalistischen Relevanz eines Themas, einer, der unterhält, um sich selbst zu erhalten. Die Frage, ob voyeuristisches Interesse an negativen Nachrichten jedem Leser angeboren ist oder durch das entsprechende, voreilig gedachte Handeln der Journalisten und Medienhäuser begünstigt, verstärkt oder gar ausgelöst wird und wurde, beantworten Soziologen und Journalismusforscher unterschiedlich.105
Was jedoch als Erkenntnis bleibt, ist, dass Medienhäuser auch unterschiedlicher journalistischer und politischer Linien entsprechend berichten,106 und das wirft die Frage nach den anderen Qualitätskriterien auf: Wie wird über einen als berichtenswert erachteten Konflikt geschrieben und gesprochen? Welche Akteure haben Einfluss auf die Berichterstattung, und wie groß ist der Einfluss des Journalismus in Krisenzeiten? In einer Studie zur Berichterstattung im Kosovokrieg zeigten Christine Eilders und Albrecht Lüter,107 dass Medien einerseits bezüglich der Legitimation eines Krieges eine wichtige Rolle spielen, und andererseits dabei beeinflusst sind von den politischen Optionen, die den parlamentarischen Diskurs dominieren.108 Unterschiede zwischen den in der Studie untersuchten Blättern FAZ, Welt, Süddeutsche Zeitung, taz und Frankfurter Rundschau waren diesbezüglich gering: Meinungen, die in der Politik nicht genannt oder diskutiert wurden, tauchten nicht auf.109 Alle untersuchten Medien thematisierten überwiegend die „pragmatische Problemlösung", dagegen aber seltener die Ursachen des Konflikts.110
Was eine Studie im Rahmen des „Journalism in the New World Order"-Projekts111 zur der Berichterstattung über den Kosovo- beziehungsweise Bosnienkonflikt zeigte, war, dass „die Mehrzahl der Artikel [...] auf westlichen Agenturmeldungen oder eigenen Korrespondentenberichten" basierte,112 und dass Berichte von serbischen, bosnischen oder kroatischen Nachrichtenagenturen und Pressesprechern kaum eine Rolle spielten - was aber auch an der pragmatischen Erreichbarkeit der Quellen hätte liegen können. Die Berichterstattung folgte somit in Bezug auf die gegebenen Interpretationsrahmen dieser „westliche[n] Sichtweise", was auch zur Folge hatte, dass fast gar nicht über interne Oppositionsbewegungen oder über Bemühungen internationaler NGOs berichtet wurde - und der Öffentlichkeit somit keine Alternativen zum militärischen Eingriff aufgezeigt wurden.113 Die Folge: eine „den Krieg grundsätzlich befürwortende Berichterstattung",114 und das zu einer Zeit, in der eben aufgrund der Krise Medien verstärkt genutzt werden,115 und so vermutlich einen stärkeren Einfluss auf die öffentliche Meinung haben.116 Friedensjournalismus impliziert im Gegensatz zum von DJV formulierten Qualitätsjournalismus also auch eine Fokussierung auf die gesellschaftliche Wirkung, die seine Berichterstattung hat, im Hinblick auf die Förderung und Erhaltung von Frieden.
„Qualitätsjournalismus" im Sinne der vom DJV formulierten Dimensionen ist also nicht mit „Friedensjournalismus" gleichzusetzen. Letzterer kann jedoch als auf den „Qualitätsjournalismus" aufbauende Form von Journalismus betrachtet werden.
2.2.Zum „Friedensjournalismus“ und seiner Praxis
Für einen Journalismus mit friedfertiger und menschenrechtsorientierter Ausrichtung gibt es bereits Richtlinien wie die UNESCO-Mediendeklaration, Rundfunkstaatsverträge, Programmgrundsätze und Grundsätze, die sich Journalisten selber geben, wie beispielsweise den Pressekodex, den der Deutsche Presserat 1994 veröffentlicht hat.117 Dennoch sieht es im journalistischen Alltag anders aus, und die Frage nach den genauen Gründen kann nur vage beantwortet werden - ein Grund ist sicherlich die aktualitäts- und zeitgebundene Branche,118 kombiniert mit der Notwendigkeit, zumindest für privatwirtschaftliche Medienorganisationen, sich auf dem Markt behaupten und Gewinne erwirtschaften zu müssen.119 Gleichzeitig hat sich aber auch im Laufe der Jahre einiges an der Arbeitsroutine von angestellten Journalisten geändert, wie eine Untersuchung von Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl120 zeigt: So verwendeten Journalisten im Jahr 1993 noch durchschnittlich 140 Stunden ihrer Arbeitswoche für Recherche und 49 Stunden für die Auswahl von Texten. Im Jahr 2005 recherchierten Journalisten nur noch durchschnittlich 117 Stunden und verbrachten 16 Stunden weniger Zeit mit der Auswahl von Texten - stattdessen kamen „Internettätigkeiten" dazu, wie E-Mails und Kommunikation mit dem Publikum.121 Wie aussagekräftig diese Zahlen bezüglich der Angabe der Recherchezeit etc. wirklich sind, ist fraglich, nicht zu leugnen ist aber der gemessene Faktor „Internettätigkeiten", der einen Großteil der redaktionellen Arbeitszeit einnimmt,122 und der „auf Kosten der Zeit für klassische Recherche, Textauswahl und Moderation in Hörfunk und Fernsehen" geht123 - und im Jahr 2016 vermutlich deutlich mehr als noch im Jahr 2005.
Gleichzeitig sei die Situation der Journalisten, die aus Krisengebieten berichten, zu kompliziert für eine friedensjournalistische Berichterstattung, zitiert Nadine Bilke die Autorin Bettina Gaus.124 Viele seien froh, „wenn sie überhaupt ein Stück aus einem Krisengebiet absetzen können."125 Beate Maeder-Metcalf, Leiterin des Büros des OSZE-Medienbeauftragten, vertrat bei einer FES-Konferenz das unterstützende Argument, Korrespondenten in Krisengebieten hätten genug mit dem Kampf um Pressefreiheit „zu tun", und „ethische Standards müssten [...] außen vor bleiben."126 Dabei sind genau diese ethischen Standards der Ausgangspunkt friedensjournalistischer Berichterstattung:
„[Journalistenmüssen] begreifen lernen, dass sie in ihrer Berichterstattung immer auch ihre eigenen Werte und Normen einfließen lassen. Journalisten sind Teil des Kommunikationsprozesses, manchmal sind sie die einzigen Kommunikationskanäle zwischen verfeindeten Parteien. Indem wir uns zu Fürsprechern der universellen Menschenrechte machen, können wir dabei helfen vorurteilsfreie Informationen zu verbreiten."127
Was also bedeutet das für einen Friedensjournalismus in der Praxis? Die „eigenen Werte und Normen" eines Journalisten sind Teil der Grundeinstellung, die zu hinterfragen für friedensjournalistisches Berichterstatten laut Bilke Voraussetzung sind.128 Es sei weniger die zusätzliche Arbeitsbelastung, die Gaus und Maeder-Metcalf ansprechen,mitder Friedensjournalismus zu tun habe, sondern in erster Linie das Hinterfragen der eigenen Position hinsichtlich folgender Punkte:
-Wem bin ichmitmeiner Arbeit verpflichtet?
-Welche Werte transportiere ich?
-Wie stelle ich Gewalt dar?129
Dass es mit einer veränderten Einstellung der Journalisten jedoch „nicht getan" ist, wurde im vorherigen Kapitel verdeutlicht: Ein großes Problem liegt im Mediensystem an sich, in dem „mit journalistischer Qualität [keine] Quote zu machen" ist, zumindest auf den ersten Blick.130 Als Beispiel dafür, dass an dieser Stelle jedoch keine Sackgasse erreicht sei, führt Nadine Bilke unter anderem die Arbeit der Fondation Hirondelle an,131 die unabhängige Berichterstattung aus „Konflikt-,PostKonflikt-und Krisengebieten" fördert und selbst durchführt - und mit dieser friedensjournalistischen Ausrichtung nach eigener Aussage ein breites Publikum erreicht.132 Trotz Sisyphos-Vergleich133 - im System gibt es Freiräume, und die müssen genutzt werden, schreibt Bilke.134 Friedensjournalismus sei eine „zu bewältigende Aufgabe", und so ergänzt BilkeJohanGaltungs in Kapitel 2 dargestellte Systematik eines Friedensjournalismus umkonkrete,praxisorientierte Aufgaben und Strategien:
„Friedfertigkeit führt zu Frieden, Wahrhaftigkeit, begriffen im Sinn der Diskursethik, ermöglicht eine Annäherung an Wahrheit, Empathie stellt Menschen in den Mittelpunkt, Kompromiss- und Gesprächsbereitschaft können zu einer Lösung führen."135
Einige Aufgaben und Strategien, die für die Thematik dieser Arbeit wichtig sind, seien an dieser Stelle zusammengefasst:
Konkreter,gemachterFriedensjournalismus hat Bilkes Ausführungen zufolge die Aufgabe, den Konflikt abzubilden, wozu gehört, Beteiligte, Ziele und Themen darzustellen und nach Ursachen der Gewalt zu suchen. Gewalt - nicht nur direkte, sondern auch strukturelle und kulturelle Gewalt - müsse „als Problem" dargestellt werden, was impliziert, Alternativen zur Gewalt aufzuzeigen und Frieden zu „vermitteln" über das „Erkennen von Gründe[n] für Konflikte zwischen Kulturen" und die Vermittlung der Tatsache: „Zusammenleben ist möglich".136 Alle Parteien sollten „als Menschen" dargestellt und ihnen eine Stimme gegeben werden, Stereotypisierungen und „othering" werden also vermieden - ein Teil des „reflektierte[n]Framing[s]",das Bilke einige Jahre später aufgreifen wird.137 Bilke begreift Menschen „als Friedensträger" und sieht im Friedensjournalismus daher die Aufgabe, empathisch zu berichten: „Sachlichkeit", schreibt sie, „kann unmenschlich sein". Wichtig: Die eigene Arbeit und die Position in Kultur und Mediensystem müssen vom Journalisten reflektiert und hinterfragt, und auch die „eigene Befangenheit" müsse erkannt werden.138
Über diese Aufgaben und Strategien wird friedensjournalistisches Handeln und Berichterstatten konkret vorstellbar und machbar. Eine Prüfung der Krisen- und Kriegsberichterstattung im Hinblick auf ihre Qualität wird möglich unter der Maßgabe der Konfliktsensitivität als „Grundfläche", auf der Friedensjournalismus möglich wird, die Nadine Bilke im Jahr 2008 formuliert.139
2.3.„Konfliktsensitivität“ als zentrale Ergänzung
In ihrem „Modell konfliktsensitiver Qualität" beschreibt Bilke das Zusammenwirken der zentralen journalistischen Qualitätskriterien in einem friedensjournalistischen Kontext. Wahrhaftigkeit, Richtigkeit, Relevanz und Vermittlung, die Bilke aus der Journalismustheorie abgeleitet hat, bilden jedoch nicht allein oder jeweils für sich die Grundlage für friedensjournalistisches Berichterstatten:
„Eine vermeintliche Ausrichtung auf den Frieden kann ohne eine konflikttheoretische Basis und Wahrhaftigkeit/Richtigkeit für strategische Ziele und gewalttätige Mittel instrumentalisiert werden. Auch Hinweise auf die Beachtung bzw. Verletzung von Menschenrechten können - wenn die Debatte auf eine Partei mit ihrer Perspektive verkürzt wird - den Konflikt eskalieren."140
Bilkes zentrale Ergänzung des Friedensjournalismus-Modells von Johan Galtung besteht in der Formulierung der „Basis", auf der Friedensjournalismus steht, der „Konfliktsensitivität":
„Konfliktsensitive Berichterstattung beschränkt sich nicht nur auf das (häufig gewalttätige) Verhalten der Parteien, sondern überwindet die empirisch belegte Ereignisfixierung und forscht nach Kontexten - wie z.B. den dieses Verhalten begründenden Annahmen und dem zugrundeliegenden Widerspruch der Ziele. [...] Sie dienen zur Rechtfertigung und kommen auch in vermeintlichen Friedenszeiten vor141
Was Bilke mit diesen Worten dem nicht-friedensorientierten Journalismus vorwirft, und was in Galtungs Modell noch keine derartige Fokussierung erfährt, ist die Reaktivität der Berichterstattung: Konfliktsensitiver Journalismus „überwindet die empirisch belegte Ereignisfixierung", er soll sich davon lösen und „auch in vermeintlichen Friedenszeiten" sensitiv sein für mögliche schon schwelende Konflikte. Konfliktsensitiver Journalismus muss sich laut Bilke seiner intervenierenden Rolle im Konflikt und seiner Verantwortung in der Wahrnehmungsbildung der Rezipienten bewusst sein und kann „mit Hilfe von Empathie und konflikttheoretischem Wissen" gelingen.142 Er sucht nach gewaltfreien Lösungsmöglichkeiten und entdeckt Wege zur Konfliktbearbeitung.143 Dabei bildet sich die „Pyramide friedensjournalistischer Qualität" auf diesem Grundboden der „Konfliktsensitivität". Die Seitenwände der Pyramide bilden die vier journalistischen Qualitätskriterien, die Bilke vor diesem Hintergrund noch genauer bestimmt.
Wahrhaftigkeit drückt sich aus durch „größtmögliche Transparenz", also dadurch, dass einerseits beispielsweise ein Korrespondent in einem Kriegs- oder Krisengebiet, der in der Beschaffung seiner Informationen stark reglementiert wird, seine Arbeitsumstände thematisiert, dass andererseits aber Journalisten, die von außen über einen Konflikt berichten, ihre „Rolle in einer Krise und einem Krieg kritisch [...] beleuchten" und sich emanzipieren „von der dominanten Konfliktdarstellung der eigenen Regierung".144
Eng damit verbunden ist das Kriterium der Relevanz, das sich nach Bilkes Definition vor allem auf die Selektion von Informationen bezieht, und zwar Selektionen „erster und zweiter Ordnung".145 Über welchen Krieg und welche Krise überhaupt berichtet wird, und wann, sind Selektionen erster Ordnung oder der externen Relevanz. Letztere Frage meint eine mögliche „präventive Krisenberichterstattung" oder auch eine nachbereitende, und nicht klassischerweise zeit-aktuell: Aktualität müsse dafür neu definiert und Relevanz müsse zeitlich ausgedehnt werden, schreibt Bilke.146 Selektionen zweiter Ordnung oder das Kriterium der inneren Relevanz beziehen sich auf die „Auswahl von Aspekten in der Berichterstattung", die die präsentierten Frames beeinflusse:
„Welche Sprecherinnen auftauchen, entscheidet darüber, wessen Deutungsmuster dargestellt werden. Welche Akteure und Quellen überhaupt berücksichtigt werden, prägt das Bild des Konflikts, das in der Berichterstattung entsteht."147
Wesentliches Element an dieser Stelle sei die Empathie mit den Opfern, jedoch sich nicht beschränkend auf die Opferberichterstattung, die „entpolitisierend" wirke,148 sondern stets unter der Devise der Multiperspektivität einerseits und des Präsentierens unterschiedlicher Formen von Lösungen andererseits.149
Die Darstellung unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten ist für Bilke zentraler Aspekt der Richtigkeit von journalistischer Berichterstattung: Grundlage für eine Meinungsbildung und somit einen Beitrag zur Demokratie sein kann nur ein Journalismus, der sich von „Strategien der Propaganda" - Verengung auf eine Lösungsmöglichkeit, Dämonisierung, einseitige Geschichten über Opfer, die Darstellung eigener moralischer Überlegenheit - freimache, ihr sogar dekodierend „eine widerständige Lesart" entgegensetze.150
Unter dem Punkt Vermittlung fasst Bilke Elemente wie sprachlichen Stil, Verständlichkeit, Originalität und die Auswahl von Sprache und Bildern zusammen. All das geht eng zusammen mit den Kriterien der Wahrhaftigkeit und der Richtigkeit, wie sie selbst schreibt,151 und soll im folgenden Kapitel als ein die Qualitätskriterien übergreifendes Element besprochen werden.
2.4.Die Rolle der Sprache im konfliktsensitiven Journalismus
Die von Bilke vor allem unter dem Punkt Vermittlung aber auch in den Erläuterungen zu den anderen Qualitätskriterien beschriebenen sprachlichen Elemente können als eigenes Qualitätskriterium zusammengefasst werden und dafür unterteilt werden in drei Dimensionen journalistischer Sprache, die sich folgendermaßen zergliedern lassen:
1.Argumentation/Struktur
2.Rhetorische Elemente
3.Vokabular
Unter die Argumentation fallen die von Bilke unter dem Punkt Richtigkeit erwähnten Argumentationsmuster, die durch fehlende kritische Reflexion oder als ,objektiv' wahrgenommen von Journalisten aus PR oder anderen Quellen übernommen werden. Dazu gehören „Geschichten über Opfer, Dämonisierung, die eigene moralische Überlegenheit und damit die Legitimation der eigenen Handlungen", typische Deutungsmuster einer kriegsbegründenden Propaganda.152 Unterdiesen Punktfällt auch die Verengung der Konfliktwahrnehmung und der entsprechenden Konzentration in der Argumentation.153
Rhetorische Elemente lassen sich aus einer Argumentation herausfiltern, sozusagen als nächstkleinere Einheiten in der journalistischen Sprache. Hierzu gehört, was Bilke vor allem unter dem Punkt Vermittlung anspricht: die „Porträtierung einer Partei durch Sprache, Freund- und Feinbilder", „Personalisierungen, Verallgemeinerungen", „Gut-Böse-Unterscheidungen".154 Diese Elemente bilden einerseits Teile einer Argumentation und sind andererseits in ihrerStrukturkomplexer als einzelne Vokabeln oder einzelne Begriffe, sie setzen sich teilweise zusammen durch das Vokabular oder anders herum: Das VokabularistBaustein der rhetorischen Elemente. Stilmittel wie Metaphern (die der Leser oder auch Autor teilweise gar nicht als solche wahrnimmt)155, Symbole, Vergleiche, Anaphern, Steigerungen, Alliterationen, Tautologien, Neologismen können den Leser in seiner Wahrnehmung und Meinungsbildung lenken, und einenJournalistenebenfalls derart ,einlullen', dass er die präsentierten Elemente unbewusst übernimmt - er präsentiert beispielsweise „konservative Sprache so, als sei sie wertneutral", „ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein".156
Die dritte Dimension ist die des Vokabulars, bei Bilke unter Vermittlung und angedeutet unter dem Punkt Relevanz zu finden: „negative[...]Attrïbute[...]"157 fallen unter diese Kategorie, aber auch Euphemismen und Fachausdrücke, „deren Übernahme Deutungsmuster transportiert",158 oder in Bezug auf „Großbegriffe" wie Terrorismus oder Frieden „komplette Weltbilder".159 Spricht Bilke davon, dass die Auswahl der zu Wort kommenden Sprecherinnen darüber entscheidet, „wessen Deutungsmuster dargestellt werden",160 gehört dazu auch (natürlich neben der jeweiligen Argumentation und den rhetorischen Elementen) die Wortwahl und das Vokabular der Sprecherin. Vokabular meint an dieserStelledie Kumulation der Einzelwörter, die eine gewisse Sicht oder ein gewisses Weltbild transportieren. So kann die Zusammenstellung eines Vokabulars einen Sachverhalt in einen bestimmten Frame stellen, wie es auch einzelne (vomVokabularunter Umständen getrennte) Wörter tun können,161 die an dieser Stelle zu einem Unterpunkt der Dimension Vokabular gezählt werden.
Gleiches Bewusstsein wie bei der Wahl der Sprache brauche es bei der Wahl der Bilder162 - die für die folgenden Analysen in dieser Arbeit jedoch eine Nebenrolle spielen werden. Das Projekt „Peace Counts" hat speziell für die Fotografie ebenfalls Anhaltspunkte für konfliktsensitive Qualität vorgeschlagen, die Bilke zitiert. Die vier Kriterien sind dort: der nahe Blick, der Authentizität ermöglicht, der analytische Blick, der die Rahmenbedingungen vor Ort zeigt, der lange Blick, der nicht nur den Augenblick fokussiert, sondern Menschen begleitet, und der fürsorgliche Blick, der Friedensprozesse begleitet.163
Genau wie Sprache können Bilder auch Frames bedingen oder die in einer Berichterstattung verwendete Sprache in ihremFramingoder auch in ihrer größtmöglichen Neutralität unterstützen. Das Zusammenwirken von Bildern und Sprache in den zu untersuchenden Fernsehnachrichten, deren Moderation und Beiträgen, ist ein wichtiger Punkt, der hier aber nur am Rand, sozusagen in besonders deutlichen und exemplarischen Fällen, angeschaut wird. Der Fokus der Analyse liegt auf der transkribierten Sprache und den von Bilke formulierten und an dieser Stelle strukturierten Dimensionen journalistischer Sprache. So kann die von Journalisten verwendete Sprache genauso auf ihre Konfliktsensitivität hin überprüft werden wie der Aufbau eines Beitrages, der Inhalt einer Berichterstattung oder die Platzierung eines Themas. Sprachgebrauch als Teilelement eines konfliktsensitiven Journalismus kann konfliktsensitiv sein, indem er sich an den von Bilke formulierten Kriterien orientiert. Die Kriterien der Wahrhaftigkeit, Richtigkeit und Relevanz können auf inhaltlicher aber auch auf sprachlicher Ebene stattfinden, durch die Wahl der richtigen Begriffe, durch ein der multiperspektivischen Argumentation folgendes möglichst wertneutrales Vokabular, durch die bewusste Verwendung von Metaphern, durch die Offenlegung der verschiedenen begrifflichen Möglichkeiten, eventuell durch Elemente wie Glossare und in den Text eingebundene Definitionen. Wichtigster Bestandteil einer konfliktsensitiven Sprache ist jedoch das Bewusstsein über ihre das Denken lenken könnende Kraft und ihr manipulatives Potenzial.
3.Ausschnitte aus der journalistischen „Wirklichkeit“
Inwiefern bezüglich einer - zumindest öffentlich als solche betitelte - sehr aktuellen und sich in der Eskalation befindenden „Krise" in „vermeintlichen Friedenszeiten" in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland friedensjournalistisch gehandelt wird, wird in Ausschnitte aus der journalistischen „Wirklichkeit" Untersuchung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens diesem Kapitel genauer untersucht. Der Fokus wird dabei gelegt auf sprachlichesFraming.Gemessen werden sollen die Ergebnisse der möglichst neutralen Untersuchung an dem Modell für friedensjournalistische Qualität nach Nadine Bilke, und anschließend in einem Lösungsvorschlag reflektiert werden.
3.1. Untersuchung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
Es sollen Produkte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens untersucht werden, sowohl in den Abendnachrichten als auch online, ausgehend von der These, dass diese gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten allein aus markttheoretischer Sicht das Potenzial für qualitative und auch friedensjournalistische Berichterstattung mitbringen. Viele der Qualitätsjournalismus voraussetzenden Punkte, die der DJV in seiner Agenda formuliert, sind in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegeben, im Gegensatz zu beispielsweise Medienhäusern, die auf dem freien Markt agieren und sich ihre Klick- und Auflagenzahlen unter anderem durch ihre Linie in der Berichterstattung und Sparmaßnahmen erarbeiten müssen. Die „professionellen Arbeitsbedingungen und sozialen Sicherheiten"164 für festangestellte als auch für freie Journalisten sind in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegeben, es muss nicht um Einschaltquoten gebangt werden - denn die Finanzierung ist seit dem Niedersachsen-Urteil von 1986 weitestgehend gesichert.165 Die Erfüllung des „öffentlichen Auftrags" ist vertraglich festgelegt, er beinhaltet die Verpflichtung, der
„Gesamtheit der Bevölkerung Programme anzubieten, die umfassend und in voller Breite informieren, und im Rahmen des Programmangebots Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herzustellen".166
Gleichzeitig verfügt die ARD mit 45 Fernseh- und 60 Radiokorrespondenten und das ZDF mit 19 Auslandskorrespondenten über ein verhältnismäßig breites Netzwerk in „allen Regionen der Welt", wie die ARD schreibt,167 und entsprechende Kontakte - das Hinzuziehen möglichst vieler Quellen und multiperspektivischer Berichterstattung ist daher angestellten Journalisten gut möglich.
Das Fernsehen als weltweites Massenmedium, als „das Leitmedium per se",168 erreicht viele Rezipienten. Seine Verantwortlichkeit ist deshalb groß und das Bewusstsein für qualitative Berichterstattung sollte bei den jeweiligen Journalisten besonders gegeben sein.
3.2. Vorgehensweise: Qualitative Frame-Analyse orientiert an Reese und Buckalew unter Heranziehen kognitionslinguistischer Analyseelemente
Unter dem TitelThe militarism of local television: The routine framing of the Persian Gulf War 169 veröffentlichten der Journalismusprofessor Stephen D. Reese und der Journalist Bob Buckalew im Jahr 1995 eine Studie zumFramingim US-amerikanischen Fernsehen, das in den Jahren 1990 bis 1991, so die Forscher, durch die konsequente Verwendung bestimmter Frames eine „Illusion des Triumphes" zeichnete und diese durch ihren großen medialen Einfluss bei seinen Rezipienten durchsetzte.170 Reese und Buckalew untersuchten in ihrer Studie alle Berichte zum Zweiten Golfkrieg, die vom 2. August 1990 bis zum Ende des Krieges am 28. Februar 1991 auf KVUE-TV, einem in Austin in Texas ansässigen Fernsehsender, ausgestrahlt wurden.171 Dabei filterten die Autoren drei zentrale Frames heraus, die sie in ihrer Studie näher beschreiben. Der erste beschriebene Frame ist der „Conflict Frame", der die Konfliktelemente „mit den dramatischsten verfügbaren Videos" unterstreicht und so „geschickt einen Konflikt zwischen zwei unliebsamen Parteien arrangiert":
„The Conflict frame was used to manage dissent by adroitly arranging a conflict between two unlike sides: anti-policy vs. pro-troops - a no-win situation for the anti-war side."172
Der „Control Frame" diente der Verdeutlichung des Konsens zwischen Berichterstatter, Polizei und Regierung - mit der Implikatur, Kriegskritiker stellten eine Bedrohung der sozialen Ordnung dar:
„Placing anti-war dissent within this frame renders those opposed to Gulf policy a threat to the social order and equivalent to terrorists and other criminals."173
Mit dem „Consensus Frame" schließlich sollte die Solidarität mit der eigenen Gemeinschaft gestärkt werden, „legitime Fragen über die Politik" wurden durch ihn „unter einer Lawine warmer Gefühle" begraben.174
Ähnlich wie bei Reese und Buckalew wurden in dieser Arbeit ausgewählte Berichte zum Thema Geflüchtete auf bestimmte sich herauskristallisierende Frames untersucht. Eine flächendeckende Untersuchung aller Berichte eines bestimmten Zeitraums würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen, deswegen wurde ein Fokus gelegt auf ausgewählte Berichte der Tagesschau, der Tagesthemen und des ZDF-Heute-Journals - den auf allen ersten, zweiten und dritten Programmen übertragenen und allgemein als qualitativ geltenden Nachrichten- und Hintergrundsendungen zur besten Sendezeit. Ausgesucht wurden Berichte aus dem Monat September des Jahres 2015, als viele Menschen Deutschland erreichten beziehungsweise als überwiegend über dieses Thema berichtet wurde, und dem Monat April 2016, kurz nachdem die Vertreter der Europäischen Union und der Türkei sich auf den „Deal" geeinigt hatten, dass Griechenland alle „irregulär nach Griechenland kommenden Flüchtlinge"175 auf ihrem Weg in die EU in die Türkei zurückschickt, und dass für jeden syrischen Menschen unter ihnen ein sich bereits in der Türkei befindender Syrer nach Europa einreisen darf.176 In die Analyse und Beschreibung der Frames wurden zur Verdeutlichung punktuell auch aktuelle Berichte aus August und September dieses Jahres oder Ausschnitte aus Online-Artikeln hinzugezogen werden.
Es soll untersucht werden, welche Frames die Berichterstattung im September 2015 und im April 2016 bestimmten. Die Vorgehensweise ist eine textanalytisch-hermeneutische verknüpft mit einer Methodik orientiert an Elisabeth Wehlings kognitionslinguistischen Ausführungen aus dem Jahr 2015.
Jeder transkribierte Text wurde in der Analyse zunächst inhaltlich zusammengefasst, wobei die zentralen Aussagen in Stichpunkten zusammengefasst und eine jeweilige Liste derjenigen erstellt wurden, die im Beitrag oder Interview zu Wort kamen.177 In einem nächsten Schritt wurden entsprechend der im vorherigen Kapitel herausgearbeiteten an Nadine Bilkes Qualitätskriterien orientierten Sprachdimensionen die (Argumentations-)Struktur des Textes, die rhetorischen Elemente und das Vokabular extrahiert, beschrieben und interpretiert. Aus den Ergebnissen der Analysen ergaben sich Rückschlüsse auf die verwendeten Frames, die im folgenden Kapitel erläutert und auf die vier Frame-Faktoren im Sinne Entmans untersucht werden:
- Welche Problemdefinition findet statt?
- Welche Ursachen für die definierten Probleme werden ausgemacht?
- Wie wird das Problem bewertet?
- Welche Lösungsmöglichkeiten werden impliziert?178
Bei der Darstellung der Frames werden einzelne Begriffe genauer untersucht. Eine Prüfung der gefundenen Frames hinsichtlich ihrer friedensjournalistischen und konfliktsensitiven Qualität findet als Fazit in einem zusammenfassenden Kapitel statt. Alle Transkripte, Mitschriften und Links zu den untersuchten Sendungen und Analysen befinden sich im Anhang dieser Arbeit, das folgende Kapitel beschreibt die gefundenen Frames.
3.3.Die Berichterstattung über Geflüchtete
Bei der genauen Analyse der transkribierten Texte ergaben sich teilweise überraschende Erkenntnisse, die beim ersten Hören oder während des Transkribierens noch nicht allzu auffällig waren. Interessant ist besonders, wie unterschiedlich ein einzelner Teilaspekt eines Sachverhalts bewertet werden kann und auch von den berichtenden Journalisten, ob nun bewusst oder unbewusst, bewertet wird. Beim Extrahieren der Struktur, der rhetorischen Elemente und des Vokabulars wurde nicht unterschieden, wer im Beitrag von einem Wort oder einer rhetorischen Figur Gebrauch macht, selbst wenn der dadurch geöffnete Frame negiert wird, denn: „wann immer man eine Idee verneint, aktiviert man sie in den Köpfen seiner Zuhörer oder Leser [...] Eines vermag unser Gehirn nämlich nicht: Ideennichtzu denken."179 Derjenige, der einen Begriff, eine Idee, einen Frame verneint, argumentiert „innerhalb [...] der Auffassung von der Situation oder Weltsicht [seines Gegenübers]".180 Wurde also beispielsweise Amtssprache übernommen - charakterisiert durch Euphemismen und Verdinglichungen -, ist der Begriff trotzdem Teil des Beitrags. Bezeichnet eine Mitarbeiterin der griechischen Einwanderungspolizei in einer Tagesthemen-Berichterstattung über das sich im Vollzug befindende EU-Türkei-Abkommen Menschen aus „Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Algerien und Marokko" als „Wirtschaftsflüchtlinge", ist der Begriff Teil des Beitrags und somit Teil der Analyse des sprachlichenFramingsin der Berichterstattung.
Die hier untersuchten Frames sind die, die die Berichterstattung des untersuchten Zeitraums in den untersuchten Medien überwiegend bestimmt haben. Dass auch andere Frames existieren und eventuell bestimmte Berichterstattungen sogar stärker bestimmen können als die hier gefundenen, soll nicht verneint werden. Eine tabellarische Übersicht über die Frames befindet sich im Anhang dieser Arbeit.
3.3.1.Empathie-Frame
Einen Teil der untersuchten Berichterstattungen wiesen einen Frame auf, der seinem Ziel und seiner potenziellen Wirkung her hier als „Empathie-Frame" bezeichnet werden soll. Innerhalb dieses Frames werden die Gemütslagen von Flüchtenden oder Geflüchteten auf eine Weise betont und ausgeführt, die an die Empathie der Zuschauer mit diesen Menschen appelliert. So wird in Berichten über die Situation der am Budapester Bahnhof wartenden Menschen deren Gemütslage stark betont oder übersteigert: „die Meisten sind einfach nur verzweifelt"181, „schiere Verzweiflung"182, „völlig erschöpft", „halten es nicht aus".183 Auch Berichte über die Situation im Camp in Idomeni, in Syrien oder auch generelle Beschreibungen von bereits in Deutschland angekommenen Flüchtenden weisen im Vokabular und den verwendeten rhetorischen Elementen - viele Metaphern und sinngemäße, manchmal tautologische Wiederholungen - diesen Frame auf: „von Krieg und Elend gezeichnet", „lange und zehrende Flucht",184 „fühlen sich provoziert", „sind wütend"185, „endlose Tage, wer darf bleiben, wer muss gehen?"186 Das Thema Flüchtende stellen auch Berichte in den Empathie-Frame, in denen Flüchtende selbst zu Wort kommen, in denen Emotionen nicht nur nacherzählt, sondern zu sehen sind und mit Gesichtern und Namen in Verbindung gebracht werden können: „(Zitat) ,Ich weiß nicht, glauben Sie mir, ich weiß nicht, wie es weitergeht. Mein Gehirn hat aufgehört zu arbeiten. Schauen Sie sich die Familien, die Babys, die Frauen an.'"187 Nachdem der junge Mann - Ibrahim aus Syrien - diese Worte gesagt hat, wischt er sich Tränen aus dem Gesicht, dreht sich um und geht davon.
In vielen Berichten vom Budapester Bahnhof, dem Camp in Idomeni oder von der serbischkroatischen Grenze kommen Flüchtende selbst zu Wort und schildern ihre Gemütslage: „Es ist sehr mühsam und anstrengend, vor allem für die Kinder und Frauen, meine Frau ist schwanger"188, „Die Situation hier macht uns einfach fertig, in zwei Monaten hat sich nichts geändert, die finden keine Lösung für uns" (Mustafa Alhamoud, Flüchtling aus Syrien)189, „Wir sind schockiert, total schockiert. Es ist so schlimm." (Ibrahim aus Syrien)190. Auffällig ist, wie häufig über die Konstruktion „Kinder und Frauen" oder den Begriff „Familie" Empathie erzeugt werden soll, nicht nur in den Zitaten der Flüchtenden: „An der türkischen Küste wurden die Leichen von sieben Syrern geborgen, darunter Kinder"191, „Tränengasgeschosse fliegen [...] über die wütende Menge hinweg auf Zelte von Familien mit Kindern"192, „Bilder der vollgestopften Züge, der Frauen und Kinder, die sich verzweifelt auf die Schienen werfen"193, „die Opfer: Zivilisten, oft Kinder"194, „Wollen wir wirklich, dass Familien im Winter in Bahnhöfen schlafen müssen?"195, „das Schicksal von Aylan Kurdi und seiner Familie"196, „Aus schierer Verzweiflung blockiert diese Familie die Schienen"197, „Dieser Mann versucht verzweifelt, seine Frau und Kinder mit an Bord dieses Busses zu holen, vergeblich"198. Betont wird an dieser Stelle der Mikrokosmos Familie, das Thema Bindung und Beziehung, besonders aber das konservative Bild von einer intakten Ideal-Familie aus Vater, Mutter und kleineren Kindern (der „Keimzelle der Gesellschaft", wie die rechtpopulistische FPÖ sie nennt)199, die zu zerstören ein zu verurteilender Akt der Gewalt ist - da Familie „der Ort sei, an dem Tugenden wie Liebe, Solidarität und Rücksichtnahme eingeübt bzw. verwirklicht werden"200. Als grundsätzlich positiv konnotierter Begriff ist „Familie", beziehungsweise die Beschreibung der Bedrohung oder Zerstörung einer Familie, ein Szenario, das bei einer Mehrheit Betroffenheit auslösen sollte - ähnlich wie der Hinweis auf Gewalt, die sich gegen Kinder und Frauen richtet, die „nahezu zwangsläufig" mit Wehrlosigkeit, Unschuld und einem „potentiellen Opferstatus" assoziiert werden.201 Der Frame ist auch hier Empathie erzeugend und klar zuordnend, wer Opfer und wer Täter ist.
Die Problemdefinition lautet an dieser Stelle in etwa: Frauen, Kinder, Familien sind in Not, unschuldigen Menschen geschieht Unrecht. Als Schuldige bezeichnet werden in den untersuchten Berichten beispielsweise die Assad-Regierung, „der IS" oder die ungarische Polizei oder Regierung: „verantwortlich für den Umgang mit den Flüchtlingen in seinem Land, das ist natürlich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban"202, „die ungarische Polizei versucht, die Menschen aus den Zügen zu drängen", „Polizisten belagern [...] die Züge",203 „die syrische Luftwaffe greift gezielt Marktplätze oder Busbahnhöfe an, die Opfer: Zivilisten, oft Kinder",204 „die ungarische Regierung fährt eine harte Linie"205, „Budapest, soviel ist sicher, will die Flüchtlinge schnell wieder loswerden"206, „die slowenische Polizei bleibt hart"207, „Vor seinen [Assads] Bomben fliehen ja noch mehr Syrer als vor den Gräueln der Dschihadisten"208, „Die Ungarn zäunen sich ein"209, „Die ungarische Regierung überlässt die Flüchtlinge in Budapest sich selbst"210 etc. Die Bewertung ist klar negativ. Als Lösung werden vor allem drei Vorschläge diskutiert: „Wir brauchen dringend eine europäische Flüchtlingsordnung"211, meint „solidarisches Handeln"212 innerhalb der EU, und dazu „brauchen wir jetzt wirklich Druck"213, der unter anderem bei Koalitionsgipfeln und Gesprächen mit den EU- Präsidenten auf Länder wie Ungarn ausgeübt werden soll.214 Drittens sollen „Fluchtursachen bekämpft"215 werden, also in den Krieg in Syrien eingeschritten werden.216
Der Empathie-Frame hat aber auch eine andere Seite: Geht es darum, Empathie mit Flüchtenden oder Geflüchteten zu erreichen, werden auch weniger negativ wertende Geschichten von Flüchtenden erzählt, beispielsweise die des 14-jährigen Nihat, der am Budapester Ostbahnhof mit seiner Familie darauf wartet, weiterfahren zu können, und einen Teil seiner Zeit beim Korrespondententeam der ARD verbringt.217 Auch die Geschichte der bereits in Deutschland angekommenen Familie Bashar aus dem Irak, deren Kinder in Deutschland zur Schule gehen, fällt unter den Empathie-Frame.218 Hier ist die Problemdefinition jeweils eine andere. Im Fall der Geschichte von Nihat treffen die Frame-Aspekte der vorherigen Berichte zu, auf die Geschichte der Familie Bashar nicht. Die Problemdefinition hier: Die Familie muss ,integriert werden', dafür braucht es für die Kinder genug Lehrer, damit sie Deutsch lernen. Als „Schuldige" beziehungsweise „Verantwortliche" an dieser Stelle wird die deutsche Politik bezeichnet, die Konnotation ist überwiegend positiv, Lösungsvorschläge sind etwa mehr Deutschlehrer und mehr Wohnraum.219
Auffällig ist jedoch, dass der Empathie-Frame mit Ausnahme der Geschichte von Familie Bashar und einer Umfrage unter Geflüchteten, wie sie Deutschland wahrnehmen,220 immer verbunden ist mit der Berichterstattung über das verurteilungswürdige Verhalten von Ländern wie Ungarn, Griechenland, Syrien und Kroatien: „Machtdemonstration der ungarischen Polizei. [...] Anscheinend willkürlich marschieren Spezialeinheiten durch die sogenannte Transitzone"221, „von Seiten der ungarischen Regierung [wird] keine Hilfe organisiert"222, „Auf Lesbos herrschen noch immer chaotische Zustände, 35 Grad, nichts zu essen, nichts zu trinken"223, „Im Moment haben wir vor allen Dingen Chaos auf dem Balkan. [...] Das kann doch so nicht weitergehen"224, „an der kroatischslowenischen Grenze, [...] da bahnt sich offenbar das nächste Drama an"225, „Syrien versinkt in Barbarei"226. Auch Anhand der Geschichte der Familie Bashar wird auf potenzielle Probleme im deutschen Bildungssystem hingewiesen: „Verschiedene Nationalitäten und Temperamente - eine Herausforderung für die Lehrer", „Noch reicht hier ein Lehrer, doch wenn die Flüchtlingswelle anhält, rechnen Experten bundesweit mit zusätzlich 20.000 Deutschlehrern"227. Festhalten lässt sich jedoch: Es wird besonders an die Empathie der Zuschauer mit den Flüchtenden appelliert, wenn es darum geht, das Leid zu verdeutlichen, das per definitionem Länder wie Syrien, Griechenland und Ungarn ihnen zufügen.
3.3.2.Massen-Frame
„Hunderte"228, „Flüchtlingsandrang bremsen"229, „viel zu viele Menschen drängen sich in die wenigen Züge"230, „rasant steigende Zahl"231, „Es geht darum, den Zustrom zu begrenzen"232, „dort haben Hunderte Flüchtlinge [...] eine Polizeisperre durchbrochen"233, „Hunderttausende"234, „Flüchtlingsbewegung"235, „Flüchtlingsstrom"236, „solange werden auch die Flüchtlingsströme nicht abebben"237, „Flüchtlingswelle"238, „Hunderte versuchen, den Grenzzaun [...] zu stürmen"239, „wütende Menge"240, „Massenschlägerei"241, „überfüllte Unterkünfte"242, „große Gruppen von Menschen"243, „zigtausend junge Leute"244, „große Zahl"245, „steigende Flüchtlingszahl"246 - die Häufung dieser Begriffe, die Flüchtende darstellen als eine unüberschaubar große Masse von Menschen, ist in den untersuchten Beiträgen größer als die der Empathie fördernden Begriffe. Unterstützt werden sie durch Bilder, auf denen Massen von Menschen zu sehen sind, die sich auf die Kamera zu- oder zumindest in eine bestimmte Richtung bewegen. Bezeichnend für diese Begriffe sind verschiedene verdinglichende Metaphoriken, die es zulassen, die beschriebene Masse als eine ,heranrollende' und nicht kalkulierbare Gefahr zu verstehen. Zwei seien hier herausgehoben: die Wassermetaphorik und die Zahlenmetaphorik. Zur Wassermetaphorik schreibt Elisabeth Wehling:
„Frames [entstehen] neben vielen anderen Möglichkeiten auch durch die Verknüpfung von Sprache und Bildern. Und tatsächlich haben wir ja in den vergangenen Jahren eine Zunahme an Umweltkatastrophen wie Fluten oder Tsunamis zu vermerken. Unser ,kollektives Gehirn' verfügt also über sehr eindrucksvolles Bildmaterial, wenn es darum geht zu ,begreifen', was metaphorische Flüchtlingsfluten oder Flüchtlings-Tsunamis anrichten können."247
Werden also Flüchtende metaphorisch als Wassermasse, also als Naturgewalt, dargestellt, übernehmen „die Bewohner unserer Städte [...] die semantische Rolle des Opfers",248 und Flüchtenden wird die semantische Rolle der Bedrohung zugeschrieben.249 Sich „ohne Sinn und Verstand - und vor allem ohne Ziel und Zweck" bewegend sind sie selbst keiner Bedrohung ausgesetzt, und „überrollen" das Land250 - auch als „Strom", der „zur reißenden Flut werden" kann.251 Wichtigste Schlussfolgerung des Begriffs „Strom" ist jedoch: er „fließt stetig und reißt nicht ab", im Gegensatz zur Welle, ist „breit und besitzt eine starke Fließgeschwindigkeit" und ist „schneller und tiefer als andere fließende Gewässer".252 Flüchtende „strömen" also permanent in das Land - und das als „wachsende Zahl", eine als unbestimmbar kenntlich gemachte große Menge.
Die Zahlenmetaphorik spitzt eine Eigenschaft, die die Wassermetaphorik ebenfalls mitbringt, noch einmal zu: Die Anonymität der Masse. Den Flüchtenden werden durch die Wassermetaphorik „Menschlichkeit, Gefühle und Individualität [abgesprochen]",253 und innerhalb der Zahlenmetaphorik wird das sogar noch verstärkt. Eine Zahl entsteht „aus der Zusammenfassung einer Menge gleichartiger Dinge"254 und suggeriert Objektivität, gar „das Wesen der Wirklichkeit"255. Tatsächlich wird aber in der Berichterstattung häufig mit Begriffen wie „Hunderte", „Tausende", „Zigtausende" gearbeitet, die einen immensen Interpretationsraum öffnen bezüglich der tatsächlichen Menge an Menschen. Hier wird rhetorisch etwas vorgetäuscht, das es nicht ist, nämlich Objektivität. Angesichts der sehr ungenauen Angabe bleibt die Schlussfolgerung: Es sind so viele, dass man sie nicht zählen kann. Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie viel „Tausende" Menschen überhaupt sind - theoretisch leben in ganz Deutschland auch „Tausende Menschen" und zu einem großen Konzert kommen „Hunderte", die Grenze nach oben ist offen. Schreibt Hannah Arendt von Adolf Eichmann als „Verwaltungsmörder"256, dessen Arbeit - das Hin- und Herschieben von Zahlen, das zur Folge den Tod „von Millionen von Juden"257 hatte - unter Bedingungen stattfand, „die es ihm beinahe unmöglich machen, sich seiner Untaten bewußt zu werden"258, so offenbart das die Absolutheit der Anonymität von Zahlen, oder zumindest das große Potenzial zur Entfremdung von den Menschen,diehinter diesen Zahlen stehen, also mittels dieser Zahlen zu einer abstrakten Größe zusammengefasst werden.
Eine „Zahl", die „steigt", „rasant steigt" oder „wächst", suggeriert somit das Anwachsen einer abstrakten und unvorstellbaren Größe. Gleichzeitig bezieht sich die Formulierung „die Zahl von ... steigt", betrachtet man allein die Schlagzeilen auf tagesschau.de zu dem Stichwort, häufig auf negative Dinge: „Zahl der Erdbebentoten in Ecuador steigt"259, „Zahl gefälschter Medikamente in der EU steigt drastisch"260, „Zahl der Toten steigt auf 25"261, „noch immer steigt die Zahl der Opfer"262, „Zahl der Firmenpleiten steigt rapide"263, „Zahl der Demenz-Erkrankungen steigt drastisch an"264, „Armutsbericht: Zahl der Sozialhilfeempfänger steigt"265, „Zahl der Erwerbslosen steigt um 30.000"266. Ein Grund für den Zusammenhang dieser Formulierung mit negativen Nachrichten könnte sein, dass es für die Zunahme positiver Dinge Synonyme gibt wie „boomen"267, „zulegen"268, „gewinnen"269, „aufwärts gehen"270. Wird also von einer „rasant steigenden Zahl" von Flüchtenden gesprochen, ist die Assoziation keine positive - und im Zusammenhang mit Begriffen wie „drängen", „bremsen", „Polizeisperre durchbrechen", „stürmen" und „wütende Menge" um die Idee einer nicht zu bändigenden und wörtlich unkalkulierbaren Bedrohung ergänzt.
Die Problemdefinition bei diesem Frame lautet also: Eine nicht überschaubare Masse an Menschen kommt in ,unsere' Richtung. Ursachen sind in diesem Fall sowohl die in Syrien Krieg führenden Parteien - außer den USA: „Sie [die Menschen] fliehen vor Assads Truppen, vor den Rebellen und vor den Kriegern des Islamischen Staats", sagt Reporterin Anne Gelinek, obwohl es etwas später heißt, die USA flögen auch „Luftangriffe gegen den IS, diese aber nur halbherzig"271 - und die Staaten, die einerseits selbst keine Flüchtenden aufnehmen wollen und andererseits die Menschen ohne Registrierung durch ihr Land reisen lassen: „Deutschland ist ein starkes Land, wir können sicherlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als schwächere Länder in Europa, aber es kann nicht sein, dass einige Länder sagen, wir haben damit überhaupt nichts zu tun"272, „Einige Länder weigern sich auch jetzt noch hartnäckig, syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine neue Heimat zu geben"273, „Doch diese Grenze lässt sich nicht kontrollieren, Flüchtlinge kommen trotzdem"274, „die slowenische Polizei bleibt hart, es wird allerdings nicht viel bringen, denn auch diese Grenze ist durchlässig"275. Die Bewertung ist negativ. Handlungsoption innerhalb des Frames ist die Kontrolle der Grenzen: „Bayern setzt auch auf Grenzkontrollen, um den Flüchtlingsandrang zu bremsen"276, „Italien ist auch mittlerweile bereit, die Grenzen wieder zu kontrollieren und die Durchreise von Flüchtlingen irgendwie in den Griff zu bekommen"277.
3.3.3.Festungs-Frame
Der hier so bezeichnete „Festungs-Frame" geht oft einher mit dem oben beschriebenen MassenFrame: Er beschreibt Europa oder Deutschland als eineArthermetisch abschließbares Gefäß, als eine Art abgeschlossenen Raum, der Menschen „aufnehmen"278 kann, in dem aber nur begrenzt Platz ist, und in den „einzudringen"279 Menschen von außerhalb gehindert werden können, sollen oder müssen. Zu einer „Festung" wird der Raum in dem Moment, in dem suggeriert wird, er werde angegriffen und müsse geschützt werden: „die Grenze verteidigen"280, „Grenzschutzbeamte"281, „Grenzschützer"282, „Die Regierung [Ungarns] erwägt nun, Soldaten zu schicken, um die Grenze weiter abzusichern"283. Auch Begriffe wie „die Grenze dicht machen"284 suggerieren eine Handlung aus einer Notwendigkeit heraus: ein undichtes Gefäß taugt schließlich nicht viel - es „dicht zu machen" ist notwendig, wenn man es weiter als Gefäß verwenden möchte. Gleichzeitig wird das Thema mit dieser Formulierung ebenfalls in den Massen- beziehungsweise Wasser-Frame gesetzt - zugespitzt gesagt: eine „dichte" Grenze „schützt" vor der „Flüchtlingsflut"285, ist sie „durchlässig"286, ist das ein potenzieller Grund zur Sorge: „Die slowenische Polizei bleibt hart, es wird allerdings nicht viel bringen, denn auch diese Grenze ist durchlässig"287, „Immer wieder durchbrechen sie die Polizeiabsperrung und machen sich zu Fuß auf den Weg"288, „Dort haben Hunderte Flüchtlinge in der Grenzstadt Röszke eine Polizeisperre durchbrochen"289, „als Hunderte versuchten, den Grenzzaun nach Mazedonien zu stürmen"290, „Experten vermuten, dass sich Schlepper und Flüchtlinge andere Wege in die EU suchen."291
Die Begriffe „Schleuser" oder „Schlepper" bedienen ebenfalls beide Frames, so ist laut Duden eine Schleuse eine „Vorrichtung zum Absperren eines Wasserstroms, zum Regulieren des Durchflusses" beziehungsweise der „einzige Zugang zu einem (abgeschirmten) [...], hermetisch abschließbare[n] kleine[n] Raum, in dem Desinfektionen vorgenommen werden o. Ä. oder der einen Druckausgleich zwischen zwei Räumen, Bereichen verhindern soll"292. Schlepper definiert Duden u.a. als „kleineres [...] Schiff zum Schleppen und Bugsieren anderer Schiffe".293 Ist in der Berichterstattung die Rede von „Schleusern" oder „Schleppern", dann ist die Konnotation stets klar negativ, auch über den Verweis auf die Verwerflichkeit deren Handlungen: „Ziel der Vereinbarung ist die von Schleuserbanden organisierte massenhafte illegale Einreise in die EU, sie soll unterbunden werden"294, „Im türkischen Bodrum sind vier mutmaßliche Schleuser festgenommen worden. [Sie] werden für den Tod von mindestens 12 Flüchtlingen verantwortlich gemacht"295, „Das Rückführungsabkommen mit der EU soll auch den Menschenschmuggel an der Ägäis eindämmen, indem es Migranten davon abschreckt, weiterhin zu versuchen, mit Schleppern nach Europa zu gelangen"296, „die türkische Schleppermafia"297.
Das Problem wird innerhalb dieses Frames folgendermaßen definiert: Viele Menschen wollen „in" „unser" Land, in dem aber nicht genug Platz ist, überall stehen Wachen, aber es gibt noch Schlupflöcher. Ursachen sind „Schlepper" oder „Schleuser" und gleichzeitig Polizei- und Sicherheitskräfte, die die Menschen nicht aufhalten können. Die Bewertung ist negativ. Die Lösung: „die Grenzen wieder [...] kontrollieren"298, „Grenzkontrollen, um den Flüchtlingsandrang zu bremsen"299.
3.3.4.Krisen-Frame
„Um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen"300, „von dieser Krise betroffen"301, „Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande [haben sich] in der Flüchtlingskrise abgestimmt"302, „Umgang der EU mit der Flüchtlingskrise"303, „er [Viktor Orban] will um Hilfe in dieser Flüchtlingskrise bitten"304, „haben Sie [...] nicht diese ganze krisenhafte Entwicklung dieser Flüchtlingskrise in Europa verschlafen?"305 - in den meisten der untersuchten Berichte wird angesichts der nach Europa kommenden Menschen von „Flüchtlingskrise" gesprochen. Anders als bei der „Griechenlandkrise"306 und der „Finanzkrise" handelt es sich jedoch bei der „Flüchtlingskrise" nicht, wie der Begriff glauben macht, um eine Krise, die Flüchtende haben - zumindest sind deren individuelle Krisen nicht damit gemeint -, sondern um eine Krise der Bürokratie: „Tausende Asylanträge jetzt im Schnellverfahren, ohne ausreichend Personal"307, heißt es, „Flüchtlinge müssen viel schneller registriert werden"308, „Das Land [Kroatien] ist völlig überfordert"309, „überfordert mit den vielen Syrienflüchtlingen"310, „das Land ist kaum vorbereitet auf die große Zahl Schutzsuchender"311, „In Deutschland stauen sich derzeit eine Viertelmillion unbearbeiteter Asylanträge"312 etc. Der Frame fasst Flüchtende und ihre Not zusammen in Bezug auf den bürokratischen Aufwand, der mit ihnen verknüpft worden ist, überwiegend gemeint sind Registrierungen und Asylanträge - Gegenstände, die die Menschen jedoch nicht als ihre Eigenschaft mitgebracht haben, sondern die Europa von ihnen verlangt hat.
Ist jedoch von „Flüchtlingslast"313 die Rede, von „dramatischen Mehrbelastungen"314, einer „politischen Zerreißprobe für die EU"315, einer „Kraftanstrengung, wie sie die Bundesrepublik selten meistern musste"316, dass „im Kanzleramt gerungen"317 wird und „es in überfüllten Flüchtlingsunterkünften zu Konflikten und Aggressionen kommt"318, und wenn die Bundeskanzlerin einen Appell an Flüchtende richtet, „die Regeln und Werte zu respektieren, die unsere Verfassung vorgeben, und sich auf dieser Grundlage in unsere Gesellschaft zu integrieren"319, dann wird unter dem Begriff „Flüchtlingskrise" mehr zusammengefasst, als ereigentlichbezeichnet. Dann gehören zur „Flüchtlingskrise" alle negativ empfundenen Begleiterscheinungen, die Migration in ein Land mit sich bringen kann. Paradox: in diesen Frame gestellt wird auch das Ertrinken von Menschen im Mittelmeer, die sich für einen der wenigen noch offenen Zugänge nach Europa entschieden haben: „das Leid in dieser Flüchtlingskrise"320 ist so eine Formulierung. Auch das Foto des toten Jungen Aylan Kurdi, heißt es, „wird von vielen als das Symbol für das Versagen Europasim Umgang mit der Flüchtlingskrisegenommen"321. Dieser Formulierung zufolge ist die „Flüchtlingskrise" also kein (selbst verschuldetes) bürokratisches oder interkulturelles Problem, das erst im Kontakt der Flüchtenden mit dem „eigenen" Land oder der „eigenen" Union entsteht, sondern sie beginnt schon früher: nämlich in dem Moment, in dem Menschen beginnen zu fliehen. Fliehen Menschen jedoch aus einem Land, in dem sie verfolgt werden oder keine Heimat mehr sehen, ist das keine „Flüchtlingskrise", sondern eine Krise, die zur Flucht führt, eine „Überlebenskrise", eine „Menschenrechtskrise" oder eine „Fluchtkrise" aus der Sicht des Landes, das verhindern will, dass die Menschen in andere Länder fliehen. Eine „Flüchtlingskrise" ist es aus Sicht der Länder, die die Flüchtenden als ,krisenbringend' ansehen - und somit jede Mitschuld an dieser „Krise" von sich weisen.
Allein der Begriff „Flüchtling", sagt Elisabeth Wehling in einem Interview mit der Zeit,322 sei „ein Frame, der sich politisch gegen Flüchtlinge" richte:
„Die Endung ,-ling' macht diese Menschen klein und wertet sie ab. Denn das Kleine steht im übertragenen Sinn oft für etwas Schlechtes, Minderwertiges. Denken Sie an ,Schreiberling' oder ,Schönling'. Ein eigentlich positiv besetzter Begriff wie ,schön' wird durch die Endung ins Negative verkehrt. Außerdem ist ,der' Flüchtling männlich - und damit transportiert dieses Wort sehr viele männliche Merkmale: ,Der' Flüchtling ist eher stark als hilfsbedürftig, eher aggressiv als umgänglich."323
Entsprechend dieses Denkens gibt es Berichte, die auf die potenzielle Aggressivität speziell von Flüchtenden hinweisen, oft auch in Zusammenhang mit der Betonung der Männlichkeit vieler Flüchtender: „Zugleich sitzen da zigtausend junge Leute, überwiegend junge Männer, auf denen die Hoffnungen ihrer Familien in der Heimat ruhen. Wenn diese Menschen nun monate- oder gar jahrelang nichts zu tun haben, keine Chance, Fuß zu fassen, dann wird das hochproblematisch"324, „Dann habe ich beobachtet, wie ungefähr so dreißig Männer bewaffnet mit Stöcken hinter einem Mann hergelaufen sind und geschrien haben, in dem Moment sind Frauen und Kinder weggelaufen, ich habe mich auch schnell verstecken müssen"325, „Wir haben als Gewerkschaft der Polizei schon zu Beginn des Sommers gefordert, möglichst zügig feste Unterkünfte für die Flüchtlinge zu schaffen, Unterkünfte, die es möglich machen, nach ethnischen Herkünften, nach religiösen Herkünften zu trennen"326, „Unsicherheit macht aggressiv"327, „Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragen, sind überwiegend jung und männlich"328, „die große Zahl Schutzsuchender und die Konflikte, die sie mitbringen"329, „wer selber Schutz sucht und dann in Flüchtlingswohnheimen andere Menschen attackiert wegen ihrer Religion, kann sich hier nicht auf Asyl berufen"330.
Die Problemdefinition innerhalb dieses Frames sei also einerseits: „Flüchtlinge machen Arbeit und kosten Geld und Platz" beziehungsweise „Politik und Behörden haben so viel Arbeit mit den vielen Menschen, dass sie kaum hinterher kommen", und andererseits: „Viele Menschen machen sich auf den Weg nach Europa und bringen Probleme mit". Ursachen sind bezüglich der ersten Problemdefinition zu komplizierte Gesetze, zu langsam arbeitende Behörden, zu viel Bürokratie, und bezüglich der zweiten Definition „Schleuser" und „Schlepper", beispielsweise, aber auch die Regierungen der Länder, aus denen geflohen wird, letztendlich aber auch die Menschen selbst: „Warum müsst ihr aus der Türkei nach Europa, die Türkei ist doch ein sicheres Land. Bleibt dort, wir können nicht garantieren, dass ihr hier aufgenommen werdet."331 Die Bewertung ist negativ. Als Lösungsvorschläge bietet der Krisen-Frame unter anderem an: „Konzepte für schnellere
Abschiebungen"332, die „Prüfverfahren beschleunigen"333, „bessere Unterkünfte und qualifizierte Sicherheitsdienste"334, „ein neues Einwanderungsgesetz, das alles noch einfacher und auch schneller machen soll"335, ein „radikaler Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau"336.
3.3.5.Helfernation-Frame
So wie andere Nationen im Umgang mit den in ihr Land kommenden Flüchtenden versagen, so glänzt dagegen Deutschland mit Hilfsbereitschaft337, „Willkommenskultur"338, Verantwortungsbewusstsein oder zumindest dem Willen und der Bemühung, alles richtig zu machen - das suggeriert der „Helfernation-Frame". Er bestärkt vor allem die freiwilligen Helfer, die aufgrund mangelnder staatlicher Initiative die Aufnahme und Versorgung vieler Menschen auf eigene Kosten organisiert und sichergestellt haben, darin, weiterhin alles zu geben - er ist eine verbale Belohnung, eine Anerkennung der Leistung der freiwilligen Helfer. Gleichzeitig betont er die Emsigkeit der deutschen Regierung, Lösungen zu finden, und die Selbstreflektiertheit und das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Politiker. Besonders deutlich wirkt der Helfernation-Frame, wenn ein Bericht, der das Thema in dieses Licht stellt, direkt folgt auf einen Bericht, in dem das Versagen anderer Länder geschildert wird, wie beispielsweise in der Tagesschau vom 2. September 2015. Der erste Bericht der Sendung beschreibt die Lage in Ungarn mit dramatischen Bildern und stark negativ konnotiertem Vokabular und eindeutiger Rhetorik: „Ungarn setzt in der Flüchtlingspolitik weiter auf einenharten Kurs",„Tausende Menschen wurden [...] erneut daran gehindert, per Bahn [...] weiterzureisen", „Flüchtlinge, die seit Tagenunter freiem Himmelin Budapest ausharren, reagierten mitverzweifelten Protesten",„Hunderte [campieren] unter freiem Himmel", „für die 3000 Menschen nur eine Wasserstelle und [...] vier Toiletten", „es wird auch von Seiten der ungarischen Regierung noch keine Hilfe organisiert", die komme, „wenn überhaupt", von Privatpersonen und Touristen. Zum Teil wird hier im Empathie-Frame berichtet, die Situation der Flüchtenden in Ungarn wird ausführlich als schlecht beschrieben. Das Verhalten Ungarns wird negativ bewertet, Ungarn selbst kommt nicht zu Wort, dafür Flüchtende und freiwillige Helfer.
Der direkt darauf folgende Bericht beginnt mit den Worten: „Am Münchener Hauptbahnhof hat sich die Lage entspannt." Gezeigt werden Bilder des Hauptbahnhofs, an dem vereinzelt Menschen durchs Bild laufen, die Rede ist von „normalem Reiseverkehr" und davon, dass „nur noch etwa 150 Flüchtlinge mit Zügen aus Richtung Ungarn" angekommen seien. Die beschriebene Situation wird klar positiv konnotiert: „Die Helfer bemühen sich nun, die gespendeten Lebensmittel dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden: in die Flüchtlingsunterkünfte." Was grotesk wirkt, ist, dass der klare Zusammenhang zwischen den gegen ihren Willen gestoppten und in Ungarn festsitzenden, vorher so empathisch beschriebenen Menschen in Ungarn und der „entspannten Lage" am Münchener Hauptbahnhof offenbar verdrängt wird: Wie kann so positiv - „entspannt", „normal", „nur noch 150", ,jetzt können die Helfer - über die wenigen in München ankommenden Flüchtenden berichtet werden, wenn zuvor so klar verurteilend und negativ konnotiert über dieGründefür diese „Entspannung" gesprochen wurde? Die Botschaft ist schizophren: Solange Länder wie Ungarn die Menschen auf ihrem Weg nach Deutschland aufhalten, ist das für Deutschland entspannend und gut, und solange Länder wie Ungarn die Menschen auf ihrem Weg nach Deutschland aufhalten, ist das zu verurteilen, menschenverachtend und schlecht. Es wird eine gedankliche Grenze durch Europa gezogen: die „guten" und die „schlechten" Länder. Handelt beispielsweise Dänemark genau wie Ungarn, wird das Handeln (zögerlich) gerechtfertigt: „Dänemark hat den Zugverkehr mit Deutschlandangesichts der Flüchtlingskrise vorerstgestoppt"339, und Vertreter der dänischen Polizei kommen zu Wort, um das Verhalten zu erklären: „Wir hoffen,dass wir das Problem lösen könnenund die Menschen dazu bringen können, aus dem Zug auszusteigen, dann können wir sie registrieren und die Behörden ihre Arbeit machen."340 Gleichzeitig wird nicht detailliert über die Zustände der in Dänemark wartenden Menschen berichtet: keine Details über fehlendes Wasser und zu wenige Toiletten, und keine übersteigerten Beschreibungen von starken Emotionen wie Unverständnis und Verzweiflung, die ähnlich wie in Ungarn vorhanden gewesen sein werden.
Auch wenn Italien die Grenze „kontrollieren" möchte, wird das verständnisvoll gerechtfertigt: um „die Durchreise von Flüchtlingen irgendwie in den Griff zu bekommen"341, und ist es gar Deutschland selbst, werden neben der Suggestion einer Notwendigkeit der Handlung, um etwa einen Unfall zu verhindern („bremsen"), quasi im selben Atemzug Staaten und Länder genannt, die das Vorhaben positiv unterstützen: „Bayern setzt auch auf Grenzkontrollen, um denFlüchtlingsandrang zu bremsen. Italien kommt einerBitte aus Münchennach und will am Brenner für eine begrenzte Zeit die Übergänge zu Österreich wieder überwachen. Außerdem erklärte sich die Provinzregierung von Südtirol bereit, Bayern bei der Flüchtlingsunterbringung zu helfen."342 Sogar in der Berichterstattung über die vergleichbar schlimmen Zustände im Camp Idomeni wird das Verhalten Griechenlands nicht verurteilt wie beispielsweise das Verhalten Ungarns und der Slowakei verurteilt wurde. Will Griechenland die Menschen mit Bussen in ein Aufnahmelager bringen, ist die Rede von „Angebot": „Die griechischen Behörden versuchen ja schon seit Wochen hier die Flüchtlinge in Idomeni freiwillig, auf freiwilliger Basis davon zu überzeugen, in Busse zu steigen und sich in offizielle Auffanglager bringen zu lassen, aber dieses Angebot wird überhaupt nicht in Anspruch genommen."343 Will Ungarn Menschen in Bussen in Aufnahmelager bringen, ist die Rede von „Abtransport", dem die Menschen „entgehen" wollen: „In Ungarn hat sich dieser verzweifelte Mann mit Frau und Baby auf die Gleise geworfen, um dem Abtransport in ein Aufnahmelager für Flüchtlinge zu entgehen."344
Die Beschreibungen lassen darauf schließen, dass es aus Sicht des berichterstattenden Landes, in diesem Fall Deutschland, einen Teil Europas gibt, der dem eigenen Land näher steht als ein anderer Teil Europas. „Österreich und Deutschland"345 werden häufig in einem Atemzug genannt, für das Handeln Italiens gibt es Verständnis, das Handeln Dänemarks und Griechenlands wird nicht verurteilt und mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande wird ergebnisträchtig verhandelt: „Zugleich wurde bekannt, dass sich Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande in der Flüchtlingskriseabgestimmthaben"346. Demgegenüber stehen Ungarn, Kroatien, Serbien und Slowenien: „Auf dem Balkan herrscht nunendgültig Chaos, die Flüchtlinge werden hin- und hergeschoben."347
Anders verhält es sich unerwarteter Weise mit der Beschreibung des Handelns Großbritanniens, das verurteilt wird: „und selbst der britische Premier Cameron reagierte heute darauf, obwohl er bisher sich als auch sein Land von der Flüchtlingskriseabzuschottenversucht hat"348, „Cameron, der schon von,Flüchtlingsschwärmen'sprach"349, „Cameron sitzt in derKlemme,er muss für Teile seiner Parteimehr Rechte und weniger PflichtenGroßbritanniens in der EU herausschlagen"350, „Cameron gibt offenbar demDrucknach"351.
Zur „Helfernation" gehören jene Länder, die mit Deutschland verhandeln und sich „solidarisch" verhalten, allen voran geht jedoch Deutschland, wie eine Art Zugpferd: „deshalb bin ich hier, um gemeinsam mit der Türkei in ein Gesprächsverhältnis zu kommen, wie wir dieses Chaos verhindern"352, „Deutschland ist einstarkes Land,wir können sicherlich mehr Flüchtlinge aufnehmen alsschwächere Länderin Europa, aber es kann nicht sein, dass einige Länder sagen, wir haben damit überhaupt nichts zu tun"353, „die Genfer Flüchtlingskonvention gilt nicht nur in Deutschland, sondern sie gilt in jedem europäischen Mitgliedsstaat"354, „Angela Merkel ist [...] zum Sprachrohr eines humanen Umgangs mit Flüchtlingen geworden"355, „Quer durch die Parteien [in Berlin] hieß es, die rasant steigende Zahl von Flüchtlingen sei eine Herausforderung, die die EU und damit alle Mitgliedsstaaten gemeinsam meistern müssten"356, „[Merkel] forderte eine nationale, europäische und globale Kraftanstrengung"357.
Dieses dualistische Unterscheiden zwischen Gut und Böse, Stark und Schwach, Vertrauens- und Kooperationswürdig und dem jeweiligen Gegenteil findet in der Berichterstattung über innereuropäische Themen statt, aber auch in der Berichterstattung über globale Themen wie den thematisch eng mit den europäischen Problemen zusammenhängenden Krieg in Syrien. Hier gibt es genauso Länder, die als „zweifelhafte Potentaten"358 bezeichnet werden, und Länder, über die verständnisvoller berichtet wird. Syriens Präsident Assad wird als „Diktator" bezeichnet, gar als „Feind" der USA.359 Putin, Assad und Erdogan sind hier „zweifelhafte Potentaten", mit denen Europa „verhandeln" müsse, „um des Friedens willen"360. Laut Berichterstattung fliehen die Menschen in Syrien „vor Assads Truppen, vor den Rebellen und vor den Kriegern des Islamischen Staats"361, nicht aber vor den Bomben der USA - denn die USA fliegen ihre Angriffe ja „gegen den IS", der sozusagen als ,Feind Nr. 1' ausgemacht wird: „und besonders grausam agiert die Terrormiliz IS. Sie massakriert ihre Gegner, hält tausende Frauen als Sexsklavinnen und missbraucht Kinder als Kämpfer und als Henker. Der IS soll auch Giftgas einsetzen."362 In diesem Bericht der Tagesschau werden die Verbrechen des IS detailliert beschrieben und ihre Grausamkeit betont, anders als bei den Beschreibungen der Handlungen anderer Kriegsparteien. Europa tritt als Vermittler auf, es heißt sogar einmal: „Europas weiße Weste wird Flecken bekommen, wenn es den Krieg in Syrien wirklich beenden will"363 - als könnte Europa allein diesen Krieg beenden, und als hätte Europa eine „weiße Weste". Auch an dieser Stelle greift der Helfernation-Frame. Er lässt die Menschen in Deutschland glauben, das Land, in dem sie leben und mit dem sie sich identifizieren, sei erstens prinzipiell gleichbedeutend mit dem „guten" Teil Europas, verfüge zweitens über eine große Macht und könne allein ganze Kriege beenden, und handle drittens oft als einzige Partei besonnen, friedlich, die Menschenwürde achtend - und ,richtig'.
Die Problemdefinition innerhalb des Helfernation-Frames ist: ,Wir' müssen in einer Welt voll Leid und Chaos - und auch in unserem eigenen Land - für Ordnung und Menschlichkeit sorgen. Verantwortliche sind all jene, die sich nicht an ,unsere' Regeln und Gesetze halten, und gegen deren schlechtes Verhalten ,wir' mit gutem Beispiel angehen müssen. Die Bewertung ist positiv. Lösungen sind in der Welt und innerhalb Europas abhängig von der Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft anderer Länder, und innerhalb Deutschlands von der Bereitschaft der Politik, ehrenamtliche Helfer, Einrichtungen und Schulen finanziell und mit zusätzlichem Personal zu unterstützen.
3.3.6. Bewältigungs-Frame und Schicksals-FrameDie folgenden hier beschriebenen Frames tauchen in der hier beschriebenen Form in den untersuchten Berichten von September 2015 noch nicht auf - sondern erst ab denjenigen aus April 2016. Bereits keine zwei Wochen nach Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens tauchen erstmals Formulierungen in der hier untersuchten Berichterstattung auf, die einerseits suggerieren: Die Krise ist überstanden, beziehungsweise dabei ,überstanden zu werden', und andererseits: Für das, was jetzt noch außerhalb der Grenzen Europas passiert, sind ,wir' nicht mehr verantwortlich. Der erste Frame heißt hier „Bewältigungs-Frame", der zweite soll als „Schicksals-Frame" bezeichnet werden.
Wird innerhalb des Bewältigungs-Frames darüber berichtet, dass Menschen aus der EU wieder zurück in die Türkei gebracht werden, passiert das überwiegend in bürokratischer Sprache und sehr abstrakt: es „werden die Vereinbarungen umgesetzt"364, „mehr als 200 Menschen [wurden...] zurück in die Türkei gebracht. Sie waren illegal über die Ägäis nach Griechenland eingereist", Menschen können „laut Abkommen zwangsweise in die Türkei zurückgeschickt werden", „mussten Griechenland verlassen", „Die Rückführung heute lief geräuschlos ab. Die Griechen konnten beweisen: Wir können das", „In Friedland sind heute die ersten zweiunddreißig syrischen Flüchtlinge angekommen"365, „direkt aus der Türkei eingeflogen", „aus Griechenland abgeschoben und in Schiffe Richtung Türkei gesetzt", „Am Rande der Aktion: kleinere Proteste", „werden in ein Auffanglager verbracht", „man wird dann Flüge organisieren von der türkischen Regierung, werden sie in diese Länder zurückgebracht, wo sie herkommen, Afghanistan, Pakistan oder Nordafrika". In fast jedem der hier zitierten Berichte kommen zwar Menschenrechtsorganisationen zu Wort, die das Abkommen stark kritisieren: „Das ist eine sehr ernste Art von Menschenrechtsverletzung"366, „Es ist höchst illegal, es handelt sich hier um Massenabschiebungen und das ist nicht erlaubt [...] die EU macht hier bewusst etwas, was verboten ist"367. Dennoch ist der Ton in seiner Neutralität auffällig, vor allem hinsichtlich des nicht genutzten Empathie-Frames: Es kommen keine Flüchtenden mehr zu Wort, es wird darauf hingewiesen, dass das Abkommen „umstritten"368 sei und Marietta Slomka spricht sogar von „Flüchtlingshandel" - doch der Ton ist deutlich resigniert: „Über 200 Flüchtlinge mussten sich heute von ihrem Traum von Europa verabschieden."369 Die Rede ist häufig von „müssen", auch die Kombination der Begriffe „Einreise" und „illegal" kommt häufig vor, besonders auch der Verweis auf nicht gestellte Asylanträge. Die „Umsetzung der Vereinbarungen" wirkt unumkehrbar, von einer höheren Macht beschlossen, zwar anzuzweifeln, aber nicht mehr zu ändern. Auffällig ist im Bewältigungs-Frame auch die Platzierung des Themas:Nichtmehr an ersterStelle,sondern deutlich weiterhintenim Sendungsablauf. Über die Menschen, die aus der EU abgeschoben werden, darüber, dass die Türkei sie unter anderem nachAfghanistanund sogar Syrien zurückschicken soll,370 und darüber, wie die Türkei mit den Flüchtenden in ihrem Land umgeht,371 wird nicht oder nur wenig berichtet. Das Thema rückt in den Hintergrund - der Eindruck entsteht, die „Krise" sei bewältigt.
Die Problemdefinition: Die Türkei und Griechenland sorgen dafür, dass Flüchtende wieder aus der EU gebracht werden, sodass sich in Deutschland die Lage entspannen kann. Die Abmachung ist zwar undurchsichtig und umstritten, aber mit ihr wird die Krise bewältigt. Verantwortliche für den reibungslosen und ,richtigen' Ablauf sind die Türkei und Griechenland, der Rest Europas scheint nicht mehr viel damit zu tun zu haben. Die Bewertung ist positiv. Die Lösung beziehungsweise der implizierte Handlungsaufruf: Deutschland kann sich wieder auf die Flüchtenden imLandkonzentrieren und dafür sorgen, dass es ihnen gut geht.
Verstärkt wird der Bewältigungs-Eindruck auch durch den Schicksals-Frame, der über gesunkene Boote von Flüchtenden berichtet, als seien sie eineArtNaturkatastrophe, an der niemand Schuld hat: „Hinweise auf eine weitere Flüchtlingstragödie auf dem Mittelmeer verdichten sich"372, „Im Mittelmeer soll es [...] eine erneute Flüchtlingskatastrophe gegeben haben"373, „Über die jüngste Flüchtlingstragödie im Mittelmeer werden immer mehr Details bekannt"374, „die ganze Flüchtlingstragödie kommt ans Licht"375. Die Begriffe „Tragödie" und „Katastrophe" suggerieren eine Art Grundlosigkeit, eine Willkürlichkeit des Geschehens. Dass Menschen mit Booten über das Mittelmeer versuchen nach Europa zu kommen und dabei ertrinken, wird abgetan als schlimmes Ereignis, für das aber Europa nichts kann, die Schlussfolgerung: „das mit der Abschreckung, das scheint Grenzen zu haben"376 - beziehungsweise: Kommen Menschen trotzdem nach Europa, jetzt, wo das Abkommen mit der Türkei eindeutig eine „abschreckende" Wirkung auf sie haben soll, ,dann kann man halt nichts machen'. West-Europa beziehungsweise Deutschland legt die Hände in den Schoß und bedauert die Unbelehrbarkeit der Menschen, die fliehen.
Die Problemdefinition: Trotz all der Anstrengungen und Grenzschließungen versuchen Menschen weiter, nach Europa zu kommen und begeben sich dabei in Lebensgefahr, und ,wir' können nichts dagegen tun. Schuldige sind einerseits „Schleuser", deren Boote und Schiffe zu zerstören schon im September als „erlaubt" und mögliche Maßnahme gegen Flucht festgestellt wurde,377 die Länder, Regierungen und Kriegsparteien, wegen denen geflohen wird, und letzten Endes auch die Menschen selbst, die sich nicht belehren lassen. Die Bewertung ist neutral bis negativ - es sind schreckliche Tatsachen, die beschrieben werden, aber die Reaktion darauf ist innerhalb dieses Frames eine gleichgültige. Die Lösung: „Schlepperbanden [...] bekämpfen und einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen aus Nordafrika nach Europa [...] verhindern" und Vorhaben wie „eine Stabilisierung der politischen Lage in Libyen".378
3.4.Fazit
Verglichen mit Ausschnitten aus der Print- und Onlineberichterstattung derselben Zeiträume stellte sich bei den Untersuchungen der ausgewählten Sendungen heraus, dass alle drei Formate, Tagesschau, Tagesthemen und Heute-Journal, zwar moderat und offenbar merklich überlegt mit demMediumder Sprache umgehen, jedoch häufig nur oberflächlich. Tauchen beispielsweise in den untersuchten Tagesschau- und Tagesthemen-Sendungen Begriffe wie „Flüchtlingswelle" und „Flüchtlingsstrom" nicht auf, werden trotzdem viele der die politische Debatte dominierendenFrames,wie beispielsweise der Massen-Frame und der Helfernation-Frame, übernommen. Zwar verzichten die Autoren der Sendungen auf die beiden oben genannten Begriffe, bedienen jedoch trotzdem innerhalb des Massen-Frames die Wasser-Metaphorik über andere Wörter und rhetorische Elemente. Gleichzeitig finden sich in den untersuchten Berichten des Heute-Journals nicht einmal der Begriff „Flüchtlingskrise", dafür jedoch demgegenüber die Worte „Flüchtlingsstrom", „Flüchtlingswelle" und andere verwandte Begriffe, die das Thema in den Massen- beziehungsweise Wasser-Frame stellen. Besonders deutlich war das verengteFramingder untersuchten Sendungen bezüglich des Helfernation-Frames: Hier trugen fast alle Berichterstattungen dazu bei, Europa und die Welt als zweigeteilt zu betrachten, und Deutschland, beziehungsweise den „solidarischen" Teil Europas als „gut" und den Rest der Welt zumindest als „zweifelhaft".
Könnte der Empathie-Frame nach Nadine Bilkes Ausführungen wichtiger Bestandteil eines friedensfördernden Journalismus sein, so ist er in den untersuchten Berichterstattungen jedoch häufig zu eng: Sicherlich hat die entsprechende Nutzung dieses Frames auch mitunter zu der großen Hilfsbereitschaft Freiwilliger in vielen europäischen Ländern und in diesem Fall auch in Deutschland geführt, doch unterstrich er in der Art seiner Nutzung oft auch das dualistische, die eigene moralische Überlegenheit unterstreichende Denken, das auch der Helfernation-Frame bestärkt. So kann die Berichterstattung über die Zustände in Ungarn unter anderem über die fast ausschließliche und sehr dominante Nutzung des Empathie-Frames als tendenziös bezeichnet werden. Das Verhalten Viktor Orbans wird hiermit nicht entschuldigt. Doch müssten innerhalb eines friedensfördernden Journalismus im Sinne Nadine Bilkes auch seine Beweggründe und die Situation aus seiner Sicht beschrieben werden, wie auch der Entschluss zur Grenzkontrolle durch Bayern oder Italien. Auch ein Viktor Orban müsste zu Wort kommen und sein Handeln begründen können, wie auch ein dänischer Polizeibeamter oder indirekt die griechische Regierung, damit Verhandlungen wie beispielsweise jene in Brüssel zwischen Orban und den drei EU-Präsidenten unvoreingenommen stattfinden können. Grundsätzlich müsste der Empathie-Frame häufiger in einer vergleichbaren Form wie derjenigen der Geschichten über den syrischen Jungen Nihat und die Familie Bashar in Deutschland Vorkommen, die auf potenzielle zukünftige Probleme und Konflikte aufmerksam machen, und nicht, um das ohnehin verurteilte Verhalten eines EU-Mitglieds als noch verurteilungswürdiger darzustellen.
In Bezug auf konfliktsensitives Berichterstatten ist besonders der Massen-Frame problematisch: Alle diesen Frame bedienenden Begriffe anonymisieren die einzelnen Menschen, die sich auf der Flucht befinden, das ist aber nicht das Hauptproblem. Viel bedeutender ist wohl die Abwehrhaltung, die dieser Frame beim Betrachter auslöst: Beispielsweise ist „den Flüchtlingsandrang bremsen" die Beschreibung einer Handlung, die innerhalb dieser Definition aus einer Angriffssituation hervorgeht, „bremsen" ist eine verteidigende, eine schützende Handlung. Die „Masse", die auf den Betrachter zukommt, löst eine verteidigende Handlung - in diesem Falle eines Bundeslands (Bayern) - aus. Vielfach wird die „Masse" zudem als willensstark, schier nicht aufzuhalten und unkontrollierbar dargestellt, als rebellisch und gewaltbereit. Kombiniert mit dem Krisen-Frame, der auf den MassenFrame zurückgeht - einzelne Menschen, Gesichter, Namen sind keine „Krise" -, ist die Schlussfolgerung unweigerlich eine negative, ein Gefühl des ,Überrollt-Werdens': Der Betrachter ist passiv, ein Opfer, sieht eine Bedrohung nahen und hört immer wieder den Begriff „Krise", bekommt auch über andere Begriffe und Rhetoriken innerhalb der Frames der Berichterstattung suggeriert, dass Deutschland tatsächlich in einer „Krise" stecke, von der er unmittelbar betroffen sein wird.
Wie wenigrichtigzudem der Eindruck von der suggerierten Größe der „Masse" ist, wird deutlich, wenn man die Gesamtzahl der nach Europa gereisten Menschen vergleicht mit der Einwohnerzahl ganz Europas: Laut einer Statistik der Europäischen Kommission379 stellten in der Zeit von Januar bis Dezember insgesamt 1.321.050 Menschen in der EU einen Asylantrag. Im Jahr 2015 lebten in der Europäischen Union laut Statista rund 508 Millionen Menschen,380 in Deutschland 81 Millionen.381 Selbst wenn man die im Zeitraum von Januar bis August 2016 gestellten 510.685 Asylanträge hinzurechnet, bleiben eineinhalb bis knapp zwei Millionen Menschen ein verschwindend geringer Anteil an der Gesamtbevölkerung - entweder von 0,36 (bezogen auf die ganze EU) oder von 2,26 Prozent (bezogen nur auf Deutschland). Mit diesem Frame emanzipierte sich die untersuchte Berichterstattung nicht, wie Bilke es formuliert, „von der dominanten Konfliktdarstellung der eigenen Regierung",382 sondern unterstrich sie sogar noch. Gleiches gilt bei der Verwendung des FestungsFrames, mit dem Zusatz, dass dieser Frame alles andere als „gewaltfreie Lösungsmöglichkeiten"383 offenbart: Grenzkontrollen, die Grenzen gar schließen, „Abschreckung" über ein Abkommen wie das mit der Türkei oder die Boote von „Schleppern" und „Schleusern" zu zerstören sind gewaltvolle Lösungen und alles andere als kreativ. Eine kreative Lösung bezüglich der „Verteilung" der bereits in Europa angekommenen Geflüchteten schlägt Tina Hassel in einem Kommentar vor:
Vielleicht aber müssen wir neu definieren, wie [Solidarität] zu erreichen ist. Über feste Quoten, die Flüchtlinge in Länder zwingen, die unwillig und unfähig sind sie zu integrieren, oder mit kreativeren Wegen, mit einem großen solidarischen Topf, der die Länder belohnt, die bereit sind, mehr Fremde in ihrer Gesellschaft aufzunehmen.384
Die politischen Lösungsvorschläge innerhalb des Festungs-Frames bleiben jedoch unreflektiert. „Fluchtursachen bekämpfen" ist zwar kreativer als das Schließen aller Grenzen, dennoch ist es an dieser Stelle nicht die Lösung des Problems, für das im September 2015 eine Lösung gesucht wurde - denn da waren schon viele Menschen unterwegs nach und in Europa.
Schlussendlich bieten sowohl der Bewältigungs- als auch der Schicksals-Frame ebenfalls keine weiteren Lösungen an - sie etablieren sozusagen das schulterzuckende Akzeptieren der Lösungs- Losigkeit. In dem Sprechen über das Gefundenhaben einer umstrittenen und laut Menschenrechtsorganisationen menschenrechtsverletzenden Lösung, die zwar für Deutschland als angenehm empfundene Folgen hat, jedoch mit den ethisch falschen Mitteln herbeigeführt wird, zeigt sich über diese beiden Frames eine Resignation des hier untersuchten Journalismus. Handelte Ungarn noch verurteilungswürdig, wurde entsprechend tendenziös berichtet. Doch jetzt ist es Europa selbst, das fragwürdig handelt, und zwar der Teil Europas, der mittels des Helfernation-Frames zuvor stets als der „gute" Teil dargestellt wurde - und die einzige Möglichkeit, die bleibt, scheint zu sein, mittels des Bewältigungs-Frames die für Deutschland positiven Folgen, die Reibungslosigkeit der Abschiebungen und das Ankommen der ersten Syrien-Flüchtenden aus der Türkei zu dokumentieren. Alles Schlechte, was mit der vorangegangenen Politik befeuert wurde und in der Folge zu erneuten Versuchen führte, das Mittelmeer zu überqueren, wird als „schicksalhaft" abgetan.
Natürlich könnte Journalismus darauf aufmerksam machen. Journalismus könnte über die Umstände des Türkei-Abkommens berichten, und über die Folgen der Grenzschließungen in Europa. Dafür müssten aber Tagesschau, Tagesthemen und Heute-Journal die Linie der eigenen Regierung kritisieren, und zwar scharf. Das würde implizieren, sich von der Vorstellung der eigenen moralischen Überlegenheit lösen zu müssen.
4.Abschluss:Framingund Konfliktsensitivität
Die in dieser Arbeit untersuchten Ergebnisse sind nicht repräsentativ für die gesamte „Flüchtlings"- Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Auch die Frames, die herausgefiltert wurden, können in ihrer Analyse beeinflusst worden sein durch subjektive Assoziationen und Annahmen, auch wenn das stets zu vermeiden versucht wurde, um keine sogenannten „Forscher-Frames"385 in die Ausführungen einfließen zu lassen. Die Frage, die sich nun an die Ergebnisse dieser Arbeit anschließt, ist die, ob so etwas wie ein „konfliktsensitivesFraming"überhaupt möglich ist.
Wie Jörg Matthes beschreibt, sind Frames immer selektiv, indem sie einen bestimmten Teilaspekt eines Themas hervorheben und betonen,386 sind aber gleichzeitig „funktional notwendige Bedingungen und Begleiterscheinungen von Kommunikation".387 Genauso schreibt Elisabeth Wehling: „Fakten ohne Frames sind bedeutungslos"388, Frames vermeiden und rein faktenorientiert berichten zu wollen sei „absurd", denn Fakten könnten „nicht ohne Frames vermittelt werden".389 Abstrakte Ideen würden durch Metaphern und Frames erst „'denkbar' gemacht"390 - und Ideen, über die nicht geredet werde, hätten „keine Überlebenschance in der Demokratie".391 Frames ermöglichen also erst das Verstehen und Interpretieren von Fakten, und die (flächendeckende) Verwendung von bestimmten Frames in der Berichterstattung hat damit einen unmittelbaren Einfluss auf die Meinungsbildung und damit auf die Demokratie. Frames werden zum größten Teil über die hier untersuchten Aspekte von Sprache erzeugt, über die Struktur teilweise, vor allem aber über die Rhetorik und das Vokabular.
Betrachtet man einen Frame in seiner Selektivität wie einen vollständigen Bericht zu einem Thema - der meist genauso selektiv und Teilaspekte hervorhebend funktioniert -, können auf Frames die gleichen von Bilke formulierten Qualitätskriterien angewendet werden. So könnte jeder Frame zunächst hinsichtlich der beiden folgenden Fragen geprüft werden, die Bilke als Leitfragen für Journalisten formuliert hat:
- Welche Werte transportiere ich?
- Wie stelle ich Gewalt dar?392
Beziehungsweise: Welche Werte transportiert der Frame? Und wie stellt er Gewalt dar? Wird beispielsweise innerhalb des Empathie-Frames Gewalt als Gewalt an einzelnen Menschen deutlich gemacht und als schlimm verurteilt, kann strukturelle (und auch potenzielle direkte) Gewalt innerhalb des Massen-Frames leicht legitimiert werden („Andrang stoppen", „Flüchtlingsstrom bremsen", „Grenzen kontrollieren", „Schiffe von Schleusern zerstören", Menschen, die Europa schon erreicht haben, wieder in die Türkei „zurückführen"). Innerhalb des Helfernation-Frames wird Gewalt, die die USA in Syrien ausführt, oder auch ein potenzieller militärischer Einsatz Deutschlands in Syrien, legitimiert und verharmlost („Luftschläge", „Luftangriffe fliegen", „Bodentruppen" - aber keine „westlichen"), wohingegen die Gewalt anderer Parteien verurteilt wird.
Gleichzeitig transportieren beispielsweise der Festungs- und der Krisen-Frame sehr konservative Werte bezüglich des Bildes von Europa und fest zugeschriebenen Rollen und Grenzen verschiedener Länder und Kulturen, es dominiert der Wunsch der Beibehaltung des Traditionellen („Grenzen schützen/sichern", „es kommen eben auch viele, die suchen Arbeit oder wollen ein besseres Leben, dafür habe ich großes Verständnis, aber wir können die nicht alle auch aufnehmen"393 ), der Ordnung („die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen"394 ), Disziplin („Kroatien, dem die Puste ausgegangen ist, das in die Knie gegangen ist"395 ) und Effizienz („Wir brauchen Tempo. Nicht nur gute Vorschläge sondern die Umsetzung guter Vorschläge"396 ).
„Welche Sprecherinnen auftauchen, entscheidet darüber, wessen Deutungsmuster dargestellt werden", schreibt Bilke,397 und wirft damit die Frage auf, ob in einem Beitrag ,gesagt gleich gesagt' ist, egal von wem - wie es hier in der Arbeit auch gedacht wurde. Diese Ansicht ist natürlich anfechtbar: Soll man einen Politiker, der von „Luftschlägen" spricht oder von „Flüchtlingswelle", besser gar nicht zu Wort kommen lassen? Entsprechend der Ausführungen Wehlings, Lakoffs und auch Scheufeles tragen Politiker mit ihren Aussagen zur Etablierung von Frames bei, besonders in Zeiten, in denen „Akteure um Deutungshoheit kämpfen"398 - je häufiger also Politiker ausführlich selbst zu Wort kommen und sich innerhalb des politischen Diskurses ihrer eigenen Weltanschauung entsprechend sprachlich ausdrücken, desto wahrscheinlicher ist es, dass die verwendeten Frames konsistent werden, wenn sie denn neben der häufigen Wiederholung im Frame-Wettstreit dominieren, stark und glaubwürdig sind.399 Daher müsste im Sinne eines „konfliktsensitivenFramings"darauf geachtet werden, dass kein bezüglich seiner Werte- und Gewalt-Darstellung fragwürdiger Frame die Berichterstattung dominiert. Fehlt in der politischen Debatte ein „FrameWettstreit", in dem einem solchen Frame andere Frames gegenübergestellt werden, müsste - konfliktsensitiv gedacht - darauf geachtet werden, den Frame nicht selbst zu übernehmen und ihm stattdessen andere Frames als Interpretations-Alternativen gegenüberzustellen. So könnte einem Frame, der einen Konflikt ,schwarzweiß' darstellt und deutlich in „Freund- und Feindbilder"400 selektiert, ein Frame gegenübergestellt werden, der Deutungsrahmen anderer Konfliktparteien transportiert - und somit eine multiperspektivische Berichterstattung stärken.„Dieempirisch belegte Ereignisfixierung [...] überwinden"401 könnten Frames somit ebenfalls, indem sie bei der Darstellung einer jeden politischen Entscheidung oder eines jeden verabschiedeten GesetzentwurfsdieDarstellung der Hintergründe, Inhalte und Folgen nicht allein aus Sicht der (entsprechend auch mit ihrenFramesdie Debatte bestimmenden) Politiker vornimmt, sondern eine allgemeinere und friedensorientierte Perspektive einnimmt.
Frames können konfliktsensitiv sein. Innerhalb eines friedensorientierten und konfliktsensitiven Journalismus müssten sich Journalisten der potenziellen Folgen der in einer Berichterstattung verwendeten Frames bewusst werden. Dabei reicht es nicht, auf Einzelwörter zu verzichten, denn sie sind meist nur wenige Schlagwörter unter vielen rhetorischen anderen Möglichkeiten, vor allem innerhalb der etablierten journalistischen Redewendungen und Floskeln,402 die einen menschenverachtenden, konservativen oder Gewalt rechtfertigenden Frame öffnen. In einer globalen Welt, in der Menschen zunehmend über das Leben, die Konditionen und Annahmen anderer Menschen Bescheid wissen,403 sind für Bilke die Bezugspunkte für einen internationalen Wertekonsens klar - und sollen an dieserStellesomit als wichtigste Bezugspunkte eines „konfliktsensitivenFramings"verstanden werden: „Demokratie und Menschenrechte", verbunden mit der „Vision für weltweite Solidarität".404
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6.Anhang
6.1.Tabellarische Übersicht über die Frames
6.2.Mitschriften der gesehenen Sendungen mit Stichpunkten, Links und einer Übersicht der dominierenden Frames
6.3.Transkripte und Analysen der Tagesschau-Sendungen vom 2.9.2015, 3.9.2015, 9.9.2015, 24.9.2015 und 4.4.2016, Transkripte und Analysen der TagesthemenSendungen vom 3.9.2015, 24.9.2015 und 4.4.2016, Transkripte und Analysen der Sendungen des ZDF-Heute-Journals vom 18.9.2015, 28.9.2015 und 10.4.2016.
6.1.Tabellarische Übersicht über die Frames
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6.2.Mitschriften der gesehenen Sendungen mit Stichpunkten, Links und einer Übersicht der dominierenden Frames
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Welle, Strom, Andrang:
http://www.tagesschau.de/ausland/tusk-153.html
http://www.tagesschau.de/ausland/lampedusa222.html
http://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlingsansturm-melilla100.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-9547.html(7.8.15)
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-3999.html(4.10.15)
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-3883.html(11.8.15)
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Aktuell:
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ZDF-Heute-Journal
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Tagesthemen
6.3.Transkripte und Analysen
2.9.201520 Uhr Tagesschau
Themen der Sendung: Tausende Menschen protestieren gegen ungarische Flüchtlingspolitik, Lage am Münchner Hauptbahnhof entspannt sich, Grenzkontrollen am Brennerpass, Mehrere Tausend Flüchtlinge erreichen griechisches Festland, Diskussion über Gesundheitskarte für Flüchtlinge, Innenausschuss des Bundestages berät über Flüchtlingspolitik, Tarifverhandlungen zwischen Piloten und Lufthansa-Konzern gescheitert, Rebellenführer aus dem Kongo vor Internationalem Strafgerichtshof, Filmfestspiele in Venedig eröffnet, Los Angeles bewirbt sich für Olympische Sommerspiele 2024, Astronauten aus Kasachstan, Russland und Dänemark starten zur ISS, Die Lottozahlen, Das Wetter
Jan Hofer
Ungarn setzt in der Flüchtlingspolitik weiter auf einen harten Kurs. Tausende Menschen wurden heute erneut daran gehindert, per Bahn Richtung Österreich oder Deutschland weiterzureisen. Am Montag hatte die Regierung noch kurzzeitig Züge freigegeben. Flüchtlinge, die seit Tagen unter freiem Himmel in Budapest ausharren, reagierten mit verzweifelten Protesten.
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- Am Münchener Hauptbahnhof hat sich die Lage entspannt. Heute kamen nur noch etwa 150 Flüchtlinge mit Zügen aus Richtung Ungarn an. Es herrscht normaler Reiseverkehr. Die Helfer bemühen sich nun, die gespendeten Lebensmittel dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden: in die Flüchtlingsunterkünfte.
Bayern setzt auch auf Grenzkontrollen, um den Flüchtlingsandrang zu bremsen. Italien kommt einer Bitte aus München nach und will am Brenner für eine begrenzte Zeit die Übergänge zu Österreich wieder überwachen. Außerdem erklärte sich die Provinzregierung von Südtirol bereit, Bayern bei der Flüchtlingsunterbringung zu helfen, und bis zu 400 Schutzsuchenden vorübergehend eine Bleibe zu geben.
Unterdessen treffen täglich Hunderte weiterer Flüchtlinge in Griechenland ein. Viele kommen über die kleinen Inseln, die mit der Registrierung und Versorgung völlig überfordert sind. Mehrere Tausend Flüchtlinge wurden jetzt mit Fähren von Lesbos nach Athen gebracht. Von Griechenland aus geht es oft weiter über die Westbalkan-Route. Sie führt vom griechischen Festland über Mazedonien und Serbien weiter nach Ungarn.
- Gegen fünf Uhr erreicht die Fähre den Iselos Piraeus. Die rund 2500 Flüchtlinge kommen von Lesbos oder Kos und sind müde aber glücklich, erst einmal auf griechischem Festland angekommen zu sein, die meisten von ihnen sind Syrer, Afghanen oder aus dem Irak. „Sie können sich kaum vorstellen, wie gefährlich die Reise ist, jede Etappe ist gefährlicher als die vorherige." „Es ist schlimm und gefährlich, Leute töten oder verprügeln andere für die Papiere ... Wir aber haben überlebt." Schnell geht die Reise weiter, nächste Station: Mazedonien. Auf Lesbos herrschen noch immer chaotische Zustände, 35 Grad, nichts zu essen, nichts zu trinken, die Lage ist angespannt, täglich kommen Flüchtlinge hier an, zu viele für die Plätze in den Flüchtlingscamps. Christina Kitidi von der Flüchtlingsorganisation der vereinten Nationen fordert eine bessere Ausstattung auf den Inseln. „Die Bedürfnisse sind groß, die Registrierung und Aufnahme auf den griechischen Inseln muss verbessert werden ... Flüchtlinge müssen viel schneller registriert werden." Das Kabinett beschloss heute, dass zuständige Behörden in Koordinierungszentren besser zusammenarbeiten sollen, die Gesundheitsversorgung müsse verbessert, die Registrierung beschleunigt werden: „Wenn die EU nicht schnell handelt und die Flüchtlinge aufnimmt, wenn das Problem nicht auf internationaler Ebene gelöst wird, müssen wir darüber reden, was zu tun ist, noch Schlimmeres zu verhindern." (Yannis Mouzalas (stellv. Minister für Migration Griechenland)) An der türkischen Küste wurden die Leichen von sieben Syrern geborgen, darunter Kinder, ihr Boot mit insgesamt 16 Insassen kenterte. Vier wurden gerettet, die übrigen werden noch vermisst.
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Flüchtlinge, die in Deutschland eintreffen, brauchen oft auch medizinische Hilfe. Bisher ist das in vielen Bundesländern relativ aufwendig geregelt. Asylbewerber müssen Arztbesuche einzeln bei den Behörden beantragen ... Einige Länder haben aber bereits einfachere Verfahren eingeführt. In Hamburg beispielsweise bekommen Asylbewerber eine Gesundheitskarte, mit der sie direkt zu einem Arzt gehen können. Dieses Modell gewinnt immer mehr Anhänger.
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- (Beitrag) (Gesundheitsminister Gröhe, machte deutlich) „Die Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge gehen nicht zu Lasten der Versicherten. Bei der bundesweiten Einführung einer Gesundheitskarte zögert er aber noch. „Ob eine weitere bundesrechtliche Klarstellung beispielsweise die Krankenkassen verpflichten muss, einen Vertrag abzuschließen, wird sich noch zeigen [schwer verständlich]".
Um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen, hat der Bundesinnenminister Demaiziere ein Bündel an Gesetzesvorschlägen erarbeitet. Er stellte heute in einer Sondersitzung des Innenausschusses einige seiner Initiativen vor. So sollen baurechtliche Vorschriften geändert werden, um schnell mehr Flüchtlingsunterkünfte schaffen zu können. Außerdem will D. die Asylverfahren beschleunigen und den Flüchtlingen mehr Sach- als Geldleistungen zukommen lassen. Der Bundestag soll die Gesetzentwürfe möglichst schon im nächsten Monat verabschieden.
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- Der Innenminister spricht im Ausschuss von einer nationalen Aufgabe, in aller Eile soll nun ein Gesetzpaket geschnürt werden, auch damit möglichst viele Flüchtlinge kurz vor Wintereinbruch aus den provisorischen eingerichteten Zeltunterkünften umziehen können (Demaiziere: „Bei Bauvorschriften etc. können wir uns Zeitverzug nicht leisten.") Die Bundesregierung plant gleich mehrfach das Grundgesetz zu ändern. Die für die Flüchtlingsbetreuung zuständigen Kommunen sollen dann direkt vom Bund unterstützt werden, ohne Umweg über die Länder, dies ist bisher verboten. (...)
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Auch die Schulen in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen, denn sie müssen viele Flüchtlingskinder aufnehmen. Mehr dazu finden Sie auf Tagesschau.de.
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3.9. 20 Uhr Tagesschau
Susanne Daubner
Themen der Sendung: Ungarn stoppt Zug mit Flüchtlingen, Ungarischer Präsident Orban in Brüssel, Parteien positionieren sich zur Flüchtlingspolitik, UN zu Syrien, Mutmaßliche Schleuser festgenommen, Militärparade in Peking, Oberbürgermeister-Wahl in Köln verschoben, VW-Spitze einigt sich auf neuen Aufsichtsratschef, IFA-Eröffnung in Berlin, 6. Deutscher Radiopreis in Hamburg, Das Wetter
Ungarn setzt im Umgang mit den Flüchtlingen weiter auf eine harte Linie. Die Polizei versuchte heute nahe Budapest einen Zug mit Flüchtlingen zu räumen und diese in ein Aufnahmelager zu bringen. Die meisten der Menschen waren von Griechenland über Mazedonien und Serbien nach Ungarn gekommen. Von dort wollten sie über Österreich nach Deutschland weiter. Bei Bicske stoppte die Polizei den Zug.
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- Es sind solche Bilder, die die Regierung in Budapest fürchtet: Flüchtlinge, die sich auf die Gleise werfen und mit ungarischen Polizisten ringen. Szenen vor dem Bahnhof in B., einem Vorort von Budapest. Aus schierer Verzweiflung blockiert diese Familie die Schienen, demonstrativ vor laufenden Kameras. Denn anders als angekündigt werden die Züge von Budapest Richtung Österreich am Mittag in B. angehalten, die Flüchtlinge dürfen nicht weiter. „Sie haben uns gesagt, wir fahren nach Österreich, wir haben doch Tickets dafür." Die ungarische Polizei versucht, die Menschen aus den Zügen zu drängen und in einem nahen Erstaufnahmelager zu registrieren, doch viele weigern sich. „No Camp" - „nicht ins Lager" - skandieren sie stundenlang. Flüchtlinge verschanzen sich in den Waggons, ungarische Polizisten belagern seitdem die Züge, warten darauf, dass die 200 Menschen aufgeben. Der Tag begann zunächst mit einer Wende in der ungarischen Flüchtlingspolitik, nach tagelangen Protesten vor dem Budapester Ostbahnhof durften sie auf die Bahnsteige und in die Regionalzüge zur österreichischen Grenze steigen. Chaotische Szenen spielten sich ab, viel zu viele Menschen zwängten sich in die wenigen Züge, Tausende mussten zurückbleiben. Die Nachricht von den gestoppten und belagerten Flüchtlingszügen erreichte am Nachmittag auch die Wartenden am Budapester Ostbahnhof, Verzweiflung macht sich breit, an die 300 Flüchtlinge beginnen mit einem Sitzstreik.
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Der Umgang mit Flüchtlingen droht immer mehr zu einer politischen Zerreißprobe für die EU zu werden. (...) Orban: „Das Problem ist kein europäisches Problem. Das ist ein deutsches Problem. Kein Flüchtling will in Ungarn bleiben, in Polen, der Slowakei oder Estland, die wollen alle nach Deutschland." Aber beim Treffen mit Ratspräsident Donald Tusk betont dieser, dass genau dies für die weniger betroffenen Länder jetzt Pflichten bedeute. (Tusk) „Jene Länder, die nicht direkt von dieser Krise betroffen sind, haben bisher stets die Solidarität der EU gehabt, jetzt müssen sie dieselbe Solidarität beweisen gegenüber denen, die darauf angewiesen sind." Aus Brüsseler Sicht bedeutet das vor allem eine bessere Verteilung der Flüchtlinge. (Martin Schulz): „Wenn Sie 400.000 oder 500.000 Flüchtlinge haben, die nach Europa kommen, und Sie verteilen die unter 507 Millionen Menschen, dann ist das kein Problem. Wenn Sie aber 500.000 konzentrieren auf ganz wenige Länder, dann ist das ein Problem."
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Kommentar (Rolf-Dieter Krause): „Doch so weit denkt die EU nicht. Die Kommission, so heißt es, will jetzt die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen vorschlagen, aber auch dagegen gibt es noch Widerstand auch aus Ungarn. Von dort aus gibt es im Übrigen deutliche Kritik an Deutschland. Die Ankündigung, dass syrische Flüchtlinge bei uns mit ihrer Aufnahme rechnen können, habe dazu geführt, dass sich kein Flüchtling mehr in Ungarn registrieren lassen wolle. Die chaotischen Zustände dort seien auch die Schuld Berlins."
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In Berlin wurden die Vorwürfe aus Ungarn vehement zurückgewiesen. Quer durch die Parteien hieß es, die rasant steigende Zahl von Flüchtlingen sei eine Herausforderung, die die EU und damit alle Mitgliedsstaaten gemeinsam meistern müssten. Zugleich wurde bekannt, dass sich Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande in der Flüchtlingskrise abgestimmt haben, Ergebnis ist eine gemeinsame Initiative, um verbindliche Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen in der EU durchzusetzen, wie Merkel bei einem Besuch in der Schweiz mitteilte.
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- ... „verbindliche Quoten brauchen! - ein Signal an EU-Länder, die sich bisher gegen die Aufnahme von F sperren. CDU und CSU wollen in Zukunft klar unterscheiden zwischen Flüchtlingen aus dem Westbalkan und solchen aus Syrien, beispielsweise. (Gerda Hasselfeldt (stellv. Fraktionsvorsitzende CDU/CSU)) „Es geht auch darum, den Zustrom zu begrenzen, und dazu gehört ganz wesentlich, dass konsequent zurückgeführt wird." Die Union fordert, dass auch Albanien, Montenegro und das Kosovo zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, und schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen soll es nur noch Sachleistungen, kein Bargeld geben. Letzteres findet die SPD falsch (Thomas Oppermann): „Das würde vor allem ganz viel Bürokratie produzieren, wir müssen aber jetzt vor allem Flexibilität haben, einfache Lösungen." Für die Erstaufnahmeeinrichtungen wollen SPD und Union mehr Personal, mehr Räume. Das fordern auch die Grünen. Sie richten auch einen Appell an die EU: „Wir werden dafür kämpfen müssen, dass wir wieder ein solidarisches Europa finden, dass wir Europa de facto neu begründen müssen." (Anton Hofreiter)
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- Kommentar: Wenn Union und SPD am Sonntag beim Koalitionsgipfel ihre gemeinsame Flüchtlingspolitik diskutieren, wird der parteipolitische Streit vermutlich in den Hintergrund treten. In Deutschland stauen sich derzeit eine Viertelmillion unbearbeiteter Asylanträge, gesucht werden deshalb jetzt schnelle und pragmatische Lösungen.
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Zum Umgang der EU mit der Flüchtlingskrise sendet das Erste einen Brennpunkt gleich im Anschluss an diese Tagesschau.
Wenn Sie für Flüchtlinge spenden möchten, können Sie dies tun unter „Stichwort ARD: Hilfe für Flüchtlinge" ...
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Mit einem alarmierenden Bericht rücken die Vereinten Nationen die Situation im Herkunftsland vieler Flüchtlinge wieder in den Blickpunkt. Ein Ende des Krieges in Syrien sei auch nach vier Jahren nicht absehbar,mitdramatischen Folgen für die Bevölkerung. Die Menschen seien Verbrechen von allen Kriegsparteien ausgesetzt. Und die Weltgemeinschaft versage dabei, den Flüchtlingen Schutz zu bieten.
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- Die UN sprechen von Kriegsverbrechen. Die syrische Luftwaffe greife gezielt Marktplätze oder Busbahnhöfe an, die Opfer: Zivilisten, oft Kinder, wie hier in einem Rebellenbeherrschten Vorort von Damaskus. Schwere Vorwürfe, aber nicht nur gegen die Regierung Assad: (Sergio Pinheiro, UN-Untersuchungskommission für Syrien) „Keine der Parteien in diesem Konflikt hält sich an irgendwelche Regeln", klagt der Vorsitzende der UNKommission. Auch die Regierungsgegner töteten Zivilisten, wie hier bei einem Autobombenattentat in Ratakia, und besonders grausam agiert die Terrormiliz IS. Sie massakriert ihre Gegner, hält tausende Frauen als Sexsklavinnen und missbraucht Kinder als Kämpfer und als Henker. Der IS soll auch Giftgas einsetzen. Hier, nördlich von Aleppo, verschoss die Terrormiliz Granaten mit einer chemischen Flüssigkeit. 50 Menschen mussten behandelt werden, Syrien versinkt in Barbarei. „Die Flüchtlinge haben jeden Tag weniger Hoffnung, wieder in ihr Land zurückkehren zu können, Ist es da ein Wunder, dass viele vor dem Chaos davonlaufen?" 250.000 Syrer flohen in den Irak, fast 630.000 nach Jordanien, mehr als eine Million in den Libanon. Mit fast 2 Millionen hat die Türkei die meisten Flüchtlinge aufgenommen. „Beendet diesen Krieg und hört auf, Waffen in diese Region zu schicken", appelliert Pinheiro an die Weltgemeinschaft. Viele Städt in Syrien liegen in Trümmern, wie Kobane, und ein Ende des Kriegs ist nicht in Sicht.
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Im türkischen Bodrum sind vier mutmaßliche Schleuser festgenommen worden. Die Männer, es handelt sich um Syrer, werden für den Tod von mindestens 12 Flüchtlingen verantwortlich gemacht. Auf dem Weg zur griechischen Insel Kos waren gestern zwei Boote vor Bodrum gekentert. Bilder, die eins der Opfer zeigen, lösten weltweit Erschütterung aus: Die Leiche eines dreijährigen syrischen Jungen am Strand von Bodrum. Hochrangige Politiker wie der britische und spanische Regierungschef zeigten sich bewegt und kündigten ein stärkeres Engagement in der Flüchtlingskrise an.
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9.9. 20 Uhr Tagesschau
Themen der Sendung: Flüchtlingskrise: Dänemark stoppt Zugverkehr mit Deutschland, Flüchtlinge durchbrechen Polizeisperre in Ungarn, EU-Kommissionspräsident Juncker zur Flüchtlingskrise, BundLänder-Gespräche zum Thema Flüchtlingshilfe, Flüchtlingskrise prägt Generaldebatte im Bundestag, Gericht stoppt Lufthansa-Pilotenstreik, Unruhen in der Türkei, Basketball-EM: Deutschland verliert gegen Italien, Thronrekord für die Queen, Die Lottozahlen, Das Wetter
Susanne Daubner
Dänemark hat den Zugverkehr mit Deutschland angesichts der Flüchtlingskrise vorerst gestoppt. Damit verwehrt das Land Hunderten Flüchtlingen die Durchreise, die in Schweden Asyl beantragen wollen. Viele von ihnen hatten sich zuvor geweigert, die Züge in Dänemark zu verlassen. Nach Angaben der dänischen Bahn rollen derzeit zwischen Flensburg und Padborg keine Züge mehr, auch auf den Fähren zwischen Puttgarden auf Fehman und Rodby auf Lolland sollen derzeit keine Züge mehr transportiert werden.
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- Raus aus dem Zug und dann nichts wie weg. Einige Männer in Rodby versuchen, vor der dänischen Polizei wegzulaufen. Die hat ihren Zug gestoppt, will die nach Dänemark eingereisten Flüchtlinge kontrollieren. Andere verharren seit der vergangenen Nacht in dem ICE aus Deutschland. „Wir hoffen, dass wir das Problem lösen können und die Menschen dazu bringen können, aus dem Zug auszusteigen" (Sören Raven, Polizei Dänemark), „dann können wir sie registrieren und die Behörden ihre Arbeit machen." In der Nacht hatten erste Flüchtlinge den ICE noch auf der Fähre verlassen, sie wurden mit Bussen weggebracht und registriert. Doch diese Flüchtlinge wollen weiterfahren, das Ziel der meisten lautet Schweden. Nicht nur den Zugtransport auf Fähren hat Dänemark heute gestoppt, auch Fußgänger dürfen derzeit nicht mehr mit. Fußgänger - die sind heute auf der dänischen Autobahn kurz hinter der deutschen Grenze unterwegs. Etwa 300 Flüchtlinge haben eine Erstaufnahmestelle in Dänemark verlassen, sie wollen zu Fuß nach Schweden. „Dieses Land will unsere Fingerabdrücke nehmen, ich verstehe das nicht, ich will nach Schweden, ich kann nicht hierbleiben, ich habe meine Familie dort." Zeitweise musste die Autobahn gesperrt werden, und auch Züge aus Deutschland dürfen nicht nach Padborg fahren, damit keine weiteren Flüchtlinge ins Land kommen. Im Moment ist noch unklar, wann der Bahnverkehr nach Dänemark wieder aufgenommen wird.
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Angespannt bleibt die Situation auch in Ungarn. Dort haben Hunderte Flüchtlinge in der Grenzstadt Röszke eine Polizeisperre durchbrochen, und sich zu Fuß auf den Weg nach Budapest gemacht. Auch sie wollen sich ähnlich wie die Flüchtlinge in Dänemark nicht vor Ort registrieren lassen, weil sie in Ungarn kein Asyl beantragen wollen. Die Zustände in Röszke an der serbischen Grenze sind nach Einschätzungen von Helfern untragbar.
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- Dieser Mann versucht verzweifelt, seine Frau und Kinder mit an Bord dieses Busses zu holen, vergeblich. Er wird alleine in eine der Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht, seine Familie bleibt in dem improvisierten Auffanglager in Röszke nahe der serbischen Grenze zurück. Die Situation in dem Camp ist katastrophal, seit Tagen sitzen viele Flüchtlinge hier fest, überall liegen Müllberge, es gibt kein Wasser und die Nächte unter freiem Himmel sind bitterkalt. Die Menschen sind völlig erschöpft. Am Nachmittag hat sich das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen einen Überblick über die Zustände im Lager gemacht. (Caroline van Buren, Flüchtlingshilfswerk UNHCR) „Es ist sehr chaotisch hier, wir haben die ungarische Regierung aufgefordert, die Menschen so schnell wie möglich wegzubringen." Viele halten es in Röszke nicht aus. Immer wieder durchbrechen sie die Polizeiabsperrung und machen sich zu Fuß auf den Weg durch die Felder entlang der Straßen nach Budapest. Doch weit kommen die meisten nicht. Überall steht Polizei und sorgt dafür, dass die Menschen nicht weiter ins Landesinnereeindringen.Derweil kommen immer mehr Menschen über die serbische Grenze nach Röszke. Ungefähr 1000 Flüchtlinge warten auf den Einbruch der Dunkelheit, und hoffen, dann unbemerkt an den Beamten vorbeizukommen, um in Richtung Norden weiterreisen zu können.
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- Kommentar Ilanit Spinner: Die ungarische Regierung fährt eine harte Linie gegenüber den Flüchtlingen hier im Land. Die klare Botschaft: ihr seid bei uns nicht willkommen. Ab dem 15. September greifen dann neue Gesetze, die drastische Strafen für den illegalen Grenzübertritt vorsehen.
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EU-Kommissionschef Juncker hat die Länder der europäischen Union zu solidarischem Handeln in der Flüchtlingskrise aufgerufen. Es sei eine Frage der Menschlichkeit, den Flüchtlingen zu helfen, sagte Juncker vor dem Europaparlament in Strasbourg. Ungeachtet des Widerstandes osteuropäischer Staaten setzt die EU-Kommission nach wie vor auf die Verteilung der Asylsuchenden in Europa nach Quoten.
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- Wochenlang hatte der Kommissionspräsident an seiner Rede zur Lage der Europäischen Union gefeilt: Jean-Claude Juncker heute Früh im Europaparlament in Strasbourg. Er wollte ein Zeichen setzen für die Flüchtlingspolitik und für die Zukunft der Union. „Wollen wir wirklich, dass Familien im Winter in Bahnhöfen schlafen müssen? In Budapest und anderswo? Nachts in Zelten, in kalten Zelten, und am Strand von Kos?" Juncker erinnerte auch an Jahrhunderte Europäischer Geschichte, in der Menschen verschiedenster Völker in Not gerieten und andere um Aufnahme bitten mussten. Insgesamt 160.000 Flüchtlinge will Juncker schnell auf die Mitgliedsländer verteilen, nach einem festen Schlüssel, jedoch mit Ausnahmen für besonders belastete Länder. „Ich hoffe wirklich, dass dieses Mal jeder an Bord sein wird. Keine Polemik, keine Rhetorik, was wir jetzt brauchen, ist Action."
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- Kommentar Arnim Stauth: Juncker hatte schon im Mai die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen nach einem festen System gefordert, doch die Mitgliedsstaaten hatten ihn auflaufen lassen. Am Montag hat Juncker nun seine zweite Chance in Brüssel, dann entscheiden die Innenminister der EU über die Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlingen nach seinem Plan, ein Erfolg ist dabei aber keineswegs garantiert.
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Was nach Junckers Plan im Detail auf die EU-Länder zukommen würde, können Sie im Netz nachlesen auftagesschau.de.
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Um das Thema Flüchtlinge geht es heute Abend auch bei Beratungen im Kanzleramt. In Berlin sind die Staatskanzleichefs der Länder mit Bundesinnenminister Demaiziere zusammen gekommen. Der Bund will Länder und Kommunen mit drei Milliarden Euro bei der Aufnahme der Flüchtlinge unterstützen. Mehrere Landesregierungen halten das für unzureichend. Entscheidungen sollen aber erst beim Flüchtlingsgipfel am 24. September fallen.
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- Während heute wieder Flüchtlinge in München ankommen und auf die Erstaufnahmeunterkünfte in den Bundesländern verteilt werden, wird in Berlin der Flüchtlingsgipfel vorbereitet. Einen Durchbruch kann der Innenminister nicht verkünden, voll des Lobes ist er aber für Junckers Vorschläge, macht jedoch Druck: „Wir brauchen Tempo. Nicht nur gute Vorschläge sondern die Umsetzung guter Vorschläge. Dazu gehört die Einrichtung der Wartezonen, dazu gehört dann auch die europäische Verteilung." Wie auf deutscher Ebene gehandelt werden muss, darum wurde im Kanzleramt gerungen. Vor allem die SPD-geführten Länder kritisieren das vom Bund vorgelegte Paket. Die geplanten drei Milliarden Euro für Länder und Kommunen seien zu wenig, und ein weiterer Knackpunkt: (Stephan Weil, SPD, Ministerpräsident Niedersachsen) „Beschleunigung der Asylverfahren, das ist wirklich der Dreh- und Angelpunkt derzeit, denn in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen in den Ländern, da haben wir wirklich eine in vielen Fällen wirklich unerträgliche Situation, und die hängt insbesondere auch damit zusammen, dass die Asylverfahren viel zu schleppend verlaufen." Da müsse der Bund deutlich nachsteuern. Auch die unionsgeführten Bundesländer drängen zur Eile. (Reiner Haseloff, CDU, Ministerpräsident Sachsen-Anhalt) „Wichtig ist, das sofort gehandelt wird, und dass schon vor dem Gesetzgebungsverfahren der Bund mit einsteigt, mit Kapazitäten, Ressourcen, das heißt also Personalverstärkung in den entsprechenden Aufnahmestellen, schnelle Entscheidungen und vor allen Dingen auch Kapazitäten, wo die Bundeswehr zum Beispiel bei der Unterbringung von Flüchtlingen [Satz bricht ab, unverständlich]". Zur Stunde sitzen die Ministerpräsidenten im Bundesrat zusammen. Der Wille zur Einigung ist da, denn der Druck ist enorm. In BadenWürttemberg etwa konnten heute am Nachmittag vorübergehend keine Flüchtlinge mehr aufgenommen werden, da sämtliche verfügbaren Plätze belegt waren.
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Die Flüchtlingspolitik hat heute auch die Haushaltsberatungen im Bundestag geprägt. In der Generaldebatte forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel, Deutschland müsse vorangehen, um eine Lösung in Europa zu erreichen. Sie rief zu einer schnellen Integration der Flüchtlinge auf. Man müsse aus der Erfahrung mit den Gastarbeitern lernen. Die Opposition hielt dagegen, die Regierung handle zu langsam und tue nicht genug gegen Fluchtursachen.
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- Der Oppositionsführer erklärt der Regierung die Welt, und die Bundeskanzlerin reagiert betont desinteressiert. Die Rollen sind eingeübt in so einer Generaldebatte, die Kritik der Linkspartei: Die Regierung tut zu wenig, um Kriege als Fluchtursache in der Welt zu vermeiden. (Gregor Gysi) „Krieg muss überwunden werden, wenn man ernsthaft will, dass Menschen diesbezüglich nicht gezwungen werden zu fliehen. Deutschland ist aber der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, verdient an jedem Krieg." Doch Angela Merkel wäre nicht Angela Merkel, wenn sie auf solche Einwürfe eingehen würde. Längst hat sie die Flüchtlingshilfe zur neuen nationalen Aufgabe ausgerufen, dem sollen sich jetzt alle anschließen. (Angela Merkel) „Wir brauchen uns auch nicht gegenseitig die Schuld zuzuschieben, wer dies und jenes noch nicht gemacht hat, sondern wir müssen jetzt einfach anpacken, alle konkreten Hindernisse aus dem Weg räumen, um den Menschen, die zu uns kommen, zu helfen, und ein friedliches Zusammenleben in unserem Land zu gewährleisten." Die Grünen fordern konkrete Finanzhilfen für die Kommunen, einen Festbetrag pro betreutem Flüchtling will die Fraktionschefin, und kritisiert die Regierung als zu abwartend: (Katrin Göring-Eckardt) „Die Frage, wie sieht Deutschland eigentlich in zwanzig Jahren aus, was macht unsere Identität dann aus, darum muss es jetzt gehen, und nicht darum, zu verwalten und zu merken." Die Sozialdemokraten nutzen die Debatte für eine in der Koalition umstrittene Idee, Zuwanderung nach Deutschland solle grundsätzlich per Gesetz festgeschrieben werden: (Thomas Oppermann) „Ein Einwanderungsgesetz, mit dem wir die Nachfrage nach gutausgebildeten Arbeitnehmern steuern können." Aber wie das so ist bei Generaldebatten: die Bundeskanzlerin mag nicht auf jeden Vorschlag eingehen, sucht sich im Zweifel eine kleine Ablenkung."
24.9.
20 Uhr Tagesschau
Themen der Sendung: Mehr als 700 Pilger sterben bei Massenpanik in Mekka, Porsche-Chef Müller soll neuer VW-Vorstandschef werden, Berliner und Brüsseler Sondergipfel zur Flüchtlingshilfe, Soziogramm zu Flüchtlingen in Deutschland, Merkel spricht sich für direkte Gespräche mit Assad aus, Papst mahnt Menschenrechte vor dem US-Kongress an, Pumuckl-Erfinderin Ellis Kaut ist gestorben, Das Wetter
Thorsten Schröder
Ab 00:04:28
Vertreter von Bund und Ländern beraten zur Stunde im Kanzleramt über die Flüchtlingspolitik und die Verteilung der Kosten. Wie verlautete, will der Bund seine Hilfen für die Länder noch einmal aufstocken. Zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel beschlossen, eine Milliarde Euro für die Versorgung von Flüchtlingen außerhalb Europas bereitzustellen. Außerdem sollen bis November sogenannte Hotspots eingerichtet werden, um Flüchtlinge bereits in Italien und Griechenland zu registrieren. Kanzlerin Merkel erklärte in Berlin, die Brüsseler Beschlüsse seien nur ein erster Schritt. Sie forderte eine nationale, europäische und globale Kraftanstrengung.
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- (Beitrag: Michael Stempfle) Ministerpräsidenten unterschiedlicher Parteien. Beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt sind sie sich zumindest bei einer zentralen Frage völlig einig: der Bund soll ihnen mehr Geld geben, um die Flüchtlingskrise zu meistern. Bundesfinanzminister Schäuble hatte den Ländern zwar vorab eine Aufstockung angeboten, in Vorgesprächen aber noch keine Zustimmung der Länder bekommen. (Stephan Weil, SPD; Ministerpräsident Niedersachsen) „Wir reden über ein dynamisches System, das heißt, wenn wir mehr Flüchtlinge haben, dann muss der Bund auch mehr Geld bezahlen, und bei alldem sind wir noch nicht so weit, dass wir wirklich einig wären." Zuspruch für Innenminister Demaiziere. Auch auf ihm lastet Druck, er braucht das Einverständnis der Länder für neue Asylregelungen, die schon kommende Woche vom Kabinett abgesegnet werden sollen. Die umstrittenen Punkte: Sachleistungen statt Geld für Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen, Leistungskürzungen für abgelehnte Asylbewerber, und die Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten (Bild von Menschenmasse an einem Bahnhof, die auf die Kamera zukommt). Ob es da noch Änderungswünsche bei den Grünregierten Ländern gibt? (Winfried Kretschmann, Bündnis90/Die Grünen, Ministerpräsident Baden-Württemberg) „Jede Menge. Danke." Nicht nur an den Bund, auch an die Flüchtlinge gab es heute Forderungen, und zwar von der Bundeskanzlerin bei der Regierungserklärung am Vormittag. (Angela Merkel) „Dazu gehört, dass wir von Ihnen erwarten, die Regeln und Werte zu respektieren, die unsere Verfassung vorgeben, und sich auf dieser Grundlage in unsere Gesellschaft zu integrieren." Im Kanzleramt muss jetzt eine Einigung her, ein Vertag wollen alle vermeiden, zur Stunde wird um Details gerungen.
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Zum Stand der Beratungen im Kanzleramt jetzt Tina Hassel live aus Berlin.
- Schnell will die Regierung nun das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen und dem fatalen Eindruck entgegenwirken, sie habe die Kontrolle verloren und reagiere nur noch auf immer chaotischere Zustände. Andererseits muss heute ein Gesamtpaket gelingen, das nicht sofort wieder von der Realität überholt wird, noch im Oktober soll das Vorhaben durch das Parlament gebracht werden. Zumindest die finanziellen Fragen scheinen bereits geklärt, ab 2016 hat man sich offenbar auf eine Kopfpauschale von 670 Euro pro Flüchtling und Monat geeinigt, das ist zwar weniger als die Länder gefordert hatten, aber ein dynamischer Beitrag will sagen, wenn die Flüchtlingszahlen steigen und damit die tatsächlichen Kosten, erhöhen sich auch die Finanzhilfen. Für dieses Jahr will der Bund seine Finanzspritze auf zwei Milliarden verdoppeln. Gerungen wird derzeit noch unter anderem um die Beschleunigung der Asylverfahren aber auch um die Frage, ob sich angesichts der dramatischen Mehrbelastungen die schwarze Null im Haushalt tatsächlich noch halten lässt, wohl deshalb tagt der Finanzminister separat mit einer kleinen Arbeitsgruppe von drei Ministerpräsidenten sowie dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, wie wir gehört hatten. Und damit zurück zu Thorsten Schröder.
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Hunderttausende Flüchtlinge sind in diesem Jahr bereits in Deutschland eingetroffen, woher sie kommen, wie alt sie sind und welche Ausbildung sie haben - diesen und anderen Fragen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nachgegangen. Hier die wichtigsten Ergebnisse.
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Immer mehr Asylsuchende kommen nach Deutschland. Die meisten von ihnen sind Syrer (22,9%), viele kommen aber auch aus Albanien (16,3%), dem Kosovo (13,3%), Serbien (5,7%), Afghanistan (5,5%), dem Irak (5,4%), Mazedonien (2,8%) und Eritrea (2,6%, Grafiktitel: Hauptherkunftsländer Erstantragsteller). Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragen, sind überwiegend jung und männlich. Bis Ende Juli hat Deutschland fast 220.000 (218.221) Asylsuchende aufgenommen. Deutlich mehr als die Hälfte (141.574) von ihnen ist jünger als 30 Jahre. Unter den 18- bis 25-Jährigen sind etwa 80% Männer. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge befragte gut 100.000 Asylsuchende zu ihrer Ausbildung. Die Daten sind nicht repräsentativ, vermitteln aber einen Eindruck. Demnach haben mehr als 13% eine Hochschule besucht, 17,5% ein Gymnasium. 30% eine Mittelschule, 24% die Grundschule, und 8% gaben an, keinerlei Schulbildung zu haben. Etwas weniger als die Hälfte sagte (47%), sie hätte in ihrer Heimat einen guten Lebensstandard gehabt. Anders sieht es bei den Flüchtlingen aus Syrien aus, der größten Gruppe der Asylsuchenden. Von den Befragten gaben 25% an, eine Universität besucht zu haben, 25% waren auf dem Gymnasium, 23% auf einer Mittelschule, 17% auf einer Grundschule, und nur 3% haben demnach keine Schule besucht. 62% der befragten syrischen Flüchtlinge gaben an, aus durchschnittlichen oder sogar guten wirtschaftlichen Verhältnissen zu stammen.
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Reportagen, Interviews und aktuelle Umfragen zum Thema Flüchtlinge gibt es in der Sendung „Fluchtziel Deutschland“ gleich im Anschluss an diese Tagesschau.
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Ab etwa 00:10:03 „Bürgerkrieg. Neue Gespräche zum Syrien-Konflikt“
4.4.2016 20 Uhr Tagesschau
Themen der Sendung: Weltweite Reaktionen auf "PanamaPapers", Deutsche Reaktionen auf "PanamaPapers", Proteste wegen der Veröffentlichung des Recherchenetzwerkes in Island, Informationen zu den "PanamaPapers" auf ts.de, Griechenland schickt Flüchtlinge zurück in die Türkei, Registrierzentren für Flüchtlingsankömmlinge in der Türkei, Erste syrische Flüchtlingsgruppen erreichen Deutschland, EU will im Rahmen des Flüchtlingsabkommen bis zu 72.000 Syrer aufnehmen, Anhaltende Kämpfe in der Kaukasus-Region Berg-Karabach, Koalitionsgespräche in Sachsen-Anhalt beginnen, Trauerfeier für Guido Westerwelle, Das Wetter
Susanne Daubner
Gut zwei Wochen nach Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens zwischen EU und Türkei werden die Vereinbarungen umgesetzt. Am Morgen wurden mehr als 200 Menschen von den griechischen Inseln zurück in die Türkei gebracht. Sie waren illegal über die Ägäis nach Griechenland eingereist. Wer auf diesem Weg in die EU kommt, kann laut Abkommen zwangsweise in die Türkei zurückgeschickt werden, wenn er keinen Asylantrag stellt oder wenn dieser abgelehnt wird.
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- Bericht (Ellen Trapp): Es war eine Aktion, die noch vor Sonnenaufgang begann. 136 Menschen, die meisten aus Pakistan, mussten Griechenland verlassen. Sie hatten keinen Asylantrag gestellt. So will es das EU-Türkei-Abkommen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren diese Rückführungen, auch weil die Türkei kein sicheres Land für Flüchtlinge sei. (Wenzel Michalski, Human Rights Watch) „Es ist höchst illegal, es handelt sich hier um Massenabschiebungen, das ist nicht erlaubt unter den Genfer Konventionen, auch nicht unter den europäischen Flüchtlingskonventionen, das heißt, die EU macht hier bewusst etwas, was verboten ist, und das kritisieren wir natürlich sehr heftig, das ist sehr unmenschlich." Im Flüchtlingslager Moria sollen die meisten Flüchtlinge mittlerweile einen Asylantrag gestellt haben. Sie sehen es als ihre letzte Chance, nicht zurück in die Türkei zu müssen. Im Schnellverfahren sollen diese Anträge geprüft werden, noch fehlt dafür das Personal, doch die griechische Regierung gibt sich zuversichtlich. (Giorgos Kyritsis, Krisenstab griechische Regierung) „Wir haben in der Vereinbarung darauf bestanden, dass von Fall zu Fall untersucht werden muss. Wir haben mit dem Gesetz die Dienststelle für Asylpolitik verstärkt, damit sie die Möglichkeit hat, jeden einzelnen Fall zu untersuchen." Begleitet wurde die Aktion am Morgen nur von kleinen Protesten einzelner Aktivisten.
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- Kommentar: Die Rückführung heute lief geräuschlos ab. Die Griechen konnten beweisen: Wir können das. Doch die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt: Tausende Asylanträge müssen geprüft werden, und somit wird sich in den kommenden Wochen entscheiden, ob das Abkommen zwischen der EU und der Türkei den Praxistest besteht.
Nach der Ankunft der Fähren in der türkischen Stadt Dikili brachten Sicherheitsbeamte die mehr als 200 Männer und Frauen in sogenannte Registrierzentren. Schutzsuchende, die nicht aus Syrien stammen, sollen nun in ihre Heimatländer abgeschoben werden.
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- Beitrag Oliver Mayer-Rüth: Polizeihubschrauber über der Ägäis, die Türkei begleitet die Ankunft zweier Fähren im Hafen von Dikili mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften. Einzeln verlassen die Migranten die Boote, begleitet von Polizisten, teilweise werden sie regelrecht abgeführt. Die Behörden hatten Widerstand erwartet, doch am Tag Eins der Rückführung läuft alles ruhig. Der zuständige Gouverneur der Küstenregion Izmir erklärt, was nun mit den Flüchtlingen geschehen soll. (Mustafa Tobrak, Gouverneur Izmir) „Nach der Ankunft am Hafen und einer ersten Versorgung werden die Flüchtlinge gemäß des internationalen Rechts in Rückführungszentren gebracht und von dort in ihre Heimatländer geschickt." In Ankara macht der türkische Staatspräsident Erdogan zum Start des Rückführungsprogramms deutlich, wie großzügig aus seiner Sicht die Türkei im Gegensatz zu Europa bei der Aufnahme von Flüchtlingen sei: (Recep Tayyip Erdogan) „Wir haben für drei Millionen Menschen unsere Arme geöffnet, und es ist ganz eindeutig, wer nun versucht, diese Menschen so weit wie möglich auf Abstand zu halten." Syrer haben in der Türkei ein Bleiberecht, solange der Bürgerkrieg in ihrem Land andauert. Das Rückführungsabkommen mit der EU soll auch den Menschenschmuggel an der Ägäis eindämmen, indem es Migranten davon abschreckt, weiterhin zu versuchen, mit Schleppern nach Europa zu gelangen.
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- Kommentar (OliverMayer-Rüth): Doch nochimmerstoppt die türkische Küstenwache fast täglich Menschen auf Schlauchbooten Richtung Griechenland. Und die türkische Schleppermafia sucht nach immerneuen Wegen, um die illegale Einreise in die EU zu organisieren. Denn erst, wenn der Bürgerkrieg in Syrien wirklich zu Ende ist, nimmt auch die Flüchtlingsbewegung Richtung Europa ab, mahnte heute der Bürgermeister der Hafenstadt Diliki.
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Beitrag: Inzwischen sind in Deutschland die ersten syrischen Flüchtlinge im Rahmen des EU- Abkommens mit der Türkei angekommen. Mehr als 30 landeten heute in Hannover und wurden anschließend mit Bussen in das ehemalige Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen gebracht. Dort werden sie zwei Wochen bleiben, um dann auf andere niedersächsische Kommunen verteilt zu werden. Insgesamt will die Bundesrepublik 15.000 syrische Flüchtlinge direkt aus der Türkei aufnehmen.
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Neben der Bundesrepublik haben sich bislang nur wenige weitere EU-Staaten bereit erklärt, syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Im Rahmen des Abkommens mit der Türkei sollen insgesamt bis zu 72.000 Syrer in der europäischen Union verteilt werden.
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- Beitrag (Bettina Scharkus): Tag Eins der sogenannten Rückführung. Grenzschützer der Europäischen Frontex-Agentur bringen die ersten Flüchtlinge zurück in die Türkei. Damit beginnt ein komplizierter Tauschhandel. Alle Flüchtlinge, die seit dem 20. März unrechtmäßig an der griechischen Küste gelandet sind, werden in die Türkei zurück geschickt. Für jeden abgeschobenen Syrer darf dann ein anderer bereits in der Türkei registrierter Flüchtling auf legalem Weg in die EU einreisen. Lange hat die EU um das Rückführungsabkommen gerungen, eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge hatte Deutschland zunächst gefordert, ohne Erfolg. Einige Länder weigern sich auch jetzt noch hartnäckig, syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine neue Heimat zu geben. Deutschland ist bereit, 15.000 Syrer direkt aus der Türkei aufzunehmen, daneben wollen offenbar bisher nur die Niederlande, Frankreich, Finnland und voraussichtlich auch Portugal von Anfang an mitmachen. Den Deal mit der Türkei, den hat vor allem Deutschland vorangetrieben, der Kompromiss, so sagen Kritiker jetzt, der wurde teuer erkauft, mit Milliardenzahlungen an Ankara und Einreiseerleichterungen für türkische Bürger. Ziel der Vereinbarung ist die von Schleuserbanden organisierte massenhafte illegale Einreise in die EU, sie soll unterbunden werden. Die Menschen sollen abgeschreckt werden, in untauglichen Booten die gefährliche, oft tödliche Reise über das Mittelmeer zu wagen.
18.9.2015 21.45Uhr ZDF Heute-Journal
Kroatien schließt Grenzen, „Konflikt zwischen zwei EU-Mitgliedern", Aus dem Irak nach Budenheim, Syrien: Wen bekämpfen?, „Entschärfung des Konflikts", Nachrichten-Überblick, Griechenland: Kopf an Kopf Rennen, Nachrichten, Börse & Sport, Wetter
Heinz Wolf, Marietta Slomka
Auf dem Balkan herrscht nun endgültig Chaos, die Flüchtlinge werden hin- und hergeschoben. Kroatien hatte ja helfen wollen, als Tausende vor den geschlossenen Toren Ungarns festsaßen, hat sich aber damit offenbar übernommen. Jetzt macht auch Kroatien seine Grenzen dicht, und schickt einen Teil der Flüchtlinge sogar nach Ungarn. Ungarn wiederum baut immer neue Zäune, jetzt auch entlang seiner Grenze zu Kroatien. Kroatiens Nachbarland Slowenien, um die Konfusion zu vervollständigen, schickt ebenfalls Flüchtlinge zurück - nach Kroatien. Und dann ist da auch noch Serbien, wo ja auch Tausende festsitzen. Begleitet wird das Ganze davon, dass sich die beteiligten Regierungen wechselseitig beschimpfen. Die Nerven liegen blank. Stefan Merseburger fasst die Entwicklungen des Tages zusammen.
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- Kein Weiterkommen in Bezdan. Was für eine Kehrtwende: Kroatien macht seine Grenze zu Serbien dicht, vor zwei Tagen noch hatte es geheißen, Kroatien werde niemanden aufhalten. Doch diese Grenze lässt sich nicht kontrollieren, Flüchtlinge kommen trotzdem, bei Bruthitze über Feld- und Wiesenwege. (Noaf, Flüchtling aus Syrien) „Es ist sehr mühsam und anstrengend, vor allem für die Kinder und Frauen, meine Frau ist schwanger." (Ali, Flüchtling aus dem Irak) „Da war keine Polizei. Es war einfach." Fast 16.000 wurden in den vergangenen 48 Stunden in Kroatien registriert, wie viele tatsächlich gekommen sind - wer weiß. Fest steht: Das Land ist völlig überfordert. Schuld an dem ganzen Chaos aber sei jemand anders, so Kroatiens Premier. (Zoran Milanovic, Ministerpräsident Kroatien) „Ich finde die deutsche Politik sehr großzügig und gut aber auch einladend. Die Kanzlerin Angela Merkel hat gesagt, die Dublin-Regeln seien praktisch außer Kraft gesetzt." Bei Beli Manastir hat Kroatien heute Busse nach Ungarn geschickt. Die Busse wurden von den ungarischen Behörden Richtung österreichische Grenze gebracht, Budapest, soviel ist sicher, will die Flüchtlinge schnell wieder loswerden./ Bilder aus Sarok. Ungarn lässt seinen Worten Taten folgen, Soldaten legen messerscharfen Stacheldraht an der Grenze zu Kroatien aus, auch hier entsteht ein Zaun an der Grenze zweier EU-Mitglieder./ In Tovarnik waren die Flüchtlinge auch heute Abend auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Es gibt nicht genug Busse, und wenn einer kommt, heizt sich die Stimmung auf. „Wir brauchen Hilfe", rufen sie. - Sie sind schon weiter. Harmica an der kroatischen-slowenischen Grenze. Ein paar Hundert Flüchtlinge wollen durch Slowenien Richtung Österreich, „öffnet die Grenzen", rufen sie, und „wir fordern Freiheit", doch die slowenische Polizei bleibt hart, es wird allerdings nicht viel bringen, denn auch diese Grenze ist durchlässig.
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-Unser Reporter Roland Strump ist in Harmica, also an der kroatisch-slowenischen Grenze, Roland, da bahnt sich offenbar das nächste Drama an.
-„Ja, vielleicht noch ein ganz kurzer Satz zur aktuellen Situation: Die Demonstrationen, die wir eben im Beitrag gesehen haben, hat die slowenische Polizei vor wenigen Minuten aufgelöst, indem sie Pfefferspray gesprüht hat und dann damit die Demonstranten auseinander getrieben hat. Richtig ist, Harmica, dieser kleine kroatische Ort an der slowenischen Grenze, hat das Zeug dazu, zum neuen Brennpunkt jetzt zu werden, denn etwa 800 Flüchtlinge, die hier jetzt sind, und etwa 1500, die jetzt in der Nacht noch auf dem Weg von Zagreb nach hierher sind, kommen mittenrein in einen Konflikt, der sich zwischen zwei EU-Mitgliedern angebahnt hat, und die sind richtig mächtig ineinander geraten, da ist auf der einen Seite Kroatien, dem die Puste ausgegangen ist, das in die Knie gegangen ist ob des Flüchtlingsstroms, und auf der anderen Seite Slowenien, das sagt, wir können diese Flüchtlinge nicht aufnehmen, weil sie die Kriterien des Schengen-Abkommens nicht erfüllen, und deshalb können wir sie nicht reinlassen. Aus Kroatien tönt es daraufhin, wie, das wäre ein Akt von Unsolidarität in so einer schwierigen Situation, und die Lasten müssten verteilt werden, und genau in diesen Konflikt kommen die Flüchtlinge hier rein, da bleibt ihnen nicht viel was anderes als zu demonstrieren und zu fordern „macht die Grenzen auf", sie kommen in einen innereuropäischen Konflikt, dem sie natürlich überhaupt nicht gewachsen sind und an dem sie zermahlen zu werden drohen."
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Auch in Deutschland selbst kann von planvoller Organisation im Moment noch keine Rede sein, man fährt auf Sicht. Die Lage wird sich auch kaum entspannen, solange es nicht gelingt, die Verwaltung der Asylanträge zu beschleunigen. Dieser Mammutaufgabe soll sich nun Frank-Jürgen Weise widmen.
Eigentlich hat der Mann schon einen Full-Time-Job als Chef der Bundesagentur für Arbeit, jetzt übernimmt er zusätzlich auch noch das Bundesamt für Migration, das personell hoffnungslos unterbesetzt ist. Damit einher geht die Frage, was mit den Flüchtlingen geschieht, solange sie auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten. Sie in den Aufnahmezentren einfach nur zu „verwahren", kann keine Lösung sein. Immerhin für die Kinder herrscht Schulpflicht. Sie sind somit oft die ersten, die eine echte Chance bekommen, am normalen Leben in Deutschland teilzunehmen. Bernd Mosebach berichtet.
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Ein Zimmer und diese kleine Küche in einer Kellerwohnung, so leben sie seit ein paar Monaten. Frühstück bei Familie Bashar aus dem Irak im rheinland-pfälzischen Budenheim. Alle Kinder gehen mittlerweile in die Schule. Ali, der älteste, ist 15, und besucht die Realschule, sein jüngerer Bruder Akram ist 13 und in der 6. Klasse, Immam ist mit 10 die Jüngste, und geht noch in die Grundschule. Alle sollen mal auf die Universität gehen, wünscht sich zumindest ihre Mutter. (Sundus Bashar, Mutter) „Muss erst Schule fertig, Universität ich liebe alle drei zu gehen." Und alle müssen schnell Deutsch lernen, nur so klappt's auch in der Schule. Immam kann nach zwei Wochen bereits bis Zehn zählen.
(Immam) „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn." Ihre Mutter ist bereits vor einem Jahr aus dem Irak geflohen, im Sommer konnte sie ihre Kinder zu sich holen. Ihre Zukunft heißt Deutschland./ Klasse 4a der Lennebergschule. Für Immam die zweite Woche. Am ersten Tag hatten ihre Mitschüler ein Begrüßungslied gesungen, und weil's so schön war, heute gleich nochmal. (Annette Begenat, Klassenlehrerin) „Die Kinder kommen sehr wissbegierig in der Schule an und wollen sich wirklich auch schnell integrieren, und das ist bisher durchweg positiv verlaufen." Ein Drittel der 600 Schüler an der Lennebergschule hat Migrationshintergrund. Für die 20 Schüler, die bisher nur ihre eigene Sprache kennen, gibt es Sprachkurse. Noch reicht hier ein Lehrer, doch wenn die Flüchtlingswelle anhält, rechnen Experten bundesweit mit zusätzlich 20.000 Deutschlehrern. (Matthias Gersch, Deutschlehrer)
„Der Wunsch wäre, dass wir so viele Lehrer haben, dass wir die Gruppen klein machen können, sechs bis acht Schüler, damit wir effektiv arbeiten können." - (Kind im Unterricht) „Ich bin mit dem Flugzeug gekommen." - Verschiedene Nationalitäten und Temperamente - eine Herausforderung für die Lehrer, und immer wieder fehlen plötzlich einzelne Schüler, weil sie und ihre Eltern abgeschoben wurden. Bereits nächste Woche werden hier weitere fünf Kinder erwartet, der Schulleiter bleibt dennoch optimistisch. (Helmut Wagner, Rektor Lennebergschule Budenheim) „Was ich nicht vorhersehen kann, ist, wenn es immer mehr werden, wenn also die Quantität uns plötzlich überrollt. Wobei auch da, Optimismus ist ganz wichtig. Nur durch Optimismus können Sie dieser Sache Herr werden." Immam und ihre Geschwister werden wohl in Deutschland bleiben dürfen. Noch spricht sie kaum ein Wort Deutsch, ein paar Freundinnen hat sie dennoch bereits gefunden.
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Eines ist klar: Solange der Krieg in Irak und Syrien anhält, werden weiter Millionen Menschen von dort fliehen. Wer die Fluchtursachen bekämpfen will, müsste also sagen, wie sich der syrische Krieg beenden ließe. Die Terrormilizen des Islamischen Staats aus der Luft zu attackieren, würde nicht reichen. Und wie hält der Westen es mit Assad? Vor seinen Bomben fliehen ja noch mehr Syrer als vor den Gräueln der Dschihadisten. Hinzu kommen die verschiedensten ausländischen Mächte, die auf diesem Schlachtfeld mitmischen. Dazu gleich ein Interview mit Außenminister Steinmeier, der dazu heute in der Türkei Gespräche führt. Doch zunächst wirft Anne Gelinek einen Blick auf die verworrene Lage in Syrien und die Ratlosigkeit der Europäer.
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- Europa reibt sich die Augen. Tausende von Syrern haben sich auf den Weg gemacht, aus einem Land zwischen den Fronten. Sie fliehen vor Assads Truppen, vor den Rebellen und vor den Kriegern des Islamischen Staats. Wer die Bomben wirft, ist ihnen egal, nur weg aus Syrien. Seit die Flüchtlinge kommen, interessiert sich Europa wieder für die Ursachen dieses Krieges und dafür, wie man ihn beenden könnte. Vorschläge: (Sigmar Gabriel, SPD- Vorsitzender) „Die Iran-Verhandlungen haben gezeigt, dass es gelingen kann, einen Konflikt friedlich zu lösen, wenn nur Washington und Moskau an einen Tisch kommen. Das muss in der Syrien-Krise der Fall sein." (Ursula von der Leyen, CDU, Bundesverteidigungsministerin) „Wir brauchen beides, Luftschläge und Bodentruppen", sagt die Verteidigungsministerin auf CNN, allerdings wäre es nicht klug, westliche Bodentruppen zu schicken, „es ist besser lokale Militärs zu bewaffnen und auszurüsten." Soweit die Theorie, bis dieser Mann Fakten schuf: Seit ein paar Monaten nutzt Wladimir Putin Europas Planlosigkeit. Der russische Präsident rüstet auf, schafft Panzer, Drohnen und Kampfflugzeuge nach Syrien. Seinen Sprecher lässt er sagen, Russland werde Assad Soldaten schicken, wenn dieser darum bitte. Putins Botschaft, glasklar: Wer die Terrormiliz IS bekämpfen will, muss den syrischen Diktator stützen, Europa solle sich entscheiden. (Elmar Brok, CDU, Vors. Auswärtiger Ausschuss Europaparlament) „Hier gibt's eine Interessenidentität [? schwer verständlich], denn die islamistischen Terroristen haben schon ihre Außenpunkte im Kaukasus, in russischen Republiken, insofern ist hier ein gemeinsames Interesse vorhanden, von uns, von den Menschen dort in der Region, deswegen sollte man mit Russland da kooperieren." Die USA fliegen zwar Luftangriffe gegen den IS, diese aber nur halbherzig. Sie haben Angst, ihren Feind Assad dabei zu stärken. Überhaupt könnten nur Bodentruppen den Krieg beenden, meinen Experten, doch dazu sind weder die USA noch Europa bereit. (Harald Kujat, Ehem. Vorsitzender NATO-Militärausschuss) „Weder die Amerikaner noch die Russen werden dort mit eigenen Bodentruppen hineingehen, aber wenn man die syrischen Streitkräfte soweit stärkt, dass sie in der Lage sind, dort wenigstens die Kontrolle über weitere Teile des Landes zurückzugewinnen, dann sind ja Bodentruppen dort vor Ort." Europa müsste also um des Friedens willen mit gleich mehreren zweifelhaften Potentaten verhandeln. Dem Russen Putin, dem Syrer Assad, und dem Türken Erdogan. Außenminister Steinmeier traf sich am Nachmittag in Ankara mit dem türkischen Präsidenten, der den Islamischen Staat erst unterstützte und ihn jetzt zögerlich bekämpft. Europas weiße Weste wird Flecken bekommen, wenn es den Krieg in Syrien wirklich beenden will.
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Und aus einem Konferenzhotel in Ankara ist uns jetzt der Bundesaußenminister zugeschaltet, Guten Abend, Herr Steinmeier. „Guten Abend, Frau Slomka." - „Die Türkei spielt ohne Frage eine Schlüsselrolle im Syrien-Konflikt, wenn man denKonfliktüberhaupt in irgendeiner Form lösen will, dann ist es so, dass die Türkei, vereinfacht gesagt, sowohl Assad bekämpft, als auch die Kurden in Syrien und imIrakbekämpft, welche Rolle kann die Türkei in dieser Hinsicht spielen, was haben Sie heute Abend Herrn Erdogan dazu gesagt?" - „Die Türkei ist nicht nur ein Schlüsselland in der gegenwärtigen Migrationsfrage, sondern sieistes natürlich als naher Nachbar Syriens, auch in jeder Hinsicht, wenn es darum geht, eine Lösung zu finden, wobei die Lösung nicht die politische Lösung im nächsten Schritt sein wird, sondern wonach wir suchen, ist ein Einstieg in die Entschärfung des Konfliktes. Dazu brauchen wir Amerika, dazu brauchen wir Russland, dazu brauchen wir einige wichtige der arabischen Nachbarn, aber es wird eben auch nicht gehen ohne die Türkei, und deshalb sind die Gespräche hier wichtig." - „Herr Steinmeier, Sie sprachen gerade von gemeinsamen Interessen. Russland hat ganz andere Interessen in diesem Konflikt, die Russen unterstützen eindeutig Assad, weil sie sagen, das sind die Einzigen, die wirksam gegen den IS kämpfen können, die Türkei hingegen will noch nicht einmalmitAssad reden, wo steht Deutschland, kann man in diesem Syrienkonflikt an Assad noch vorbei, an den Russen kann man jedenfalls nicht vorbei." - „Wir haben nach fünf Jahren Bürgerkrieg, mehr als 250.000 Toten, 12 Millionen Menschen, die ihre Heimat verloren haben, nicht nur eine politische sondern auch eine moralische Verpflichtung, und die trifft alle. Und deshalb müssen wir nach dem, nach der erfolgreichen Beendigung des Konfliktes mit dem Iran dieses Fenster der Gelegenheit jetzt nutzen, um möglichst alle an Bord für eine gemeinsamere Annäherung an die Konfliktlösung zu bekommen, dazu brauchen wir die Türkei, wir brauchen aber auch Russland, wir führen diese Gespräche mit großer Intensität, wir haben am Samstag die Chance der Anwesenheit des russischen Außenministers in Berlin genutzt, am Sonntag wird der amerikanische Außenminister in Berlin sein." - „Wieso ist im Moment eine gute Gelegenheit, um diesen Konflikt zu entschärfen, der Islamische Staat macht nicht die geringsten Anstalten, für irgendwelche politischen Lösungen offen zu sein, und Assad wird geradevonRussland neu aufgerüstet, woistdenn da die Gelegenheit für Entschärfung?" - „Ich glaube, was sich doch zeigt, dass manmitBeharrlichkeit, auchmitGeduld, wie das BeispielIrangezeigt hat, an einer Lösung scheinbar unlösbarerKonfliktezu arbeiten, die Lösung für Syrien wird nicht über Nachtkommen,aber nach der Lösung des Irankonfliktes haben wir jetzt eine Situation, wo wir möglicherweisePartneranBordbekommen können, die sich in der Vergangenheit geweigert hätten, an einen Tisch zu kommen, diese Gelegenheit müssen wir jetzt nutzen, ja, Frau Slomka, Skepsis ist gerechtfertigt, ich nähre nicht grundlosen Optimismus, ich sage nur: Jetzt ist die Zeit, in der wir diese Anstrengungen unternehmen müssen, gegenüber Türkei, gegenüber Russland und vielen anderen ohne die eine Verständigung über das weitere Verfahren mit Syrien nicht möglich sein wird." - „Momentan schaffen wir es ja noch nichtmals uns innerhalb Europas zu einigen, wie wir mit den Flüchtlingsproblemen umgehen." - „Ja, auch in Europa ist es doch so, dass sich in den letzten zwei Wochen durchaus etwas bewegt hat, wir sind mit völlig unterschiedlichen Positionen eingestiegen in die gemeinsamen Bemühungen, die vor allem unter den Innenministern stattgefunden haben, und ich finde, es liegt klar auf der Hand, was wir jetzt brauchen. Wir brauchen eine faire Verteilung der Flüchtlingslast unter den europäischen Staaten, wir brauchen eine Verständigung über die sicheren Herkunftsländer, wir brauchen einheitliche Verfahren, und wir müssen gemeinsam etwas tun für die Herkunftsländer, will sagen, Gründe liefern, damit die Menschen ihre Heimatregionen nicht verlassen." - „Im Moment haben wir vor allen Dingen Chaos auf dem Balkan, die Kroaten schließen plötzlich ihre Grenze wieder, bringen Flüchtlinge nach Ungarn zurück, die Ungarn wollen sie nicht haben, zäunen sich ein, das kann doch so nicht weitergehen, und wenn irgendwann die Türkei sagt, wir sind überfordert mit den vielen Syrienflüchtlingen und die einfach alle Richtung Griechenland ziehen lässt, dann haben wir aber auch ein richtiges Problem hierzulande." - „Naja, genau, Frau Slomka, deshalb bin ich hier, um diesen Zustand nicht eintreten zu lassen, um gemeinsam mit der Türkei in ein Gesprächsverhältnis zu kommen, wie wir dieses Chaos verhindern, dazu gehört aber auch Kooperation zwischen Deutschland und der Türkei in den Herkunftsländern und genau das haben wir heute miteinander verabredet. Insofern war das trotz der Schwierigkeiten hier ein ganz ermutigender Besuch." - „Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Minister." - „Ich danke Ihnen."
Das Interview mit Frank-Walter Steinmeier haben wir am Abend aufgezeichnet.
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10.4.2016
21.45Uhr
ZDF Heute-Journal
Idomeni: Tränengas gegen Flüchtlinge, „Idomeni: Wie soll das weitergehen?", Tempelbrand in Indien: Zahlreiche Tote, Nachrichten-Überblick, KFZ-Tarife: Rabatte für sicheres Fahren, Nachrichten, Sport & Wetter
Heinz Wolf, Marietta Slomka
Seit Wochen harren in Idomeni mehr als 10.000 Menschen aus. Ihre Hoffnung, über Mazedonien weiter nach Europa, vor allem Deutschland, zu gelangen, muss eigentlich von Tag zu Tag gesunken sein. Zugleich sind die Zustände in diesen Zelt-Camps immer schlimmer geworden. Also wurde schon länger befürchtet, dass in dieser Lage die Stimmung irgendwann erneut eskaliert, dass Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, notfalls mit Gewalt versuchen, an ihr Ziel zu kommen. Britta Jäger berichtet.
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- Erst als am Abend der Regen einsetzt, haben auch die letzten Flüchtlinge den Zaun verlassen, an dem sie den Tag über um die Grenzöffnung gekämpft haben. Auch Tarek Kliel aus Syrien steht wieder wie jeden Abend mit seinen Freunden am Feuer, innerlich kocht er. „Mal heißt es, heute wird die Grenze geöffnet, dann heißt es, wir helfen euch, dann, ach, keine Ahnung, heute dies, morgen das, das sind doch alles Lügner." Es sei heute fast wie in Syrien, wie im Krieg, gewesen, als Hunderte versuchten, den Grenzzaun nach Mazedonien zu stürmen. Die Flüchtlinge warfen Steine, mazedonische Grenzsoldaten schossen mit Tränengas und Gummigeschossen zurück. (Mustafa Alhamoud, Flüchtling aus Syrien) „Die Situation hier macht uns einfach fertig, in zwei Monaten hat sich nichts geändert, die finden keine Lösung für uns." Mustafa Alhamoud hatte noch am Vormittag versucht, Ausschreitungen zu verhindern. Gemeinsam mit vier anderen Syrern ging er in Begleitung der griechischen Polizei an den Zaun. In seinem Rücken: hunderte Demonstranten, angestachelt von einem Flugblatt, das zum Marsch nach Mazedonien aufgerufen hatte. Stellvertretend für alle Flüchtlinge wollte Mustafa noch einmal um die Grenzöffnung bitten. (Mustafa Alhamoud, Vertreter der demonstrierenden Flüchtlinge) „Wir versuchen ja, die Leute zu beruhigen, aber das Problem ist, wir können die 10.000 Menschen hier nicht unter Kontrolle bringen." Die Antwort der Mazedonier: Die Grenze bleibt dicht. Kurze Zeit später rennen Hunderte Flüchtlinge über das Feld an den Stacheldraht, die Lage eskaliert. Tränengasgeschosse fliegen dabei auch über die wütende Menge hinweg auf Zelte von Familien mit Kindern. Schnell bauen Hilfsorganisationen mobile Krankenstationen auf und versorgen Verletzte. (Jonas Hagensen, Ärzte ohne Grenzen) „Viele kommen zu uns, weil sie Tränengas ins Gesicht bekommen haben, also, wir versuchen dann, die Augen zu spülen. Manche brauchen aber auch intensivere Hilfe, sie haben Wunden von den Gummigeschossen." Sie wissen, im Kampf gegen Polizei und Militär sind sie chancenlos. Tarek Kliel und seine Freunde aber wissen schon jetzt: Idomeni verlassen werden sie auf keinen Fall, irgendwann werde die Grenze schon geöffnet werden, sie müssen nur weiter kämpfen."
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Nun schalten wir noch zu unserer Reporterin in Idomeni, wie soll denn das weitergehen, Britta Jäger, gibt es Pläne, was mit diesen Tausenden Menschen dort geschehen soll?
„Ja, wie es hier weitergeht, das ist eben die ganz große Frage. Die griechischen Behörden versuchen ja schon seit Wochen hier die Flüchtlinge in Idomeni freiwillig, auf freiwilliger Basis davon zu überzeugen, in Busse zu steigen und sich in offizielle Auffanglager bringen zu lassen, aber dieses Angebot wird überhaupt nicht in Anspruch genommen, weil die Menschen immernoch die Hoffnung haben, hier geht ja bestimmt nochmal irgendwann die Grenze auf, und das zweite ist, dass die von anderen Flüchtlingen wiederum hören, ach, diese anderen Lager, die sind ja auch nicht viel besser als hier. Jetzt muss man sagen, Griechenland beherbergt ja hier im Moment ungefähr 53.000 Flüchtlinge, die hier gestrandet ist, ein Großteil davon will ja eigentlich auch gar nicht in Griechenland bleiben, sondern weiterkommen, und viele von denen sind auch in den offiziellen Camps noch in Zelten untergebracht, weil Griechenland es noch nicht geschafft hat, für alle diese Menschen eben vier Wände zu schaffen, beziehungsweise zu finden, wo sie unterkommen können, und, ja, damit muss Griechenland jetzt umgehen, und die große Frage ist, wie geht es jetzt hier weiter, schaffen sie es, diese ganzen Menschen unterzubringen? Griechenland hofft natürlich auch auf der anderen Seite, dass ein Großteil dieser Menschen wieder verschwinden wird, dass sie die loswerden können, entweder über das EU-Verteilungsprogramm in andere EU-Länder oder möglicherweise gibt es hier auch sehr viele, die möglicherweise einen Verwandten beispielsweise in Deutschland hat, und dann können diese Flüchtlinge unter Umständen den Familiennachzug in Anspruch nehmen.
Insgesamt chaotische Zustände, Dankeschön, Britte Jäger.
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28.9.2015
21.45Uhr
ZDF Heute-Journal
Syrienkonflikt dominiert UN-Versammlung, Kundus ist an die Taliban gefallen, „Psychologischer Erfolg für die Taliban", Gewalt unter Flüchtlingen, Wir schaffen das! - Nur wie, NachrichtenÜberblick, Reaktion auf VW-Abgasskandal, Nachrichten & Börse, Ein königliches Vergnügen, Wetter
Marietta Slomka
Ab „Gewalt unter Flüchtlingen"
Klar ist auch, solange auf den Schlachtfeldern in Afghanistan oder Syrien oder Irak gekämpft und gestorben wird, solange werden auch die Flüchtlingsströme nicht abebben, mit all den Problemen, die damit einhergehen. Dazu gehört auch, dass es in überfüllten Flüchtlingsunterkünften zu Konflikten und Aggressionen kommt, wie jetzt in der Unterkunft in Kalden bei Kassel, in der es gestern zu einer Massenschlägerei kam. Die häufig gehörte Vermutung, dass es da um religiöse Konflikte geht, die aus den Heimatländern nach Deutschland transportiert werden, erweist sich
allerdings meistens als falsch. Es sind in der Regel ganz andere Anlässe, die in solchen Massenunterkünften zu Stress führen, der dann derart eskaliert, dass verschiedene Gruppen aufeinander losgehen. Auch in Kalden war das so. Luten Leinhos berichtet.
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- Ein alter Flughafen mit Zeltstadt, dazu Dixi-Toiletten und ein paar Container. Die
Notunterkunft für Flüchtlinge in Kassel-Kalden. Die meisten der fast 2000 Menschen hier können noch immer kaum fassen, was passiert ist. (Flüchtling aus Afghanistan) „Ich fühlte mich, als hätte man mich nach Afghanistan zurückgeschickt, so schlimm war das letzte Nacht." - (Flüchtling aus Syrien) „Der Kampf gestern begann in der Essensschlange, eigentlich eine Kleinigkeit, aber die führte dann zu dieser katastrophalen Situation." Dieses Handyvideo einer Helferin zeigt die aufgeheizte Stimmung nach der Rangelei in der Essensausgabe, die am Abend dann völlig außer Kontrolle geriet. [Helferin, unkenntlich gemacht] „Dann habe ich beobachtet, wie ungefähr so dreißig Männer bewaffnet mit Stöcken hinter einem Mann hergelaufen sind und geschrien haben, in dem Moment sind Frauen und Kinder weggelaufen, ich habe mich auch schnell verstecken müssen." Am Ende beteiligen sich fast 400 Menschen an der Massenschlägerei. Die Bilanz: 13 verletzte Flüchtlinge und 3 verletzte Polizisten. Deren Vertreter fordern Konsequenzen. (Jörg Radek, Stellv. Vorsitzender Gewerkschaft der Polizei) „Wir haben als Gewerkschaft der Polizei schon zu Beginn des Sommers gefordert, möglichst zügig feste Unterkünfte für die Flüchtlinge zu schaffen, Unterkünfte, die es möglich machen, nach ethnischen Herkünften, nach religiösen Herkünften zu trennen." In Kassel-Kalden waren es wohl vor allem Albaner und Pakistani, die aufeinander einprügelten, also jeweils Muslime, wie auch das Regierungspräsidium bestätigt: (Harald Merz, Regierungspräsidium Kassel) „Religiöse Gründe haben jetzt bei dieser Streitigkeit keine Rolle gespielt, wir haben auch noch keinerlei Streitigkeiten gehabt, die aus religiösen Gründen uferten, sondern meistens ist es wirklich so, weil die Menschen schon längere Zeit schon in unseren Einrichtungen sind." Überfüllte und zu enge Unterkünfte, so wie Deutschland derzeit Flüchtlinge unterbringt, sind Konflikte programmiert, sagen Experten. (Prof. Ulrich Wagner, Sozialpsychologe Uni Marburg) „Die Erstaufnahmeeinrichtungen, über die wir im Moment reden, sind große Einrichtungen, häufig Zelte, in denen eine große Zahl von Flüchtlingen in einem Zelt untergebracht ist, ohne jede Möglichkeit zur Privatsphäre. Das ist auf Dauer nicht zumutbar und erhöht die Bereitschaft, auch aggressiv auf kleine Anlässe zu reagieren." Flüchtlinge und Unterstützer heute vor dem Regierungspräsidium in Kassel. Sie demonstrieren für mehr Platz und eine rasche Unterbringung in Wohnungen.
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Überfüllte Unterkünfte, in denen große Gruppen von Menschen aufeinanderstoßen, die nicht nur um Schlafplätze, Suppenteller und Toiletten konkurrieren, sondern auch unterschiedliche Aussichten auf Asyl haben - das kann auf Dauer nicht gut gehen. Zugleich sitzen da zigtausend junge Leute, überwiegend junge Männer, auf denen die Hoffnungen ihrer Familien in der Heimat ruhen. Wenn diese Menschen nun monate- oder gar jahrelang nichts zu tun haben, keine Chance, Fuß zu fassen, dann wird das hochproblematisch. Es müssen also Konzepte her. Nicht nur Konzepte für schnellere Abschiebungen. Zu tun, als sei damit das Hauptproblem gelöst, weil dann ja garnicht mehr so viele übrig blieben, ist Augenwischerei. „Wir schaffen das", hat Angela Merkel gesagt. Nun muss die Regierung aber auch sagen, wie schaffen wir das? Frank Buchfeld berichtet.
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- Viele, die nach Deutschland kommen, brauchen Geduld. Endlose Tage, wer darf bleiben, wer muss gehen? Unsicherheit macht aggressiv. Die Politik ist gefordert, parteiübergreifend. (Ralf Steger, Stellv. SPD-Vorsitzender) „Ich glaube, praktisch geht es darum, die Verhältnisse in diesen Unterkünften so schnell wie möglich dahingehend zu verbessern, dass diese Prüfverfahren beschleunigt werden, damit Menschen wissen, was mit ihnen ist, können sie hierbleiben oder können sie nicht hierbleiben, je schneller das geschieht, umso weniger breitet sich Frust aus." Deutschland zeigt sich freundlich, mitfühlend, aufnahmebereit, ein Konzept aber fehlt bisher, so langsam dämmert die Erkenntnis, das Land ist kaum vorbereitet auf die große Zahl Schutzsuchender und die Konflikte, die sie mitbringen. Die Euphorie des Anfangs weicht der Ernüchterung, der Bundespräsident mahnt: (Joachim Gauck, Bundespräsident) „Es ist eine Kraftanstrengung, wie sie die Bundesrepublik selten meistern musste. Auch unpopuläre Entscheidungen und unbequeme Schritte werden notwendig sein." Die Linke jedoch - nicht überzeugt. (Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer DIE LINKE)
„Diese Wortmeldungen sind relativ sinnfrei, es ist nur ein Bruchteil aller Flüchtlinge, die wir weltweit haben, aktuell in der Bundesrepublik oder auf dem Weg hierher. Und zweitens will ich davor warnen, dass wir den Eindruck erwecken, wir hätten hier in der Bundesrepublik einen Notstand." Es sind aber nicht allein Enge und Ungewissheit, die Konflikte heraufbeschwören. (Cem Özdemir, Vorsitzender B'90/Grüne) „Wenn beispielsweise Jesiden oder Christen sagen, dass sie drangsaliert werden oder so, dann ist das inakzeptabel. Weil die Vorstellung, dass jemand flieht vor dem Islamismus, und dann möglicherweise hier Ärger bekommt von Islamisten, ist eine unerträgliche, da kann's keine Toleranz geben." Es geht also nicht nur um bessere Unterkünfte und qualifizierte Sicherheitsdienste, sondern um mehr. (Clemens Binninger, CDU, Mitglied Innenausschuss des Bundestages) „Wir brauchen jetzt das klare Signal des Rechtsstaates, wer selber Schutz sucht und dann in Flüchtlingswohnheimen andere Menschen attackiert wegen ihrer Religion, kann sich hier nicht auf Asyl berufen." Darin vor allem erweisen sich Kraft und Würde des Rechts. Die meisten Flüchtlinge, die kommen, hoffen genau darauf.
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Kreative Ideen, wie sich die Flüchtlingssituation verbessern ließe, gibt es durchaus. Auf heute.de präsentieren unsere Online-Kollegen zum Beispiel das Projekt zweier Architekten aus Bremen, die Flüchtlingsunterkünfte ganz neu und anders zu konzipieren.
2.9.2015
22.15Uhr Tagesthemen
Themen der Sendung: Situation am Budapester Ostbahnhof verschärft sich, Innenausschuss des Bundestages sorgt sich über rechtsextremistische Anschläge, Der Kommentar, Neue Möglichkeiten der Flüchtlingsunterbringung, Weitere Meldungen im Überblick, Virtuelle Realität auf der IFA 2015, Das Wetter
Thomas Roth
Was wir in diesen Tagen mehr als je zuvor lernen, das ist, wenn Europa angesichts der Flüchtlingskrise nicht solidarisch handelt und die Länder sich nicht gegenseitig unterstützen, dann wird diese Krise wohl weiter eskalieren. Italien ist auch mittlerweile bereit, die Grenzen wieder zu kontrollieren und die Durchreise von Flüchtlingen irgendwie in den Griff zu bekommen. Ungarn dagegen verfolgt seine ganz eigene Strategie und ändert sie dann auch noch immer wieder. Zu was das führt, das konnte man heute auch wieder am Ostbahnhof von Budapest beobachten: Mehrere Tausend Flüchtlinge hausen rund um diesen Bahnhof und sind kaum, wenn denn überhaupt, mit dem Nötigsten versorgt, die Polizei hat den Bahnhof für Flüchtlinge und Asylbewerber inzwischen wieder gesperrt. Zwischen ihnen und der Polizei kommt es zu Spannungen. Anna Thillack.
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- Nachmittags. Noch ist alles ruhig. Geduldig warten die Flüchtlinge am Budapester
Bahnhofsplatz, dass ihnen irgendjemand sagt, wie es weitergeht. Ein paar Stunden später: Gerangel mit der Polizei. Die Flüchtlinge fühlen sich provoziert, sind wütend, weil immer noch nichts passiert ist. Trotz Registrierung kommen sie nicht weg, nicht einmal die, die für über Hundert Euro ein Zugticket gekauft haben. Der Bahnhof ist für sie abgeriegelt. „Ich habe ein Zugticket, aber die Polizei lässt uns nicht rein." Polizisten mit Spezialausrüstung rücken an, drängen die Flüchtlinge zurück auf den Platz, manche werden abgeführt, ohne erkenntlichen Grund. Ibrahim aus Syrien hat seine ganze Familie verloren. Seit fünf Tagen ist er in Ungarn. Seitdem fühlt er sich wie ein Tier im Käfig, sagt er. „Wir sind schockiert, total schockiert. Es ist so schlimm. Man kann sich nicht vorstellen, dass die ungarische Regierung ernsthaft Mitglied in der Europäischen Union ist." Dreitausend Flüchtlinge teilen sich eine Wasserstelle und vier Toiletten. Die hygienischen Zustände sind inzwischen katastrophal. Hilfe kommt nach wie vor nur von Privatpersonen. Die ungarische Regierung überlässt die Flüchtlinge in Budapest sich selbst, umstellt von der Polizei. [Ibrahim aus Syrien] „Ich weiß nicht, glauben Sie mir, ich weiß nicht, wie es weitergeht. Mein Gehirn hat aufgehört zu arbeiten. Schauen Sie sich die Familien, die Babys, die Frauen an." [Er wischt sich Tränen aus dem Gesicht, dreht sich um und geht davon] Mit Einbruch der Dunkelheit haben sich die Polizisten zurückgezogen. Die Flüchtlinge sind sich selbst überlassen, und wieder steht eine Nacht auf dem harten Boden bevor.
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Tja, und ich spreche jetzt mit Susanne Glass am Budapester Ostbahnhof. „Susanne, die Zustände, die sind ja ganz offenbar unhaltbar, und immer wieder überraschend anders, wie soll das denn da weitergehen, rund um diesen Bahnhof in Budapest?" - „Das ist die Frage, die wir uns natürlich alle stellen. Tatsache ist, die Polizisten haben sich zwar zurückgezogen, sie sind nicht mehr so präsent wie tagsüber, aber sie sitzen in ihren Autos rund um den Bahnhof, und inzwischen verdichten sich die Gerüchte, dass der Bahnhofsvorplatz noch heute Nacht geräumt werden könnte. Das sind bis dato nur Gerüchte, zeigt aber wie groß die Angst, die Verunsicherung hier ist, die wird zum Teil auch bewusst noch geschürt, und dann stellt sich natürlich noch die weitere Frage: Wohin mit diesen vielen Menschen? Denn es gibt eigentlich keinen Platz für sie in anderen Aufnahmelagern, und würden die tatsächlich freiwillig in Busse steigen und wieder weggehen vom Bahnhof, wo sie doch schon Fahrkarten haben in Richtung Österreich und Deutschland." - „Susanne, nun ist der ungarische Präsident Orban morgen bei der EU-Kommission in Brüssel, und er will um Hilfe in dieser Flüchtlingskrise bitten. Was ist denn von diesem Treffen nach Ihrer Einschätzung zu erwarten?" - „Dieses Treffen, um es mal so zu sagen, schürt natürlich die Gerüchte, dass Orban heute Nacht noch räumen lassen könnte, weil er im Vorfeld vielleicht noch Macht demonstrieren möchte. Prinzipiell geht es ihm auch darum, dass er Geld möchte, finanzielle Unterstützung, und natürlich wird darüber gesprochen werden, wie man weiter vorgeht, es wird hier ja nach wie vor kein Flüchtling registriert, vielleicht ab und zu einer herausgepickt, aber prinzipiell registriert man die Leute nicht, man lässt sie aber auch nicht Weiterreisen, und dann gibt's natürlich immernoch die Hoffnung, dass eine politische Lösung nach diesem Treffen in Brüssel etwas näher sein könnte als sie es bisher ist." - „Vielen Dank, Susanne Glass, für diese Einschätzungen aus Budapest vor dem Bahnhof."
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Dass die Zahl der Flüchtlinge, die am Ende auch in Deutschland ankommen werden, eher noch zunehmen wird, das scheint mir, ist doch ziemlich sicher. Allein wenn man heute einen Blick auf die sogenannte Balkanroute warf, da liegt das auch nahe. Und die beginnt zum Beispiel in Griechenland: Auf der Insel Lesbos hausen Tausende unter zum Teil dramatischen Umständen. Die griechischen Behörden sind offenbar nicht in der Lage, sie auch nur halbwegs angemessen zu versorgen. Am Münchener Hauptbahnhof war es dagegen heute ruhig, die Münchener haben so viele Hilfsgüter vorbeigebracht, dass man das alles sogar erst einmal einlagern muss.
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„Und in Mainz begrüße ich jetzt den Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, schönen guten Abend, Herr Oppermann." - „Guten Abend, Herr Roth." - „Herr Oppermann, auch angesichts der dramatischen Entwicklung war und ist die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung, muss man ja sagen, wirklich beeindruckend groß. Befürchten Sie aber nicht doch, dass bei anhaltend steigender Flüchtlingszahl die Stimmung in der Bevölkerung nicht irgendwann einfach kippen könnte?" - „Ich glaube, diese Hilfsbereitschaft ist eine unglaublich wertvolle Ressource, die wir im Augenblick in Deutschland haben, dass Millionen Menschen Empathie, Solidarität und Hilfsbereitschaft zeigen, das ist großartig. Die Menschen sind sozusagen in Vorleistung gegangen, jetzt brauchen wir aber auch entschlossene staatliche Entscheidungen, und deshalb bin ich froh, dass wir am Sonntagabend Koalitionsausschuss haben." - „Kommen wir gleich drauf. Aber haben Sie und damit natürlich auch die große Koalition nicht diese ganze krisenhafte Entwicklung dieser Flüchtlingskrise in Europa verschlafen oder mindestens maßlos unterschätzt?" - „Nun, nicht alle staatlichen Stellen waren hinreichend vorbereitet auf das, was in den letzten Wochen und Monaten gekommen ist, allerdings haben wir schon seit Monaten unsere Vorschläge auf den Tisch gelegt, und haben gesagt, wir brauchen dringend eine Entlastung der Kommunen, damit die Kommunen und Länder nicht zu falschen Entscheidungen gezwungen werden, wir wollen nicht, dass sie Kultur- oder Sporteinrichtungen schließen müssen, weil sie jetzt so viel Aufwand haben, die Flüchtlinge anständig unterzubringen, das wären völlig falsche Alternativen." - „Nun hat heute Mittag der Innenausschuss des Bundestages Maßnahmen zu dieser Flüchtlingskrise diskutiert, überlegt wird ja sogar, das Grundgesetz zu ändern, was muss denn jetzt, auf kürzere Begriffe gebracht, so schnell wie möglich passieren?" - „Wir brauchen jetzt vor allen Dingen Flexibilität, wir müssen die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen, dazu müssen wir die Kapazitäten in der Erstaufnahme deutlich erhöhen, wir haben fünfundvierzigtausend Plätze, die sind hoffnungslos überbelegt, wir brauchen hunderttausend zusätzliche Plätze, aber wenn wir jetzt Kasernen Umrüsten zu Erstaufnahmeeinrichtungen, dann können wir nicht die ganzen Bau- und Umweltvorschriften erfüllen, das heißt wir brauchen jetzt sozusagen einen Dispens von allen bürokratischen Vorschriften, damit schnell gehandelt werden kann. Und dann brauchen wir vor allen Dingen schnellere Verfahren. Noch immer dauern die Verfahren fünf Komma vier Monate, wir müssen erreichen, dass nur noch Flüchtlinge mit einer eindeutigen Bleibeperspektive an die Kommunen weitergeleitet werden, dann wissen die Kommunen: diese Menschen bleiben auf Dauer hier, die müssen wir jetzt integrieren." - „Und am Sonntag, Sie haben es schon erwähnt, gibt es den Koalitionsgipfel zu diesem Thema Flüchtlinge, Sie wollen ja als SPD ein neues Einwanderungsgesetz, das alles noch einfacher und auch schneller machen soll. Die CDU/CSU will aber genau das nicht, wie wollen Sie denn die überzeugen?" - „Nun, ich glaube, wir sehen ja, es kommen viele Menschen als Kriegsflüchtlinge, weil sie politisch verfolgt werden. Aber es kommen eben auch viele, die suchen Arbeit oder wollen ein besseres Leben, dafür habe ich großes Verständnis, aber wir können die nicht alle auch aufnehmen, deshalb brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, das die Arbeitsmigration besser steuert. Wir müssen selber die Kriterien besser festlegen, welche Leute nach Deutschland einwandern können, dann können wir den Zuzug auch begrenzen und besser steuern, ein Einwanderungsgesetz steht deshalb nach wie vor auf der Tagesordnung." - „Herr Oppermann, nun können sie natürlich am Sonntag auf dem Koalitionsgipfel beschließen, was Sie wollen, das hilft am Ende garnichts, solange Europa in dieser Frage eben versagt, und jeder das Problem am Ende dem Anderen zuschiebt." - „Genauso ist es. Europa zeigt sich im Augenblick von seiner schlechtesten Seite. Wir brauchen dringend eine neue europäische Flüchtlingsordnung, die alte ist zerbrochen. Und wenn jetzt alle ihre Züge und Fähren nach Deutschland weiterleiten, dann wird das am Ende nicht funktionieren, Deutschland ist ein starkes Land, wir können sicherlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als schwächere Länder in Europa, aber es kann nicht sein, dass einige Länder sagen, wir haben damit überhaupt nichts zu tun. Da brauchen wir jetzt wirklich Druck. Europa hat in der Griechenlandkrise, da gab es die Gefahr, dass wir Geld verlieren, in der Flüchtlingskrise besteht die Gefahr, dass wir unsere Werte verlieren, das darf nicht passieren." - „Herr Oppermann, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch." - „Ich danke auch."
Und das Interview haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
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Internationale Zeitungen loben Deutschlands Umgang mit den Flüchtlingen und sie loben auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Den Innenausschuss des Bundestages, den wir eben schon erwähnt haben, den trieb aber trotzdem eine andere große Sorge um, nämlich bis Ende August gab es in diesem Jahr in Deutschland 340 Anschläge auf Flüchtlingsheime. Das ist rund doppelt so viel wie im ganzen letzten Jahr. Kann es sein, dass dahinter organisierte rechtsextreme und ausländerfeindliche Gruppen stecken, vielleicht sogar ein rechtsextremer Terrorismus? Welche Erkenntnisse es darüber gibt, das wollte der Innenausschuss heute Mittag vom Innenminister Thomas Demaiziere wissen. Michael Stempfle.
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- (Konstantin von Notz, stellv. Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen) „Es ist bisher schlicht auch Glück und Zufall gewesen, dass nichts Schlimmeres passiert ist." (Wolfgang Bosbach, Fraktion CDU/CSU) „Wir wollen zum Beispiel wissen, warum es bei über dreihundert Anschlägen auf Flüchtlingsheime so dürftige Fahndungserfolge gibt." - (Burkhard Lischka, Fraktion SPD) „Ich stelle mir natürlich schon die Frage, sind das alles Taten von Einzeltätern?" Die Innenexperten des Bundestags haben viele Fragen, und vor allem eine schockierende Erfahrung aus den vergangenen Jahren: die Mordserie der Terrorzelle NSU. Deuten die vielen Anschläge jetzt darauf hin, dass sich Rechtsextremisten wieder bundesweit organisieren? Was weiß der Bundesinnenminister? (Thomas de Maiziere, CDU, Bundesinnenminister) „Das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, beobachtet das sehr intensiv, wir tauschen uns mit den Ländern aus. Wir haben bisher noch keine Hinweise auf organisierte rechtsterroristische Strukturen, aber wir haben das sehr genau im Blick." (00:12:01) [...]
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Ja, und auch dies ist eine Realität in Deutschland: Die Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge im ganzen Land, die platzen aus allen Nähten. Von Krieg und Elend gezeichnete Menschen müssen nach einer langen und sehr zehrenden Flucht in Zelten und Turnhallen in drückender Enge unterkommen. Städte und Gemeinden, die sind aber einfach schlicht überfordert mit der stetig wachsenden Zahl von Flüchtlingen, und dazu kommt, bald kommt der Winter und deshalb wird natürlich händeringend nach neuen Möglichkeiten der Unterbringung gesucht, und dabei ist es heute in manchen Gegenden für viele in Deutschland lebende Bürger ohnehin schon schwierig genug, eine bezahlbare Wohnung zu finden, geschweige denn für Flüchtlinge. Verena Bütten.
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- Planen für den Winter. Eine aufblasbare beheizte Halle soll diese Zeltunterkunft für Flüchtlinge ersetzen. Von einem Provisorium ins nächste, der Düsseldorfer Wohnungsmarkt und die Zahl der Flüchtlinge lassen nichts anderes zu. (Miriam Koch, Flüchtlingsbeauftragte Stadt Düsseldorf) „Wir haben im Moment in unseren kommunalen Unterbringungen noch über dreihundert Menschen, die tatsächlich asylberechtigt sind, und damit sich eine Wohnung einfach selber nehmen könnten. Die finden hier in Düsseldorf im Moment nichts, wir schmeißen die nicht raus, lassen die nicht obdachlos werden, aber für die wäre es natürlich dringend notwendig, bezahlbaren Wohnraum zu finden." Nach diesem Zelt und der Halle wird für sie wohl erstmal die Containersiedlung kommen, alles um Zeit zu gewinnen. Gerade teure Städte wie Düsseldorf müssen nicht nur über den Winter planen, sondern auch langfristig. Etwa jeder zweite Flüchtling wird bleiben, vermutlich Jahre, bloß wo? (Thomas Geisel, SPD, Oberbürgermeister Düsseldorf) „Wir müssen eben noch mehr bauen, wir haben hier ein Programm, das vorsieht, 3000 neue Wohnungen pro Jahr, das wird nicht reichen, wenn wir die Menschen, die Flüchtlinge, die hierher kommen, integrieren." Mehr günstiger Wohnraum in den Ballungszentren, das fordert der Deutsche Städtetag schon länger. Der Anteil der Sozialwohnungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren etwa halbiert, jetzt sei ein radikaler Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau dringend nötig, in Milliardendimensionen. (Ulrich Maly, Vizepräsident Deutscher Städtetag) „Ich glaube, dass der größte soziale Sprengstoff tatsächlich darin liegt, dass wir die alleinerziehende Mutter oder die Geringverdienerfamilie und die Flüchtlingsfamilie in den Kampf um die letzte billige Wohnung schicken, deshalb ist es wichtig, dass wir auf der Angebotsseite Entspannung schaffen." Wieso nicht den Leerstand nutzen? Vom dichten Düsseldorf ins ländliche Westfalen etwa, wo die Bevölkerung abwandert? Aber wenn ein Flüchtling den Aufenthaltsstatus bekommt, kann er wie jeder andere seinen Wohnort selbst wählen, und entscheidet sich meist für Großstädte, was die Lage verschärft. (Bernd Mesovic, ProAsyl)
„Wir wollen nicht den Bau von Flüchtlingsghettos. Der soziale Wohnungsbau ist genauso zu öffnen für all die Menschen, für die Einheimischen, die eben nicht die Mieten in Ballungsgebieten bezahlen können, und es wird auch eine Aufgabe sein insbesondere in Ballungsgebieten, weil alle Menschen dorthin ziehen, wo die Jobs am ehesten sind." Eine Riesenherausforderung für die Städteplaner. Architekturprofessor Jörg Friedrich macht Vorschläge, um billig, schnell und doch dauerhaft zu bauen. Zum Beispiel will er Baulücken schließen und Flachdächer aufstocken. (Jörg Friedrich, Fakultät für Architektur Universität Hannover) „Das ist eine Verdichtung, aber es ist auch ein Andocken an bestehende Architekturen und Siedlungssysteme, um auf diese Form, Art und Weise, die Nutzungsgruppen nicht zu groß werden zu lassen, und auf diese Art und Weise keine Ghettos entstehen zu lassen." Ein erster Versuch soll an der Universität Hannover selbst entstehen. Auf diesem Flachdach ist im nächsten Jahr ein Aufbau geplant, günstiger Wohnraum für Studenten und Flüchtlinge.
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3.9.2015
22.15Uhr
Tagesthemen
Themen der Sendung: Toter Junge am Strand: Ein Foto und seine Durchschlagskraft, Ungarn lässt Flüchtlings-Zug räumen, Orban nennt Flüchtlingskrise ein "deutsches Problem", Der Kommentar, ARD- DeutschlandTrend I, Wie sehen uns Flüchtlinge?, ARD-DeutschlandTrend II, Weitere Meldungen im Überblick, China demonstriert militärische Macht, Das Wetter
Thomas Roth
Nein, das ist kein guter Abend, an dem wir die Tagesthemen beginnen, mit einem der traurigsten Fotos, die man sich so vorstellen kann. Wir haben uns nach langer Diskussion entschlossen, es so mit Ihnen zu teilen, wie wir das auch gleich tun werden, denn es ist nicht nur ein Foto. Es geht hier um einen Menschen und um ein völlig sinnlos erloschenes Leben. So lag der syrische Junge Aylan Kurdi, drei Jahre alt, tot am Strand des türkischen Ferienortes Bodrum, ein Flüchtlingskind aus Syrien. Das Fluchtboot kenterte, und das war das Ende des kurzen Lebens von Aylan Kurdi. Und dieses Foto löst inzwischen weltweit Trauer und Entsetzen aus, es wird von vielen als das Symbol für das Versagen Europas im Umgang mit der Flüchtlingskrise genommen, und selbst der britische Premier Cameron reagierte heute darauf, obwohl er bisher sich als auch sein Land von der Flüchtlingskrise abzuschotten versucht hat. Jörg Staschen über das Schicksal von Aylan Kurdi und seiner Familie.
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- Die Wellen spülen die Wahrheit an den Strand. Ertrunken im Mittelmeer. Aylan, drei Jahre alt, auch sein Bruder Galip und seine Mutter Rehan tot, geflohen aus Kobane in Syrien. Sie wollten zur Tante nach Kanada. Ihr Asylantrag offenbar erfolglos. Also Flucht über das Mittelmeer. Nur der Vater überlebt. Heute erzählt er von der Flucht. Mehr als 4000 Euro hätten sie für die Passage im Schlauchboot bezahlt. (Abdullah Kurdi) „Der Schlepper nahm uns in seinem Boot mit. Nach vier oder fünf Minuten waren die Wellen so hoch, er sprang einfach aus dem Boot und verschwand. Die nächste Welle warf das Boot um. Ich versuchte, meine Kinder und meine Frau festzuhalten, aber ich hatte keine Chance, einer nach dem anderen starb." Jede Titelseite in Großbritannien zeigt den toten Aylan. Kann ein Foto die Politik eines Landes ändern? „Nicht auszuhalten", schreibt der Mirror, der Druck auf die Regierung wächst. 15 Millionen Euro gibt sie aus für neue Grenzzäune in Calais, nimmt aber freiwillig nicht einen Flüchtling zusätzlich auf. Premier Cameron, der schon von „Flüchtlingsschwärmen" sprach, angesichts des toten Aylan heute plötzlich moderat. (David Cameron, Premierminister Großbritannien) „Als Vater bewegt mich der Anblick des toten Jungen am Strand sehr. Wir sind ein Land mit Moral und werden unsere moralischen Verpflichtungen erfüllen." Was die vage Aussage bedeuten könnte, berichtet am Abend der Guardian: Großbritannien plane, Tausende Flüchtlinge mehr aufzunehmen, aus UN-Lagern an der syrischen Grenze. Noch unbestätigt: Cameron gibt offenbar dem Druck nach, auch dem Druck der EU. (Jonathan Portes, Nationales Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung) „Wenn der Premierminister Großbritannien in der Flüchtlingsfrage wie eine Insel behandelt, ist das nicht konstruktiv, und es macht seine Verhandlungen um Großbritanniens Rolle in der EU deutlich schwerer." Cameron sitzt in der Klemme, er muss für Teile seiner Partei mehr Rechte und weniger Pflichten Großbritanniens in der EU herausschlagen. Er kann aber nicht gleichzeitig seine harte Haltung gegenüber Flüchtlingen durchhalten, schon garnicht angesichts solcher Fotos.
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Ja, und auch dieses Bild hat heute für Entsetzen gesorgt, es steht an einer anderen Ecke Europas für das Leid in dieser Flüchtlingskrise. In Ungarn hat sich dieser verzweifelte Mann mit Frau und Baby auf die Gleise geworfen, um dem Abtransport in ein Aufnahmelager für Flüchtlinge zu entgehen. Die ungarischen Behörden ergänzten ihre Taktik heute um eine neue Variante. Die Polizei ließ Asylbewerber zwar in den Zug einsteigen, aber der fuhr am Ende garnicht Richtung Westeuropa. Als die Flüchtlinge das bemerkten, kam es zu chaotischen Situationen, und auch am Budapester Bahnhof sammeln sich weiter Tausende Flüchtlinge, die nicht wissen, wie es weitergeht. Susanne Glass hat einen getroffen, der sich trotz allem nicht unterkriegen lässt, und der voller Träume ist.
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- Aus ihm wird mal ein ganz großer Fernsehmann. Da sind wir inzwischen alle sicher. Nihat aus der syrischen Stadt Kobane. Heute ist sein vierzehnter Geburtstag. Irgendwann im Laufe dieser ineinander verschwimmenden Berichterstattungstage und -Nächte war er plötzlich da, kam zu uns in den ARD-Übertragungswagen vor dem Budapester Ostbahnhof. Er wollte alles ganz genau erklärt bekommen. Nihat spricht kein Englisch, von uns niemand Arabisch, aber verstanden haben wir uns trotzdem von Anfang an - und vieles geht auch ohne Worte. Nihat hat uns die Fotos und Videos auf seiner Facebook-Seite gezeigt. Furchtbare Bilder vom Krieg, seinen Onkel, seine Tante, andere Verwandte, die alle geköpft worden sind. Er habe das gepostet, erzählt er dann unserem Übersetzer, weil er seinen toten Verwandten immer gedenken wolle. Wir fragen nach, wie er es schaffe, solche Bilder überhaupt zu ertragen, die Frage beantwortet er hartnäckig nicht. Er kennt ja auch nur den Krieg, seit er zehn Jahre alt ist. Dann führt uns Nihat zu seiner Familie, seit Wochen sind sie auf der Flucht, kamen über die Westbalkan-Route. Jetzt campieren sie mit Hunderten anderen seit fünf Tagen im Untergeschoss des Bahnhofs. Papa, Mama, Bruder, Schwester und noch einige Verwandte, die sich aus dem zerstörten Kobane lebend retten konnten. Sie sind Kurden syrischer Abstammung, haben für alle eine Fahrkarte nach Deutschland gekauft. Nihat verkündet ihnen jetzt, dass er in Deutschland später einmal fürs Fernsehen arbeiten möchte, und übt schonmal mit Mama. Inzwischen ist es schon nach 22 Uhr, Nihat will wieder hoch, schlafen kann er in dieser lauten, stickigen Enge sowieso nicht. Unseren Cheftechniker Richard nennt er inzwischen Papa. Das war gestern Abend. Heute Morgen kamen wir dann zum Bahnhof, den die Polizei plötzlich freigegeben hatte, sahen diese Szenen. Flüchtlinge, die sich in überfüllte Züge drängen, in der großen Hoffnung, dass diese sie nach Deutschland bringen. Menschen, die sich dann in völliger Verzweiflung an die Bahngleise klammern, als die Polizei ihren Zug kurze Zeit später in Biczke stoppt, um sie in ein Flüchtlingscamp zu bringen. Und alle haben wir uns dabei sofort die bange Frage gestellt, wo ist Nihat? Was ist mit seiner Familie? Kurz danach ist er am Kameraset aufgetaucht, als wäre er schon ein ARD- Mitarbeiter. Nihat ist also weiterhin mitten im Chaos am Budapester Ostbahnhof, das ist eine gute und zugleich schlechte Nachricht dieses Tages.
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Ja, verantwortlich für den Umgang mit den Flüchtlingen in seinem Land, das ist natürlich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Er war heute in Brüssel, um sich mit dem Parlamentspräsidenten Schulz und dem Kommissionschef Jean-Claude Juncker über diese Krise zu beraten, und um sich gegen Kritik an seinem Vorgehen zur Wehr zu setzen, die auch aus Brüssel gekommen war. Dass er sich im Recht sah, das konnte man bei dem ja sehr ausgeprägten Selbstbewusstsein des erzkonservativen Politikers sicher erwarten, überraschend war eher die Deutlichkeit, mit der er die aus seiner Sicht Verantwortlichen für diese Krise benannt hat. Und das ging Richtung Berlin. Arnim Stauth.
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- Begrüßung mit Handschlag. Ungarns Ministerpräsident Orban verbreitete keine Harmonie, er provozierte heute die drei Präsidenten der europäischen Institutionen. Auftakt am Morgen, Orban trifft Martin Schulz, den Präsidenten des europäischen Parlaments. Orban möchte am liebsten, dass überhaupt keine Flüchtlinge nach Europa kommen. (Viktor Orban, Ministerpräsident Ungarn) „Sagt ihnen bitte, kommt nicht zu uns. Warum müsst ihr aus der Türkei nach Europa, die Türkei ist doch ein sicheres Land. Bleibt dort, wir können nicht garantieren, dass ihr hier aufgenommen werdet. Vom humanitären Standpunkt gesehen repräsentieren wir, die die Grenze verteidigen, auch einen moralischen Wert." - (Martin Schulz, Präsident Europäisches Parlament) „Ich bin nicht der Meinung von Viktor Orban, es ist kein Vorschlag zu einer Problemlösung. Wenn Sie 400.000 oder 500.000 Flüchtlinge haben, die nach Europa kommen, und Sie verteilen die unter 507 Millionen Menschen, die in den 28 Mitgliedsstaaten der EU leben, dann ist das kein Problem." Für Schulz sind Länder wie Ungarn das Problem, Länder, die sich sträuben, auch nur ein paar Tausend Flüchtlinge aufzunehmen. Dazu Orban: „Das Problem ist nicht ein europäisches Problem, es ist ein deutsches Problem. Niemand will in Ungarn bleiben, niemand will hier bleiben, nicht in der Slowakei, nicht in Polen oder in Estland, sie alle wollen nach Deutschland." Eine Stunde später war der Gast beim Präsidenten des europäischen Rates, Donald Tusk trat dem Ungarn mit einer neuen Idee entgegen. (Donald Tusk, EU-Ratspräsident) „Die faire Verteilung von mindestens 100.000 Flüchtlingen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU, das ist es, was wir jetzt tun müssen." Am Nachmittag schließlich der Besuch beim dritten Präsidenten, JeanClaude Juncker, Chef der Europäischen Kommission. Auch Juncker hatte sich für die Konfrontation mit dem Mann aus Ungarn einen Plan gemacht, 120.000 Flüchtlinge will er in der Europäischen Gemeinschaft schnell und gerecht verteilen. Sogar außerhalb von Brüssel sahen sich die Mächtigen Europas zu klaren Worten gedrängt. (Francois Hollande, Präsident Frankreich) „Für Asylsuchende, für Flüchtlinge, besonders aus Syrien, für die schlagen die Kanzlerin Merkel und ich eine dauerhafte und verpflichtende Regelung vor." Und schließlich Angela Merkel selbst, auch sie stritt aus der Schweiz mit Viktor Orban. (Angela Merkel, Bundeskanzlerin) „Die Pflicht heißt auch, denen Schutz zu gewähren, die Schutz verdienen, und die Genfer Flüchtlingskonvention gilt nicht nur in Deutschland, sondern sie gilt in jedem europäischen Mitgliedsstaat." Am Ende des Tages hat Viktor Orban eines jedenfalls geschafft: Er hat die mächtigsten Männer Brüssels, plus Paris und Berlin gezwungen, noch deutlicher Farbe zu bekennen.
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Das Flüchtlingselend und Europa im Streit, dazu ein Kommentar von Tina Hassel vom Westdeutschen Rundfunk.
- Kommentar: Ein Tag, zwei Bilder, und die Macht, die sie entfalten. Da lässt der ungarische Präsident zynisch die Lage erneut eskalieren, passgenau zu seinem Besuch in Brüssel, und schon sind sie wieder da, die Bilder der vollgestopften Züge, der Frauen und Kinder, die sich verzweifelt auf die Schienen werfen, Ohnmacht und Angst auf Knopfdruck. Ganz anders das Bild des dreijährigen Aylan, ertrunken auf der Flucht aus Syrien, angeschwemmt wie Treibgut an einem türkischen Strand. Dieses Bild lässt selbst europäische Konservative die Politik der Abschottung infrage stellen. Nicht nur jeder von uns schwankt zwischen den Gefühlen von Anteilnahme und Abwehr, ganz Europa ist gespalten, nur so lässt sich das Schlingern vieler Regierungen verstehen. Auch Angela Merkel ist erst nach langem Schweigen zum Sprachrohr eines humanen Umgangs mit Flüchtlingen geworden, jahrelang hatte auch Deutschland die kalte Schulter gezeigt, als Italiener und Griechen um Hilfe riefen bei der Bewältigung ihrer Flüchtlingskrisen. Solidarität ist nicht selbstverständlich und kein Menü a la carte. Vielleicht aber müssen wir neu definieren, wie sie zu erreichen ist. Über feste Quoten, die Flüchtlinge in Länder zwingen, die unwillig und unfähig sind sie zu integrieren, oder mit kreativeren Wegen, mit einem großen solidarischen Topf, der die Länder belohnt, die bereit sind, mehr Fremde in ihrer Gesellschaft aufzunehmen. Ich finde den Vorschlag eines europäischen Flüchtlingsfonds deshalb hoffnungsvoll. Solange aber Regierungen in Europa ganz offen mit dem Finger aufeinander zeigen, solange Solidarität nur gefordert wird, wenn die Probleme die eigenen Grenzen erreichen, und solange wir uns mehr von Bildern leiten lassen als von Regeln, ist das eine Bankrotterklärung für Europa und eine Katastrophe für die Menschen auf der Flucht.
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(Deutschland-Trend I, wie Menschen zu der Politik im Umgang mit Geflüchteten stehen, wie viele Menschen Deutschland aufnehmen soll, ob sie „Angst" haben vor den Menschen, die kommen)
Nun haben wir im Deutschlandtrend gehört, wie Deutschland zu den Flüchtlingen steht - wieDeutschlandzu den Flüchtlingen steht. Aber wie blicken die, die zu uns kommen, auf Deutschland? Welche Erfahrungen haben sie mit uns gemacht, seit sie die Grenze überquert haben, um sich mühevoll ein neues Leben aufzubauen versuchen. Wir haben einige Flüchtlinge nach ihren Eindrücken von uns Deutschen gefragt. Charlotte Gnändiger und Felix Hüttermann.
- (Text) „Was ist Ihr erster Eindruck von Deutschland?" - (Jelsica Esperanca, Angola) „In Deutschland streiten die Menschen sich halt nicht so, wie zum Beispiel mit Messern und sowas", (Suele Osmani, Albanien) „Viele Spielplatz für Kinder, das in Albanien wir haben viel weniger", [synchronisiert] Mai Khadra, Syrien) „Als ich hier ankam, dachte ich, die Menschen hier sind wie Engel, so freundlich, so liebenswürdig. Sie helfen uns." - (Text) „Wie erleben Sie die Bürokratie?" - „In Albanien wir haben nicht diese. Wir haben nicht so viel Papier, nicht so viel, alles mit Papier. Aber hier, ich mag das." - „Wir dürfen ohne Ausweispapiere nicht zur Schule gehen, dabei sollte uns Syrern und anderen Menschen aus Kriegsgebieten einfach geholfen werden." - (Text) „Haben Sie Ablehnung erfahren?" - (Anna Voronianskia, Kirgisistan) „Manchmal ich denke sie haben Angst bei Flüchtlinge", „Ich war in der Schule, ich war neu, danach kommt ein Mädchen zu mir, sie sagt zur mir: Wieso bist du so braun? Dann sind sie alle zu mir gekommen, sagen sie: Oh mein Gott, ich will nicht mit diesem braunen Mädchen spielen, sonst werde ich halt auch braun." - „Alle Leute, die ich gesehen habe, waren so nett, ich treffe niemanden, der unfreundlich zu mir ist, alle lächeln mich an."
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Deutschland-Trend II (Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, was „die Deutschen zu diesen fremdenfeindlichen Übergriffe" sagen, und ob die Behörden genug tun, „um Flüchtlinge vor Übergriffen zu schützen", „Hat Kanzlerin Merkel/hat Innenminister de Maiziere bisher angemessen gehandelt?")
4.4.2016
22.15Uhr
Tagesthemen
Themen der Sendung: Neueste Enthüllungen und Weltweite Reaktionen auf "PanamaPapers", Putin und die Offshore-Konten, Ukrainischer Präsident Poroschenko in den Enthüllungspapieren zu sehen, Der Kommentar, Weitere Meldungen im Überblick, EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, Kriminalität am Kottbusser Tor in Berlin, Das Wetter
Caren Miosga
Seit heute ist es nun soweit, seit heute Morgen wird der umstrittene Flüchtlingshandel der EU mit der Türkei in die Tat umgesetzt. Für jeden aus Griechenland in die Türkei abgeschobenen Syrer nimmt die EU jetzt einen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf. In Friedland sind heute die ersten zweiunddreißig syrischen Flüchtlinge angekommen, die direkt aus der Türkei eingeflogen wurden. Doch die Kehrseite dieses Abkommens sieht so aus: Über 200 Flüchtlinge mussten sich heute von ihrem Traum von Europa verabschieden. Sie wurden heute Morgen aus Griechenland abgeschoben und in Schiffe Richtung Türkei gesetzt. Ellen Trapp berichtet.
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- Fünf Uhr deutscher Zeit. Einhundertsechsunddreißig Flüchtlinge, die in die Türkei abgeschoben sind bereits mit Bussen in den Hafen von Mytilini gebracht worden, sie hatten keinen Asylantrag gestellt. Laut EU-Türkei-Abkommen müssen sie Griechenland nun verlassen. Ein jeder von ihnen wird auf dem Schiff von einem Grenzschutzbeamten begleitet. (Zacharoula Tsirigoti, Chefin Einwanderungspolizei Griechenland) „All die Flüchtlinge, die heute zurückgebracht wurden, sind aus Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Algerien und Marokko, Wirtschaftsflüchtlinge." Am Rande der Aktion: kleinere Proteste. David aus Spanien sorgt sich um die Flüchtlinge in der Türkei. Das Land sei nicht sicher für sie, glaubt er. „Die Pakistanis werden in der Türkei keine Chance haben, Asyl zu beantragen, und es wird sehr schwierig für sie sein, nach Pakistan zurückzukehren. Das ist eine sehr ernste Art von Menschenrechtsverletzung." Um eine Abschiebung in die Türkei zu vermeiden, sollen die meisten Flüchtlinge im Camp Moria bereits einen Asylantrag gestellt haben. Doch Menschenrechtsorganisationen glauben nicht, dass die Anträge alle ordentlich geprüft werden. (Wenzel Michalski, Human Rights Watch) „Es ist höchst illegal, es handelt sich hier um Massenabschiebungen und das ist nicht erlaubt unter den Genfer Konventionen, auch nicht unter den europäischen Flüchtlingskonventionen, das heißt, die EU macht hier bewusst etwas, was verboten ist, und das kritisieren wir natürlich sehr heftig, das ist sehr unmenschlich." Tausende Asylanträge jetzt im Schnellverfahren, ohne ausreichend Personal, die griechische Regierung gibt sich zuversichtlich. (Giorgos Kyritsis, Krisenstab griechische Regierung) „Wir haben in der Vereinbarung darauf bestanden, dass von Fall zu Fall untersucht werden muss. Wir haben mit dem Gesetz die Dienststelle für Asylpolitik verstärkt, damit sie die Möglichkeit hat, jeden einzelnen Fall zu untersuchen." Die Flüchtlinge vom Morgen werden mit zwei Schiffen ins Türkische Dykili gebracht, wo sie von türkischen Beamten empfangen wurden. Auch hier gab es einige Aktivisten, die das Abkommen stark kritisierten. „Diese ,Festung Europa', die sich immer mehr ausbildet und ausgebildet hat, mit diesen Maßnahmen, wie sie hier vor Ort irgendwie stattfinden, also jetzt nochmal explizit hier stattfinden, die finden überall an den Grenzen statt, ob in Spanien - das finden wir, das geht überhaupt nicht." Mehr als 200 Menschen wurden heute von den ägäischen Inseln in die Türkei abgeschoben. Das ist nur der Anfang.
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Michael Schramm ist für uns im türkischen Dikili, wo die ersten zweihundertundzwei Flüchtlinge heute angekommen sind. „Was passiert jetzt mit denen?" - „Zwei davon sind ja syrische Staatsbürger, die werden in ein Auffanglager verbracht, das gerade im Aufbau ist und können sich aber im Grunde frei im Lande bewegen, weil sie haben in der Türkei ein grundsätzliches Aufenthaltsrecht. Die anderen Zweihundert werden im Grunde wieder verbracht aus der Türkei, sie kommen in ein anderes Auffanglager, ein bewachtes Auffanglager bei Edirne, Kirklareli heißt es, es ist ein altes Lager, es ist noch aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg, damals wurden dort bosnische Flüchtlinge der Neunzigerjahre untergebracht, es ist in einem etwas fragwürdigen Zustand, aber da werden sie hingebracht, und dann werden sie nach und nach per Flugzeug, man wird dann Flüge organisieren von der türkischen Regierung, werden sie in diese Länder zurückgebracht, wo sie herkommen, Afghanistan, Pakistan oder Nordafrika. Auch wenn dort noch unbedingt die Sicherheitslage nicht unbedingt besonders gut ist." - „Nun hat ja dieser ganze Deal zwischen der Türkei und der EU vor allem eine Botschaft für die Flüchtlinge: Es lohnt sich nicht mehr, illegal nach Griechenland zu fliehen, und dennoch haben genau das mehr als dreihundert Flüchtlinge heute wieder getan und sind mit dem Boot auf den griechischen Inseln gelandet." - „Ja, wir hatten heute eine besonders paradoxe Situation, als wir auf diese Schiffe warteten, die aus Griechenland kommen mit diesen Flüchtlingen, war nur fünfzig Meter weiter eine Auffangstation, wo türkische Küstenwache einundfünfzig Flüchtlinge anliefert, die dort sozusagen verhört wurden, die waren aufgebracht worden, die wollten nämlich von der Türkei nach Griechenland hinüber und wurden an der Flucht gehindert, haben sich also ganz offensichtlich nicht abschrecken lassen von dem Rückführungsabkommen zwischen der EU und der Türkei, und wenn man die Gesamtbilanz sich ansieht, sind dreihundert, haben heut' Nacht offenbar die Flucht geschafft von der Türkei nach Griechenland, und gerade mal zweihundert wurden zurückgeführt, also das mit der Abschreckung, das scheint Grenzen zu haben." - „Vielen Dank für die Einschätzung, Michael Schramm."
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[...]
1 Marcinkowski, 2014, S. 7.
2 Vgl. ebd.
3 Vgl. Wehling, 2016, S. 17.
4 Vgl. Goffman, 1986, S. 21f.
5 Vgl. Marcinkowski, 2014, S. 7.
6 Vgl. ebd.
7 Gemeinsam mit George Lakoff veröffentlichte E. Wehling im Jahr 2008 ein Buch mit dem TitelAuf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht,in dem die Autoren untersuchen, wie Metaphern und Deutungsrahmen das unbewusste Denken beeinflussen.
8 Vgl Wehling, 2015, S. 43.
9 Vgl. Scheufele, B., 2004, S. 35.
10 Vgl. Bilke, 2008, S. 219ff.
11 Vgl. ebd., S. 228.
12 Vgl. Matthes, 2004, S. 24.
13 Vgl. ebd., S. 30.
14 Entman, 1993, S. 52.
15 Vgl. Matthes/Kohring, 2004, S. 62.
16 Vgl. ebd.
17 Vgl. Scheufele, 2004, S. 30.
18 Vgl. Wehling, 2015, S. 18.
19 Vgl. ebd., S. 20.
20 Vgl. Niedenthal et. al., 2005.
21 Vgl. Wehling, 2015, S. 28.
22 Vgl. Matthes, 2014, S. 63f., s. Kapitel 1.2.
23 Vgl. ebd., S. 83f.
24 Vgl. ebd., S. 83ff.
25 Vgl. D'Angelo, 2002, S. 870-888.
26 Vgl. Entman/ Matthes/ Pellicano:Nature, Sources and Effects of News Framing,in: Wahl-Jorgensen, K./ Hanitzsch, T. (Hrsg):Handbook of Journalism Studies,Lawrence Erlbaum Associates, Mahwah 2009, S. 175-190.
27 Vgl. Matthes, 2014, S. 14f.
28 Vgl. ebd., S. 57ff.
29 Vgl. ebd., S. 18.
30 Vgl. Bilke, 2008, S. 227.
31 Vgl. ebd.
32 Vgl ebd., S. 228.
33 Vgl. Matthes, 2014, S. 18.
34 Vgl. ebd, S. 59f.
35 Vgl. ebd., S. 63.
36 Vgl. ebd., S. 64.
37 Vgl. ebd.
38 Vgl. ebd.
39 Vgl. ebd., S. 66.
40 Vgl. Aa^e, Lene:Investigating frame strength: The case of episodic and thematic framing,in:Political Communication,28(2), 2011, S. 207-226.
41 Vgl. ebd., S. 213-220.
42 Vgl. Matthes, 2014, S. 67.
43 Vgl. ebd.
44 Klemperer, 2007, S. 26.
45 Vgl. ebd., S. 25.
46 Vgl. Lakoff/Wehling, 2008, S. 13.
47 Vgl. ebd., S. 30.
48 Vgl. Wehling, 2015, S.68: Laut Wehling gibt es metaphorische und nicht-metaphorische Frames.
49 Vgl. Klemperer, 2007, S. 26.
50 Vgl. ebd.
51 Vgl. Wehling, 2015, S. 47ff.
52 Vgl. Scheufele, 2003, S. 75.
53 Vgl. ebd., S. 79.
54 Vgl. ebd.
55 Vgl. ebd., S. 80.
56 Vgl. ebd.
57 Vgl. Matthes, 2014, S. 66.
58 Vgl.Klemperer,2007, S. 26.
59 Vgl. Wehling, 2015, S. 47ff, Hervorhebungen im Original.
60 Vgl. Wehling, 2015, S. 83.
61 Vgl. ebd.
62 Vgl. ebd., S. 84-107.
63 Vgl. ebd., S. 108f.
64 Vgl. Prinz, 2015.
65 Vgl. ebd., S. 170.
66 Vgl. ebd.
67 Vgl. ebd., S. 173f.
68 S. Kapitel 3.
69 Vgl. Wehling, 2015, S. 174f.
70 Vgl. ebd., S. 174.
71 Ebd., S. 172.
72 Vgl. ebd., S. 173.
73 Vgl. Galtung, 1998, S. 3f.
74 Ebd., S. 4.
75 Vgl. ebd., S. 5.
76 Vgl. Knape, Joachim:Gewalt, Sprache und Rhetorik,in: Dietrich, J./Müller-Koch, U.:Ethik und Ästhetik der Gewalt,Mentis, Paderborn 2006, S. 57-79.
77 Vgl. Essen, 2003, S. 106.
78 Vgl. ebd.
79 Vgl. Bucher, 2004, S. 278.
80 Vgl Galtung, 1998, S. 5f.
81 Vgl. Bilke, 2008, S. 218.
82 Vgl. ebd.
83 Vgl. Galtung, 1998, S. 14.
84 Vgl. Bilke, 2008. S. 204.
85 Vgl. Galtung, 1998, S. 7.
86 Meier, 2013, S. 233.
87 Vgl. Speer, 2015.
88 Göring, 2015, zit. n. ebd.
89 Vgl. Weichert, 2013, S. 218.
90 Vgl. Kramp/Novy/Ballwieser/Wenzlaff, 2013, S. 7.
91 Vgl. Novy, 2013, S. 24.
92 Vgl. Sadrozinski, 2013, S. 86.
93 Vgl. Janson, 2013, S. 108.
94 Kramp, Leif/ Novy, Leonard/ Ballwieser, Dennis/ Wenzlaff, Karsten (Hrsg.):Journalismus in der digitalen Moderne, Einsichten - Ansichten - Aussichten,Springer VS, Wiesbaden 2013.
95 Vgl. Novy, 2013, S. 19f.
96 Vgl. Gleich, 2003, S. 140.
97 Vgl. Initiative Qualität im Journalismus des DJV, zit. n. ebd.
98 Ebd.
99 Vgl. Bilke, 2002, S. 54.
100 Vgl. Gleich, 2003, S. 140.
101 Vgl ebd., S. 141.
102 Vgl. Bilke, 2002, S. 50.
103 Vgl. Gleich, 2003, S. 140.
104 Vgl. ebd.
105 Vgl. Wirth/Früh, 1996, S. 35.
106 Vgl. Gleich, 2003, S. 140f.
107 Eilders, Christine/ Albrecht Lüter:Germany atwar.Competing framing strategies in German public discourse,In: European Journal of Communication, 15, 3/2000, S. 415-428.
108 Vgl. Gleich,2003, S. 144.
109 Vgl. ebd.
110 Vgl. ebd.
111 Jaeger,Susanne/ Mattenschlager,Andreas/ Meder, Gerhard:Dokumentationder DatenbasisderBosnienstudie im Journalismin the New Order'Projekt,ProjektgruppeFriedensforschung, Universität Konstanz, Konstanz 1999, http://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/10544/3311 .pdf?sequence=1&isAllowed=y.
112 Vgl. Gleich, 2003, S. 144.
113 Vgl. ebd., S. 141.
114 Vgl. ebd.
115 Vgl. ebd., S. 146.
116 Vgl. ebd., S. 146f.
117 Vgl. bspw. Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, Bonn 1995, S. 195ff./ Europa-Archiv, Folge (7)1979/ Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk Köln" (WDR-Gesetz),http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/rechtsgrundlagengesetz100.pdf/ Geltende Gesetze und Verordnungen des ZDF, 1963/2004/Stand 2016,https://recht.nrw.de/lmi/owa/brbes text?anw nr=2&gld nr=2&ugl nr=2252&bes id=7064&aufgehoben=N& menu=0&sg=0.
118 Vgl. Steinke, 2014, S. 56f.
119 Vgl. Meier, 2013, S. 144.
120 Weischenberg, Siegfried/ Malik, Maja/ Scholl, Armin:Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland,UVK, Konstanz 2006.
121 Vgl. Weischenberg/ Malik/ Scholl, 2006, S. 80ff, zit. n. Meier, 2013, S. 217.
122 Vgl. ebd.
123 Vgl. ebd., S. 216.
124 Vgl. Bilke, 2002, S. 68.
125 Vgl. Bilke, 2002, S. 68.
126 Vgl. Maeder-Metcalf, zit. n. ebd.
127 Vgl. Siebert, 2000, zit. n. Bilke, 2002, S. 69.
128 Vgl. Bilke, 2002, S. 68.
129 Vgl. ebd.
130 Vgl. ebd.
131 Vgl. ebd.
132 Vgl. Fondation Hirondelle, Lausanne 2016,http://www.hirondelle.org/index.php/en/who-we-are.
133 Vgl. Bilke, 2002, S. 69.
134 Vgl. ebd.
135 Vgl. ebd., S. 76.
136 Vgl. Bilke, 2008, S. 213.
137 Vgl. ebd.
138 Vgl. Bilke, 2002, S. 75.
139 Vgl. Bilke, 2008.
140 Ebd., S. 221f.
141 Ebd., S. 213f.
142 Vgl. ebd., S. 213.
143 Vgl. ebd., S. 214.
144 Vgl. ebd., S. 214f.
145 Vgl. ebd., S. 217.
146 Vgl. ebd.
147 Ebd., S. 217f.
148 Vgl. Raue, Stefan, zit. n. ebd., S. 218.
149 Vgl. Bilke, 2008, S. 219.
150 Vgl. ebd., S. 215f.
151 Vgl. ebd., S. 219f.
152 Vgl. ebd., S. 216.
153 Vgl. ebd.
154 Vgl. ebd., S. 219.
155 Vgl. Wehling, 2015, S: 69.
156 Vgl. Lakoff/Wehling, 2008, S. 176.
157 Vgl. Bilke, 2008, S. 219.
158 Vgl. ebd., S. 220.
159 Vgl. ebd., S. 221.
160 Vgl. ebd., S. 218.
161 Vgl. Lakoff/Wehling, 2008, S. 81f.
162 Vgl. Bilke, 2008, S. 220.
163 Vgl. ebd.
164 Vgl. Initiative Qualität im Journalismus des DJV, zit. n. Gleich, 2003, S. 140.
165 Vgl. Schäfer, 2004, S. 24.
166 Vgl. ebd., S. 12ff.
167 Vgl. Krogmann, Christiane, 2016:http://korrespondenten.tagesschau.de/,aufgerufen am 12.9.2016, 14.17 Uhr.
168 Vgl. Ludwig, 2009, S. 8.
169 Vgl. Buckalew/Reese, 1995, in: Critical Studies in Mass Communication, 12/1995.
170 Vgl. ebd., S. 40ff.
171 Vgl. ebd., S. 42.
172 Vgl. ebd., S. 47.
173 Vgl. ebd.
174 Vgl. ebd., S. 48.
175 Vgl. Spindeldreier, 2016,https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Reiseberichte/2016-03-16-europaeischer-rat-maerz.html,aufgerufen am 27.9.2016, 15.42 Uhr.
176 Vgl. Europäische Kommission, EU-Turkey Agreement:Questionsand Answers, 2016,http://europa.eu/rapid/press-releaseMEMO-16-963 de.htm, aufgerufen am 12. September 2016.
177 S. Anhang.
178 Vgl. Matthes, 2014, S. 12 u. Matthes, 2014, S. 22.
179 Vgl. Wehling, 2015, S. 52-55, Hervorhebung im Original.
180 Vgl. ebd., S. 53.
181 Tagesschau, 2.9.2015.
182 Tagesschau, 3.9.2015.
183 Tagesschau, 9.9.2015.
184 Tagesthemen, 2.9.2015.
185 Tagesthemen, 2.9.2015.
186 Heute-Journal, 28.9.2015.
187 Tagesthemen, 2.9.2015.
188 Heute-Journal, 18.9.2015.
189 Heute-Journal, 10.4.2015.
190 Tagesthemen, 2.9.2015.
191 Tagesschau, 2.9.2015.
192 Heute-Journal, 10.4.2016.
193 Tagesthemen, 3.9.2015.
194 Tagesschau, 3.9.2015.
195 Jean-Claude Juncker, Tagesschau, 9.9.2015.
196 Tagesthemen, 3.9.2015.
197 Tagesschau, 3.9.2015.
198 Tagesschau, 9.9.2015.
199 Vgl. Geden, 2006, S. 88.
200 Vgl. Lüscher/Wehrspaun/Lange, 1989, S. 72.
201 Vgl. Kersten, 1997, S. 6.
202 Tagesthemen, 3.9.2015.
203 Tagesschau, 3.9.2015.
204 Tagesschau, 3.9.2015.
205 Tagesschau, 9.9.2015.
206 Heute-Journal, 18.9.2015.
207 Heute-Journal, 18.9.2015.
208 Heute-Journal, 18.9.2015.
209 Heute-Journal, 18.9.2015.
210 Tagesthemen, 2.9.2015.
211 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2015.
212 Tagesschau, 9.9.2015.
213 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2015.
214 Tagesthemen, 2.9.2015/ Tagesthemen, 3.9.2015/ Tagesschau, 3.9.2015.
215 Heute-Journal, 18.9.2015.
216 Vgl. Heute-Journal, 18.9.2015.
217 Vgl. Tagesthemen, 3.9.2015.
218 Vgl. Heute-Journal, 18.9.2015.
219 Vgl. Heute-Journal, 18.9.2015/ zu „mehr Wohnraum" vgl. Tagesthemen, 2.9.2015.
220 Vgl. Tagesthemen, 3.9.2015, „Deutschland-Trend".
221 Tagesschau, 2.9.2015.
222 Ebd.
223 Ebd.
224 Heute-Journal, 18.9.2015.
225 Heute-Journal, 18.9.2015.
226 Tagesschau, 3.9.2015.
227 Heute-Journal, 18.9.2015.
228 Tagesschau, 3.9.2015.
229 Ebd.
230 Ebd.
231 Ebd.
232 Gerda Hasselfeldt, ebd.
233 Tagesschau, 9.9.2015.
234 Tagesschau, 24.9.2015.
235 Tagesschau, 4.4.2015.
236 Heute-Journal, 18.9.2015.
237 Heute-Journal, 28.9.2015.
238 Heute-Journal, 18.9.2015.
239 Heute-Journal, 10.4.2015.
240 Ebd.
241 Heute-Journal, 28.9.2015.
242 Ebd.
243 Ebd.
244 Ebd.
245 Ebd.
246 Tagesthemen, 2.9.2015.
247 Wehling, 2015, S. 174.
248 Vgl. ebd.
249 Vgl. ebd., S. 175.
250 Vgl. ebd.
251 Vgl. ebd.
252 Vgl. ebd., S. 176.
253 Vgl. ebd., S. 175.
254 Vgl. Brockhaus, 1965, S. 574.
255 Vgl. ebd.
256 Vgl. Arendt, 2013, S. 398.
257 Vgl. ebd., S. 361.
258 Vgl. ebd., S. 400f.
259 Tagesschau.de,17.4.2016,http://www.tagesschau.de/ausland/ecuador-erdbeben-101.html.
260 Ebd., 7.12.2009,http://www.tagesschau.de/ausland/arzneimittelfaelschung100.html.
261 Ebd., 14.1.2016,http://www.tagesschau.de/ausland/meldung158730.html.
262 Ebd., 22.2.2016,http://www.tagesschau.de/ausland/fidschi-zyklon-107.html.
263 Ebd., 10.6.2009,http://www.tagesschau.de/wirtschaft/insolvenzen108.html.
264 Ebd., 17.3.2015,http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-70243.html.
265 Ebd., 5.11.2014,http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-36673.html.
266 Ebd., 28.8.2014,http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-20386.html.
267 Ebd., 25.8.2013,http://www.tagesschau.de/ausland/tschador100.html.
268 Ebd., 14.1.2011,http://www.tagesschau.de/wirtschaft/automarkt112.html.
269 Ebd., 10.3.2009,http://www.tagesschau.de/wirtschaft/bundesbank110.html.
270 Ebd., 16.12.2010,http://www.tagesschau.de/jahresrueckblick/meldung376142.html.
271 Heute-Journal, 18.9.2015.
272 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2015.
273 Tagesschau, 4.4.2016.
274 Heute-Journal, 18.9.2015.
275 Ebd.
276 Tagesschau, 2.9.2015.
277 Tagesthemen, 2.9.2015.
278 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2015: „, aber wir können die nicht alle auch aufnehmen"/ Thomas Roth, Tagesthemen, 3.9.2015: „...wie viele Menschen Deutschland aufnehmen soll..."/ Susanne Daubner, Tagesschau, 4.4.2016: „Insgesamt will die Bundesrepublik 15.000 syrische Flüchtlinge direkt aus der Türkei aufnehmen".
279 Tagesschau, 9.9.2015: „Überall steht Polizei und sorgt dafür, dass die Menschen nicht weiter ins Landesinnere eindringen".
280 Viktor Orban, Tagesthemen, 3.9.2015.
281 Tagesthemen, 4.4.2016.
282 Tagesschau, 4.4.2016.
283 Tagesschau, 5.9.2016, 00:03:25.
284 Vgl. Heute-Journal, 10.4.2016/ Heute-Journal, 18.9.2015.
285 Diesen Begriff nutzt die Bild-Zeitung seit einigen Jahren in diversen Berichterstattungen, bspw. 16.4.2015: „Köln versinkt in Flüchtlingsflut" und 19.4.2011: „Europol: Mit der Flüchtlingsflut steigt die Terror-Gefahr". Indirekt wird aber auch in den untersuchten Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit diesem Bild gearbeitet: „Klar ist auch, solange auf den Schlachtfeldern in Afghanistan oder Syrien oder Irak gekämpft und gestorben wird, solange werden auch die Flüchtlingsströme nichtabebben"(Marietta Slomka, Heute-Journal, 28.9.2015).
286 Heute-Journal, 18.9.2016.
287 Ebd.
288 Tagesschau, 9.9.2015.
289 Ebd.
290 Heute-Journal, 10.4.2016.
291 Tagesschau, 2.4.2016.
292 Vgl. Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag, 2016.
293 Vgl. ebd.
294 Tagesschau, 4.4.2016.
295 Tagesschau, 3.9.2016.
296 Tagesschau, 4.4.2016.
297 Ebd.
298 Tagesthemen, 2.9.2015.
299 Tagesschau, 2.9.2015.
300 Tagesschau, 2.9.2015.
301 Tagesschau, 3.9.2015.
302 Ebd.
303 Ebd.
304 Tagesthemen, 2.9.2015.
305 Ebd.
306 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2016.
307 Tagesthemen, 4.4.2016.
308 Christina Kitidi, Tagesschau, 2.9.2015.
309 Heute-Journal, 18.9.2015.
310 Ebd.
311 Heute-Journal, 28.9.2015.
312 Tagesschau, 3.9.2015.
313 Heute-Journal, 18.9.2016.
314 Tagesschau, 24.9.2016.
315 Tagesschau, 3.9.2015.
316 Joachim Gauck, Heute-Journal 28.9.2015.
317 Tagesschau, 9.9.2015.
318 “Heute-Journal”, 28.9.2015.
319 Tagesschau, 24.9.2015.
320 Tagesthemen, 3.9.2015.
321 Tagesthemen, 3.9.2015, Hervorhebung d. Aut.
322 Vgl. Brost, Marc/ Pinzler, Petra:Sprache: Vorsicht vor diesen Wörtern,DIE ZEIT Nr. 10/2016, 25. Februar 2016,http://www.zeit.de/2016/10/sprache-manipulation-elisabeth-wehling,aufgerufen am 27.9.2015, 15.50 Uhr.
323 Elisabeth Wehling, zit. n. Brost/Pinzler, 2016.
324 Heute-Journal, 28.9.2015.
325 Helferin, Ebd.
326 Jörg Radek, Ebd.
327 Ebd.
328 Tagesschau, 24.9.2015.
329 Heute-Journal, 24.9.2015.
330 Clemens Binninger, ebd.
331 Viktor Orban, Tagesthemen, 3.9.2015.
332 Heute-Journal, 28.9.2015.
333 RalfSteger,ebd.
334 Heute-Journal, 28.9.2015.
335 Tagesthemen, 2.9.2015.
336 Ebd.
337 Tagesthemen, 2.9.2015: „die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung, muss man ja sagen, [war und ist] wirklich beeindruckend groß", „im Augenblick [zeigen] in Deutschland [...] Millionen Menschen Empathie, Solidarität und Hilfsbereitschaft", „Internationale Zeitungen loben Deutschlands Umgang mit den Flüchtlingen und sie loben auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung"/ Heute-Journal, 28.9.2015: „Deutschland zeigt sich freundlich, mitfühlend, aufnahmebereit".
338 Tagesschau, 5.9.2015.
339 Tagesschau, 9.9.2015.
340 Sören Raven, Ebd.
341 Tagesthemen, 2.9.2015.
342 Tagesschau, 2.9.2015.
343 Heute-Journal, 10.4.2016.
344 Tagesthemen, 3.9.2015.
345 Beispielsweise Tagesschau, 2.9.2015.
346 Tagesschau, 3.9.2015.
347 Heute-Journal, 18.9.2015.
348 Tagesthemen, 3.9.2015.
349 Ebd.
350 Ebd.
351 Ebd.
352 Frank-Walter Steinmeier, Heute-Journal, 18.9.2015.
353 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2015.
354 Angela Merkel, Tagesthemen, 3.9.2015.
355 Tagesthemen, 3.9.2015.
356 Tagesschau, 3.9.2015.
357 Tagesschau, 24.9.2015.
358 Heute-Journal, 18.9.2015.
359 Ebd.
360 Ebd.
361 Ebd.
362 Tagesschau, 3.9.2015.
363 Heute-Journal, 18.9.2015.
364 Tagesschau, 4.4.2016.
365 Tagesthemen, 4.4.2016.
366 „David aus Spanien", Tagesthemen, 4.4.2016.
367 Wenzel Michalskí, 4.4.2016.
368 Tagesthemen, 4.4.2016.
369 Ebd.
370 Vgl. Stein/Vogel, 2016,http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-135-2016/syrischen-fluechtlingen-droht-abschiebung.
371 Vgl. Redaktion Monitor, 14.1.2016,http://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-fluechtlinge-unerwuenscht--der-schmutzige-deal-zwischen-der-eu-und-der-tuerkei-100.html.
372 Tagesschau, 20.4.2016.
373 Tagesschau, 18.4.2016.
374 Tagesschau, 21.4.2016.
375 Tagesthemen, 30.6.2016.
376 Tagesthemen, 4.4.2016.
377 Tagesschau, 5.9.2015.
378 Tagesschau, 18.4.2016.
379 Vgl. Eurostat, 2016,http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do.
380 Vgl. Schwandt/Kröger, Statista, 2016, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/14035/umfrage/europaeische-union-bevoelkerung-einwohner.
381 Vgl. ebd., 2016,https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164004/umfrage/prognostizierte-bevoelkerungsentwicklung-in-den-laendern-der-eu.
382 Vgl. Bilke, 2008, S. 214f.
383 Vgl. ebd., S. 213.
384 Tagesthemen, 3.9.2015.
385 Vgl. Matthes, 2014, S. 38.
386 Vgl. ebd., S. 20f.
387 Vgl. ebd.
388 Vgl. Wehling, 2015, S. 47.
389 Vgl. ebd., S. 47 u. S. 52.
390 Vgl. ebd., S. 68.
391 Vgl. ebd., S. 60.
392 Vgl. Bilke, 2002, S. 68.
393 Thomas Oppermann, Tagesthemen, 2.9.2015.
394 Tagesschau, 2.9.2015.
395 Heute-Journal, 18.9.2015.
396 Jean-Claude Juncker, Tagesschau, 9.9.2015.
397 Vgl. Bilke, 2008, S. 217f.
398 Vgl. Scheufele, 2003, S. 104.
399 Vgl. Matthes, 2014, S. 66f.
400 Vgl. Bilke, 2008, S. 219.
401 Vgl. ebd., S. 213f.
402 S. Anhang unter „Rhetorische Elemente".
403 Vgl. Tumber/Webster, 2006, S. 166.
404 Vgl. Bilke, 2008, S. 265.
- Arbeit zitieren
- Hannah Schmidt (Autor:in), 2016, Sprachliches Framing in der Berichterstattung über Geflüchtete im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Bedeutung im Kontext des Friedensjournalismus-Modells nach Nadine Bilke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350461
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