In offenen, pluralistischen Gesellschaften wirken heterogene gesellschaftliche, ökonomische und politische Kräfte, welche sich innerhalb eines staatlichen Rahmens autonom und gleichberechtigt bewegen können. Pluralismus stellt sich gegen geschlossene Gesellschaften, religiöser und ideologischer Natur, gegen totalitäre Einparteien- oder Einpersonenherrschaften sowie gegen Diskriminierungen von Minoritäten. Ganz offensichtlich besteht darin ein die Freiheit sicherndes Moment in den modernen Gesellschaften - dabei allerdings kaum im absoluten Sinne. Alexander Schwan erkennt den Pluralismus als Bedürfnis, als Konsequenz der dem im aristotelischen Sinne Vernunftwesen Mensch zustehenden Freiheitsrechte. Es wird somit hier der Zusammenhang von Pluralismus und Freiheit, insbesondere der politischen Freiheit thematisiert. Eine Begriffsbestimmung der politischen Freiheit ist aber zunächst unentbehrlich. Was strukturiert also Freiheit zur politischen Freiheit? Zudem soll veranschaulicht werden, inwiefern sich diese in der pluralistischen Demokratie wieder findet. Was kennzeichnet so den Pluralismus einer Demokratie hinsichtlich politischer Freiheiten? Impliziert die anerkannte und praktizierte Vielgestaltigkeit einer Gesellschaft zwangsläufig auch ihr Vorhandensein?
Inhalt
1. Einleitung
2. Zur Bedeutung des Begriffs politische Freiheit
2.1 Darstellung politischer Freiheit nach Ferdinand Tönnies
2.2 Darstellung politischer Freiheit nach Franz Neumann
2.3 Herleitung politischer Freiheit nach Alexander Schwan
2.3.1 Personale Freiheit
2.3.2 Politische Freiheit
2.4 Zusammenfassung
3. Die freiheitliche politische Ordnung
4. Pluralismus
4.1 Zum Begriff Pluralismus
4.2 Pluralistische Gesellschaft und Demokratie
4.3 Marxismus und Pluralismus
4.3.1 Das Scheitern der Idee eines pluralistischen Sozialismus am Marxismus
4.3.2 Das Scheitern marxistischer Tendenzen im pluralistischen System
4.3.3 Postsozialistische Gesellschaft und Pluralismus
4.4 Pluralismus und Christentum
5. Schlussfolgerungen
6. Literatur
1. Einleitung
Die heutige politische Theorie sieht im Pluralismus einen Kerngedanken des sich in der Folge der Aufklärung und der bürgerlichen Revolution herausgebildeten Wesens moderner Demokratien. In diesen offenen Gesellschaften wirken heterogene gesellschaftliche, ökonomische und politische Kräfte, welche sich innerhalb eines staatlichen Rahmens autonom und gleichberechtigt bewegen können. Pluralismus stellt sich gegen geschlossene Gesellschaften, religiöser und ideologischer Natur, gegen totalitäre Einparteien- oder Einpersonenherrschaften sowie gegen Diskriminierungen von Minoritäten. Ganz offensichtlich besteht darin ein die Freiheit sicherndes Moment in den modernen Gesellschaften,[1] dabei allerdings kaum im absoluten Sinne. Alexander Schwan erkennt den Pluralismus als Bedürfnis, als Konsequenz der dem im aristotelischen Sinne Vernunftwesen Mensch zustehenden Freiheitsrechte. Es wird daher der Zusammenhang von Pluralismus und Freiheit, insbesondere der politischen Freiheit im Folgenden thematisiert. Eine Begriffsbestimmung der politischen Freiheit ist aber zunächst unentbehrlich. Was strukturiert also Freiheit zur politischen Freiheit? Zudem soll veranschaulicht werden, inwiefern sich diese in der pluralistischen Demokratie wieder findet. Was kennzeichnet so den Pluralismus einer Demokratie hinsichtlich politischer Freiheiten? Impliziert die anerkannte und praktizierte Vielgestaltigkeit einer Gesellschaft zwangsläufig auch ihr Vorhandensein?
Der in den modernen Demokratien praktizierte Pluralismus zählte für Alexander Schwan, der am 30. November 1989 starb, allzeit als „fundamentale Alternative zum real existierenden Sozialismus und zur kommunistischen Ideologie.“[2] Die Betrachtung des Konfliktpotentials in Praxis und Theorie stellt eine aufschlussreiche Grundlage zur Erörterung der genannten Fragen dar. Anhand des offensichtlichen Mangels an individueller und politischer Freiheit in den sozialistischen Gesellschaften, die im Zuge der politischen Wende elementare Veränderungen erfuhren, wird deutlich, wie die dortige Forderung nach Pluralismus mit einem Gewinn an Freiheit einherging. In diesem Kontext steht die Frage, inwiefern Pluralismus und politisches System voneinander abhängig sind beziehungsweise welche Vorraussetzungen der politischen Freiheit hier existieren müssen.
2. Zur Bedeutung des Begriffs politische Freiheit
Der Frage folgend, wie sich das Politische einer Freiheit bestimmen lässt, kann nicht nur der Sichtweise eines politischen Theoretikers zur adäquaten Beantwortung gefolgt werden. Gerade im Zusammenhang mit der noch folgenden Betrachtung der pluralistischen Demokratie, die sich durch Konkurrenz vielfältiger Elemente, Konflikte und Partizipation charakterisiert, in der also ein gros an Freiheiten existieren, sind Sichtweisen neben der Alexander Schwans zum Verständnis des Begriffs hilfreich.
2.1 Darstellung politischer Freiheit nach Ferdinand Tönnies
Die Dimensionen der Freiheit lassen sich verschiedenartig definieren. Doch wodurch ist das Politische an ihr gekennzeichnet? Ferdinand Tönnies stellt fest, dass eine Unterscheidung von bürgerlicher und politischer Freiheit als unabdingbar erscheint. Schließlich bezeichnen beide völlig verschiedene Sachverhalte: „Bürgerliche Freiheit ist Freiheit der Regierten und politische Freiheit, Freiheit der Regierenden.“[3] Ersteres erstreckt sich über die Gewährleistung beispielsweise der Rechte auf Gleichheit, Eigentum, Religionsfreiheit, Freizügigkeit sowie auch der ökonomischen Betätigung[4] und schließt damit keinerlei Rechte auf politische Mitwirkung ein.
Die Einflussnahme auf die Machthabenden findet in Bezug auf die Legislative durch direkte oder repräsentative Entscheidungsformen statt, so dass der Einzelne über die Rechtskraft von Gesetzen mitbestimmt, oder ein von ihm gewählter Vertreter. Des Weiteren impliziert die politische Freiheit Mitwirkungsrechte bei der Zusammensetzung der richterlichen Gewalt, etwa als Schöffe oder Geschworener zu amtieren oder ähnliches und das Recht des Einzelnen, an der Zusammensetzung der Exekutive mitzuwirken. Ebenso gilt hier das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen inklusive individueller staatsbürgerlicher Rechte der politischen Willensbildung.[5] Erst die Existenz derartiger Möglichkeiten kennzeichnet politische Freiheit.
2.2 Darstellung politischer Freiheit nach Franz Neumann
Auf andere, über Tönnies hinausgehende Art und Weise deutet Franz Neumann das Politische in der Freiheit. Er unterscheidet nach dem kognitiven, dem voluntativen sowie dem juristischen Element der Freiheit, welche alle in der politischen Praxis totalitärer Gesellschaftssysteme nicht bestehen[6]. Ersteres stellt dabei die Bedeutung des Wissens in den Vordergrund, wobei diese drei Dimensionen umfasst: Eine äußere Dimension, die alle Erkenntnis des Einzelnen über die Natur umfasst, dem Menschen die Furcht vor dem Unbekannten nimmt und der Verbesserung seines materiellen Daseins einträglich sein kann. Überdies die innere Wissensdimension, die den Erkenntnisgewinn über das menschliche Wesen, dessen Selbstverständnis umfasst, sowie eine historische Dimension, welche nach dem Grundsatz der Perspektive durch Retrospektive das Verständnis des Warum des Geschehenen und des Geschehens, die Kenntnis der Geschichte und der politischen Systeme einschließt. Indem so der Einzelne über eigenes Wissen verfügt, macht er sich von den Informationen und dem Wissen anderer unabhängig, gewinnt dadurch ein Mehr an Freiheit.[7]
Das voluntative Element umrahmt die Bedeutung des Antriebes zur individuellen Teilnahme am politischen Geschehen. Die politische Partizipation wird zum Instrument der Machtausübung, so dass auch hier eine Form von Unabhängigkeit zu erkennen ist, die den Einzelnen davor bewahrt, durch die Machtausübung anderer in seinen Freiheiten insofern beschränkt worden zu sein, nicht am Prozess der Entstehung einschränkender Regeln teilgenommen zu haben. Die Entstehung politischer Macht liegt in den Händen derer, die am politischen Prozess partizipieren und sich mit entsprechenden Ergebnissen identifizieren können.[8]
Drittes Element der politischen Freiheit ist die juristische Freiheit. Danach ist Freiheit aber nicht allein die Abwesenheit von Zwang, was in der politischen Realität wohl weitreichende Folgen eines machtlosen Staates nach sich ziehen würde. Somit soll gelten, dass eine Beschränkung individueller Freiheiten nur dann möglich ist, solange bewiesen ist, das der Eingriff in die Freiheit des Bürgers gerechtfertigt erscheint, wobei sich der Staat an als wahr anerkannten Rechtssätzen zu orientieren hat und das Recht institutionalisiert ist. Dieses Recht muss hier allerdings aus dem Willen der Allgemeinheit hervorgegangen sein.[9]
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Franz Neumann stellt drei Elemente der Freiheit vor, die gleichberechtigt und untrennbar zum demokratischen Verfassungsstaat gehören. Das juristische Element kennzeichnet den Rechtsstaat, das kognitive den modernen Interventionsstaat/ Kultur- und Sozialstaat. Demokratie im Sinne von Teilhabe und Mitwirkungsmöglichkeiten wird durch das Element der voluntativen Freiheit charakterisiert. Dabei ist die Ausübung politischer Macht allein bereits Begrenzung der politischen Freiheit der Bürger, sie besteht als „ontologische Gegebenheit“.[10]
2.3 Herleitung politischer Freiheit nach Alexander Schwan
Die Herleitung der politischen Freiheit aus der Literatur Alexander Schwans bedingt eine Betrachtung des von ihm allseitig verwendeten Freiheitsbegriffs. Tönnies zu Grunde gelegt, wird hier deutlich, inwiefern bürgerliche und politische Freiheit voneinander abhängig sind, sogar das eine ohne das andere nicht möglich ist.
Freiheit an sich gilt als Naturrecht des Menschen, als Ausdruck seiner Würde als Vernunftwesen. Schwan erkennt hier zwei untrennbare Pole, deren Spannungsverhältnis die Freiheit charakterisiert. Einerseits ihre Endlichkeit, solange sie sich auf das einzelne Individuum bezieht, da der Mensch in seinem Dasein von den Zeitpunkten der Geburt und des Todes begrenzt und nicht ewig Lebewesen ist. Andererseits von der Vernünftigkeit des Menschen, „derzufolge er seinen physischen Lebensumkreis zu transzendentieren fähig ist, einer ganzen Welt (als Natur und Geschichte) geöffnet ist, aus der Begegnung und Konfrontation mit ihr zu sich zurückzukehren in der Lage ist […] um in dieser Welt […], von der bloßen Daseinsfristung zur Lebensführung überzugehen.“[11] Der Begriff der Lebensführung umfasst dabei jegliche Handlung in allen Lebensbereichen. Die Freiheit der Lebensführung wird deutlich und wirksam in der „Lebenspraxis“[12], denn hier verwirklicht sich die Handlungsfreiheit, solange sie sich in einer freiheitlichen Umwelt äußern kann. Da die Lebenspraxis Ausdruck der Wirkung des menschlichen Wesens ist, wird offensichtlich, inwiefern Handlungsfreiheit in der Wesensfreiheit fundiert ist, diese wiederum hat ihren Grund in der Willensfreiheit. Hier offenbart sich jedoch die Endlichkeit, Begrenztheit der Freiheit, in dem sie zu einem bestimmten endlichen Lebewesen gehören muss und ihre „Substantialität“[13] darlegt.
Substantielle Freiheit begegnet aber in der Lebenspraxis immerfort anderer Freiheit. Sie ist so im sozialen Kontext in ihren Ausprägungen beschränkt, jedoch bleibt es beim Individuum, gestaltend mitzuwirken. Dieses Moment der Konfrontation von Individualität und Sozialität bedingt die Entfaltung der hier „personale[n] Freiheit […] zur politischen Freiheit.“[14] Beide sind eng miteinander verknüpft: Eine freiheitliche politische Ordnung in der freiheitliches politisches Handeln ermöglicht wird, bedingt so die Wirksamkeit personaler Freiheit.[15]
[...]
[1] Vgl. Schwan, Alexander: Pluralismus und Wahrheit, in: Böckle, Franz u. a. (Hrsg.):
Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft (= Enzyklopädische Bibliothek; Bd. 19), Freiburg im Breisgau 1982, S. 143 – 211, hier S. 146.
[2] Schwan, Alexander: Ethos der Demokratie. Normative Grundlagen des freiheitlichen
Pluralismus (= Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft; Bd. 66), Paderborn u. a. 1992, S. 9.
[3] Tönnies, Ferdinand: Bürgerliche und politische Freiheit, in: Fritz Berolzheimer u. a. (Hrsg.): Handbuch der Politik. Erster Band. Die Grundlagen der Politik, Berlin/ Leipzig 1912, S. 240 – 246, hier S. 240.
[4] Vgl. ebd., S. 241 ff.
[5] Vgl. ebd., S. 245.
[6] Vgl. Neumann, Franz: Zum Begriff politischer Freiheit, in: ders.: Demokratischer und autoritärer Staat, Frankfurt 1967, S. 76 – 117, hier S. 103.
[7] Vgl. ebd., S. 95 ff.
[8] Vgl. ebd., S. 100 ff.
[9] Vgl. ebd., S. 78 ff.
[10] Ebd., S. 76.
[11] Schwan, Alexander: Legitimation, in: Böckle, Franz u. a. (Hrsg.): Christlicher Glaube in
moderner Gesellschaft (= Enzyklopädische Bibliothek; Bd. 27), Freiburg im Breisgau 1982, S. 103 – 136, hier S. 119.
[12] Ebd.
[13] Ebd., S. 120.
[14] Ebd.
[15] Vgl. ebd.
- Quote paper
- M.A. Stefan Waldheim (Author), 2004, Politische Freiheit und Pluralismus bei Alexander Schwan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34689
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