Die Bücherverbrennung, die im Mai 1933 am Anfang des NS-Regimes stattfand, war ein Symbol für das NS-Regime, das keine abweichenden Gedankenspielarten neben sich duldete. Schon Heinrich Heine prophezeite in einer seiner Werke: "Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch eines Tages Menschen." In dieser Arbeit soll die Bücherverbrennung, wie sie in einer deutschen Großstadt, nämlich Köln, nachgezeichnet werden. Zeigten sich in der eher als liberal bekannten Stadt Unterschiede zu anderen Orten, an denen die Bücherverbrennung stattfand? Warum fand die Bücherverbrennung in Köln eine Woche später statt als woanders? Welche Rolle spielte die noch junge Universität bei der Bücherverbrennung? Diese und andere Fragen werden in dieser Arbeit beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Die Bücherverbrennung reichsweit gesehen
1.1 Die Vorbereitung der Bücherverbrennung durch die DSt
1.2 Die Durchführung der Bücherverbrennung
2 Das Verhalten der Universität Köln im Zusammenhang mit der Bücherverbrennung
2.1 Die Reaktion der Universitätsleitung auf die Machtergreifung
2.2 Die „Gleichschaltung“ der Kölner Universität
2.3 Die Kölner Studenten
3 Die Kölner Bücherverbrennung
3.1 Die Ver- und Entwicklungen bis zur Bücherverbrennung am 17. Mai 1933
3.1.1 Die Hochschulkonferenz in Zürich
3.1.2 Verhandlungen zwischen Universitätsleitung und Studentenschaft
3.2 Die Bewertung der Kölner Geschehnisse
4 Ernst Bertram und die Kölner Bücherverbrennung
4.1 Briefe von und an Ernst Bertram
4.2 Widersprüchliche Argumentation Bertrams
5 Die Darstellung der Bücherverbrennung im „Westdeutschen Beobachter“
5.1 Die Reden der nationalsozialistischen Aktivisten
5.2 Die Rede von Rektor Leupold
5.3 Bewertung der Darstellung im „Westdeutschen Beobachter“
6 Die Wirkung der Bücherverbrennung auf die Bevölkerung
7 Zusammenfassung
Anhang
„Zwölf Thesen wider den undeutschen Geist“
„Neun Feuersprüche“
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Es ist merkwürdig genug, dass unter allen Schandtaten des Nationalsozialismus, die sich in so langer, blutiger Kette darananhafteten, diese blödsinnige Feierlichkeit der Welt am meisten Eindruck gemacht hat und wahrscheinlich am längsten im Gedächtnis der Menschen fortleben wird.“[1]
Diese Aussage traf Thomas Mann am 25. Mai 1943 innerhalb einer Radiosendung der BBC, die an die deutsche Bevölkerung gerichtet war. Mit der „blödsinnige[n] Feierlichkeit“, die er in diesem Abschnitt beschrieb, meinte er die Bücherverbrennung, die reichsweit im Mai 1933, also kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten stattgefunden hatte. Vielleicht ist die Erinnerung an die Bücherverbrennung deshalb so stark gewesen, weil sich hier das bekannte Zitat Heinrichs Heine aus „Almansor“, „Das war ein Vorspiel nur; dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, so eindrücklich bewahrheitete. Außerdem zog sich durch die zwölfjährige Geschichte des Dritten Reiches eine Kette von Feuern, die vom Reichstagsbrand über die Bücherverbrennung, die Progromnacht bis hin zu den Krematorien reichen und eine dramatische, immer ins Extremere gehende Entwicklungslinie aufzeigt.
Auch Adolf Hitler sah in der „geistigen Auseinandersetzung“ mit den Gegnern des Nationalsozialismus, zu der ja die Bücherverbrennung nach Meinung der Nationalsozialisten gehörte, einen großen Anteil am Erfolg der Nationalsozialisten im Jahr 1933,[2] wie es in seinem Brief an Alfred Rosenberg deutlich wird: „Eine der ersten Voraussetzungen für den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung war die geistige Zertrümmerung der uns gegenüberstehenden feindlichen Gedankenwelt.“[3]
Diese Arbeit befasst sich nun mit dem Thema der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten, wobei der Schwerpunkt nicht auf den reichsweiten Geschehnissen liegt, die zwar auch angesprochen werden, sondern der thematische Schwerpunkt liegt auf den Ereignissen, die sich im Zusammenhang mit der Bücherverbrennung in einer deutschen Großstadt, in Köln, abgespielt haben. Ergab sich in Köln eine besondere Situation? Wie sah die Reaktion der Universitätsleitung auf die Bücherverbrennung aus und wie reagierte die Stadtbevölkerung auf die Aktion?
1 Die Bücherverbrennung reichsweit gesehen
Den Anstoß zur Aktion der Bücherverbrennung gab das erst im März 1933 gegründete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit Joseph Goebbels an der Spitze. So wurde z.B. eine Aufforderung an den Bibliothekar Dr. Wolfgang Hermann erteilt, alle marxistischen und jüdischen Büchern aus dem Bestand zu entfernen. Hermann gehörte zum Verband Deutscher Volksbibliothekare und war Nationalsozialist.[4] Auf dessen Ergebnissen beruhte dann die sogenannte „Schwarze Liste“, die die von den Nationalsozialisten als „undeutsch“ eingestuften Titel verzeichnete.[5]
1.1 Die Vorbereitung der Bücherverbrennung durch die DSt
Die Hauptverantwortung der Bücherverbrennung lag allerdings in den Händen der „Deutschen Studentenschaft“ (DSt) mit ihrem Führer Gerhard Krüger an der Spitze. Diese bereits zu Zeiten der Weimarer Republik gegründete Studentengruppe war nationalistisch eingestellt und stand in Konkurrenz zu dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB). Hans-Wolfgang Strätz äußert die Vermutung, dass die rasche Durchführung der gesamten Bücherverbrennungsaktion im Interesse der DSt lag, um auch weiterhin im Konkurrenzkampf mit der NSDStB existenzberechtigt zu sein.[6] Die gesamte Aktion wurde durch Rundschreiben gesteuert. Im zweiten von insgesamt vier Rundschreiben wurde die offizielle Motivation für die Aktion bekanntgegeben: „Damit solle der jüdische Geist, wie er sich in der Welthetze in seiner ganzen Hemmungslosigkeit offenbart, und wie er bereits im deutschen Schrifttum seinen Niederschlag gefunden hat, aus diesem ausgemustert werden.“[7] Zudem sollten ab dem 12. April 1933 die sogenannten zwölf Thesen veröffentlicht werden. Das geschah mittels Plakatierungsaktionen. Diese Plakate hatten die Überschrift „Wider den undeutschen Geist!“[8] . Interessant ist, dass sich vier dieser zwölf Thesen mit jüdischen Autoren und Werken auseinandersetzen[9] und in der vierten These gipfelten: „Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist.“[10]
Die folgende Entwicklung ging so weiter, dass der Versuch unternommen wurde einen sogenannten Schandpfahl zu errichten, an dem die Veröffentlichungen derjenigen Professoren hängen sollten, „die nicht unseres Geistes [d.h. der DSt] sind.“[11] Im dritten Rundschreiben vom 27. April wurde die „Schwarze Liste“ verbreitet, um dann im vierten Rundschreiben konkrete Anweisungen über die Durchführung der Bücherverbrennung zu geben: „Als Grundlage für die symbolische Handlung im Verbrennungsakt ist die im folgenden gegebene Aufstellung zu benutzen und möglichst der Rede des studentischen Vertreters zugrunde zu legen. [...].“[12] Hier lässt sich klar erkennen, dass es sich bei der gesamten Aktion nicht um eine spontane Erhebung handelte, die vom Volkszorn getragen wurde, sondern eine absolut geplante Sache mit einer straffen Organisation dahinter. Bei dem eigentlichen Verbrennungsakt sollten auch noch insgesamt neun Feuersprüche gerufen werden.[13]
Die Sammlung der zu verbrennenden Bücher wurde meist gewaltsam vollzogen. Strätz schreibt dazu: „In den meisten Fällen ging die Sammlung der Bücher mehr oder weniger gewaltsam, meist unter dem Schutz oder doch mit Duldung der Staatsgewalt vor sich; dieses Vorgehen reiht sich in die in den ersten Monaten des NS-Regimes beinahe zur Tagesordnung gehörenden Gewaltakte ein.“[14]
1.2 Die Durchführung der Bücherverbrennung
So wurde der Akt der Bücherverbrennung vollzogen, ohne wirklich erkennbaren Widerstand. Zwar wurden an manchen Orten die Teilnahme abgesagt,[15] aber die Aktion als solche wurde nicht verurteilt, sondern andere Gründe für die Nichtteilnahme herangezogen. Insgesamt kommt Strätz zu folgendem Urteil: „Die wenigen Beispiele von Widerstand und Ablehnung machen nur um so deutlicher, wie groß die Zahl derer war, die dieses Vorgehen billigten.“[16] Am extremsten war die Bücherverbrennung wohl in Berlin. Allein schon deshalb, weil sie durch die Anwesenheit des Propagandaministers Joseph Goebbels aufgewertet wurde, der in dieser Aktion das Ende des „überspitzte[n] jüdische[n] Intellektualismus“[17] sah. Vier Tage nach dem Autodafé in Berlin sagte Goebbels bei einer Buchhändler-Kantate zudem: „Das, was wir wollen ist mehr als eine Revolte. Unsere historische Aufgabe ist es, den Geist an sich umzustellen, soweit, daß Menschen und Dinge in ein neues Verhältnis gebracht werden.“[18]
Die DSt jedenfalls hatte mit der erfolgreich durchgeführten Aktion bewiesen, dass sie ein geeignetes Instrument für die Partei in den Hochschulen war.[19]
2 Das Verhalten der Universität Köln im Zusammenhang mit der Bücherverbrennung
Auch in Köln fand die Bücherverbrennung vor dem alten Universitätsgebäude in der Claudiusstraße statt.[20] Allerdings erst eine Woche später am 17. Mai 1933. Ob es sich bei der Bücherverbrennung in Köln um ein „echtes Kölner Kuriosum“[21] handelte oder es im Grunde genommen ähnlich ablief wie in den meisten Städten des Reiches, mit dieser Frage beschäftigt sich der folgende Teil der Arbeit. Da das Thema der Bücherverbrennung eng verquickt ist mit der Rolle der Universität bei der Machtergreifung, soll zunächst einmal darauf näher eingegangen werden.
[...]
[1] Thomas Mann, Deutsche Hörer! 55 Radiosendungen nach Deutschland, in: Reden und Aufsätze II, Frankfurt am Main 1965, S.168 ff.
[2] Gerhard Sauder sieht das anders. Seiner Meinung nach war die Bücherverbrennung Hitler die Bücherverbrennung aus außenpolitischen Gründen nicht recht: Die Bücherverbrennung, Zum 10. Mai 1933, hrsg. von Gerhard Sauder, München/Wien 1983, S.261 (im Folgenden zitiert als Sauder 1): „Mit einiger Sicherheit ist zu vermuten, daß die Autodafés weder Hitler noch seiner Regierung und den Spitzen der Partei und ihren Organisatoren sonderlich willkommen waren. Die scharfen Reaktionen im Ausland trugen dazu bei, den deutschen Staat als barbarisch in weiteren Mißkredit zu bringen.“ Allerdings m.E. muss bedacht werden, dass Goebbels, der ja auch Angehöriger der Parteispitze war, selbst bei der Bücherverbrennung in Berlin anwesend war.
[3] Brief Adolf Hitlers an Alfred Rosenberg vom 31.12.1933, zitiert in: Joseph Wulf, Literatur und Dichtung im Dritten Reich, Eine Dokumentation, Gütersloh 1963, S.145.
[4] Dietrich Aigner, Die Indizierung „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ im Dritten Reich, 933-1034, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, hrsg. von der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V., Bd. XI, Frankfurt am Main 1971, Sp. 941.
[5] Hans-Wolfgang Strätz, Die geistige SA rückt ein, Die studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ im Frühjahr 1933, 84-114, in: 10. Mai 1933 Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen, hrsg. von Ulrich Walberer, Frankfurt am Main 1983, S.84.
[6] Strätz, 1983, S.85 ff.
[7] Rundschreiben vom 8. April 1933, zitiert in: Sauder 1, 1983, S.74 ff.
[8] Die zwölf Thesen sind im Anhang angegeben.
[9] Auch Jahre später wurde die gesamte Bücherverbrennung von den Nationalsozialisten vor allem als ein Akt gegen „das geistige Judentum“ begriffen. Vgl. Sauder, 1983, S.262f.
[10] Siehe Anhang „Zwölf Thesen wider den undeutschen Geist“, 4. These.
[11] Anlage 2 vom Rundschreiben vom 19. April 1933, zitiert in: Sauder 1, 1983, S.237f.
[12] Rundschreiben Nr. 4 vom 9. Mai 1933, zitiert in: Sauder 1, 1983, S. 77f.
[13] Die neun Feuersprüche sind im Anhang belegt.
[14] Strätz, 1983, S.99.
[15] Strätz nennt u.a. die Städte Tübingen, Stuttgart und Danzig: Strätz, 1983, S.98 f.
[16] Strätz, 1983, S.112.
[17] Deutsche Allgemeine Zeitung vom 12. Mai 1933, zitiert in Sauder, 1983, S.180.
[18] zitiert nach: Aigner, 1971, Sp.942 f.
[19] Strätz, 1983, S.113.
[20] Das Gebäude in der Claudiusstraße diente bis 1934 als Universität. 1934 zog die Universität in das Hauptgebäude am Zülpicher Wall um und die Parteileitung der NSDAP für den Gau Köln-Aachen übernahm am 5. November 1934 das alte Gebäude.
[21] Klaus Oellinger, „Der Anfang ist gemacht. Und nun ans Werk!“, Die Bücherverbrennung 1933 in Köln, 71-75, in: Nachhilfe zur Erinnerung, 600 Jahre Universität zu Köln, hrsg. von Wolfgang Beaschke, Olaf Hussel, Peter Liebermann u.a., Köln 1988, S.73.
- Arbeit zitieren
- Peter Lindhorst (Autor:in), 2003, Bücherverbrennung in Köln 1933, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34739
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