Für Menschen die ohne Wohnung sind, bzw. auf der Straße leben gibt es viele Bezeichnungen und Selbstbezeichnungen: Obdachlose, Stadtstreicher, Berber, Nichtsesshafte oder Penner, wobei sich in Deutschland vor allem der Begriff „Penner“ mit verachtendem Format etabliert hat. Dieser Begriff verdeutlicht bereits das vorherrschende Stereotyp, alle auf der Straße lebenden Menschen würden „pennen“, also faul sein, apathisch in den Tag hineinleben und in großen Mengen Alkohol konsumieren. Durch derartige Begriffe findet eine eindeutige Abgrenzung statt und es wird deutlich, dass betroffene Menschen offenbar ein Leben außerhalb der bürgerlichen „Normalität“ führen und eine öffentliche Stigmatisierung erfolgt.
Doch wie verläuft das alltägliche Leben dieser Randgruppe tatsächlich? Ist wirklich jeder Tag geprägt von Apathie und Chaos ohne jegliche Ordnung und Regelmäßigkeit, so wie es von den meisten Außenstehenden vermutet wird? Oder gibt es auch bei „Pennern“ eine zumindest teilweise verallgemeinerbare alltägliche Lebensführung und einen geregelten Tagesablauf und wie gestaltet sich dieser? Um diese Fragen zu beantworten, muss zunächst definiert werden, wer genau in diese Gruppe von Menschen einzuordnen ist und unter welchen Bedingungen das alltägliche Leben in der Situation der Wohnungslosigkeit stattfindet, um anschließend zu erörtern, wie im Tagesablauf mit diesen Bedingungen umgegangen wird und wie sich typische Formen der Lebensführung bei wohnungslosen Menschen gestalten können.
Einführung
„Auf der Straße zu leben heißt Tag für Tag, bei Wind und Wetter, draußen zu bestehen, oft ohne Wasch- und Kochgelegenheit zu sein, Schlafplätze zu suchen in U-Bahn-Schächten, unter Brücken oder in einer Notunterkunft, Übergriffe fürchten zu müssen, und abfällige Gesten und Worte. Und dennoch jeden Tag zu meistern.“1
Für Menschen die ohne Wohnung sind, bzw. auf der Straße leben gibt es viele Bezeichnungen und Selbstbezeichnungen: Obdachlose, Stadtstreicher, Berber, Nichtsesshafte oder Penner, wobei sich in Deutschland vor allem der Begriff „Penner“ mit verachtendem Format etabliert hat. Dieser Begriff verdeutlicht bereits das vorherrschende Stereotyp, alle auf der Straße lebenden Menschen würden „pennen“, also faul sein, apathisch in den Tag hineinleben und in großen Mengen Alkohol konsumieren. Durch derartige Begriffe findet eine eindeutige Abgrenzung statt und es wird deutlich, dass betroffene Menschen offenbar ein Leben außerhalb der bürgerlichen „Normalität“ führen und eine öffentliche Stigmatisierung erfolgt.
Doch wie verläuft das alltägliche Leben dieser Randgruppe tatsächlich? Ist wirklich jeder Tag geprägt von Apathie und Chaos ohne jegliche Ordnung und Regelmäßigkeit, so wie es von den meisten Außenstehenden vermutet wird? Oder gibt es auch bei „Pennern“ eine zumindest teilweise verallgemeinerbare alltägliche Lebensführung und einen geregelten Tagesablauf und wie gestaltet sich dieser? Um diese Fragen zu beantworten, muss zunächst definiert werden, wer genau in diese Gruppe von Menschen einzuordnen ist und unter welchen Bedingungen das alltägliche Leben in der Situation der Wohnungslosigkeit stattfindet, um anschließend zu erörtern, wie im Tagesablauf mit diesen Bedingungen umgegangen wird und wie sich typische Formen der Lebensführung bei wohnungslosen Menschen gestalten können.
„Wohnungslose“ - Eine Einordnung, Ausmaß und Ursachen
In der folgenden Arbeit wird der auch in der Politik häufig genutzte Begriff „Wohnungslose“ verwendet, um Bezeichnungen von wohnungslosen Menschen die eventuell als beleidigend empfunden werden könnten zu vermeiden.
In Deutschland gibt es keine offizielle Definition von Wohnungslosigkeit und welche
Personen als wohnungslos gezählt werden. Eine häufig genutzte Definition ist allerdings die der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe e.V. Laut dieser sind Personen wohnungslos, wenn sie nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind demnach Personen,2
die aufgrund ordnungsrechtlicher Maßnahmen ohne Mietvertrag sind oder in Notunterkünften untergebracht werden, die ohne Mietvertrag untergebracht sind, wobei die Kosten nach Sozialgesetzbuch XII und/oder SGB II übernommen werden, die sich in Heimen, Anstalten, Notübernachtungen, Asylen, Frauenhäusern, etc. aufhalten, weil keine Wohnung zur Verfügung steht, die als Selbstzahler in günstigen Pensionen leben, die bei Verwandten, Freunden und Bekannten vorübergehend unterkommen, die ohne jegliche Unterkunft sind und dementsprechend "Platte machen", also auf der Straße leben.
Es gelten also nicht nur Personen, die auf der Straße ohne jegliche Unterkunft leben als wohnungslos. Auf eben diese Personen wird sich jedoch in diesem Essay hauptsächlich bezogen.
Auch eine offizielle Statistik in der die Zahl der Wohnungslosen erfasst wird gibt es in Deutschland nicht. Nach Schätzungen der BAG Wohnungslosenhilfe waren 2014 etwa 335.000 Menschen in Deutschland wohnungslos, wovon etwa 39.000 ohne jede Unterkunft auf der Straße leben. Dabei liegt der Anteil der erwachsenen Männer bei 72% und der der erwachsenen Frauen bei 28%. 9% aller wohnungslosen Menschen sind Kinder und minderjährige Jugendliche.3
Die Ursachen für Wohnungslosigkeit sind vielfältig und gehen nicht einher mit einer für Wohnungslose typischen Persönlichkeitsstruktur,4 was zeigt, dass eine eventuell ähnliche Lebensführung nicht darauf zurückgeführt werden kann. Allerdings gibt es bestimmte Belastungs- und somit Risikofaktoren wie zum Beispiel eine wirtschaftlich schlechte Ausgangssituation, akute oder chronische Erkrankungen, längere Arbeitslosigkeit ohne Aussicht auf Wiedereinstellung und dadurch eventuell auch eine wachsende Verschuldung, besondere Belastungen durch einschneidende Lebensereignisse wie Scheidung, bzw. Trennung, Tod von Angehörigen, etc. oder Einschränkungen und Belastungen durch Sucht und psychische Erkrankungen, sowie häufig auch ein Mangel an preisgünstigem Wohnraum.5 Der Wohnungsverlust ist also oft mit materiellen, sozialen und persönlichen Problemen verbunden, und ist nicht, anders als viele „Normalbürger“ vermuten, unbedingt an ein vorheriges Leben gänzlich ohne Arbeitsaufnahme oder einen niedrigen Bildungsstand gebunden.
Der häufigste Auslöser für den Verlust der Wohnung ist bei Männern die Arbeitslosigkeit und bei Frauen Partnerschaftskonflikte mit teilweise massiver Gewalttätigkeit des Mannes.6
Die Lebenssituation von Wohnungslosen und deren Umgang mit viel freier Zeit Armut kann auf verschiedenste Weise wahrgenommen werden, je nach individuellen und kollektiven Fähigkeiten und Möglichkeiten. Der Entwicklungsausschuss der OECD (DAC) versteht unter Armut verschiedene Arten von Entbehrungen im Zusammenhang mit der Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen.7 Dabei ist zwischen absoluter und relativer Armut zu unterscheiden. Relative Armut, welche in Deutschland eher vertreten ist, beschreibt Armut im Verhältnis zum jeweiligen Umfeld eines Menschen. Diesbezüglich wird in dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Armut unter anderem als einen Mangel an Teilhabechancen definiert. So führen also nicht nur fehlendes Einkommen, sondern auch ein Mangel an Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe und das Fehlen individueller Fähigkeiten, die für eine aktive Lebensgestaltung notwendig sind, in eine unsichere Lebenssituation. Absolute Armut dagegen, ist als ein Zustand definiert, in dem sich ein Mensch die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse nicht leisten kann.8 Wohnungslose leiden also nicht nur unter relativer Armut, sondern unter absoluter Armut, dem Nichtvorhandensein von grundlegenden Bedürfnismitteln.
Wohnungslose sind demnach vor die Herausforderung gestellt, ihren Alltag trotz äußerst begrenzter Ressourcen, Möglichkeiten und Lebensperspektiven eigenständig zu gestalten. Sie besitzen in der Regel keine automatisierenden Strukturen wie z.B. Beruf oder Familie, haben aber trotzdem häufig eine feste Form des Tagesablaufs9, da sie jeden Tag aufs Neue ihr Überleben sichern müssen und sich somit in einer Situation, in der das Notwendigste fehlt, Zugang zu Ressourcen schaffen müssen.
Ein Platz zum Schlafen, an dem man vor den Wetterverhältnissen und auch eventuellen Übergriffen von anderen Personen, sowie den Blicken der Öffentlichkeit geschützt ist, und für die grundlegendste Körperhygiene, sowie für die Aufbewahrung von Besitz muss gesichert werden. Die ständige Anwesenheit in der Öffentlichkeit und das Fehlen jeglicher Privatheit ist vor allem bei diesem Punkt ein wahrscheinlich bedrückender Faktor. Ein Grundbedürfnis, eine Unterkunft mit der Möglichkeit sich zurückzuziehen, ist nicht vorhanden. Mögliche Orte zum Befriedigen dieser Bedürfnisse sind z.B. Obdachlosenasyle oder soziale Einrichtungen. Da viele Wohnungslose jedoch von öffentlichen Stellen unabhängig bleiben wollen, um ihr Selbstwertgefühl zu erhalten, nehmen sie diese Möglichkeiten nur sehr begrenzt wahr10 und nutzen stattdessen zum Beispiel öffentliche Toiletten zur Hygiene, Bahnhofschließfächer zum Aufbewahren von privatem Besitz und machen je nach Wetterlage „Platte“, schlafen also im Freien. Vor allem Frauen versuchen ihre Wohnungslosigkeit zu verdecken und wenden viel Kraft dafür auf, dass ihre Wohnungslosigkeit nicht öffentlich sichtbar ist. Teilweise kommen sie bei Bekannten oder Freunden unter. Dies ist auch unter anderem der Fall, da wohnungslose Frauen, die auf der Straße schlafen, ein leichtes Opfer für Gewalttaten sind. Frauen die „Platte machen“ sind daher häufig psychisch krank oder massiv drogenabhängig.11
Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und teilweise auch Alkohol, sowie eventuell eine Kochstelle müssen sichergestellt werden. Wie dies mengen- und qualitätsmäßig ausfällt ist von den vorhandenen finanziellen Mitteln abhängig oder es werden soziale Einrichtungen wie z.B. Suppenküchen aufgesucht. Der Zweck des Essens ist dabei vor allem die Nahrungsaufnahme, es geht meist nicht um den Genuss. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung, fast alle Wohnungslose seien Alkoholiker, trifft dies nur auf einen Teil der wohnungslosen Menschen zu. Häufig ist der Konsum von Alkohol vor allem in Gruppen zwar üblich, doch gibt es selten einen tagtäglich gleichen Ablauf des Betrinkens.12
Die Finanzierung der Lösung dieser Probleme geschieht bei den meisten Wohnungslosen hauptsächlich über Gelegenheitsarbeiten.
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1 Evangelische Obdachlosenhilfe 2007, S. 36
2 Vgl. BAG Wohnungslosenhilfe e.V. 2010, S. 1-3
3 Vgl. BAG Wohnungslosenhilfe e.V. 2015, S. 1f
4 Vgl. Giesbrecht 1987, S. 139
5 Vgl. Ludwig-Mayerhofer 2008, S. 504ff
6 Vgl. Jochum / Kudera / Voß 1996, S. 35f
7 Vgl. OECD 2002, S. 43f
8 Vgl. Böhmer / Heimer 2008, S. 7
9 Vgl. Jochum / Kudera / Voß 1996, S.10
10 Vgl. Jochum / Kudera / Voß 1996, S. 99-104
11 Enders-Dragässer 2004, S. 33ff
12 Vgl. Jochum / Kudera / Voß 1996, S. 116ff
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- Anonymous,, 2016, Wie gestaltet sich die alltägliche Lebensführung von Wohnungslosen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345625
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