Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Beantwortung der Frage, ob es eine „soziale Vererbung“ beziehungsweise generationelle Weitergabe von Armut geben kann. Sollte dies der Fall sein, stelle sich ebenfalls die Frage, was das für die Soziale Arbeit bedeutet.
Als Erstes setzte ich mich in dem Kapitel 1 mit der Definition von Armut, den Begrifflichkeiten der absoluten und relativen Armut auseinander.
Nachfolgend setzte ich mich mit den Zahlen und Fakten, den allgemeinen Ursachen und den besonderen Risikogruppen im Fall der Kinderarmut in diesem Land auseinander. Armut hat sowohl für Erwachsene als auch für Kinder unterschiedliche und höchst spezifische Auswirkungen und Folgen. In Punkt 2 wird sich mit den Auswirkungen der Kinderarmut näher befasst. Ein besonderes Augenmerk soll hier auf die Multiple Deprivation gelegt werden. Abschließend möchte ich noch auf die eigene Sicht und Wahrnehmung der Armut bzw. der Lebenslagen der betroffenen Kinder eingehen.
Mit Punkt 3 folgt nun der Schwerpunkt und somit Hauptteil dieser Bachelorarbeit. Der Punkt 3.1. soll in die Vererbung und die Frage, was „soziale Vererbung“ ist, einführen. Punkt 3.2. beginnt mit der Armutsspirale und einer Auseinandersetzung mit dem Thema der Bildungsarmut und deren Auswirkungen. Nachfolgend wird sich mit dem Teufelskreis der Armut näher befasst. Im Falle der Bildung kann die Frage gestellt werden, was falsch in unserer Gesellschaft läuft, so dass als Konsequenz die soziale Herkunft immer noch einen so hohen Einfluss auf die Bildungschancen junger Menschen hat?
Im Punkt 4 soll auf die Soziale Armut in Bezug auf den Schwerpunkt dieser Ausarbeitung näher eingegangen werden. Die Positionen führender Wohlfahrtsverbände in diesem Bereich sollen dazu herangezogen werden. Daraufhin werden in Punkt 4.2. die Möglichkeiten, welche die Soziale Arbeit hat, um Kinderarmut (wirksam) zu bekämpfen, aufgeführt. Mit dem Handlungsfeld Prävention bzw. Armutsprävention soll in dieser Ausarbeitung auf eine mögliche Methode bzw. einen möglichen Ansatz als ein Beispiel näher eingegangen werden. In 4.3. wird sich mit den Aufgaben und sich draus resultierenden Anforderungen für die Soziale Arbeit befasst, sowie mit den Grenzen Sozialer Arbeit in Hinblick auf die Aufgaben und Möglichen Methoden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Definitionen
1.1. Definition von Armut
1.1.1. Formen von Armut : Absolute und relative Armut
1.2. Messung von Armut
1.2.1. Wie kann man Armut messen?
1.2.2 Wann gilt man in Deutschland als arm?
1.3. Definition von Kinderarmut
1.3.1. Was ist ein Kind? - Definition des Begriffs „Kind“ in Bezug auf diese Ausarbeitung
1.3.2 Kinderarmut in Deutschland (Zahlen und Fakten)
1.3.3. Allgemeine Ursachen für Kinderarmut in Deutschland
1.3.4 Besondere Risikogruppen von Kinderarmut
2. Die Auswirkungen der Kinderarmut
2.1. Folgen von Armut - Multiple Deprivation
2.1.1. Auswirkungen auf die materielle Situation und Versorgung der Kinder ( „familiäre Armut“)
2.1.2. Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder
2.1.3. Auswirkungen auf die Wohnsituation der Kinder
2.1.4. Auswirkungen im sozialen Bereich für die Kinder
2.1.5. Auswirkungen auf die Bildungssituation der Kinder ( Schulische Laufbahn)
2.2. (Eigene) Armut aus Sicht des Kindes
3. Vererbung von Armut
3.1. Definition „Soziale Vererbung“
3.2. Einmal arm immer arm ?
3.2.1. Die Armutsspirale und ihre Auswirkungen
3.2.2. Teufelkreis der Armut
3.3. Bildungsarmut der Eltern -Auswirkungen auf die soziale Vererbung von Armut?
3.4. Die Folgen der „ sozialen Vererbung“ und eine Zusammenfassung
4. Kinderarmut in Deutschland als Herausforderung für die Soziale Arbeit
4.1. Position der Sozialen Arbeit zu Kinderarmut und der Sozialen Vererbung
4.1.1. Position der Wohlfahrtsverbände zur Kinderarmut in Deutschland
4.1.2. Position der Wohlfahrtsverbände zur sozialen Vererbung
4.2. Präventionen und Interventionen gegen Kinderarmut
4.2.1 Was heißt Armutsprävention?
4.2.2. Was ist Armutsprävention bei Kindern?
4.3. Aufgaben, Anforderungen und Grenzen für die Sozialen Arbeit in Bezug auf Kinderarmut und soziale Vererbung in Deutschland
5. Schlussbetrachtung und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Medianeinkommen (Poorest = Der Ärmste / Richest= Der Reichste)- S.7
Abbildung 2: Das kindbezogene Armutskonzept - S. 12
Abbildung 3: Entscheidende Übergänge für die - S.33 Teilhabe in den Lebensphasen
Abbildung 4: Die Armutsspirale - S. 36
Abbildung 5: Teufelskreis der Armut ( selbst erstellt) - S. 41
Abbildung 6: Kinderarmut in Deutschland 2014 - im Anhang
Abbildung 7: AWO Plakatkampagne - im Anhang
Abbildung 8: AWO Plakatkampagne - im Anhang
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Armut und die sich daraus ergebende soziale Benachteiligung einzelner Bevölkerungs- gruppen sind ein gesellschaftliches Problem und nach wie vor ein zentrales Handlungsfeld der Sozialen Arbeit im fachlichen als auch im politischen Sinne. Kinderarmut ist an sich kein innovatives Thema, aber noch immer ein Thema, dem es dennoch nicht an Brisanz fehlt. In jedem Jahr gibt es erneut Berichte und Studien zur Kinderarmut in Deutschland, auf die mit Betroffenheit reagiert wird. Aktuell wurde zum 01.06.2016, dem offiziellen Kindertag, durch die Bundesagentur für Arbeit bekannt gegeben, dass die Anzahl der Kin- der, welche Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4) beziehen, im Vergleich zum Vorjahr 2014 gestiegen ist. Eine ähnliche Entwicklung, wie bei den unter 15 Jährigen, lässt sich auch bei den 15- 24. Jährigen feststellen. Auch unter dieser Gruppe gab es zuletzt mehr Hartz-IV-Empfänger. Diese Zahlen zeigen des Weiteren, dass wer einmal Leistungen durch das Hartz-IV-System erhält, aus diesem Leistungsbezug nur schwer wieder heraus- zukommen scheint. Einmal Hartz IV - immer Hartz IV? So sind nach neusten Zahlen et- was 30.000 junge Menschen schon seit vier Jahren auf staatliche Transferleistungen ange- wiesen. Diese neuen Erkenntnisse zeigen, dass das Thema Kinderarmut in Deutschland auch nach vielen Jahren noch immer aktuell ist. Besonders im Hinblick auf die derzeitige Flüchtlingsdebatte, kann sich wieder aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Thema Kinderarmut in Deutschland befasst werden (vgl. Institut für Sozialarbeit und Sozialpäda- gogik e. V. (Hrsg.), 2012, S. 2, Feustel, 2007, S.8, ntv.de, 2016, Der Paritätische Gesamt- verband, 2012, S.3).
Als ich begonnen habe über das Thema Kinderarmut und „soziale Vererbung“ zu recher- chieren und mir verschieden Meinungen anhörte, kam oft die Kritik, dass das Thema doch schon mehrfach ausdiskutiert wäre und keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Aller- dings zeigt sich durch jedes Kind, das in diesem Land unter Armutsbedingungen aufwach- sen muss und die aktuellen statistischen Erhebungen, dass es dem Thema Kinderarmut noch nicht an seiner Aktualität fehlt. Es bietet noch immer genügend Möglichkeiten sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Kinderarmut wird offensichtlich immer noch nicht ausreichend wirksam bekämpft. Mittlerweile kann man sogar durchaus davon sprechen, dass die Politik nicht die Armut sondern die von Armut betroffenen Menschen und ihre Familien bekämpft. Die Stichworte Fördern oder Fordern oder soziale Hängematte der Hartz 4 Reform kann man in diesem Zusammenhang nennen.
Für diese Ausarbeitung stellte ich mir die Fragen: - Kann Armut tatsächlich sozial vererbt werden? - Woran liegt es, dass Kinder über mehrere Generationen keine guten Startbedin- gungen bekommen und von Armut auch im Erwachsenenalter betroffen bleiben? - Warum schaffen es die einen Kinder und die anderen nicht? - Was läuft falsch in unserer Gesell- schaft und was kann die Soziale Arbeit tun, um die generationelle Weitergabe und Verfes- tigung von Armut zu verhindern? Kann sich überhaupt durch die Soziale Arbeit etwas ver- ändern?
Ziel dieser Ausarbeitung ist die Beantwortung der Frage, ob es eine „soziale Vererbung“ bzw. generationelle Weitergabe von Armut geben kann. Sollte dies der Fall sein, stelle sich ebenfalls die Frage, was das für die Soziale Arbeit bedeutet.
Als Erstes setzte ich mich in dem Kapitel 1 und den Punkten 1. bis 1.2.2 mit der Definition von Armut, den Begrifflichkeiten der absoluten und relativen Armut auseinander. Zudem beschäftige ich mich mit den Fragen, wie Armut gemessen werden kann und wann man in Deutschland als arm gilt. Dies habe ich anhand von Zahlen, Abbildungen und Erläuterun- gen darzustellen versucht.
Im gesamten Punkt 1.3. möchte ich das Thema Kinderarmut näher beleuchten und hinter- fragen. In Punkt 1.3. beginne ich mit der notwendigen Definition zu einem Schwerpunkt dieser Arbeit. Was ist Kinderarmut? Als nächstes folgt die Frage, was ein Kind ist und was diese Definition für meine Arbeit bedeutet. Nachfolgend setzte ich mich mit den Zahlen und Fakten, den allgemeinen Ursachen und den besonderen Risikogruppen im Fall der Kinderarmut in diesem Land auseinander. Die daraus entstandenen Aufzählungen der Ur- sachen und Risikogruppen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Armut hat sowohl für Erwachsene als auch für Kinder unterschiedliche und höchst spezifische Auswirkungen und Folgen. In Punkt 2. bis Punkt 2.2. wird sich mit den Auswirkungen der Kinderarmut näher befasst. Ein besonderes Augenmerk soll hier auf die Multiple Deprivation gelegt werden. Abschließend möchte ich noch auf die eigene Sicht und Wahrnehmung der Armut bzw. der Lebenslagen der betroffenen Kinder eingehen (vgl. Holz, 2010, S.114).
Mit Punkt 3 folgt nun der Schwerpunkt und somit Hauptteil dieser Bachelorarbeit. Der Punkt 3.1. soll in die Vererbung und die Frage, was „soziale Vererbung“ ist. einführen.
Punkt 3.2. beginnt mit der Armutsspirale und einer Auseinandersetzung mit dem Thema der Bildungsarmut und deren Auswirkungen. Nachfolgend wird sich mit dem Teufelskreis der Armut näher befasst, zur Verdeutlichung wurde von mir eine eigene Grafik zu dieser Thematik erstellt, da keine passende in der Literatur gefunden werden konnte. Abgeschlos- sen wird dieser Punkt mit den Folgen der „sozialen Vererbung“ und einer Zusammenfas- sung der gewonnenen Ergebnisse. Im Falle der Bildung kann sich die Frage gestellt wer- den, was falsch in unserer Gesellschaft läuft, so dass als Konsequenz die soziale Herkunft immer noch einen so hohen Einfluss auf die Bildungschancen junger Menschen hat?
Im Punkt 4 soll auf die Soziale Armut in Bezug auf den Schwerpunkt dieser Ausarbeitung näher eingegangen werden. Punkt 4.1. setzt sich mit der Position der Sozialen Arbeit zu den Themen „Soziale Vererbung“ und generationelle Weitergabe von Armut auseinander. Die Positionen führender Wohlfahrtsverbände in diesem Bereich sollen dazu herangezogen werden. Daraufhin werden in Punkt 4.2. die Möglichkeiten welche die Soziale Arbeit hat, um Kinderarmut (wirksam) zu bekämpfen, aufgeführt. In Bezug auf die Lebensweltorien- tierte Soziale Arbeit wurden Arbeitsansätze entwickelt, die auf die (wirksame) Bekämp- fung von Armut abzielen. Dazu gehören die Handlungsfelder Prävention, strukturelle Mög- lichkeiten und die Gemeinwesenarbeit. Mit dem Handlungsfeld Prävention bzw. Armut- sprävention soll in dieser Ausarbeitung auf eine mögliche Methode bzw. einen möglichen Ansatz als ein Beispiel näher eingegangen werden. In 4.3. wird sich mit den Aufgaben und sich draus resultierenden Anforderungen für die Soziale Arbeit befasst, sowie mit den Grenzen Sozialer Arbeit in Hinblick auf die Aufgaben und Möglichen Methoden (vgl. Braches-Chyrek/Lenz, 2011, S.190).
Zum Abschluss und zur Vervollständigung dieser Bachelorarbeit sollen in Punkt 5 ein Fazit gezogen und mögliche Schlussfolgerungen für die Soziale Arbeit ausgearbeitet werden. Ebenfalls sollen Anreize für den Umgang mit Kinderarmut, ihren Ursachen und Folgen für die Soziale Arbeit in diesem Handlungsfeld erläutert werden.
Über das Thema Kinderarmut sind seit Ende der 80er Jahre verschiedenste Publikationen, Stellungsnahmen und Studie zu diesem Themenbereich erschienen. Auf einzelne Publikationen, Forschungsarbeiten und deren Ergebnisse wird im Rahmen dieser Arbeit zurückgegriffen. Diese und die genutzte Literatur, geben nicht immer (vollständig) die Meinung der Verfasserin wieder. Teilweise handelte es sich um ältere Literatur, die mit Quellen aus dem Internet ergänzt wird (vgl. Feustel, 2007, S. 12).
1. Definitionen
1.1. Definition von Armut
Unter Armut im Allgemeinen versteht man eine Situation, in der ein wirtschaftlicher Man- gel auftritt, der das Führen eines angemessenen Lebens verhindert. Wenn Personen in ih- ren Handlungsspielräumen eingeschränkt sind und eine gleichberechtigte Teilhabe an Ak- tivitäten und Lebensbedingungen nicht mehr gewährleistet ist, liegt ebenfalls Armut vor. Diese Definition ist angelehnt an das Konzept der Verwirklichungschancen und wird so auch im zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verwendet. Nach Amartyna Sen, einem indischen Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph, gilt Armut „als Mangel an Verwirklichungschancen“. Die Wirkung von Armut ist immer als mehrdimen- sional anzusehen. Jedoch existiert weder in der Politik noch in der Forschung aufgrund der Vielschichtigkeit bzw. Mehrdimensionalität von Armut bis heute eine einheitliche und anerkannte Definition. Die daraus entstehenden unterschiedlichen Definitionen können durchaus zu Kontroversen in der Praxis der Sozialen Arbeit führen. Zu beachten ist, dass es sich bei Armut nicht um eine Eigenschaft handelt, sondern um einen dynamischen Prozess. Zudem darf Armut nicht nur als materiell wahrgenommen werden darf, sondern muss auch an der Fürsorge bemessen werden, die z.B. Kinder erhalten (vgl. Bmz, Kinder- Armut.de/Verein für soziales Leben e.V. Feustel, 2007, S.12, Sanders/Weth, 2008, S.7, Holz, 2008, S.71, Wittmann/ Rauschenbach/ Leu (Hrsg.), 2011, S.17, Gerull, 2011, S.13, Pioch, 2011, S.18, Zander, 2009, S.145).
1.1.1. Formen von Armut : Absolute und relative Armut
Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man Armut als absolut. Daraus resultieren das Konzept und der Begriff der absoluten Armut. Absolute Armut, welche gleichzeitig als „objektive Armut“ gilt, bezeichnet jene Armut bei der das physische Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist. Absolute Armut ist zudem die schärfste Form der Armut. Es fehlt den Menschen, die von absoluter Armut betroffen sind an lebensnotwendiger Nah- rung, Kleidung, Unterkunft und Gesundheitsfürsorge. Wenn die Grenze, aktuell bei 1,90 $ pro Tag, zu dieser Armut unterschritten wird, drohen körperliche Schäden bzw. ein lebensbedrohlicher Mangel. Diese Form der Armut ist häufig in sogenannten Entwicklungs- oder Schwellenländern anzutreffen In Deutschland und den meisten anderen wirtschaftlich entwickelten Ländern sowie in der Politik wird Armut jedoch als relativ verstanden. Dar- aus resultieren dann das Konzept und der Begriff der relativen Armut. Relative Armut meint eine Armut, die sich an gesellschaftlichen Mindeststandards und Lebensverhältnis- sen orientiert, denn in einer gesicherten sozialen Existenz zu leben bedeutet mehr, als nicht zu verhungern oder zu erfrieren. Menschen leben in diesen Ländern nicht in einer Mangel-, in der sie als arm gelten, sondern in einer Überflussgesellschaft. Relative Armut ist auch unter den Begriffen Einkommensarmut oder relative Einkommensarmut bekannt. Als arm gelten nach diesem Begriff, jene Menschen die nicht über genügend Ressourcen verfügen um den für ihr Land geltenden Lebensstandard zu erreichen. Dies gilt für alle sozialen, kulturellen und ökonomischen Standards. In Deutschland soll das System der sozialen Si- cherung (Renten/ Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4) / Sozialhilfe), Formen wie die der absoluten Armut möglichst verhindern (vgl. Sarimski, 2013, S. 14, Biwo/Hammer, 2010, S.132, Holz,2005, S.90, Kinder-Armut.de/Verein für soziales Leben e.V. Feustel, 2007, S.12, Wittmann/Rauschenbach/Leu (Hrsg.) 2011, S.96, Chassé/Zander/Rasch,2005, S.17, Gerull, 2011, S.14 u. S.19 Bmz).
Trotz aller Kritik hat sich der rein ressourcenorientierte; /materiell geprägte Armutsbegriff der absoluten und relativen Armut global durchgesetzt und wurde deswegen auch für diese Ausarbeitung herangezogen. Im Vergleich zwischen absoluter und relativer Armut ist letz- tere zwar nicht bedrohlich für das physische Überleben, allerdings können die von relativer Armut betroffenen Personen nicht mehr ausreichend am kulturellen und sozialen Leben in ihrem Umfeld bzw. in ihrer jeweiligen Gesellschaft teilnehmen. Diese Menschen leben unterhalb oder an der Grenze des soziokulturellen Existenzminimums. Armut ist auch immer ein ungewolltes Eingeständnis dafür, dass der politische Ausgleich von sozialen Ungleichheiten nicht funktioniert (vgl. Schniering, 2006, S.10, Biwo/Hammer, 2010, S.132, Feustel, 2007, S.14, Wittmann/Rauschenbach/Leu, 2011, S.17, Gerull, 2011, S.19).
1.2. Messung von Armut
1.2.1. Wie kann man Armut messen?
Um Armut international vergleichen, um etwas über die Ursachen von Armut herausfinden und Strategien zur Bekämpfung von Armut auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen zu kön- nen, wird diese gemessen. Weil jeder Armut unterschiedlich empfindet gilt es allgemein als schwierig und umstritten, Armut zu messen. Zudem sind manche Bedingungen von Armut wie Hunger, Krankheit oder Angst schwer messbar. Weil Armut als schwer messbar gilt, gibt es die international anerkannten Kriterien, welche bei der Definition helfen, was Armut ist und wer als arm gilt. Dies wurde bereits in den Begriffen absolute und relative Armut zu verdeutlicht. Daneben gibt es ebenfalls noch weitere unterschiedliche Messgrö- ßen in Wissenschaft und Politik. Das bekannteste Konzept zur Messung von Armut ist das der relativen Armut bzw. das der EU- Armutsrisikogrenze, welche anhand des Nettomedi- aneinkommens bestimmt wird (vgl. BMZ, 2007, S.2, Holz/ Richter-Kornweitz, 2010, S.33, Andresen/Galic, 2015, S.36).
Zur Messung von Armut wird in der Regel das Einkommen herangezogen. Dies gilt vor allem für die relative Armut. Wer in diesen Fällen einen festgelegten Schwellwert in Form eines Prozentsatzes unterschreitet, gilt dementsprechend als arm. Arm nach dieser Defini- tion ist in Deutschland, wer über weniger als 60% des mittleren bedarfsgewichteten Netto- einkommens = Medianeinkommens verfügt. Das Medianeinkommen ist ein Einkommen bei dem es gleich viele Personen mit höherem als auch niedrigem Einkommen gibt. Bild- lich vorstellen kann man sich dies so, dass alle Menschen und ihr Einkommen der Höhe nach in eine Reihe aufgestellt werden und dann jeweils von der hohen als auch von der niedrigen Seite eine Person weggestrichen wird. Das heißt am Ende markiert die letzte Person in der Mitte den Median. Aus dem Median leitet sich das Medianeinkommen ab. Die eine Hälfte der Menschen liegt dementsprechend darüber, die andere Hälfte darunter (vgl. Biwo/Hammer, 2010, S.132, Holz, 2005, S.90, Chassé/Zander/Rasch, 2005, S.17, Holz/ Richter-Kornweitz, 2010, S.33, Andresen/Galic, 2015, S.36).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Medianeinkommen
(vgl. http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/20160105160709/http://www.ons.gov.uk/ons/resources/median_tcm77-341147.png)
Als Basis für das Medianeinkommen selbst gilt das Haushaltsnettoeinkommen. Dieses
Einkommen wird mittels einer Äquivalenzskala auf ein „bedarfsgewichtiges Nettoäquiva- lenzeinkommen“ pro Person umgerechnet. Dabei wird das Haushaltsnettoeinkommen durch die Summe von den Bedarfsgewichten der im Haushalt lebenden Personen geteilt. Diese Bedarfsgewichtung wurde von der OECD festgelegt. Aus mehreren Nettoäquivalen- zeinkommen wird dann der Median bzw. das Medianeinkommen ermittelt (Fischer, 2014,S.1f, Krentz, 2011).
Neben der oben genannten Messung des Medianeinkommens kann in Deutschland auch hilfsweise auf eine weitere Bezugsgröße zurückgegriffen werden, nämlich dem Bezug von Sozialleistungen, kurz ALG II (Hartz 4), und Sozialhilfe. Bei dieser zuerst genannten Messung von Armut stellt sich die Frage, ob man eine einheitliche Armutsschwelle erheben kann und ob dies in jedem Fall so sinnvoll ist? Denn in Deutschland sind die Einkom- mensverhältnisse je nach Region, je nach Bundesland und von Ost nach West, sowie von Nord nach Süd unterschiedlich verteilt und somit schwer zu vergleichen. Somit stellt sich in diesem Kontext die Frage, ob es nicht besser wäre jede Region mit ihrer eigenen Armutsschwelle zu vermessen (vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V., 2016, S.12, Holz/Richter-Kornweitz, 2010, S.34)?
Trotz der genannten Schwierigkeiten muss Armut gemessen und Armutsgrenzen festgelegt werden, denn Armut wird erst durch Armutsgrenzen berechenbar. Für das Leben in Armut gilt dies nicht. Unabhängig von den verschiedenen Messverfahren beutet Armut für viele der Betroffenen, dass sie mit Einschränkungen in den Lebensbereichen, Einkommen, Arbeit und sozialräumliche Bedingungen wie Wohnung, Bildung und Gesundheit zurechtkommen müssen. Nicht zu vergessen ist, dass jede Messung von Armut zwangsläufig von Wertüberzeugungen beeinflusst wird. Dies gilt sowohl bei der relativen Armut, wo man von den Lebensstandards der Bezugsgesellschaft, als auch bei den Verwirklichungschan- cen, wo man von einer Mindestausstattung in zentralen Lebensbereichen, ebenso wenn man von den Lebenslagen der von Armut Betroffenen, welche verschiedene Lebensberei- che beeinflussen ausgeht und der Einkommensarmut, welche in Prozenten gemessen wird. Insoweit erfordert eine Auseinandersetzung mit Armut und der Form ihrer Messung, im- mer auch eine sozialethische Reflexion (vgl. Ansen, 2014, S.143f, Dietz, 2010, S. 21, Hans-Böckler- Stiftung, 2015, S.2).
1.2.2 Wann gilt man in Deutschland als arm?
Armut und auch Kinderarmut sind nicht nur in armen Ländern (den Schwellen- oder Ent- wicklungsländern) anzutreffen, sondern auch in wirtschaftlich hoch entwickelten Staaten oder Ländern. Hier sind Sie immer noch in einem nennenswerten Umfang anzutreffen und können mitunter sogar steigen. Armut im Wohlstand, besser gesagt Armut trotz Wohl- stand, ist durchaus möglich, wie auch die Definition des Begriffs der relativen Armut zeigt. Selbst ein als hochentwickelter Industriestandort geltendes Deutschland ist von den Prob- lemen Armut und Kinderarmut betroffen (vgl. Biwo/Hammer, 2010, S.131, Sanders/Weth, 2008, S.7)
Dem vierten Armuts- und Reichtumsbericht zufolge lag die Armutsrisikoquote seit 2007 zwischen rund 14 % und 16 %. Somit ist diese in den letzten Jahren relativ stabil. Jedoch kann man feststellen, dass einzelne Gruppen ein erhöhtes Armutsrisiko aufweisen. Als arm gilt man in Deutschland, wie in Kapitel 1.1.2 beschrieben, wenn man über weniger als 60% des Medianeinkommens verfügt. Wer über 60% des Medianeinkommens verfügt lebt an der Armutsschwelle/Armutsrisikogrenze. An der Armutsgrenze lebt, wer 50% des Media- neinkommens zur Verfügung hat. Die Höhe der Armutsrisikogrenze und Armutsgrenze ist nach Singlehaushalten und Familien in unterschiedliche Stufen unterteilt. In Zahlen ausge- drückt waren das im Jahr 2014 bei einem Single 917€ und einer Familie mit zwei Kindern 1.926 € (vgl. Fischer, 2014, S.2, Krentz, 2011, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V., 2016, S.10 u. S. 14 BMAS, 2013, S.9, Caritasverband e.V., 2013, S.6).
Die Einkommensarmut in Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen. Armut in der Bundesrepublik ist nicht mehr nur als Randphänomen anzutreffen, sondern ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dies gilt vor allem für die Kinder- armut. Dazu kommt, dass sich in Deutschland seit einigen Jahren zwei alarmierende Trends abzeichnen. Zu den Trends zählt zum Einem die Tatsache, dass die Langzeitarmut immer mehr steigt und sich somit das Phänomen der Armut immer mehr zu verfestigen scheint. Zum Anderen, dass es zu einer Konzentration von Armut in bestimmten Regionen kommt. Der Armutsaltlas des Paritätischen Verbandes liefert die Erkenntnis, dass Armut in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt ist und regional unterschiedlich auftritt. Ebenso ist zu erwähnen, dass das Thema Armut in Deutschland weiterhin als ein Tabu-Thema gilt, weil diese Lebenslage trotz aller Entwicklungen noch immer mit einer gesellschaftlichen Ausgrenzung und subjektiven Schuldzuweisungen behaftet ist. In Deutschland selbst ist die ungleiche Einkommensverteilung im Vergleich zu den weiteren OECD- Staaten am Stärksten gewachsen. Dies ergibt sich aus dem vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2013 (vgl. Ansen, 2014, S.144, Sanders/Weth, 2008, S.7, Zander, 2009, S.132, Zander, 2015, S.16, Pioch, 2011, S.20).
Nicht zu vergessen ist, dass in Deutschland ebenfalls zwei weitere Formen der Armut exis- tieren. Zum einem ist die verdeckte Armut zu nennen. Verdeckte Armut bezeichnet eine Armut, bei der die betroffenen Personen aus Scham oder aufgrund von Unwissenheit auf Sozialleistungen verzichten, die ihnen eigentlich zustehen. Personen, die unter die „ver- deckte Armut“ fallen, werden mit einer Dunkelziffer erfasst, da sich die genaue Anzahl nicht genau bestimmen lässt. Zum anderen gibt es die dauerhafte bzw. verfestigte Armut. Die Verfestigung von Armut meint eine Armutssituation unter der Armutsrisikogrenze die aktuell und in zwei von drei Vorjahren bei einer Familie oder bei einer Person vorhanden war. Entscheidende Faktoren für die Verfestigung von Armut sind z. B. ein Migrationshin- tergrund, der Status des alleinerziehenden Elternteils und der Bildungs- bzw. Berufsab- schluss (vgl. Chassé/Zander/Rasch, 2005, S.13, Caritasverband e.V. 2013, S.5).
1.3. Definition von Kinderarmut
Kinderarmut stellte bis Ende der 80er Jahre kein eigenständiges soziales Problem in der Armutsforschung dar. Anfang der 90er Jahre gab es einen Wendepunkt in der Armutsfor- schung. Bereits 1989 sprach Richard Hauser von der „Infantilisierung der Armut“ und seit im Jahr 2000, der erste Armuts- und Reichtumsbericht erschienen ist, wurde mit dem My- thos aufgeräumt, dass es in Deutschland keine Kinderarmut gäbe. Das empirische Wissen um die Lebenslagen der in Armut lebenden Kinder hat sich seit diesem Durchbruch konti- nuierlich erweitert (vgl. Feustel, 2007, S.6, Feustel, 2007, S.12, Geene, 2008, S.20).
Es liegt auch wie im Fall der allgemeinen Definition von Armut noch keine objektive und einheitliche Definition mit Kriterien, was Kinderarmut ist, vor. Kinderarmut basiert auf (familiärer) Einkommensarmut und eine einkommensschwache Familie ist immer der Ausgangspunkt. Allerdings kann man festhalten, dass sich Kinderarmut nicht nur an mate- riellen Aspekten festmachen lässt, sondern gerade bei Kindern immateriellen Entbehrun- gen eine entscheidende Rolle spielen und eine rein auf das familiäre Einkommen bezogene Kinderarmutsdefinition an der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen vorbei gehen wür- de und dementsprechend höchst unzureichend wäre. Daher muss für Kinder ein eigener kindgerechter Armutsbegriff genutzt werden zu dem folgenden Grundbedingungen gehö- ren. Die Definition des Begriffes muss vom Kind ausgehen. Das heißt die eigene Sicht- weise und subjektive Wahrnehmung des Kindes auf die eigene Lebenssituation muss be- rücksichtig werden. Es muss sich bei der kindbezogenen Definition von Armut die Frage gestellt werden, was unter Armutsbedingungen beim Kind ankommt. Da die Lebenssituati- on der Kinder in den meisten Bereichen direkt von der ihrer Eltern abhängig ist, müssen die Gesamtsituation des Haushaltes und der familiäre Zusammenhang betrachtet werden. Ohne arme Eltern gibt es auch keine armen Kinder. Auch im Falle von Kinderarmut gilt, dass deren Wirkung mehrdimensional ist und eine Kinderarmutsdefinition, das Kriterium der Mehrdimensionalität deswegen auch erfüllen sollte. Dabei ist zu beachten, dass Kin- derarmut jedoch nicht als Sammelbegriff für jegliche Benachteiligungen im Kindesalter genutzt werden darf. Nur wenn eine finanzielle Mangellage in der Familie vorliegt, sollte von Armut und „armen Kinder“ gesprochen werden. Wenn keine familiäre Armut vorliegt, sind die Kinder zwar als benachteiligt oder arm dran zu bezeichnen doch nicht als arm im Sinne der Kinderarmut (vgl. Feustel, 2007, S.17, AWO, 2013, S.9 Holz, 2005, S. 97 u. S.100, Holz, 2008, S.72f, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), 2006, S. 17, Richter-Kornweitz, 2013, S, 177, Der Paritätische Gesamtverband, 2012, S.4).
Als unbestritten gilt, dass Kinderarmut massiv ein Aufwachsen der von Armut betroffenen
Kinder in Wohlergehen beschränkt und den Kindern keine optimale Entwicklung ihrer Potenziale und Ressourcen ermöglicht. Sie erhalten keine wirklichen Zukunfts- Teilhabeund Zugangschancen in Hinblick auf die Gesellschaft. Ihre Zukunftsperspektiven sind demzufolge eingeschränkt. Die in der kindgerechten Armutsdefinition mit einbezogenen Dimensionen sollten deswegen eine Aussage über die Entwicklungs- und Teilhabechancen der betroffenen Kinder treffen können. Die aus dem eingeschränkten Teilhabe- und Zukunftschancen bzw. Zukunftsperspektiven resultierenden Langzeitfolgen sowohl für das Individuum als auch die Gesellschaft sollen in dieser Ausarbeitung näher betrachtet werden (vgl. Holz/Zander(Hrsg.), 2005, S.97, Holz, 2008, S.70/S.74).
Da sich Kinderarmut durch Auffälligkeiten bzw. Beschränkungen in den Lebenslagedi- mensionen zeigt und zu Entwicklungs- und Versorgungsdefiziten sowie zu sozialer Aus- grenzung führt, wird in der Armutsforschung das Lebenslagenkonzept verwendet. Dassel- be gilt für das Konzept der Verwirklichungschancen und das Ressourcenkonzept, welche sich beide ebenfalls in der Armutsforschung bewährt haben. Das Lebenslagenkonzept sieht die Armutsdimensionen aus der Perspektive der von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen, dies ist auch gleichzeitig der zentrale Gedanke im Lebenslagenkonzept. Im Lebenslagenkonzept spricht man von „Unterversorgung“, welchder dem Begriff der Ar- mut entspricht. Obwohl es auch kritische Stimmen gibt, bietet das Lebenslagenkonzept wie kein anderer Armutsansatz die geforderte Sicht aus der Perspektive der Kinder. Durch die- se kinderspezifische Sicht können armutsbedingte Einschränkungen, Bewältigungsstrate- gien und Ressourcen wahrgenommen und dafür Lösungsansätze gewonnen werden. Die in dieser Ausarbeitung genannte und im späteren Verlauf mehrfach erwähnte AWO/ISS Stu- die untersuchte die Kinder anhand einer Kombination des Lebenslagen- und des Ressour- cenansatzes. Die Lebenslagedimensionen werden im Punkt 2.1 bei den Auswirkungen der Kinderarmut näher beleuchtet und umfassen die Lebenslagen familiären Armut und die Lebenslagendimensionen materielle Grundversorgung sowie soziale, gesundheitliche und kulturelle Lage. Ebenfalls sind die Zukunftschancen des Kindes/ der Kinder eingeschränkt (vgl. Biwo/Hammer, 2010, S.133, Feustel, 2007, S.16f, Holz, 2005, S. 97 u. S.100. Holz, 2008, S.73, Holz/Hock, 2006, S.78, Richter-Kornweitz, 2013, S.177).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das kindbezogene Armutskonzept
http://www.armutsnetzwerk.de/data/K%C3%B6ln-NAK-02-05-13-AWOStudieKinderarmut.pdf
1.3.1. Was ist ein Kind? - Definition des Begriffs „Kind“ in Bezug auf diese Ausarbeitung
Wenn in dieser Ausarbeitung von „Kindern“ die Rede ist, wird in der Regel auf Jungen und Mädchen im Alter bis 15 Jahre Bezug genommen. Da sich diese Arbeit auch an der weltweit geltenden Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen orientiert, wird auch hin und wieder der Begriff des Jugendlichen verwendet. Bei den Kinderrechtskonventio- nen ist jede/r Heranwachsende ein Kind, welche/ welcher noch nicht 18 Jahre alt ist. In Deutschland gelten Kinder nach dem KJHG bis 14 Jahre als Kind. Der Begriff des Kindes kann man auch noch weiter ausdifferenziert werden, in das frühe Kindesalter von 0 - 3 Jahren, das Grundschulalter (mittlere Kindheit) von 6 - 10 Jahre, die ältere Kindheit von 11 - 13 Jahre und die Jugend von 14 - 17 Jahre (vgl. Butterwegge, 2010, S.20f, Wittmann/Rauschenbach/Leu (Hrsg.), 2011, S.10)
Außer der Unterscheidung durch das Alter lassen sich Kinder auch nach ihren sozialen Lagen unterscheiden, auf die im Laufe dieser Arbeit eingegangen werden soll (vgl. Wittmann/Rauschenbach/Leu (Hrsg.), 2011, S.17).
1.3.2 Kinderarmut in Deutschland (Zahlen und Fakten)
Kinderarmut in Deutschland ist von vielen Dimensionen und Erscheinungsformen gekenn- zeichnet und mittlerweile schon seit Jahren als Problem bekannt. Am unteren Ende der Wohlstandsskala in Deutschland sind überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche zu finden. Kinder (hier bis 17 Jahre) und junge Erwachsene haben demnach ein höheres Armutsrisiko als andere Personen. Kinderarmut insgesamt verharrt in Deutschland auf ei- nem hohen Niveau und hat sich seit 2009 kaum verändert. Trotz positiver Prognosen hin- sichtlich der Zukunft der Bürger Deutschlands und der Senkung der Kinderarmut im Ver- gleich zu den Höchstständen, sind noch nie so viele Kinder in Deutschland in Armut hin- eingeboren wie in den letzten Jahren. Kinder wachsen in diesem Land unter Armutsbedin- gungen auf und Armut und deren Bewältigung stellt für viele davon ihnen einen wesentli- chen Bestandteil ihrer Kindheit dar. Bundesweit leben insgesamt 2,6 Millionen Kinder (unter 15 Jahren alt) in einem Haushalt, der armutsgefährdet oder auf Sozialleistungen des SGB II angewiesen ist. Sozialleistungen nach dem SGB II sind besser bekannt unter dem abkürzenden Titel Hartz 4. Nach der aktuellen Datenlage aus dem Jahr 2015, ergibt sich das 1,54 Millionen Kinder in diesem Zeitraum, Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4) bezogen haben. Die Anzahl der Kinder ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 30.000 ge- stiegen. 2,6 Millionen Kinder entsprechen einer Quote von 24,2 % aller Kinder in Deutschland , bis zu einem Alter von 15 Jahren, die von Kinderarmut betroffen sind. Als in „nur“ armutsgefährdeten Haushalten lebend gelten 1,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren (10,8 %). Das bedeutet, dass jedes/jeder vierte bis fünfte Kind/ Minderjährige in Deutsch- land in einer Familie lebt die von Armut betroffen ist. Jedes siebte Kind ist aktuell von Hartz 4 Leistungen abhängig. In Bremen bzw. Berlin, wo die Lage besonders auffällig ist, sogar jedes dritte Kind. Im Jahr 2014 lag die Kinderarmutsquote bei 19 % und liegt damit weiterhin deutlich über dem Durchschnitt. Die Kinderarmutsquote wird mit einem quanti- tativen Verfahren gemessen, bei dem man die Kinder Haushalten zu ordnet die arm oder nicht arm sind (vgl. Sarimski. 2013, S. 14, El-Sharif/ Spiegel online, Hans - Böckler - Stiftung / Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI), 2016, S.1 u. S. 9, Tophoven/Wenzig/Lietzmann, 2015, S.4ff Andresen/Galic, 2015, S.5, Wittmann/Rauschenbach/Leu (Hrsg.), 2011, S.96, Genee, 2008, S.20, Caritasverband e.V.,2013, S.11, Butterwegge/Holm/Zander/ u.a., 2004, S.173, Ntv.de, 2016).
Daneben bedarf Kinderarmut selbst, aus zweierlei Gründen einer besonderen Aufmerksamkeit. Zum einem deswegen, weil die Kindheitsphase die bedeutendste Entwicklungs- phase eines Menschen darstellt. Zum anderen deswegen, weil Kinder für ihre Armut als nicht verantwortlich gelten, keine Chance haben sich gegen die Armut und ihre Folgen zu wehren und es für Kinder sehr schwierig ist sich in dieser Kindheitsphase und manchmal auch noch im Jugend- und Erwachsenenalter aus dem Teufelskreis der Armut, in dem sie sich befinden, selbstständig zu befreien. Ebenso weil Kinderarmut gesellschaftlich lang- fristig als besonders folgenreich gilt. Dazu passt auch die von dem Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, vertretende Meinung, dass in Armut lebende Kinder „unverschul- det“ in diese Lebenssituation geraten sind. Wenn Kinder an ihrem Stand in der Gesell- schaft gemessen werden. ist für viele von ihnen ein Scheitern in ihrem späteren Leben schon oftmals vorprogrammiert und die Wahrscheinlichkeit einer generationellen Weiter- gabe der Armut ist letztendlich erhöht (vgl. Niemeier, 2004, S.10f, Häußermann, 2011, S.159, Beisenherz, 2008, S.40, Butterwegge/Holm/Zander/u.a., 2004, S.180, Feustel, 2007, S.6, Wittmann/ Rauschenbach/ Leu, 2011, S. 17).
In den einzelnen Bundesländern Deutschlands, ist die Kinderarmut, wie die Armut selbst, regional unterschiedlich verteilt. Aufgrund dessen gibt es auch verschiedene Kinderar- mutsquoten für die einzelnen Bundesländer. Demzufolge ist die Armutslage in einzelnen Regionen besser oder schlechter. Am höchsten war die Kinderarmutsquote der Graphik im Anhang zur folge in Bremen, mit 33%, gefolgt von Sachsen -Anhalt und Leipzig zu 28,7 % und 27,0 %. Die niedrigste Kinderarmut wurde in Oberbayern mit 9,1 %, gefolgt von Oberpfalz und Tübingen mit jeweils 9,6 % und 10,6 % gemessen. Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass die Kinderarmut in Ostdeutschland (Neue Bundesländer) weiter verbreitet ist als in Westdeutschland. Diese deutlichen Unterschiede zwischen Ost und West lassen sich auch im Jahr 2015, bei den Kindern die Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4) bezie- hen, noch feststellen. Die Kinderarmutsquote ist mit 13% im Westen deutlich geringer als jene mit über 20% im Osten. Dementsprechend lässt sich bezüglich Kinderarmut von ei- nem deutlichen Ost-West -Gefälle sprechen. Jedoch ist dies kein spezifisch Ostdeutsches Phänomen, was anhand der Graphik im Anhang auch nochmal verdeutlicht wird. Im be- sonderen Ausmaß ist Kinderarmut auch überdurchschnittlich oft in westdeutschen Groß- städten anzutreffen. Zur Verdeutlichung der Zahlen, wurde dem Anhang die hierzu heran- gezogene Grafik, hinzugefügt (vgl. Hans - Böckler -Stiftung / Wirtschafts- und Sozialwis- senschaftliches Institut (WSI), 2016, S.1, Feustel, 2007, S.18, Holz, 2008, S.74, Geene/Gold, 2009, S.16f, Wittmann/Rauschenbach/Leu (Hrsg.), 2011, S.100f, Bmfsfj, 2008, S.13, Sarimski. 2013, S. 14, Ntv.de, 2016)..
1.3.3. Allgemeine Ursachen für Kinderarmut in Deutschland
Die für Deutschland geltenden Hauptursachen und Risiken für Kinderarmut sind schnell benannt und auf wenige Faktoren einzugrenzen. Früher nahm man Kinder als Risikofaktor für eine Armutslage wahr, doch Studien belegen, dass Kinder kein Problem oder Armutsri- siko an sich darstellen, sondern dass dies eher auf die Verhältnisse, in die sie hineingebo- ren werden zutrifft. Als Hauptrisiken für Armut gelten die (Langzeit-) Arbeitslosigkeit, eine Erwerbstätigkeit im Niedriglohnsektor, welche in den letzten Jahren stark zugenom- men hat, ein Migrationshintergrund, keine abgeschlossene Berufsausbildung und der Status der/der Alleinerziehenden. Das Fehlen einer Erwerbstätigkeit oder das Vorhandensein von (Langzeit-) Arbeitslosigkeit erhöht signifikant das Risiko arm zu werden, zu sein oder zu bleiben. Gerade weil Langzeitarbeitslose in Deutschland nur geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sind sie über einen längeren Zeitraum auf Sozialleistungen angewie- sen. Dies gilt dann ebenfalls für ihre Familien. Des Weiteren führt ein Mangel an (finan- zierbaren) Kinderbetreuungsangeboten dazu in eine Armutslage zu geraten. Den Eltern oder einem Elternteil fehlen/fehlt aufgrund der nicht vorhandenen Kinderbetreuung die/ eine Verdienstmöglichkeit/en. Diesem Mangel stehen im Gegenzug (neue) höhere Kosten gegenüber. Als weitere und mitunter zentrale Ursache für Kinderarmut gelten Trennung und Scheidung der Eltern. Auf die genannten Risiken hat der Gesundheitsstatus eines Menschen einen maßgeblichen Einfluss. Denn dieser kann verschiedene Armutsrisiken bedingen und ein „entkommen“ aus der Situation entscheidend beeinflussen. Wenn zudem verschiedene dieser Faktoren in den Lebenslagen der Kinder und ihren Familien kommu- lieren, können sich diese ebenfalls gegenseitig verstärken und die Schwierigkeit erhöhen diese Situation zu überwinden (vgl. Sarimski, 2013, S. 15, Hans - Böckler -Stiftung / Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI), 2016, S.1. Feustel, 2007, S.20, Ansen, 2014, S.144, Holz, 2005, S.91f, BMAS, 2013, S.26, BMAS, 2013, S.29, Holz/Richter-Kornweitz, 2010, S.34, Zander, 2015, S.13, Caritasverband e.V., 2013, S.15, Pioch, 2011, S.21).
1.3.4 Besondere Risikogruppen von Kinderarmut
Eine besondere Risikogruppe eine Gruppe von Menschen, die in einem besonderen Maße, hier von Armut und Verarmung, betroffen sind. Die in Deutschland lebenden Bevölke- rungsgruppen sind unterschiedlich von Armut bzw. Armutsrisiken betroffen. Die Armut und die Armutsrisiken sind somit in Deutschland unterschiedlich verteilt. Signifikant er- höht ist das Risiko der Kinderarmut bei Kindern von alleinerziehenden Elternteilen (Mut- ter/Vater). Somit gelten Kinder alleinerziehender Elternteile (Mutter/Vater) als eine der größten Risikogruppen für Armut im Kindesalter. Im Jahr 2013 lebten 14 % aller Kinder in Deutschland in einem Ein-Eltern-Haushalt. Bei einem Haushalt, der von Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4) betroffen ist, waren es bereits 47 %. Alleinerziehende verbleiben zudem auch besonders lange im Sozialleistungsbezug (ALG II), da Kinderbetreuung und Arbeit sich nach wie vor äußerst schwierig vereinbaren lassen. Die Untersuchung von Fer- tig und Tamm ergab des Weiteren, dass Kinder von alleinerziehenden Elternteilen beson- ders häufig von dauerhafter Armut betroffen sind. Sie verweilen dementsprechend länger in der Armut, werden wesentlich häufiger in die Lebenslage Armut hineingeboren und werden wieder schneller in die Armutssituation zurückkehren, wenn ihnen einmal der Aus- stieg gelungen ist. Aber auch kinderreiche Familien haben ein erhöhtes Risiko von Kinder- armut betroffen zu sein. Als kinderreich gilt eine Familie bei mehr als drei Kindern. Dies belegte auch eine Studie der Caritas. Wichtig hierbei zu erwähnen ist, dass entweder „arme Familien“ mehr als drei Kinder haben oder Familien, in denen kein Armutsrisiko vorhan- den ist. Das Vorurteil, dass gerade arme Familien besonders viele Kinder bekommen, kann somit weder gänzlich bestätigt, aber auch nicht gänzlich widerlegt werden. Ein weiteres stark erhöhtes bis hohes Risiko haben Kinder aus Familien mit einem Migrationshinter- grund. Hier ist das Risiko etwa doppelt so hoch wie bei Kindern deutscher Eltern. Dies gilt auch für Geflüchtete Menschen. Sowohl beim Migrationshintergrund als auch bei den ge- flüchteten Menschen muss allerdings berücksichtig werden, aus welchen Ländern die Kin- der bzw. Familien mit Migrationshintergrund oder die Geflüchteten Kinder bzw. Familien kommen. Bildungsferne Eltern bzw. Haushalte erhöhen das Armutsrisiko von Kindern ebenfalls signifikant.
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- Quote paper
- Elisabeth Fischer (Author), 2016, Kinderarmut in Deutschland. Eine Herausforderung für die Soziale Arbeit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345521
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