Die Master Thesis befasst sich mit tugendethischen Aspekten in der Personalführung. Sie basiert auf der These, dass gute Führung einerseits den richtigen Einsatz der Führungsinstrumente braucht. Andererseits trägt die Person der Führenden, ihre Haltung und ihre Persönlichkeit ebenso zum Erfolg bei. Nicht nur was Führende tun, sondern auch wie sie es tun, entscheidet darüber, ob sich die Mitarbeitenden wohl fühlen und ob sie ihre beste Leistung erbringen.
Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die Auseinandersetzung mit der Tugendethik als Teil der normativen Ethik. Sie beleuchtet verschiedene Tugenden und beschreibt, wie sie im Führungsalltag wirken könnten. Welche Bedeutung haben Charaktereigenschaften der Führungspersonen unter dem Blickwinkel der Tugenden? Wie fliessen sie in den konkreten Führungsalltag ein und wie können sie entwickelt werden? Die Grundgedanken aus der Tugendethik werden mit dem systemischen Ansatz von Führung und der talentbasierten in Verbindung Führung gebracht.
Die Erkenntnisse aus der Literatur werden mit eigenen Erfahrungen ergänzt. Die Ergebnisse aus Gesprächen mit sieben Führungspersonen untermauern den theoretischen Teil. Sie zeigen die grössten Herausforderungen in der Personalführung auf und beschreiben, welche Charaktereigenschaften aus Sicht der Praxis für die Führung hilfreich sind. Die Arbeit schliesst mit Empfehlungen, wie die tugendethische Entwicklung gefördert werden kann. Sie sollen Führungspersonen und Institutionen in der Reflexion über führungsrelevante Tugenden und deren Entwicklung unterstützen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Einführung
1.2. Relevanz für die Praxis
1.3. Abgrenzung
1.4. methodisches Vorgehen
2. Grundbegriffe der Ethik
2.1. Begriffsklärung
2.2. Haupttypen der Ethik
2.3. Grundelemente der Tugendethik
2.4. Positive Psychologie - eine moderne Tugendlehre?
2.5. Zusammenfassung
3. Personalführung aus systemischer Sicht, talentbasierte Führung und Schlüsselkompetenzen
3.1. Systemische Führung
3.2. Talentbasierte Führung
3.3. Schlüsselkompetenzen in der Arbeitswelt und in der Führung
3.4 Zusammenfassung
4. Über die Relevanz von Tugenden in der Führung
4.1. Gespräche mit Führungspersonen
4.2. Auswertung der Gespräche, Zusammenfassung
4.3. Reflexion der Gespräche, zusammenfassende Gedanken
4.4 Zusammenfassung
5. Die Bedeutung von Tugenden in der Personalführung
5.1. Tugenden und ihre Bedeutung für die Führung
5.2. Nachdenken über die Klugheit
5.3. Nachdenken über Mut / Tapferkeit
5.4. Nachdenken über Mässigung / Besonnenheit
5.5. Nachdenken über Gerechtigkeit
5.6. Nachdenken über Liebe und Wertschätzung
5.7. Nachdenken über Transzendenz
5.8. Nachdenken über Demut
5.9. Nachdenken über Humor
5.10. Nachdenken über Ehrlichkeit und Offenheit
5.11. Nachdenken über Wahrhaftigkeit
5.12. Die Vernetzung der Tugenden
5.13. Zusammenfassung
6. Wie kann man Charakterstärken/Tugenden entwickeln?
6.1. Tugenden entwickeln
6.2. Die Selbstreflexion
6.3. Das Anerkennen dessen, was ist
6.4. Ins Handeln kommen
6.5. Vom Umgang mit Krisen und Scheitern66 6.6 Zusammenfassung
7. Anregungen für die Praxis
7.1. Das Gute in sich erkennen und entwickeln
7.2. Führungspersonen vorbildlich unterstützen
7.3. Strukturen und Kulturen schaffen, in denen Tugenden entwickelt werden können
7.4. Zusammenfassung
8. Kritische Würdigung
8.1. Reflexion der Methodik
8.2. Reflexion des Prozesses
8.3. Reflexion des Ergebnisses
8.4. Persönliche Reflexion
9. Abschluss und Dank
10. Literaturverzeichnis und Internetquellen
11. Anhang
Abstract
Die vorliegende Master Thesis befasst sich mit tugendethischen Aspekten in der Personalführung. Sie basiert auf der These, dass gute Führung einerseits den richtigen Einsatz der Führungsinstrumente braucht. Andererseits trägt die Person der Führenden, ihre Haltung und ihre Persönlichkeit ebenso zum Erfolg bei. Nicht nur was Führende tun, sondern auch wie sie es tun, entscheidet darüber, ob sich die Mitarbeitenden wohl fühlen und ob sie ihre beste Leistung erbringen.
Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die Auseinandersetzung mit der Tugendethik als Teil der normativen Ethik. Sie beleuchtet verschiedene Tugenden und beschreibt, wie sie im Führungsalltag wirken könnten. Welche Bedeutung haben Charaktereigenschaften der Führungspersonen unter dem Blickwinkel der Tugenden? Wie fliessen sie in den konkreten Führungsalltag ein und wie können sie entwickelt werden? Die Grundgedanken aus der Tugendethik werden mit dem systemischen Ansatz von Führung und der talentbasierten in Verbindung Führung gebracht.
Die Erkenntnisse aus der Literatur werden mit eigenen Erfahrungen ergänzt. Die Ergebnisse aus Gesprächen mit sieben Führungspersonen untermauern den theoretischen Teil. Sie zeigen die grössten Herausforderungen in der Personalführung auf und beschreiben, welche Charaktereigenschaften aus Sicht der Praxis für die Führung hilfreich sind. Die Arbeit schliesst mit Empfehlungen, wie die tugendethische Entwicklung gefördert werden kann. Sie sollen Führungspersonen und Institutionen in der Reflexion überführungsrelevante Tugenden und deren Entwicklung unterstützen.
1. Einleitung
1.1. Einführung
Personalführung gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Institution, denn Mitarbeitende zählen zu den wichtigsten Ressourcen, die ein Betrieb hat. Dem mittleren Kader kommt hierbei aus Sicht der Autorin eine bedeutende Rolle zu, denn sie führen Menschen in der direkten Linie und in der täglichen Arbeit. Ihre Art zu führen wirkt sich unmittelbar auf die Mitarbeitenden aus. Führen bedeutet täglich Entscheidungen zu treffen, zu lenken und Mitarbeitende auf ein gemeinsames Ziel hinzuführen. Nebst dem richtigen Anwenden von Führungsinstrumenten wird der Haltung der Führenden eine zunehmend wichtige Rolle beigemessen. Es lohnt sich also, nicht nur über Prozesse und geeignete Massnahmen zur Zielerreichung nachzudenken, sondern auch über den Einfluss der eigenen Person auf das Geschehen.
Es verwundert denn auch nicht, dass die aktuelle Literatur in verschiedenen Werken die Bedeutung tugendethischer Aspekte in der Führung beschreibt. Dabei werden unter anderem Tugenden wie Verantwortung, Ehrlichkeit, Treue und Verlässlichkeit als wesentlich für eine gelingende Führung genannt. Wie aber können Führende solche Tugenden entwickeln?
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Tugenden im Führungsalltag zum Tragen kommen. Die Auseinandersetzung mit den Kardinaltugenden, den in der Positiven Psychologie beschriebenen und den in Leitbildern und in der Führungsliteratur oft genannten weiteren Tugenden bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit. Weiter beschreibt die Arbeit, wie Führungsleute in der Entwicklung ihrer eigenen Charakterstärken unterstützt werden können.
1.2. Relevanz für die Praxis
Die Arbeit befasst sich der Bedeutung von Tugenden in der Personalführung. Der Schwerpunkt liegt somit auf der Tugendethik als Teil der normativen Ethik. Die Arbeit befasst sich insbesondere mit der Bedeutung der Tugenden, der Charaktereigenschaften der Führungspersonen. Sie beleuchtet verschiedene Tugenden und beschreibt, wie sie im Führungsalltag wirken könnten.
In der Arbeit werden folgende Fragen bearbeitet:
- Welche Bedeutung haben Tugenden in der Personalführung?
- Welche Verbindung besteht zwischen tugendorientierter Führung und talentbasierter Führung und worin unterscheiden sie sich?
- Welche Charaktertugenden sind im konkreten Führungsalltag hilfreich und wie können sie geübt werden?
Die Arbeit soll Führungsleute dazu ermuntern, über die Wirkung ihres eigenen PersonSeins im Führungsalltag und über die Entwicklung ihrer eigenen Stärken nachzudenken.
1.3. Abgrenzung
Die Arbeit befasst sich mit dem Verhalten und der inneren Haltung von Kaderpersonen in konkreten Personalführungssituationen. Weitere Managementelemente wie ökonomische, strukturelle, organisatorische Aspekte werden nicht explizit beleuchtet. Diese sind für eine nachhaltige und erfolgreiche Führung eines Betriebes ebenfalls wichtig. Deren Beleuchtung würde jedoch den Rahmen dieser Master Thesis sprengen.
1.4. methodisches Vorgehen
Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut
- Im ersten Teil werden wesentliche Elemente der Ethik und im Besonderen der Tugendethik zusammengefasst. Weiter werden, auf der Basis von Literatur, die systemische Sicht von Führung sowie Elemente der talentbasierten Führung zusammengefasst.
- Gespräche mit Führungspersonen sollen die Sicht der Praxis einbeziehen. Welches die grössten Herausforderungen in der Personalführung sind und welche Charaktereigenschaften im Sinne von Tugenden für die Führung hilfreich sein können, das sind hier die zentralen Fragen.
- Einzelne Tugenden werden beschrieben und in Beziehung zur Führung gesetzt. Die Erläuterungen werden mit eigenen Erfahrungen und Aussagen von Führungspersonen untermauert.
- Im Sinne einer Schlussfolgerung aus der Arbeit werden Vorschläge gemacht, wie Führungspersonen tugendhafte Charakterstärken entwickeln und wie sie von den Institutionen darin unterstützt werden könnten.
2. Grundbegriffe der Ethik
2.1. Begriffsklärung
Als erstes werden einige Begriffe aus der Ethik definiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Tugendethik.
2.1.1. Ethik
Ethik ist ein Teilgebiet der Philosophie und wird als die philosophische Lehre vom moralisch richtigen Leben und Handeln bezeichnet. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und ist vom Wort Ethos abgeleitet. Ethik befasst sich mit der Frage nach dem guten Leben. Wie soll ich leben, wie soll ich handeln? Diese Fragen sucht der Mensch mit der Ethik zu beantworten (vgl. Höffe, 2002: 58).
Ethik wird von Moral insofern unterschieden, als Moral die Komplexität der geltenden Normen und Maximen einer Gesellschaft beschreibt, während es in der Ethik um das systematische, argumentative Nachdenken über Moral geht. Dabei hat sich die Unterscheidung in normative, deskriptive und Meta-Ethik eingebürgert (vgl. Quante, 2003: 16).
Die deskriptive Ethik beschreibt Sitten und moralische Normen. So beschreibt sie beispielsweise, welche Normen und Werte in einer Institutionen gelten. Deskriptive Ethik macht keine Aussagen dazu, wie etwas sein sollte. Ziel der normativen Ethik liegt in der kritischen Prüfung der herrschenden Moral. Nun gibt es verschiedene Ansätze, moralisches Handeln zu hinterfragen, also unterschiedliche Herangehensweisen und Argumentationsformen. Zu den grossen Theorien in der Ethik gehören die Tugendethik, die deontologische Ethik und die teleologische Ethik.
Die Meta-Ethik schliesslich befasst sich mit der kritischen Analyse der sprachlichen Elemente von normativen Aussagen. Die Meta-Ethik macht selber weder normative Aussagen noch beschreibt sie geltende Normen. Nachdenken über ethische Begriffe gehört zur Meta-Ethik. Wird beispielsweise über die Bedeutung der Begriffe „gut“ oder „gerecht“ nachgedacht, gehört dies zur Meta-Ethik (vgl. Quante, 2003:18).
Nebst dieser Einteilung finden sich in der Literatur weitere, auch unterschiedliche Einteilungen. Begriffe werden in der Literatur zum Teil unterschiedlich definiert und unterschiedlich genutzt. Quante sagt dazu: „Man bringt, so lautet ein bekanntes und durchaus zutreffendes Bonmot, zwei Philosophen eher dazu, gemeinsam eine Zahnbürste zu benutzen, als dazu, gleiche Begrifflichkeiten zu verwenden“ (Quante 2003: 16).
2.1.2. Zum Begriff des Guten
In der Ethik geht es also um das gute Handeln. Die Tugendethik, befasst sich wie später noch zu sehen ist, darüber hinaus mit der guten Haltung, die hinter der Handlung steht. Es lohnt sich daher, sich über den Begriff des Guten ein paar Gedanken zu machen.
Der Begriff „gut“ wird im Alltag oft und in unterschiedlichsten Kontexten verwendet: Das Essen ist gut, ein guter Arzt, eine Sekretärin hat ihre Arbeit gut gemacht. Auf die häufigste Alltagsfrage „Wie geht es dir?“ wird oft mit „Es geht mir gut“ geantwortet.
Mit gut oder schlecht bezeichnet man dabei in der Regel eine bestimmte Qualität einer Sache (vgl. Pieper 2000: 172).
Auch Handlungen werden als gut oder schlecht beurteilt. Eine „gute Tat“ hat, im Gegensatz zu einer „guten Eiscreme“, jedoch eine moralische Bewertung.
Gut und schlecht kann somit immer in einer moralischen Bewertung oder in aussermoralischer Bedeutung genutzt werden (vgl. Pieper 2000: 171).
In der griechischen Philosophie wird das Gute als der Sinn allen Seins betrachtetet (vgl. ebd: 172).
Das Streben nach dem Guten ist also elementar im Leben des Menschen.
Aristoteles bezeichnet das Gute als „das Ziel, zu dem alles strebt“ (Nikomachische Ethik: 1094a 1-21). Das Gute ist somit das Endziel, darüber hinaus gibt es keine weiteren Ziele. Das Gute kann mit einem tugendhaften Leben erreicht werden.
Für die Bewertung von bestimmten Charaktereigenschaften kann daher gesagt werden, dass sie dann als gut gelten, wenn sie zum Gedeihen des Menschen und seiner Umgebung beitragen. Tugenden sind deshalb gut, weil sie zum Guten führen.
2.2. Haupttypen der Ethik
Innerhalb der normativen Ethik kann man drei Grundrichtungen oder wissenschaftliche Theorien unterscheiden. Im Folgenden werden zunächst die Grundzüge der deontologischen und der utilitaristischen Ethik beschrieben, sodann die Tugendethik und ihre Bedeutung in der Führung, die den Schwerpunkt dieser Arbeit bilde und deshalb eingehender beleuchtet wird.
2.2.1. Deontologische Ethik
In der deontologischen Ethik gilt eine Handlung dann als richtig, wenn sie Maximen folgt, die in sich gut sind (vgl. Höffe 2002: 7). Deontologische Ethik geht von allgemeinen Prinzipien oder Normen aus.
Die Folgen, die durch eine Handlung hervorgerufen werden, dürfen in der ethischen Bewertung keine Rolle spielen (vgl. Quante 2003: 131). So ist zum Beispiel das Gebot, nicht zu lügen, auch dann einzuhalten, wenn sich aus der Ehrlichkeit negative Folgen ergeben könnten. Kant gilt als einer der wichtigsten Vertreter der deontologischen Ethik. Der von ihm formulierte kategorische Imperativ „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werden“ (Höffe 2002: 134) hilft dem Menschen, seine eigenen Maximen daraufhin zu prüfen, ob sie für allgemeingültig erklärt werden könnten.
2.2.2. Utilitaristische Ethik
Die moralische Beurteilung beruht im Utilitarismus auf den wahrscheinlichen Handlungsfolgen (vgl. Düwell 2002: 95). Eine Handlung wird danach bewertet, ob sie im Vergleich mit anderen Handlungsalternativen den grösstmöglichen Nutzen bringt. Dabei ist zu beachten, dass nicht der Nutzen und das Glück des Handelnden als Massstab gelten, sondern das grösste Glück insgesamt. „Ausschlaggebend ist nicht das Glück bestimmter Individuen oder Gruppen, sondern das aller von der Handlung Betroffenen“ (Höffe 2002: 272). Der Utilitarismus verpflichtet sich somit dem Wohlergehen aller (vgl. ebd.).
Im Utilitarismus wird also eine Handlung mit Blick auf ihre Konsequenzen beurteilt. Das zu erwartende Ergebnis ist der Massstab, nach dem Handlungen oder Unterlassungen beurteilt werden. Wichtig ist dabei, dass nicht die tatsächlichen Folgen, sondern die zuvor absehbaren Folgen über die moralische Beurteilung entscheiden (vgl. Düwell 2002: 95). Mit welcher Wahrscheinlichkeit tritt welche Folge einer Handlung oder einer Unterlassung ein? Dies ist eine wichtige Frage in der Entscheidungsfindung. Das Abwägen der möglichen Konsequenzen und die Fragen nach der Wahrscheinlichkeit des Eintretens dienen der Entscheidungsfindung.
Im Unterschied zur deontologischen Ethik sind Handlungen also nicht als Handlung an sich zu bewerten, sondern von ihren Folgen her zu beurteilen. Wenn zum Beispiel durch eine Lüge mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit Menschenleben gerettet werden können, wird im Utilitarismus die Handlung des Lügens nicht an sich verurteilt.
Nach utilitaristischen Gesichtspunkten muss bei jedem Tun die Handlungsmaxime sein, dass die möglichen Folgen möglichst gut, nutzenbringend und Glück mehrend für möglichst alle von der Situation Betroffenen sind.
2.2.3. Tugendethik
Tugendethik ist die Lehre einer Ethik vom guten Leben, das auf entwickelten Charakterstärken beruht. Das Ziel ethischen Nachdenkens und Fragens besteht nach der Tugendethik darin, einen guten, das heisst tugendhaften Charakter zu erwerben (vgl. Quante 2003: 138). Dieser gute Charakter ist gleichzeitig das Resultat eines guten Lebens und die Bedingung für ein gutes Leben. Ein gutes und damit glückliches Leben stellt sich ein, wenn ein Mensch sein Leben gemäss seinen spezifischen Anlagen und Fähigkeiten führt. Die Frage, wie gehandelt werden soll, ist gleichsam der Frage danach, welche Handlung Ausdruck eines guten Charakters ist und welche Handlung einen guten Charakter fördert (vgl. Quante 2003: 139).
Die Tugendethik geht davon aus, dass der Mensch durch das Einüben von bestimmten Haltungen zu einem guten Charakter kommt. Der Mensch kann sich also durch Übung zu einem sittlich handelnden Menschen machen. Es geht demnach nicht um die Unterdrückung spontaner Neigungen. Der tugendhafte Mensch handelt frei und tut das Gute, weil er es tun will, nicht weil eine Pflicht oder ein Gesetz ihn dazu mahnt (vgl. Rippe/Schaber 1998: 8 ff.). Tugendhaftes Handeln erfordert also eine eigenständige Persönlichkeit.
Die Tugendethik war zu Beginn der abendländischen Philosophie dominierend. Mit dem Aufkommen anderer Denkrichtungen in der Neuzeit wurde sie in den Hintergrund gedrängt. In den letzten zwanzig Jahren gewinnt sie jedoch wieder an Bedeutung (vgl. Quante 2003: 138). Während sich die Pflichtethik vorwiegend an der Einhaltung von Geboten orientiert und der Utilitarismus sein Augenmerk auf die Folgen von Handlungen richtet, sucht die Tugendethik das gute Leben durch die richtige innere Haltung, aus der sich dann die richtige Handlung ergibt. So gibt die Tugendethik denn auch keine konkreten Handlungsanweisungen, denn jede Situation erfordert eine andere Verhaltensweise.
2.3. Grundelemente derTugendethik
„Tugend ist das Ideal der Selbsterziehung zu einer menschlich vortrefflichen Persönlichkeit. Dabei geht es weder darum, eigene Neigungen und Vorlieben zu unterdrücken, noch um weltabgewandten Rückzug aus dem Alltag.“ (Höffe 2002: 267) Tugenden helfen also, ein gutes Leben zu führen.
Zu den bedeutendsten Vertretern der Tugendethik dürfen in der Antike Platon und Aristoteles gezählt werden. Thomas von Aquin verband das Gedankengut der Antike mit der christlichen Lehre. Jeder von ihnen hat die Grundidee, dass ein gutes Leben lernbar ist, in eigenerWeise geprägt und weiterentwickelt.
2.3.1. Die Kardinaltugenden von Platon
Platon entwickelte die Theorie der Kardinaltugenden. Diese wurden für die weitere tugendethische Tradition richtungsweisend. Als die vier klassischen Grundtugenden (Kardinaltugenden) gelten Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mässigung. Platon unterscheidet drei für den Menschen relevante Grundkräfte oder Seelenteile: die Vernunft, das Mutartige und das Begehren. Die Vernunft lässt sich dabei beschreiben als die Fähigkeit, das Gute zu erkennen und einzuordnen. Sie steht für Platon als wichtigster Seelenteil. Sie soll alle anderen beherrschen und ordnen. Damit sie dies kann, braucht sie die Tugend der Weisheit (vgl. Anzenbacher 1992: 139). Sie erzieht das Mutartige im Menschen zur Tapferkeit. Aus der Tugend der Tapferkeit strebt der Mensch trotz aller Hindernisse das Gute an. Das Tapfere richtet sich schliesslich auf das Begehren. Es mässigt das Begehren und richtet es auf das Gute hin. Der Seelenteil des Begehrens erlangt damit die Tugend der Mässigung (vgl. ebd.: 140). Die drei Seelenteile des Menschen können also, gemäss Platon, unter der Herrschaft der Vernunft zu Tugenden geformt werden. Wenn diese Ordnung erreicht ist, dann ist der Mensch gerecht. Damit wird die vierte Kardinaltugend, die Gerechtigkeit erreicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 01 die vier Kardinaltugenden
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kardinaltuqend
2.3.2. Aristoteles' Tugendlehre
Platons Schüler Aristoteles übernimmt Platons Grundgedanken der Kardinaltugenden. Er bettet sie jedoch in eine umfassendere Tugendübersicht ein. Aristoteles unterscheidet zwischen dianoetischen (theoretischen) und ethischen (praktischen) Tugenden (vgl. Anzenbacher 1992: 141). Die Klugheit ist eine theoretische Tugend, eine Tugend des Verstandes. Sie ist die Voraussetzung für die Erlangung der anderen, ethischen Tugenden, wie Tapferkeit, Wahrhaftigkeit oder Sanftmut. Die ethischen Tugenden werden durch Gewöhnung und das tägliche Üben im richtigen Verhalten entwickelt.
Aristoteles bezeichnet die Tugend als das Streben nach der Mitte zwischen zwei lasterhaften Extremen. Es geht nicht um Mittelmässigkeit, sondern vielmehr um ein Finden der rechten Mitte zwischen zwei unguten Extremen.
So ist zum Beispiel Freigebigkeit die Mitte zwischen Verschwendung und Geiz. Die Tapferkeit wird als die Mitte zwischen Tollkühnheit und Feigheit bestimmt. Wichtig ist hier, dass sich weder der seinem natürlichen Wesen nach eher tollkühne Mensch noch der eher feige Mensch sich einfach seiner Neigung hingibt. Beide wollen sie die Tugend der Tapferkeit leben, setzen sich zu ihren Affekten (Feigheit oder Tollkühnheit) ins richtige Verhältnis. Somit ist von unterschiedlichen Menschen Unterschiedliches zu erwarten. Von dem, der Gefahren lieber meidet, ist etwas anderes zu erwarten als von dem, der lieber einfach vorprescht (vgl. Höffe 1998: 49) Das Mittlere steht also zwischen dem „Mehr“ und dem „Weniger“ (vgl. MacIntyre 1995: 207). Und dieses Mittlere ist weiter immer in Beziehung auf den handelnden Menschen zu verstehen (vgl. Aristoteles Nikomachische Ethik: 1106b 3-27). Durch tugendhaftes Leben erreicht der Mensch Glückseligkeit.
Die verschiedenen Tugenden sind miteinander verbunden, die eine braucht man, um die andere zu erlangen, und der Besitz der einen schliesst das Nicht-Leben der anderen aus. So kann ein Mensch nicht zugleich besonnen und dabei ungerecht sein und der Tapfere nicht verschwenderisch. Die Tugenden sind als Masseinheit zu verstehen und ein tugendhafter Mensch besitzt alle Tugenden (vgl. MacIntyre 1995: 209).
2.3.3. Thomas von Aquin
Thomas von Aquin verbindet die Grundtugenden von Platon und Aristoteles mit der christlichen Lehre und führt ihnen theologische Tugenden hinzu.
Die sogenannten theologischen Tugenden sind der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Die drei Tugenden sind dem Menschen von Gottes Gnade geschenkt und vollenden die ethischen Tugenden (vgl. Anzenbacher 1992: 144).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.02 Die Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kardinaltuqend
2.3.4. Tugend im Kontext der Gemeinschaft
Die Vielfalt der Tugenden entwickelt sich im Kontext des gesellschaftlichen Lebens. Die ethischen Tugenden sind eingebettet in das vorhandene Recht und den lebendigen Ethos der Gesellschaft. Nur in diesem Kontext lässt sich für Aristoteles das sittlich Normative bestimmen (vgl. Anzenbacher 1992: 149).
Tugendhaftes Handeln ist also eingebettet ins Leben in einer Gemeinschaft. Und tugendhaftes Verhalten muss immer unter dem Blickwinkel der gegebenen Umstände beurteilt werden. So kann die gleiche Handlung in der einen Situation grosszügig, in der anderen ein Zeichen von Geiz sein und in der dritten reine Verschwendungssucht bedeuten (vgl. MacIntyre 1995: 207). Dem Familienvater, der trotz knapper Haushaltskasse hundert Franken für einen guten Zweck spendet, wird gewiss eher tugendhaftes Verhalten attestiert als dem Millionär, der das Gleiche tut.
2.3.5. Unterschiedliche Verwendungen des Begriffes Tugend
Der Begriff Tugend wird seit jeher unterschiedlich assoziiert, verwendet und gedeutet. Der Begriff wird bereits in den homerischen Epen erwähnt. Hier wird Arete im Zusammenhang mit Eigenschaften verwendet, die zu Ruhm und Ehre führen. So sind Durchsetzungsvermögen und körperliche Stärke hier als Tugenden aufgeführt (vgl. Antusch 2003:4).
Bereits in dieser Zeit wird jedoch Tugend als erstrebenswert und als Grund für Glück und Zufriedenheit bezeichnet. Seit den Sophistikern wird die Meinung vertreten, dass die Tugend dem Menschen zu seinem letztlichen Lebensziel, nämlich dem Glücklichsein verhilft (vgl. Antusch 2003: 4).
MacIntyre weist darauf hin, dass je nach Autor andere Tugenden erwähnt und dieselben Tugenden unterschiedlich gewichtet werden (vgl. MacIntyre 1995: 244); so ist bei Aristoteles die Klugheit die Vorbedingung für das Erreichen aller anderen Tugenden, bei Jane Austen hingegen ist es die Beständigkeit (vgl. MacIntyre 1995: 245). Es scheint, dass es eine wirkliche Übereinstimmung über die Bedeutung des Begriffes bis heute nicht gibt.
Tugendhaftes Leben wird jedoch allenthalben als Voraussetzung für ein glückliches Leben beschrieben. Darin lässt sich eine gewisse Übereinstimmung bei allen Autoren in den unterschiedlichen Epochen finden.
2.3.6. Tugendhaft werden
Das Einüben von tugendhaften Handlungen hat in der Tugendethik einen hohen Stellenwert. Durch die Übung ergibt sich eine Gewöhnung. Je öfter der Mensch also eine Handlung tut, umso mehr wird sie ihm zu einer selbstverständlichen inneren Haltung. „Aus gleichen Einzelhandlungen erwächst schliesslich die gefestigte Haltung.“ (Aristoteles Nikomachische Ethik: 1103a 33-b25)
Aristoteles geht davon aus, dass wir Menschen nach Lust streben und Unlust vermeiden. Auf dem Weg zur Tugendhaftigkeit lernen wir, das Gute lustvoll zu tun. Die Haltung, mit der wir etwas tun, wird damit ebenso wichtig wie die Handlung selbst (vgl. Aristoteles Nikomachische Ethik: 1104b 27-1105a 14).
Aristoteles betont, dass man nicht durch Philosophieren tugendhaft wird. Der tugendhafte Mensch handelt. Tugendhaft wird man allein durch das Einüben von Tugenden. „So werden wir gerecht, indem wir gerecht handeln, besonnen, indem wir besonnen, und tapfer, indem wir tapfer handeln.“ (Nikomachische Ethik: 1103a 33-b25)
Der Mensch als Person wird in der Tugendethik also als entwicklungsfähiges Wesen betrachtet, das fähig ist, zu einem guten Menschen zu werden. Die Anlagen zu einem guten Menschen hat jeder Mensch in sich. Das Gute im Menschen ist bereits im Kern vorhanden, es mussjedoch durch Arbeit an sich und, wie oben bereits beschrieben, durch Übung hervorgearbeitet werden.
Ethische Tugenden können eingeübt werden und können dadurch gewissermassen zu einer zweiten Natur werden.
Werde was du bist, beschreibt Brantschen dies, und er erzählt die Geschichte des jungen Michelangelo, der seine berühmte Statue des David meisterlich zustande brachte. Der junge Künstler brachte aus einem riesigen rohen Marmorblock eine graziöse, anmutige Statue hervor, was die Menschen von damals und wohl auch noch heute in grosses Staunen versetzte. Wie konnte ein solches Meisterwerk aus rohem Stein geschaffen werden? Michelangelos Antwort lautete: „David war schon da, ich musste nur wegnehmen, was nicht David war“ (vgl. Brantschen 2006: 19 ff.).
2.3.7. Die Haltung hinter den Handlungen
Mit dem Begriff der Tugend werden also bestimmte Eigenschaften ausgezeichnet, derentwegen ein Mensch gelobt wird und als moralisch guter Mensch gilt. Diese Eigenschaften beziehen sich in der Regel auf ein bestimmtes Verhalten oder auf eine Charakterstärke. Sie drücken aus, dass sich der Mensch in diesem Bereich immer wieder vortrefflich verhält. Tugendhaftigkeit zeigt sich nicht nur darin, dass der Mensch das richtige Handeln wählt, sondern auch die richtige Haltung dazu hat (vgl. Rippe und Schaber 1998:11).
Tugendhaftigkeit besteht also aus dem tugendhaften Tun und der tugendhaften Haltung. Darin unterscheidet sich die Tugendethik von der Pflichtethik, welche primär fordert, das Gebotene zu tun, und weniger danach fragt, mit welcher Haltung das Richtige getan wird. Wenn beispielsweise nach den moralischen Gründen gesucht wird, warum man nicht lügen soll, argumentiert die deontologische Ethik, man solle nicht lügen, weil Lügen gegen das moralische Gesetz verstösst. Der Utilitarist würde auf die negativen Folgen des Lügens hinweisen. Der Tugendethiker würde sagen, Lügen sei schlecht, weil es unehrlich und weil Ehrlichkeit eine Tugend sei (vgl. Rippe und Schaber 1998:13). Tugendethik fordert die Ehrlichkeit um der Ehrlichkeit willen, oder anders ausgedrückt, weil Ehrlichkeit eine Tugend ist, bin ich ehrlich.
Diese Haltung hinter der Handlung wird nach Rippe zunehmend mit dem Begriff des Charakters in Verbindung gebracht. Tugenden werden als Charaktereigenschaften bezeichnet und die Diskussion dreht sich um die Frage, welche Charaktereigenschaften ein Mensch entwickeln soll. Dabei meint der Begriff Charaktereigenschaften nicht angeborene Eigenschaften, sondern solche, die jeder selber entwickelt und die zu entwickeln eine Hauptaufgabe jeder moralischen Erziehung ist (ebd. vgl. 1998:12).
2.4. Positive Psychologie - eine moderne Tugendlehre?
2.4.1. Kernelemente der Positiven Psychologie
Der Gedanke, dass der Mensch Tugenden besitzt, die, wenn sie entwickelt werden, zu vermehrtem Glück führen, ist ein Grundgedanke der Positiven Psychologie.
Die Positive Psychologie hat drei Schwerpunkte:
- die Erforschung der positiven Emotionen
- die Erforschung der positiven Charaktereigenschaften, zu denen vor allem Stärken und Tugenden gezählt werden, jedoch auch Fähigkeiten wie Intelligenz oder Sportlichkeit
- die Erforschung der positiven Institutionen oder Strukturen, wie gefestigte Familienstrukturen, Demokratie oder Informationsfreiheit (Seligman 2009: 15).
Seligman kritisiert jene Psychotherapieformen, die sich vorwiegend um die Bekämpfung der Krankheiten, jedoch wenig um die Frage der Stärkung der förderlichen Persönlichkeitsmerkmale kümmern (vgl. Seligman 2009: 11 und 224 ff.). Mit der von ihm begründeten „Positiven Psychologie“ setzt er den Schwerpunkt auf die Erforschung der positiven Empfindungen. Seligman geht davon aus, dass die Stärkung der Tugenden den Menschen zu mehr Glück führt (vgl. ebd.: 15). Damit nimmt er den Gedanken der Tugendethik auf.
„Authentisches Glückempfinden entsteht dadurch, dass Sie Ihre grundlegenden Stärken erkennen und pflegen und sie jeden Tag einsetzen bei der Arbeit, in der Liebe, beim Spielen und im Umgang mit den Kindern.“ (Seligman 2009: 14) Hier lässt sich eine Brücke schlagen zu Aristoteles' Aussage: “Denn die wiederholten Einzelhandlungen bewirken einen entsprechenden Grundzustand.“ (Nikomachische Ethik: 1114a 4-23) Man soll das Gute also täglich üben, bis es sozusagen in Fleisch und Blut übergeht, bis es zu einem Teil des eigenen Wesens geworden ist. Damit steigert man das Glück und die Zufriedenheit im Leben.
2.4.2. Kerntugenden und Signaturstärken in der Positiven Psychologie
Ausgehend von der These, dass ein glückliches Leben eng mit der Entwicklung von positiven Charaktereigenschaften zusammenhängt, suchten Wissenschaftler von Seligmans Team Tugenden mit dem Ziel, einen Tugendkatalog zu erstellen. Die Literatur der Philosophen in den verschiedensten Kulturen und über Jahrtausende hinweg wurde auf gemeinsame Tugenden hin untersucht.
Die Tugenden mussten drei Kriterien erfüllen, um in den Katalog aufgenommen zu werden: „Sie müssen in praktisch allen Kulturen hoch geschätzt sein. Sie müssen an und für sich und nicht nur als Mittel zum Zweck geschätzt werden. Sie müssen formbar sein.“ (Seligman 2009: 32)
Basierend auf den Ergebnissen dieser wissenschaftlichen Untersuchungen definiert die Positive Psychologie folgende Kerntugenden:
- Weisheit und Wissen
- Mut
- Humanität und Liebe
- Gerechtigkeit
- Mässigung
- Spiritualitätund Transzendenz
Diese sechs Kerntugenden werden wiederum in Stärken unterteilt.
Zu Weisheit und Wissen gehören die Stärken Interesse für die Welt, Lerneifer, Urteilskraft und kritisches Denken, Erfindergeist und praktische Intelligenz, sozial und emotionale Intelligenz und Weitblick. Weisheit und Wissen können Platons
Kardinaltugend der Klugheit gleichgesetzt werden.
Zum Mut gehören die Stärken Tapferkeit und Zivilcourage, Durchhaltekraft, Fleiss und Gewissenhaftigkeit, Integrität, Echtheit und Lauterkeit. Die platonsche Kardinaltugend Mut wird hier gespiegelt.
Der Humanität und Liebe werden die Stärken Menschenfreundlichkeit, Grosszügigkeit und die Fähigkeit, nicht nur zu lieben, sondern auch geliebt zu werden, zugeschrieben.
Zur Gerechtigkeit gehören Staatsbürgertum, Pflicht, Teamwork und Loyalität, Fairness und Ausgleich, Menschenführung im Sinne von Leadership.
Zur Mässigung gehören Selbstkontrolle, Klugheit, Ermessen und Vorsicht, Demut und Bescheidenheit.
Die Tugend Spiritualität und Transzendenz findet sich im Sinn für Schönheit und Vortrefflichkeit, in Dankbarkeit, Hoffnung, Optimismus und Zukunftsbezogenheit, in Spiritualität, dem Gefühl für Lebenssinn, Glaube und Religiosität, in der Vergebungsbereitschaft und im Humor (vgl. Seligman 2009: 231-257).
Die beschriebenen Tugenden und die dazugestellten Stärken bilden ein Bündel von Eigenschaften, die zu einem zufriedenen Leben beitragen.
Die Stärkung der vorhandenen Charakterstärken führt zu einem glücklichen Leben. Interessant an diesem Ansatz ist, dass er sich nicht mit der Analyse von negativen Emotionen befasst. Die Positive Psychologie setzt den Schwerpunkt klar auf die lebensförderlichen Eigenschaften. Es geht nicht darum, die schlechten Seiten auszumerzen, sondern die Guten zu fördern. Oder wie es Seligman beschreibt: Es geht darum, in einer Skala von 1-10 von 2 auf 8 zu kommen (vgl. Seligman 2009: 11).
Sowohl die vier Kardinaltugenden von Platon als auch die von Thomas von Aquin benannten theologischen Tugenden Liebe Hoffnung und Glaube finden sich in den sechs Kerntugenden der Positiven Psychologie wieder. Diese Tugenden werden denn auch zusammen mit anderen in die Betrachtungen im Kapitel fünf dieser Arbeit aufgenommen.
2.4.3. VIA-Fragebogen zu Signaturstärken
Seligman und sein Team entwickelten einen Test, mit dem die sogenannten Signaturstärken eruiert werden können. Der Test kann im Internet gemacht werden. Die Internetseite lautet www.authentichappiness.org.
Das Ergebnis des Tests soll nicht einfach unkritisch übernommen, sondern mit dem eigenen Gefühl für seine Stärken überprüft werden. Eine Stärke zeichnet sich dadurch aus, dass ihr Einsatz Freude macht, Enthusiasmus fördert und Kraft verleiht. Das Gefühl von Authentizität ist ebenfalls ein Hinweis dafür, dass es sich tatsächlich um eine Stärke handelt (vgl. Seligman 2009: 259).
Seligman geht davon aus, dass jeder Mensch einige Signaturstärken besitzt. Diese machen das Wesen eines Menschen aus. Er empfiehlt, die Signaturstärken jeden Tag in möglichst vielen Bereichen des Lebens einzusetzen (vgl. ebd.: 259).
Dieser Test scheint aus Sicht der Autorin ein geeignetes Mittel zu sein, die eigenen Stärken zu eruieren und zu reflektieren. Deshalb wurden die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner gebeten, als Vorbereitung auf die Gespräche den Test zu machen (siehe Kapitel vier).
2.4.4. Übereinstimmungen der Tugendlehre und der Positiven Psychologie
Die Tugendethik wie auch die Positive Psychologie gehen davon aus, dass die Entwicklung der Tugenden und Stärken zu mehr Glück führt. Weiter betonen beide, dass die Tugenden eingeübt werden können. Ferner gehen beide davon aus, dass die Stärkung der eigenen Tugenden eine Willenssache ist. „Menschliche Stärken und Tugenden aufzubauen und sie im täglichen Leben einzusetzen ist eine Sache der Entscheidung.“ (Seligman 2009: 225)
Aristoteles sagt: „Auch die sittliche Vortrefflichkeit ist in unsere Macht gegeben, ..." (Nikomachische Ethik: 1113a 29-b 15). Man kann sich also dazu entscheiden, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und diese täglich zu üben.
In einem weiteren Aspekt stimmen die Lehre des Aristoteles und die Ideen von Seligman überein. Beide sagen, dass sich der Mensch in jene Richtung entwickelt, in der er seine Anlagen ausbaut. Im Verhalten in der Alltagsbeziehung mit den Mitmenschen entwickelt man die eine oder andere Haltung im Sinne von Tugend oder Laster. „Aus vielen gleichen Einzelhandlungen erwächst schliesslich eine gefestigte Haltung", so Aristoteles (Nikomachische Ethik: 1103a33-b25).
Seligman geht von der Prämisse der Janusköpfigkeit aus und drückt damit seine Überzeugung aus, dass die Evolution gute wie schlechte Eigenschaften begünstigt hat und es darum geht, die guten zu entwickeln (vgl. Seligman 2009: 14).
Zusammenfassend kann gesagt werden:
Menschen haben gute wie schlechte Anlagen in sich. Sie können zu einem glücklichen Leben kommen, indem sie die guten, tugendhaften Charaktereigenschaften stärken. Dies gelingt durch wiederholtes Üben. Dies zu tun ist eine Sache des Willens und der Entscheidung. Durch die Gewöhnung wird die innere Haltung gefestigt.
In der Positiven Psychologie finden sich somit Ansätze aus der Tugendethik wieder. Es scheint, als finde das Gedankengut der Tugendethik über den Weg der Positiven Psychologie wiederZugang zum modernen Menschen.
2.5. Zusammenfassung
Ethik wird definiert als die Lehre vom guten Handeln. Die deontologische Ethik, beurteilt Handlungen an sich, die utilitaristische Ethik, bewertet Handlungen aufgrund ihrer wahrscheinlichen Folgen, und Tugendethik geht von der Entwicklung des Menschen zu einem sittlichen denkenden und handelnden Wesen aus. Die Ansätze der Tugendethik finden sich in der Positiven Psychologie wieder, die postuliert, dass man durch das Einüben von Tugenden man zu einem guten Menschen wird. Dies führt zu einem glücklichen Leben.
3. Personalführung aus systemischer Sicht, talentbasierte Führung und Schlüsselkompetenzen
Nachdem die Grundelemente der Tugendethik beschrieben sind, geht es nun darum zu klären, was Führung bedeutet und was erfolgreiche Führung umfasst. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Beschreibung der Führung aus systemischer Sicht und der talentbasierten Führung. Die beiden Konzepte werden deshalb gewählt, weil sie einen Bezug zur Tugendethik und den Anliegen der Positiven Psychologie haben. Beide lösen Anliegen aus der Tugendethik ein. Sie setzen einerseits tugendähnliche Grundhaltungen voraus, andererseits bilden sie die Basis für die Entwicklung von Tugenden und Charakterstärken. In beiden Konzepten wird dem Beziehungsaspekt zwischen Führungsperson und Mitarbeitenden grosse Bedeutung beigemessen. Dies kann auch für die Tugend gesagt werden, denn tugendhaftes Verhalten bezieht sich allermeist auf den Umgang mit Mitmenschen. Die Formulierung von Schlüsselkompetenzen fasst ihrerseits wesentliche Aspekte, welche Führungspersonen brauchen, zusammen.
3.1. Systemische Führung
3.1.1 Zum Begriff der Personalführung
Für den Begriff Personalführung stehen verschiedene Definitionen zur Verfügung.
Führung ist zielbezogene Einflussnahme, wobei die Geführten dazu bewegt werden sollen, bestimmte Ziele, die meist aus den Unternehmenszielen abgeleitet sind, zu erreichen (vgl. Rosenstiel 2003: 4). Führung kann als Kommunikation und Interaktion zwischen Führungskräften und den ihnen unterstellten Mitarbeitern bezeichnet werden. Sie basiert auf einer durch organisatorische Regelung festgelegten Rollendifferenzierung und beeinflusst das Verhalten der Mitarbeitenden auf die angestrebten
Unternehmensziele hin.
Führung geschieht immer im Alltag, im Kontext von konkreten Arbeitssituationen, durch die Person, die führt. Führung ist nicht eine heroische Tat, die einmal täglich für zehn Minuten gemacht wird, Führung findet laufend statt. Seliger spricht von Hausfrauenarbeit. Wenn nicht geführt wird, fällt es erst auf (vgl. Seliger 2008:17).
3.1.2. Führungsinstrumente
Personalführung bedient sich verschiedener Führungsinstrumente. Zu den wichtigsten gehören der Qualifikationsprozess und Methoden der Problemlösungsprozesse. Entscheidungsfindungsmethoden helfen, Entscheidungen unter Einbezug einer Risikoabwägung effizient zu treffen. In der Teamführung, Sitzungsgestaltung und in Veränderungsprozessen helfen die unterschiedlichsten Methoden, effizient und effektiv ans Ziel zu kommen. Zeitmanagement und Selbstorganisation gehören ebenso zum Instrumentarium der Führung und sind wichtige Voraussetzungen, damit Führung zielgerichtet geleistet werden kann.
3.1.3. Führung aus dem systemischen Blickwinkel betrachtet
Im systemischen Ansatz ist Führung ist nicht einfach machbar, die Einhaltung von Regeln und die Anwendung von Modellen garantiert noch keine erfolgreiche Führung. Der systemische Ansatz fragt vielmehr, welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit Mitarbeitende ihre Aufgabe motiviert und selbstverantwortlich erfüllen können. Es geht bei der Führung nicht mehr um das Erzeugen eines bestimmten Verhaltens der Mitarbeitenden (vgl. Steiger 1999: 55).
Führung ist ein komplexes Phänomen, das abhängig ist von kulturellen, geschichtlichen und psychischen Umständen. Die Fülle von Aspekten, welche Führung beeinflussen, macht es denn auch unmöglich, allgemein gültige Regeln zur Beherrschung von Führung zu formulieren (vgl. ebd.: 44).
Seliger geht sogar noch weiter und behauptet, dass Führung von Menschen prinzipiell unmöglich sei. Menschen sind keine Maschinen, die, setzt man die richtigen Hebel in Bewegung, einfach funktionieren. Wenn beispielsweise in einem Betrieb Zielsetzung, Regeln und Auftrag klar sind, die Kommunikationsregeln eingehalten werden und Mitarbeitende die Möglichkeit haben, sich zu entfalten, ist das noch keine Garantie, dass Führung gelingt. Menschen sind lebende Systeme und diese haben die Eigenheit, sich von aussen kaum steuern zu lassen (vgl. Seliger 2008: 19).
З.1.З.1. Kybernetik, Konstruktivismus und lebende Systeme
Die systemische Betrachtung basiert auf der Denkweise der Kybernetik, des Konstruktivismus und der Theorie der lebenden Systeme. Die Kybernetik geht davon aus, dass jede Ursache eine Wirkung hat und diese Wirkung ihrerseits wiederum Ursache ist (vgl. Seliger 2008: 61).
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