Ziel dieser Arbeit war es, den in den Medien vielfach postulierten, empirisch bislang jedoch noch nicht eindeutig belegten Zusammenhang zwischen Narzissmus und Berufserfolg zu untersuchen.
88 Probanden füllten dazu einen Fragebogen aus, der Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt mithilfe der Kurzversion des Deutschen NPI (Narcissistic Personality Inventory) und Berufserfolg anhand der objektiven Kriterien "Bruttoeinkommen" und "Berufsstatus" sowie einer subjektiven Einschätzung des beruflichen Erfolges erhob.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen signifikant moderate Korrelationen zwischen Narzissmus und objektivem Berufserfolg (r = .44) sowie zwischen Narzissmus und subjektivem Berufserfolg (r = .34) und bestätigen damit zu einem gewissen Grad den erwarteten Zusammenhang. Allerdings finden sich die höchsten Narzissmus-Ausprägungen nicht etwa auf höchster Hierarchieebene oder in der obersten Gehaltsklasse, sondern in den Ebenen und Klassen knapp darunter. Dies könnte dafür sprechen, dass Narzissmus den beruflichen Aufstieg zwar zunächst begünstigt, sich langfristig jedoch negativ auf den Berufserfolg auswirkt. Entgegen der Erwartung korreliert objektiver Berufserwartung stärker mit Narzissmus als subjektiver Berufserfolg. Die narzisstische Tendenz zur Selbstüberschätzung schlägt sich somit nicht in der subjektiven Einschätzung des beruflichen Erfolges nieder.
Angesichts der sowohl positiven als auch negativen Auswirkungen narzisstischer Führung stellt sich Organisationen vor dem Hintergrund der Untersuchungsergebnisse die Frage, wie Narzissten im Unternehmen erkannt werden können, wie ihre positiven Eigenschaften gefördert und wie negative Auswirkungen auf Mitarbeiter und Organisation vermieden werden können.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
1 Narzissmus
1.1 Definition
1.2 Etymologie
2 Das Spektrum des Narzissmus
2.1 Normaler Narzissmus
2.2 Pathologischer Narzissmus
2.3 Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt
3 Berufserfolg
3.1 Bedeutung von Berufserfolg
3.2 Definition von Berufserfolg
3.3 Ordnungsparameter für Berufserfolg
3.3.1 Bezugskriterien des Berufserfolges
3.3.2 Berufserfolgskriterien
4 Narzissmus und Berufserfolg
4.1 Narzissmus und die Entstehung von Führung
4.2 Narzissmus und die Effektivität von Führung
5 Ziele der Untersuchung
5.1 Fragestellung
5.2 Hypothesen
6 Methoden
6.1 Eingesetzte Messinstrumente
6.1.1 Kurzversion des Deutschen NPI (Narcissistic Personality Inventory)
6.1.2 Erfassung von objektivem Berufserfolg
6.1.3 Erfassung von subjektivem Berufserfolg
6.2 Untersuchungsdurchführung
6.3 Stichprobe
6.4 Datenauswertung
7 Ergebnisse
7.1 Deskriptive Statistik
7.1.1 Beschreibung der Untersuchungsstichprobe
7.1.2 Statistische Auswertung der Fragebögen
7.1.3 Varianzanalysen
7.2 Korrelationsanalysen
8 Diskussion
8.1 Ergebnisse
8.2 Praktische Bedeutung
8.3 Einschränkungen der Studien und Empfehlungen für die weitere
Forschung
Anhang
A. Literaturverzeichnis
B. Anschreiben zum Fragebogen
C. Fragebogen
Kurzfassung
Ziel dieser Arbeit war es, den in den Medien vielfach postulierten, empirisch bislang jedoch noch nicht eindeutig belegten Zusammenhang zwischen Narzissmus und Berufserfolg zu untersuchen.
88 Probanden füllten dazu einen Fragebogen aus, der Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt mithilfe einer Kurzversion des Deutschen NPI (Narcissistic Personality Inventory) von Schütz et al. (2004) und Berufs- erfolg anhand der objektiven Kriterien „Bruttoeinkommen“ und „Berufs- status“ sowie einer subjektiven Einschätzung des beruflichen Erfolges erhob.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen signifikant moderate Korrelati- onen zwischen Narzissmus und objektivem Berufserfolg (r = .44) sowie zwischen Narzissmus und subjektivem Berufserfolg (r = .34) und bestäti- gen damit zu einem gewissen Grad den erwarteten Zusammenhang. Al- lerdings finden sich die höchsten Narzissmus-Ausprägungen nicht etwa auf höchster Hierarchieebene oder in der obersten Gehaltsklasse, sondern in den Ebenen und Klassen knapp darunter. Dies könnte dafür sprechen, dass Narzissmus den beruflichen Aufstieg zwar zunächst begünstigt, sich langfristig jedoch negativ auf den Berufserfolg auswirkt. Entgegen der Erwartung korreliert objektiver Berufserfolg stärker mit Narzissmus als subjektiver Berufserfolg. Die narzisstische Tendenz zur Selbstüberschät- zung schlägt sich somit nicht in der subjektiven Einschätzung des beruf- lichen Erfolges nieder.
Angesichts der sowohl positiven als auch negativen Auswirkungen nar- zisstischer Führung stellt sich Organisationen vor dem Hintergrund der Untersuchungsergebnisse die Frage, wie Narzissten im Unternehmen erkannt werden können, wie ihre positiven Eigenschaften gefördert und wie negative Auswirkungen auf Mitarbeiter und Organisation vermieden werden können.
Abstract
The objective of this paper is to examine the empirical relationship be-tween narcissism and career success as has been postulated in many cases through media.
Eighty-eight probands completed a questionnaire, investigating narcis- sism as a personality trait, using a short version of the German NPI (Nar- cissistic Personality Inventory) by Schütz et al., (2004), career success, measuring “income“ and “status“ as objective indicators and self- evaluated career success as a subjective indicator for career success.
The results show significant moderate correlations between narcissism and objective career success (r = .44), as well as between narcissism and subjective career success (r = .34), thus providing evidence for a relation- ship to a certain extent. However, the highest levels of narcissism were not found in the first hierarchy level or in the highest pay grade, but in the level and grade slightly below. Therefore, it seems that narcissism has a positive effect on leadership emergence but a less positive effect on career success in relationships of longer duration. Contrary to expecta- tions, there is a higher correlation between objective career success and narcissism, than between subjective career success and narcissism. Thus, narcissists’ over-confidence in abilities is not reflected in the self- evaluated career success.
Since literature suggests both positive and negative aspects of narcissistic leadership, the results of this study raise the questions how organizations can identify narcissists, how to make use of positive attributes of narcis- sism and how to avoid negative consequences of narcissistic leadership.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1 Narzisstische Persönlichkeitsstörung (Saß et al., 2003, S. 261)
Tabelle 2.2: Merkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstö- rung (Kernberg, 1996, S. 18-19)
Tabelle 2.3: Die narzisstische Persönlichkeitsorganisation 18 (Higgs, 2009, S. 171)
Tabelle 4.1: Narzisstischer Führungsstil (Kets de Vries & 29 Miller, 1985, S. 589)
Tabelle 7.1: Lagemaße, Standardabweichung und interne 40 Konsistenz des NPI
Tabelle 7.2: Lagemaße, Standardabweichung und interne 40 Konsistenz der Berufserfolgsskalen
Tabelle 7.3: Mittelwertsunterschiede nach Geschlecht
Tabelle 7.4: Korrelationsanalyse
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1: Normale Selbstwertregulation (Kernberg, P. F., 2006, S. 572)
Abbildung 2.2: Pathologischer Narzissmus (Kernberg, P. F.,2006, S. 573)
Abbildung 6.1: Beispiel Item NPI-15
Abbildung 6.2: Beispiel-Item subjektiver Berufserfolg
Abbildung 7.1: Altersverteilung
Abbildung 7.2: Geschlechtsverteilung
Abbildung 7.3: Gehaltsklasse nach Geschlecht
Abbildung 7.4: Berufsstatus nach Geschlecht
Abbildung 7.5: Narzissmus nach Alter
Abbildung 7.6: Gehaltsklasse nach Alter
Abbildung 7.7: Hierarchieebene nach Alter
Abbildung 7.8: Subjektiver Berufserfolg nach Alter
Abbildung 7.9: Narzissmus nach Berufsstatus
Abbildung 7.10: Narzissmus nach Gehaltsklasse
Einleitung
Die Betrachtung berühmter Führungspersönlichkeiten erweckt den Eindruck, dass Narzissmus und Berufserfolg eng miteinander verknüpft sind. Der Eindruck wird verstärkt durch eine Vielzahl von Publikationen, die mit Titeln wie „Narzissten im Vorteil“ (Süddeutsche.de, 2010) einen derartigen Zusammenhang postulieren. Dennoch sucht man bisher vergebens nach empirischen Belegen, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Narzissmus und Berufserfolg bestätigen.
Narzissmus kann als Kontinuum betrachtet werden, das sich uns in verschiedenen Facetten und Ausprägungen vom gesunden Narzissmus bis hin zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung zeigt und auch im subklinischen Bereich als Persönlichkeitskonstrukt in unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen in jedem von uns zu finden ist.
In der Regel wird der negativ konnotierte Begriff Narzissmus mit Merk- malen in Verbindung gebracht, die im Beruf zunächst einmal hinderlich erscheinen. Dazu zählen Eigenschaften wie Minderwertigkeit, Mangel an Empathie oder die Unfähigkeit, mit Kritik und Rückschlägen umzuge- hen. Auf der anderen Seite werden Narzissten als Menschen mit ausge- prägtem Ehrgeiz, charismatischen Eigenschaften, manipulativen Fähig- keiten und einem übersteigerten Selbstwertgefühl beschrieben, also Ei- genschaften, die häufig in führenden Positionen anzutreffen sind.
Ziel dieser Arbeit ist es daher, den Zusammenhang zwischen Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt und sowohl objektivem als auch subjektivem Berufserfolg durch eine empirische Erhebung zu untersuchen. Ausge- hend von eigenen Beobachtungen und dem in den Medien vielfach postu- lierten Zusammenhang, wird angenommen, dass ein positiver Zusam- menhang zwischen Narzissmus und den objektiven Berufserfolgskrite- rien „Berufsstatus“ und „Bruttoeinkommen“ besteht. Ebenso wird ein positiver Zusammenhang zwischen Narzissmus und subjektivem Berufs- erfolg, gemessen an der Selbsteinschätzung des beruflichen Erfolges, vermutet. Aufgrund des grandiosen Selbstbildes und der für Narzissten typischen Selbstüberschätzung wird darüber hinaus angenommen, dass ein stärkerer Zusammenhang zwischen Narzissmus und subjektivem Be- rufserfolg als zwischen Narzissmus und objektivem Berufserfolg besteht.
Diese Arbeit soll nicht nur Hinweise auf die Verbreitung narzisstischer Persönlichkeiten in Organisationen geben, sondern auch Auswirkungen narzisstischer Führungspersönlichkeiten auf Mitarbeiter und Unterneh- men aufzeigen und Denkanstöße für die Personalauswahl und Personal- entwicklung geben.
1 Narzissmus
1.1 Definition
„Narzissmus gibt es in vielfältiger Gestalt, in unterschiedlicher Ausprägung und in vielen Funktionen. Er ist schön und hässlich, aufdringlich und bescheiden, verheißungsvoll und gefährlich, fas- zinierend und abstoßend. In bekömmlichem Maß ist er Nahrung für das Ich und fördert den gesunden Selbstwert. In verdünnter Form macht er sich im Umfeld, in der Familie und am Arbeitsplatz breit. Wenn er krankhaft wird, gehört er zu den am schwersten zu behan- delnden Störungen und treibt auch die Therapeuten zur Verzweif- lung.“ (Haller, 2013, S. 21)
Wie dieses Zitat von Reinhard Haller deutlich macht, zeigt sich Narziss- mus in so unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen, dass bis heute keine einheitliche Definition des Begriffes existiert. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Narzissmus „Selbstliebe“ (Röhr, 1999). In einer Definition von Moore & Fine (1967, S. 62) wird der Begriff weniger libidinös verwendet, sondern als „Konzentration des seelischen Interesses auf das eigene Selbst“ verstanden. Diese Arbeit schließt sich der Defini- tion von Moore & Fine an.
1.2 Etymologie
Der Begriff Narzissmus entspringt der Sage des griechischen Dichters Ovid. In seinen Metamorphosen erzählt Ovid (43 v. Chr. - 17/18 n. Chr.; zusammengefasst nach Renger, 2005) die Geschichte von Narziss, Sohn des Flussgottes Kephissos und der von Kephissos vergewaltigten Nym- phe Leiriope. Der schöne und stolze Narziss wurde von Frauen und Männern gleichermaßen verehrt, war jedoch außerstande, einem Men- schen Liebe entgegen zu bringen, und wies daher all seine Verehrer zu- rück. So auch die Nymphe Echo, die dazu verdammt war, nicht sprechen, sondern nur die letzten Worte eines Jeden wiederholen zu können. Nach der Abweisung durch Narziss versteckte sich Echo in den Wäldern und ging dort an ihrer unerfüllten Liebe zu Grunde. Narziss wurde dafür von den Göttern mit einem Fluch belegt und sollte ebenfalls an der Unerfüll- barkeit seiner Liebe sterben. Dies geschieht, als er eines Tages in der Wasseroberfläche einer Quelle sein Spiegelbild entdeckt und sich ver- zückt vom Anblick seines Abbildes in sich selbst verliebt. Er kann den Blick nicht von seinem Abbild lassen, verzehrt sich danach und versucht sich mit dem Bild zu vereinigen. Als er die Unerfüllbarkeit seiner Liebe begreift, stirbt er schließlich auf einer Wiese, auf der später eine Narzisse erblüht.
Im Mythos von Narziss finden sich zahlreiche Elemente, die sich bis heute in psychoanalytischen Theorien zum Narzissmus und daher auch im Verlauf dieser Arbeit wiederfinden. Dazu zählen insbesondere die Ausrichtung von Narziss auf die eigene Person, das unerreichbare Ich-Ideal, der Mangel an Einfühlungsvermögen, die zerstörerische Kraft von Zurückweisung, Isolation und Tod.
2 Das Spektrum des Narzissmus
2.1 Normaler Narzissmus
Der normale Narzissmus wurde von Kernberg (1978), Kohut (1972), Moore & Fine (1967) sowie Van der Waals (1965) wie folgt definiert:
„Im Allgemeinen versteht man in der psychoanalytischen Theorie unter normalem Narzissmus die libidinöse Besetzung des normalen integrierten Selbst.“ (zitiert nach Kernberg, P. F., S. 571).
Auch wenn der normale Narzissmus die libidinöse Besetzung des Selbst wiederspiegelt, so integriert das Selbst, wie Abbildung 2.1 zeigt, dennoch sowohl libidinöse als auch aggressive Anteile. Diese Integration guter und schlechter Selbstimagines in ein realistisches Selbstkonzept ist nach Kernberg (1978) Vorbedingung für die libidinöse Besetzung des norma- len Selbst und somit für eine gesunde Selbstliebe. Das Real-Selbst kann beim normalen Narzissmus vom Ideal-Selbst und vom Ideal-Objekt un- terschieden werden. Durch eine Spannung zwischen dem Real-Selbst und dem Ideal-Selbst kommt es zu einer realistischen Einschätzung des äuße- ren Objektes.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Normale Selbstwertregulation (Kernberg, P. F., 2006, S.572)
Normaler Narzissmus ist erforderlich, um im Leben zurechtzukommen und wird mit der Fähigkeit zu stabilen Objektbeziehungen assoziiert (Kernberg & Hartmann, 2006). Nur wer sich selber lieben kann, so scheint es, ist auch in der Lage, eine stabile Identität zu entwickeln, ande- re Menschen zu respektieren und ihnen Liebe entgegen zu bringen. Men- schen mit einem gesunden Narzissmus können „genussvoll ihre Stärken betrachten, aber auch kritisch ihre Schwächen akzeptieren“ (Berschnei- der, S.19).
2.2 Pathologischer Narzissmus
Dem gesunden Narzissmus gegenüber steht der pathologische Narzissmus, der nach Kernberg (1978), Kohut (1972), Moore und Fine (1967) sowie Van der Waals (1965) wie folgt definiert wird:
„Demgegenüber stellt der pathologische Narzissmus die libidinöse Besetzung einer pathologischen Selbststruktur dar, in der sich ein grandioses Selbst als Abwehr gegen intensive präödipale und ödipale Konflikte im Zusammenhang mit Liebe und Aggression herausgebildet hat“ (zitiert nach Kernberg, P., S. 571).
Wie Abbildung 2.2 zeigt, ist nach Kernberg (1978) beim pathologischen Narzissmus die libidinöse Selbst-Besetzung nicht normal integriert, son- dern bildet eine pathologische Struktur des grandiosen Selbst, welches sich aus der Verschmelzung von Real-Selbst, dem Ideal-Selbst und dem Ideal-Objekt zusammensetzt. Nicht akzeptierte, entwertete und aggressiv besetzte Selbst- und Objekt-Repräsentanzen, die nicht in das grandiose Selbstkonzept passen, werden abgespalten und auf das äußere Objekt projiziert, welches dafür entwertet wird. So kommt es beim pathologi- schen Narzissmus zu einer krankhaften Ich-/Über-Ich-Entwicklung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Pathologischer Narzissmus (Kernberg, P. F., 2006, S.573)
Die Verschmelzung von Idealselbst-, Idealobjekt- und Realselbstreprä- sentanzen zu einem grandiosen Selbstkonzept ist nach Kernberg (1978) eine Abwehrreaktion gegenüber unerträglichen Gegebenheiten im zwi- schenmenschlichen Beziehungsfeld. Die Betroffenen identifizieren sich mit ihrem idealen Selbstbild und versuchen damit die Abhängigkeit von äußeren Objekten und verinnerlichten Objekt-Repräsentanzen zu ver- leugnen. Ist diese Abwehrreaktion erst einmal in Gang gekommen, so Kernberg (1978), bringt er einen Teufelskreis von Selbstbewunderung, Geringschätzung anderer und Meidung jeglicher Abhängigkeit in Gang.
In dem von der American Psychiatric Association (APA) herausgegebenen DSM-IV-TR (Textrevision der vierten Auflage des Diagnostic Statistic Manual for Mental Disorders) zur Klassifikation psychischer Störungen wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung als „tiefgreifendes Muster von Großartigkeit, Bedürfnis nach Bewunderung und Mangel an Empathie“ beschrieben (Saß et al., 2003, S. 261).
Um nach dem DSM-IV-TR von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sprechen zu können, müssen mindestens fünf der in Tabelle 2.1 aufgelisteten Merkmale überdauernd vorhanden sein.
301.81 (F60.8) Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.1: Narzisstische Persönlichkeitsstörung (Saß et al., 2003, S.261)
Kernberg (1996) kritisierte, dass das DSM-Klassifikationssystem wichti- ge Merkmale der Störung nicht beinhaltet und fasste daher die bestehen- de Literatur zusammen, um ein kombiniertes Profil zu entwerfen, wel- ches die typische Spaltung der Betroffenen durch die Auflistung sichtbarer und verdeckter Merkmale der Störung unterstreicht. Tabelle 2.2 zeigt einen Ausschnitt aus dieser Auflistung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.2: Merkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (Kernberg, 1996, S. 18-19)
Kernberg beschreibt mit diesen Merkmalen den Prototypen der narzissti- schen Persönlichkeitsstörung. Röhr (1999) wie auch Kernberg (2006) erinnern jedoch daran, dass es leichte, mittelschwere und schwere Formen der narzisstischer Persönlichkeitsstörungen gibt, und es bei leichten Formen oftmals nicht korrekt ist, von einer Persönlichkeitsstörung zu sprechen.
Aus diesem Grunde wird im folgenden Kapitel auf Narzissmus im subklinischen Bereich eingegangen.
2.3 Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt
Persönlichkeits- und sozialpsychologische Studien zeigen, dass narzisstische Tendenzen nicht auf klinische Gruppen beschränkt sind (Asendorpf & Ostendorf, 1998). Fischer (1984) bezeichnet diese Form des Narzissmus als „subklinischen Narzissmus“.
Aus der Literatur ergibt sich ein recht komplexes Konzept der narzisstischen Persönlichkeitsdisposition. Higgs (2009) hat die Befunde, wie in Tabelle 2.3 dargestellt, zusammengefasst:
Elemente der narzisstischen Persönlichkeitsorganisation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.3: Die narzisstische Persönlichkeitsorganisation (Higgs, 2009, S. 171)
Valide Belege für die Existenz von Narzissmus als Persönlichkeitskon- strukt lieferten insbesondere die Arbeiten von Raskin & Hall (1979) so- wie Raskin und Terry (1988). Die Entwicklung des NPI (Narcissistic Personality Inventory) von Raskin & Hall (1979), einem Instrument zur Erfassung von Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt, ebnete den Weg für die empirische Untersuchung der narzisstischen Persönlichkeitsdispo- sition. Obwohl das NPI auf der Basis von DSM-III-Kriterien konstruiert wurde, stellen nach Emmons (1987) nur extreme Ausprägungen im NPI pathologischen Narzissmus dar.
In der heute am häufigsten verwendeten Langform des Inventars von
Raskin & Terry (1988) setzt sich Narzissmus aus folgenden Hauptmerkmalen zusammen:
- Autoritätsgefühl
- Selbstgenügsamkeit
- Überlegenheitsgefühl
- Prahlerei
- Ausbeutung
- Eitelkeit
- Anspruchshaltung
Es zeigt sich also, dass wir es beim Narzissmus mit einem Spektrum zu tun haben, das von normalem, gesundem Narzissmus bis hin zu schweren Persönlichkeitsstörungen reichen kann. Im Fokus dieser Arbeit wird Narzissmus im subklinischen Bereich stehen und mithilfe des NPI als Persönlichkeitskonstrukt untersucht.
3 Berufserfolg
3.1 Bedeutung von Berufserfolg
In unserer Gesellschaft stellt Berufserfolg ein wesentliches Merkmal ei- nes geglückten Lebens dar und wird neben einem befriedigenden Privat- leben zur Hauptzielsetzung für die meisten Menschen (Abele et al., 1999; Abele, 2002; zusammenfassend Dette et al., 2004). Studien zufolge kann Berufserfolg zu erhöhter Leistung, Arbeitsmotivation und organisationa- ler Bindung führen (Boehm & Lyubomirsky, 2008). Stellt sich Berufser- folg nicht ein, so können Demotivation, Leistungsabfall oder gar psycho- somatische Beschwerden die Folge sein (Spurk et al., 2013).
Angesichts der Bedeutung von Berufserfolg haben Organisationen ein verstärktes Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter erfolgreich sind, und stellen sich die Frage, welche Faktoren beruflichen Erfolg beeinflussen und vorhersagen können.
Gewiss gehört zum beruflichen Erfolg oftmals eine Portion Glück, den- noch konnte die empirische Forschung Faktoren ausmachen, die sich auf den beruflichen Erfolg auswirken. Dazu zählen neben soziodemographi- schen Faktoren, wie Alter, Geschlecht, Anzahl der Kinder und Bezie- hungsstatus, auch Attribute wie Ausbildung und Berufserfahrung (Judge et al., 1999). Ebenso konnten Persönlichkeitsmerkmale gefunden werden, die mit Berufserfolg in Zusammenhang stehen. So zeigen Untersuchun- gen insbesondere positive Zusammenhänge zwischen Extraversion und Berufserfolg, Gewissenhaftigkeit und Berufserfolg sowie negative Zu- sammenhänge zwischen Neurotizismus und Berufserfolg (Judge et al., 1999).
3.2 Definition von Berufserfolg
Bis heute gibt es keine allgemein akzeptierte Definition und Operationalisierung für Berufserfolg.
Häufig kommt es zu einer Vermischung der Begriffe Berufserfolg, Lauf- bahnerfolg, Arbeitsleistung, Arbeitszufriedenheit, Karriere- und Lauf- bahnzufriedenheit, was unter anderem den unterschiedlichen Möglichkei- ten der Übersetzung des Begriffes „career“ geschuldet werden kann (Dette et al., 2004). So kann „career“ nicht nur rein deskriptiv als „Lauf- bahn“ zur Beschreibung des Berufsweges einer Person, mit all seinen Veränderungen durch Jobwechsel, Beförderungen und Weiterbildungen, übersetzt werden, sondern auch als „Karriere“ zur Beschreibung des Auf- stiegs auf der Karriereleiter (Dette et al., 2004; Abele et al., 2010).
„Erfolg“, so Abele et al. (2010), kann ebenfalls sowohl als deskriptiver wie auch als bewertender Terminus verwendet werden. Vor allem aber, so Abele et al. (2010), sei Erfolg ein subjektives Konstrukt, zu dessen Erfassung individuelle Bezugsstandards genutzt werden.
Die inkonsistente Verwendung des Begriffes Berufserfolg erschwert so dessen Vorhersage und führt zu unterschiedlichen Korrelationen. Daher ist es gängige Praxis, Berufserfolg je nach der in der Untersuchung an- gewendeten Operationalisierung zu definieren (Dette et al., 2004).
3.3 Ordnungsparameter für Berufserfolg
3.3.1 Bezugskriterien des Berufserfolges
Berufserfolg kann sich, so Dette et al. (2004), sowohl auf eine klar abgrenzbare Handlung und deren konkretes Ergebnis beziehen als auch auf die Berufsbiographie als Prozess. Entsprechend unterscheiden sie zwischen den Bezugskriterien „Arbeit“ und „Laufbahn“.
Unter Arbeitserfolg verstehen Mörth & Söller (2005) einen kurzfristigen Erfolg, der sich auf die Erledigung einer Aufgabe bezieht, die sich eine Person zum Ziel gesetzt hat. Somit bezieht sich Arbeitserfolg auf eine spezifische und zeitlich abgegrenzte Handlung. Dies kann beispielsweise die Fertigstellung einer Forschungsarbeit eines Wissenschaftlers sein, die große Beachtung findet, oder aber die Beendigung eines Bauprojektes eines Architekten zur Zufriedenheit des Auftraggebers.
Laufbahnerfolg bezeichnet „den zeit- und arbeitgeberübergreifenden Bereich der Berufsbiografie“ (Mörth & Söller, 2005, S. 37). Im Gegensatz zum Arbeitserfolg bezieht sich Laufbahnerfolg somit auf verschiedene Aufgaben, die eine Person im Laufe ihrer Berufstätigkeit bewältigt hat. Dabei ist es für eine erfolgreiche Laufbahn unerheblich, ob es an der einen oder anderen Stelle auch zu Misserfolgen gekommen ist. Für die Beurteilung des Laufbahnerfolgs ist die Gesamtbeurteilung zu betrachten.
In Anlehnung an Hülsheger et al. (2006) wird sich Berufserfolg in dieser Arbeit auf die Laufbahn beziehen. Eine Überprüfung des Arbeitserfolges ist mangels Kenntnis der Arbeitsaufgaben der Untersuchungsteilnehmer nicht praktikabel.
3.3.2 Berufserfolgskriterien
Ein weiterer und häufig verwendeter Ordnungsparameter für Berufser- folg ist die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Be- rufserfolg.
Spurk et al. (2013) beschreiben Berufserfolg in Anlehnung an Judge et al. (1999) als „tatsächliche oder wahrgenommene Errungenschaften, die ein Individuum bei seinen beruflichen Erfahrungen erzielt hat“ (S. 434). Aus der Unterscheidung zwischen „tatsächlich“ und „wahrgenommen“ ergibt sich die Grundlage für eine Unterscheidung zwischen „objektivem“ und „subjektivem“ Berufserfolg.
Objektiver Berufserfolg ist nach Hughes (1973) durch Dritte direkt beobachtbar, messbar und überprüfbar, während er subjektiven Berufserfolg als individuelle Reaktion einer Person auf ihre beruflichen
1. Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt z. B. die eigenen Leistungen und Talente;
erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden),
2. ist stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Lie-
be,
3. glaubt von sich, besonders und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen
Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können,
4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung,
5. legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d. h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte
Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen,
6. ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d. h. zieht Nutzen aus anderen, die eigenen
Ziele zu erreichen,
7. zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht Willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen
oder sich mit ihnen zu identifizieren,
8. ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie,
9. zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.
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