Lange Zeit wurde in der Behindertenhilfe jedwede Form der Sexualität von Menschen mit Behinderung geleugnet, verdrängt und verboten. Erst als der Gedanke der Normalisierung in den 1980er und 1990er Jahren Einzug in die Behindertenhilfe hielt, kam es zu einer radikalen Neuorientierung in der herkömmlichen Behindertenhilfe, auch in Bezug auf das Thema Sexualität. Dieser Perspektivenwechsel war gekennzeichnet von folgender Erkenntnis: Menschen mit Behinderung unterscheiden sich in ihren Bedürfnissen keineswegs von Menschen ohne Behinderung. Sie differenzieren sich einzig und allein in den Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse umzusetzen. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich der Leitgedanke des Normalisierungsprinzips – nämlich der Auftrag der Behindertenhilfe, das Leben von Menschen mit Behinderung in allen Bereichen, wozu neben Arbeit und Schule beispielsweise auch die Sexualität zählt, hin zur Normalität zu fördern. Die Sexualität von Menschen mit Behinderung wird somit nicht länger als Problem angesehen, sondern als Aufgabe.
Diese Entwicklung erfuhr mit dem Inkrafttreten des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe – am 1. Juli 2001 eine Steigerung und fand schließlich eine rechtliche Grundlage: Programmatisches Hauptziel des SGB IX ist nicht die Angleichung der Lebensumstände von Menschen mit Behinderung an die derer ohne Behinderung, sondern die Förderung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen. Es soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, ihr Leben so gestalten zu können, wie sie es sich vorstellen, und nicht wie andere es für richtig halten.
Für den Lebensbereich der Sexualität bedeutet dies folgendes: Betroffene haben einen Anspruch darauf, ihre Sexualität selbstbestimmt leben zu können. Es ist nicht länger nur Aufgabe der Behindertenhilfe Wege zum Ausleben einer eigenen Sexualität zu ebnen, nein es ist die Pflicht der Behindertenhilfe, jedem Menschen mit Behinderung zu einer selbstbestimmten Sexualität zu verhelfen.
Doch worauf gründet dieser Anspruch auf sexuelle Selbstbestimmung? Und auf welche Weise kann die Förderung einer selbstbestimmten Sexualität erfolgen? Lässt sich aus dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch der konkrete Anspruch auf sexuelle Unterstützungshandlungen wie die Sexualassistenz ableiten? Und inwiefern trägt diese Assistenz tatsächlich zur Verwirklichung einer selbstbestimmten Sexualität bei? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Studienarbeit.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Sexualität und Selbstbestimmung
2.1 Begriffsbestimmung der Sexualität
2.2 Funktionen von Sexualität
2.3 Das Menschenrecht auf Sexualität
2.4 Selbstbestimmung: verfassungsrechtlicher Grundsatz und ethisches Grundprinzip
3 Sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung
3.1 Sexuelle Selbstbestimmung als Rechtsgut
3.2 Standards zur Verwirklichung sexueller Selbstbestimmung
4 Sexualassistenz - ein Konzept zur Verwirklichung sexueller Selbstbestimmung?
4.1 Modelle der Sexualassistenz
4.2 Die Bedeutung der Sexualassistenz für eine selbstbestimmte Sexualität - eine kritische Betrachtung
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Tamara Zapf (Author), 2016, Menschenwürde und Sexualität. Haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf Sexualassistenz?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/349976
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