Migrationsprozesse werden seit Jahrhunderten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland beobachtet: Im Jahre 1685 müssen beispielsweise protestantische Hugenotten aus politischen, religiösen und ökonomischen Gründen Frankreich verlassen und lassen sich unter anderem in Deutschland nieder. Ende des 18. Jahrhunderts wandern viele Deutsche aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation in die Vereinigten Staaten aus. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges spielt nun verstärkt die Ein- und Auswanderung in Deutschland eine wichtige Rolle: Diese beginnt mit der Auswanderung vieler Deutsche nach dem zweiten Weltkrieg in die USA, Australien, Kanada und andere Länder und setzt sich mit der Arbeitsmigration seit den sechziger Jahren fort nach Deutschland fort.
Darüber hinaus muss in diesem Kontext der Entwicklung der Europäischen Union (freier Person, der Zuwanderung von Flüchtlingen (zum Beispiel anlässlich der Kosovo – Krise Anfang der neunziger Jahre) und der Aussiedler aus Osteuropa auch große Bedeutung beigemessen werden. Im Jahre 2004 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zuzüge von 780.175 und den Fortzug von 697.632 Menschen zu verzeichnen; insgesamt migrieren also 1.477.807 Menschen. Die Zahl der Zugezogenen ist dabei immer noch höher als die der Fortzüge.
Diese Migrationsprozesse wirken sich gezwungenermaßen auch auf die Gesellschaft in Deutschland aus, vor allem auch auf das deutsche Bildungssystem, da viele ausländische Familien mit ihren Kindern hier leben, die Schule besuchen, einen Abschluss anstreben und Arbeit suchen. Die Pädagogik muss sich nun auch dieser Entwicklung anpassen, denn „all den verschiedenen Kindern, Jugendlichen […] in ihren je unterschiedlichen Lebenslagen [und Lebensweisen] sollen die Einrichtungen des Bildungswesens gerecht werden“ (Prengel, 2006, S. 11). Um dies zu tun, wurde die Theorie der Interkulturellen Pädagogik entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gründe und Ziele der Interkulturellen Pädagogik
3. Exkurs: Die Arbeitsmigration im 20. Jahrhundert und der Beginn der Interkulturellen Pädagogik
3.1. Die Ausländerpädagogik der siebziger Jahre
3.2. Die Interkulturelle Pädagogik
3.3. Die „Pädagogik der Begegnung“ und die „Pädagogik des Konflikts“ der achtziger Jahre
3.4. Die neunziger Jahre
4. Schule und Migration heute
5. Theorien und Konzepte der Interkulturellen Pädagogik
5.1. Interkulturelles Lernen
5.2. Gewaltprävention und Interkulturelle Kompetenz
5.3. Öffnung der Schule
6. Schluss und Ausblick
7. Bibliographie
1.Einleitung
Migrationsprozesse werden seit Jahrhunderten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland beobachtet: Im Jahre 1685 müssen beispielsweise protestantische Hugenotten aus politischen, religiösen und ökonomischen Gründen Frankreich verlassen und lassen sich unter anderem in Deutschland nieder (Gogolin 2006). Ende des 18. Jahrhunderts wandern viele Deutsche aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation in die Vereinigten Staaten aus. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges spielt nun verstärkt die Ein- und Auswanderung in Deutschland eine wichtige Rolle: Diese beginnt mit der Auswanderung vieler Deutsche nach dem zweiten Weltkrieg in die USA, Australien, Kanada und andere Länder (Gogolin, 2006) und setzt sich mit der Arbeitsmigration seit den sechziger Jahren fort nach Deutschland fort (Prengel, 2006). Darüber hinaus muss in diesem Kontext der Entwicklung der Europäischen Union (freier Person, der Zuwanderung von Flüchtlingen (zum Beispiel anlässlich der Kosovo – Krise Anfang der neunziger Jahre) und der Aussiedler aus Osteuropa auch große Bedeutung beigemessen werden (Auernheimer, 1995). Im Jahre 2004 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zuzüge von 780.175 und die Fortzüge von 697.632 Menschen zu verzeichnen; insgesamt migrieren also 1.477.807 Menschen. Die Zahl der Zugezogenen ist dabei immer noch höher als die der Fortzüge (Migrationsbericht, 2005, S.15).
Diese Migrationsprozesse wirken sich gezwungenermaßen auch auf die Gesellschaft in Deutschland aus, vor allem auch auf das deutsche Bildungssystem, da viele ausländische Familien mit ihren Kindern hier leben, die Schule besuchen, einen Abschluss anstreben und Arbeit suchen. Die Pädagogik muss sich nun auch dieser Entwicklung anpassen, denn „all den verschiedenen Kindern, Jugendlichen […] in ihren je unterschiedlichen Lebenslagen [und Lebensweisen] sollen die Einrichtungen des Bildungswesens gerecht werden“ (Prengel, 2006, S. 11). Um dies zu tun, wurde die Theorie der Interkulturellen Pädagogik entwickelt.
Ziel der vorliegenden Arbeit wird sein, die Entstehung und den Entwicklungsverlauf dieser Theorie in Zusammenhang mit der Migrationsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland zu analysieren. Es wird nur die Migrationsgeschichte ab den sechziger Jahren beschrieben. Zusätzliche Untersuchungen würden den Rahmen der Arbeit sprengen.
Darüber hinaus werden die pädagogischen Theorien, die in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik entwickelt und angewendet wurden und die Migration in der ehemaligen DDR nicht berücksichtigt.
2. Gründe und Ziele der Interkulturellen Pädagogik
Die Entwicklung Interkulturelle Pädagogik als Nachwehen der Arbeitsmigration bezeichnet werden kann (Auernheimer, 2003). Auernheimer formuliert drei Herausforderungen für Interkulturellen Pädagogik, erstens die innergesellschaftliche, vor allem migrationsbedingte, Multikulturalität, zweitens die Vereinigung Europas mit seinen unterschiedlichen Sprachen, Traditionen und Kollektivgeschichten, drittens die Herausbildung der Weltgesellschaft mit ihrer kulturellen Grenzziehung einerseits und dem Zwang zu Kooperation und zum interkulturellen Denken andererseits (ibid., S. 9).
In einer multikulturellen Gesellschaft entstehen heterogene Gruppen, die das Arbeitsfeld der Interkulturellen Pädagogik bilden:
Heterogenität ist im Verständnis Interkultureller Pädagogik ein Begriff, mit dem auf die Unterschiedlichkeit von Lebenslagen Bezug genommen wird. Diese Unterschiede können sozial oder ökonomisch bedingt sein; sie können von individuellen Merkmalen abhängig sein wie dem Geschlecht eines Menschen oder seiner gesundheitlichen Konstitution; sie können von individuellen Merkmalen abhängig sein wie dem Geschlecht eines Menschen oder seiner gesundheitlichen Konstitution; sie können auf kulturelle Zusammenhänge zurückzuführen sein wie etwa auch auf die Sprache(n), in denen ein Mensch lebt“ (Gogolin, 2006, S. 12).
Die Interkulturelle Pädagogik richtet sich demnach an Menschen, die aus verschiedenen Kulturen stammen, Migration erfahren haben, nun in Deutschland leben und Teil des deutschen Bildungswesens sind. Gegenstand ihrer Arbeit ist es darzulegen, wie sich die Beziehung „zwischen der deutschen Mehrheitskultur“ und der ausländischen Minderheitskultur innerhalb des Bildungssystems darstellt (Prengel, 2006, S. 64). Die Interkulturelle Pädagogik richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche: Sie werden „in der pädagogischen Arbeit aus ihrer Biographie heraus begriffen“. Aus diesem Grund berücksichtigt sie die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen, die zum Beispiel aufgrund sprachlicher und ökonomischer Barrieren gehemmt werden (Holzbrecher, 2004, S. 88 – 89, zit. nach Roth, 2003, S. 88 – 92).
Laut Gogolin (2006) ist es die Umwelt des Individuums, die darüber entscheidet, wie sich ein Kind entwickelt, wie und ob Begabungen favorisiert werden oder ob diese wiederum durch finanzielle, sprachliche, kulturspezifische Faktoren gehemmt oder gefördert werden. Ziel der Interkulturellen Pädagogik ist es nun, Kindern und Jugendlichen die gleichen „Bildungs – und Lebenschancen“ zu geben, ungeachtet ihrer Herkunft und ihres kulturellen Hintergrunds. Außerdem soll die Interkulturelle Pädagogik Hilfestellung leisten, damit die Bildungseinrichtungen, aber auch die Familien und andere Orte der Zusammenkunft außerhalb der Schule das formulierte Ziel erreichen. Nur dadurch kann gewährleistet werden, dass Kinder und Jugendliche ihr Leben in einer heterogenen Gesellschaft meistern können: Jedes Individuum muss also mit dem jeweiligem Wissen ausgestattet werden, „um friedlich und demokratisch in der durch Heterogenität bestimmten Lage handeln zu können“ (Gogolin, 2006, S. 13). In der heutigen schnelllebigen Gesellschaft, die immer wieder neue Lebensstile aufkommen lässt, die von Jugendlichen beeinflusst werden und diese wiederum beeinflussen, ist es für die Interkulturelle Pädagogik wichtig, die Betroffenen darüber aufzuklären, welche Erfolgsaussichten und Gefahren diese mit sich tragen (Gogolin, 2006).
Ein anderes Ziel der Interkulturellen Pädagogik formuliert Auernheimer (1995). Er sagt, Interkulturelle Pädagogik soll zu „interkultureller Verständigung und Konfliktaustragung sowie zur kritischen Reflexion und Weiterentwicklung der je einigen Kultur“ führen (Auernheimer, 1995, S. 5). Mit „interkulturell“ ist dabei folgendes gemeint: Die verschiedenen Kulturen, die aufeinandertreffen, sollen sich gegenseitig ergänzen, ein Austausch soll stattfinden; sie sollen nicht nebeneinander existieren und als zwei getrennte Einheiten betrachtet werden (Auernheimer 1995), so wie im Zeitalter vormoderner Multikulturalität, wo ethnische Minderheiten, abgegrenzt vom Rest der Gesellschaft, in bestimmten ausgewiesenen Viertel lebten (Auernheimer, 2003). In seinem Werk „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“ beschreibt Auernheimer (2003) klarer die Leitmotive Interkultureller Pädagogik: Sie basiert auf dem Leitsatz einer multikulturellen Gesellschaft, welche auf zwei, für die Interkulturelle Pädagogik geltenden Gesetzen basiert, nämlich das der Gleichheit und der Anerkennung (Auernheimer, 2003, S. 20). Das Ziel einer Interkulturellen Pädagogik ist demnach „die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel“ (Auernheimer, 2003, S. 21), d.h. die Fähigkeit sich in eine Person hineinzuversetzen, die zum Beispiel einer Minderheit angehört. Durch den Perspektivenwechsel können somit Probleme offener ansgesprochen werden und anders angegangen werden. Dabei sind auch „das Eintreten für gleiche Rechte und Sozialchancen ungeachtet der Herkunft und die Haltung der Akzeptanz, des Respekts für Andersheit“ (Auernheimer, 2003, S. 21) wichtig, denn nur dann ist ein interkultureller Dialog, der das Verständnis für das Interkulturelle Lernen bildet, möglich (Auernheimer, 2003). Zusammenfassend formuliert Auernheimer (2003) stichwortartig folgende Leitmotive Interkultureller Pädagogik:
- „das Eintreten für die Gleichheit aller ungeachtet der Herkunft,
- die Haltung des Respekts für Andersheit,
- die Befähingung zum interkulturellen Verstehen,
- die Befähigung zum interkulturellen Dialog“ (Auernheimer, 2003, S. 21).
Die Interkulturelle Pädagogik zeigt verschiedene Richtungen auf, da sie sich immer wieder der Gesellschaft mit ihren Veränderungen anpassen muss, um ihr auch letztendlich gerecht werden zu können.
3. Exkurs: Die Arbeitsmigration im 20. Jahrhundert und der Beginn der Interkulturellen Pädagogik
Im Zuge des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg werden viele arbeitswillige Menschen aus anderen Regionen angeworben: Zunächst wird der Arbeitsbedarf mit Flüchtlingen aus der DDR gedeckt; doch nach dem Bau der Berliner Mauer ist dies nicht mehr möglich und man beginnt Gastarbeiter aus den südeuropäischen Ländern zu erwerben (Holzbrecher, 2004). Im Jahr 1955 werden mit Italien die ersten Anwerbevereinbarungen geschlossen, die den Startschuss für die Arbeitsmigration in Deutschland konstituieren: Die Zahl der Arbeitsmigranten steigt von 80.000 im Jahr 1955 auf über 2,3 Millionen im Jahr 1973, von denen 1,9 Millionen aus den Anwerbeländern kommen (Auernheimer, 1995). Man geht davon aus, dass die Gastarbeiter gemäß des Rotationsprinzips in Deutschland weilen werden. Dieses Prinzip sieht vor, dass die Gastarbeiter nur eine gewisse Zeit in Deutschland bleiben und arbeiten, danach aber wieder mit ihren Ersparnissen in ihr Heimatland zurückkehren (Gogolin, 2006). Bei den Arbeitern, die angeworben werden, handelt es sich nicht nur, wie so oft angenommen, um männliche unqualifizierte Arbeitskräfte: Unter den Arbeitern befinden sich auch qualifizierte Arbeiter und Frauen. Die ersten Arbeiter kommen ohne Familien nach Deutschland; es handelt sich zunächst vor allem um ledige Männer. Aus diesem Grund gibt es zu Beginn der Arbeitsmigration wenige schulpflichtige Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland. Die Schulen agieren daher nicht und diese Schüler bleiben unberücksichtigt (Auernheimer 2003). Lediglich anlässlich der ständigen Kultusministerkonferenz in den Jahren 1964 und 1971 wird festgesetzt, dass die Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungssystem wichtigste Priorität habe (Prengel, 2006).
3.1. Die Ausländerpädagogik der siebziger Jahre
Im Jahr 1973 wurde schließlich von Seiten der BRD ein Anwerbestopp auferlegt; es werden nur noch kleine Gruppen von Arbeitermigranten angeworben. Für diejenigen, die nicht einem Land der damaligen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft angehören (EWG) (das waren zu dem Zeitpunkt alle Länder außer Italien) ergibt sich folgendes Problem: Sie dürfen zwar zurück in ihr Heimatland, aber im Falle einer Rückkehr nach Deutschland, wird ihnen die Einreise verweigert. Dieser Anwerbestopp führt dazu, dass die Migranten ihre Familien und Angehörigen nach Deutschland kommen lassen[1] (Gogolin, 2006). Ihr ursprüngliches Ziel, Geld zu sparen, um nach einiger Zeit wieder zurück in das Heimatland zurückzukehren vertagen viele, da oftmals der Lebensunterhalt in Deutschland teurer als erwartet ist (Holzbrecher, 2004, S. 51). Die deutschen Schulen werden nun mit Migrationskindern konfrontiert, auf die sie nicht eingestellt sind. Die Anfänge der Ausländerpädagogik streben in erster Linie das Beheben der sprachlichen Defizite der Kinder mit Migrationshintergrund an, um eine soziale Eingliederung zu erleichtern. Dies erfolgt durch betreute Hausaufgabenhilfen oder durch extracurriculare Kinder- und Jugendaktivitäten (Prengel, 2006, S. 64): Es soll eine Assimilation der Kinder mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungssystem erfolgen, d.h. sie sollen sich in das System einfügen (Holzbrecher, 2004). Da zugleich die zukünftige Lage der Gastarbeiter ungewiss ist (Holzbrecher, 2004), entwickelt die Ausländerpädagogik die Konzepte der „Rotation“, „Integration“ und „Option für Integration oder Rückkehr“ (Prengel, 2006, S. 66): Beim Rotationsprinzip geht man davon aus, dass die Kinder nach einigen Jahren wieder mit ihren Eltern in ihr Heimatland zurückkehren. Aus diesem Grund werden sie in Nationalklassen von Lehrern des Heimatlandes in ihrer Heimatsprache unterrichtet (Prengel, 2006). In Baden-Württemberg werden im Jahr 1975 solche Klassen eingeführt (Holzbrecher, 2004). Doch die „’Eingliederung’ mit Lehrkräften des Heimatlandes bedeutet praktisch Segregation“ (Hamburger, 1994, S. 59), da die Kinder so nicht in die deutsche Gesellschaft eingegliedert werden können. Beim Integrationsprinzip wird versucht, die Kinder in das deutsche Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, da man davon ausgeht, dass die Migrantenfamilien dauerhaft in Deutschland bleiben werden. Das Prinzip „Option für Integration oder Rückkehr“ ermöglicht sowohl die Integration als auch eine Rückkehr in die Heimat (Prengel, 2006, S. 66). Auernheimer (2003, S. 38) nennt diese Option „Doppelstrategie“, bei der eine schulische Integration erfolgt, dennoch aber der Erhalt der eigenen kulturellen „Identität“ zwecks „Rückkehrfähigkeit“ gewährleistet ist. Der Unterricht sieht demnach so aus, dass die Schüler neben dem deutschen Regelunterricht auch muttersprachlichen Ergänzungsunterricht besuchen (Auernheimer, 2003). Die Ausländerpädagogik „will [also] sowohl die kulturelle Identität stützen, als auch die Eingliederungsfähigkeit entwickeln“ (Prengel, 2006, S. 66). Um die Qualifikationen der Lehrkräfte im Bereich der Ausländerpädagogik zu fördern, wurde in Folge der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft zur „Verbesserung der Bedingungen für Freizügigkeit der Arbeitnehmer“, an der Pädagogischen Hochschule in Landau im Jahre 1978 der erste Studiengang „Ausländerpädagogik“ eingeführt (Auernheimer, 2003, S. 47).
Doch Anfang der achtziger Jahre macht sich eine Kritik an der bis dato herrschenden Ausländerpädagogik breit und diese Theorie wird zugunsten des Begriffs Interkulturelle Pädagogik verworfen: Das Problem dabei ist die Tatsache, dass sich die Beteiligten entweder für die eigene Kultur oder für die deutsche Kultur entscheiden müssen (Prengel, 2006). Die beiden Kulturen werden als zwei Elemente angesehen, die nebeneinander existieren. Außerdem muss hinzugefügt werden, dass sich bei den Migranten nach einigen Jahren eine „eigene“ Kultur herausgebildet hat, die sich wiederum von der im Heimatland herrschenden Kultur unterscheidet. Außerdem wird bei der Ausländerpädagogik vor allem dem Beheben der sprachlichen Defizite Beachtung geschenkt. Wichtige Probleme, wie die „Marginalisierung“ (Holzbrecher, 2004, S. 53), das Sich-Zurückziehen vieler Migranten in ihre eigenen „Welten“, fernab der sich in Deutschland abspielenden Realität, werden nicht behandelt. Sprachliche und ethnische Minderheiten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, wie die Sinti und Roma, werden in der Ausländerpädagogik auch nicht erwähnt und berücksichtigt (Pengel, 2006). Um sich nun von der Ausländerpädagogik abzuwenden, werden in den achtziger Jahren laut Holzbrecher (2004, S. 54) folgende „didaktische Ansätze“ entwickelt: Es soll zunächst ein „Abbau von Vorurteil“ durch Informationen über die Heimatländer der Kinder mit Migrationshintergrund erfolgen. Außerdem sollen im Rahmen von Schul – und Stadtfesten die Kulturen und Traditionen der Migranten vorgestellt werden, „um kulturelle Differenzen wahrzunehmen und diese Traditionen als gleichwertig anzuerkennen“ (Holzbrecher, 2004, S. 54). Dieser Ansatz wurde jedoch kritisiert, da man davon ausgeht, dass durch solche Informationen bei den deutschen Kindern/Eltern Stereotypen und Vorurteile gebildet werden. Die Migrantengruppe wird somit auch als homogene Gruppe angesehen, obwohl innerhalb dieser Gruppe auch „differenziert“ werden muss (Holzbrecher, 2004, S. 54). Ein anderer Ansatz war das Konzept „Fremdheit überwinden“: Die „Förderung gegenseitigen Kennenlernens“ soll „zu einem Abbau von Vorurteilen und zu wechselseitiger Toleranz und Akzeptanz“ führen (Holzbrecher, 2004, S. 54).
3.2. Die Interkulturelle Pädagogik
Anfang der achtziger Jahre wird der Begriff der Ausländerpädagogik durch den Namen Interkulturelle Pädagogik ersetzt. Sie wird thematisiert, nachdem die Arbeitsmigration stattgefunden hat und erste soziale Konsequenzen sichtbar sind (Auernheimer, 1995). Die beiden Begriffe meinen aber nicht das gleiche:
Während die Ausländerpädagogik „Zeichen praktischer Hilflosigkeit angesichts der Folgen der Einwanderung war“ (Schmidtke, 2005, S. 152), wird die Interkulturelle Pädagogik einer multikulturellen Gesellschaft gerecht, da sie zunächst einmal die Bundesrepublik als Einwanderungsland ansieht. Die Konzepte der „Rotation“, „Integration“ und „Option für Integration oder Rückkehr“ werden abgeschafft (Schmiedtke, 2005). Eine detaillierte Definition für „interkulturell“ liefert Micheline Rey – von – Allmen, damaliges Mitglied des Europarats:
„Wer „interkulturell“ sagt, der meint, indem er die Vorsilbe „inter“ ihre ganze Bedeutung gibt, notwendigerweise: Interaktion, Austausch, Entgrenzung, Gegenseitigkeit, objektive Solidarität; er meint auch, indem er dem Begriff „Kultur“ seine ganze Bedeutung gibt, Anerkennung der Werte, der Lebenswelten und ihre Symbolleistungen, auf die sich die Menschen, als Individuen wie Gesellschaften, gründen, in ihrer Beziehung zu anderen und in ihrer Wahrnehmung der Welt; er meint Anerkennung ihrer Bedeutsamkeit, ihrer Funktionsweisen, ihrer Verschiedenheiten, Anerkennung und zugleich der Wechselbeziehung zwischen den vielfältigen Registern ein und derselben Kultur und zwischen den verschiedenen Kulturen“ (Rey – von – Allmen, 1984, S. 47 zit. nach Schmidtke, 2005, S. 153).
Anhand dieser Definition von Kultur sehen wir, dass sich das Arbeitsgebiet der Interkulturellen Pädagogik ausgeweitet hat; aus diesem Grund bildet die Grundlage für eine Interkulturellen Pädagogik die „Anerkennung der ethnischen Minoritäten als dauerhaften Bestandteil einer multikulturellen Gesellschaft“ (Holzbrecher, 2004, S. 40).
3.3. Die „Pädagogik der Begegnung“ und die „Pädagogik des Konflikts“ der achtziger Jahre
In den achtziger Jahren entstehen zwei Strömungen in der Interkulturellen Pädagogik: Die „Pädagogik der Begegnung“ und die „Pädagogik des Konflikts“ (Schmidtke, 2005, S. 154). Die Pädagogik der Begegnung proklamiert die Interaktion zwischen Repräsentanten beider Seiten (Migranten und Deutsche). Die Interaktion bezeichnet den gegenseitigen Austausch von Informationen zwischen „zwei oder mehreren Personen“ (Watzlawick et al., 2000, S. 50). Damit es zu einer Interaktion kommen kann, ist es wichtig, dass ein Verständnis für die Lebenssituation von anderen Menschen und die Akzeptanz ihres Andersseins vorliegt (Schmidtke, 2005, S. 154). Außerdem sollen die anderen Kulturen „als eigenständige, gleichwertige Interpretationen der einen Welt wahrgenommen werden“ (Schmidtke, 2005, S. 154). Angestrebt wird bei der Pädagogik der Begegnung eine symmetrische Interaktion, in der die Kommunizierenden nach „Gleichheit“ streben und dadurch Konflikte und Uneinigkeiten ausweichen (Watzlawick et al., 2000, S. 69), religiöse, ökonomische, politische Hindernisse beseitigt werden (Schmidtke, 2005, S. 154). Symmetrische Beziehungen beruhen auf „gegenseitigem Respekt“ und gegenseitige Toleranz zwischen den Kommunizierenden (Watzlawick et al., 2000, S. 104).
Dabei ist eins zu beachten: Da die Barrieren erst durch die „Immigrationspolitik“ entstanden sind, müssen laut Schmidtke (2005, S. 154) solche „Verständigungshindernisse“ „hinreichend reflektiert“ werden, sonst können Konflikte verstärkt werden „und zur Vorurteilsbildung beitragen“ (Schmidtke, 2005, S. 154). Bei der Pädagogik des Konflikts geht es um eine „zweite Dimension des gleichen Modells“. Durch sie sollen Vorurteile und Segregation abgebaut werden und Rassismus bekämpft werden (Schmidtke, 2005, S. 154).
Insgesamt kann gesagt werden, dass trotz der Bemühungen um eine Interkulturelle Pädagogik in den achtziger Jahren, sich eine „strukturelle Marginalisierung“ bei den Arbeitsmigranten und ihren Nachkommen abzeichnete: „Insbesondere die Söhne und Töchter der „Gastarbeiter“ stießen auf Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle oder einem Arbeitsplatz“ (Auernheimer, 2003, S. 39). Aus diesem Grund werden „nun auch außerschulische pädagogische Arbeitsfelder wie die außerschulische pädagogische Jugendarbeit und die Sozialarbeit“ wichtig (Auernheimer, 2003, S. 39).
Was die Lehrkräfte betrifft, wurde in den achtziger Jahren festgestellt, dass es bei der Lehrerausbildung „Defizite“ gab: „Die Ansätze zur geforderten Verankerung der interkulturellen Thematik im normalen erziehungswissenschaftlichen Studienangebot für künftige Pädagog(inn)en sind bisher bescheiden geblieben“ (Auernheimer, 2003, S. 48). Es fehlen in der Ausbildung „Elemente wie das Training interkultureller Kompetenz“, Kurse in Zweisprachdidaktik und interkultureller Bildung werden für Studierende der Primar- und Sekundarstufe I angeboten, aber selten für die anderen Lehramtsstudiengänge (Auernheimer, 2003, S. 48).
3.4. Die neunziger Jahre
Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre, dem Zustrom der Aussiedler aus Osteuropa und der Wiedervereinigung Deutschlands ergeben sich neue Herausforderungen für die Interkulturelle Pädagogik.
Die Aussiedlerkinder haben sogar bessere „Eingliederungshilfen“ als die Kinder der Gastarbeiter, da die Hilfen „alle Stufen und alle Bereiche des Bildungssystems“, d.h. von Kindergarten bis hin zur Hochschule, betreffen (Gogolin, 2006, S. 101). Die Kinder der Gastarbeiter dagegen haben in dieser Hinsicht wenig Glück: Ihnen wird nur im Bereich der Pflichtschule Hilfestellung geleistet (Gogolin, 2006). Daraus resultiert die soeben beschriebene Arbeitslosigkeit bei den Kindern der Arbeitsmigranten.
Ein zusätzlicher muttersprachlicher Unterricht, der bei den Kindern mit Migrationshintergrund üblich ist, findet zunächst bei den Aussiedlerkindern nicht statt, da man sie als „Deutschstämmige“ ansieht. Mittlerweile gibt es aber auch für Aussiedlerkinder zusätzliche Angebote in ihrer Muttersprache (Gogolin, 2006, S. 101).
In den neunziger Jahren kamen auch verstärkt rechtsradikale Jugendbewegungen in der Bundesrepublik auf, die sich in „pogromartigen Überfälle auf Flüchtlingsunterkünfte, Wohnungen und Geschäfte von Immigranten“ auswirkten. Allein im Jahr 1991 werden 2.300 Straftaten gegen Menschen allochthoner Herkunft verzeichnet (Auernheimer, 2003, S. 41). Im Gefolge dieser Geschehnisse wird ein neues Thema aufgegriffen, nämlich die „interkulturelle Öffnung der Institutionen“, in der die „Kompetenz der pädagogischen Fachkräfte“ thematisiert wird. Dieser Punkt wird im Punkt 4 „Theorien und Konzepte der Interkulturellen Pädagogik“ dieser Arbeit ausführlich beschrieben.
Weiterhin werden im Jahre 1996 anlässlich der Kultusministerkonferenz Beschlüsse in Kraft gesetzt, die das Thema „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule“ betreffen: „Unter anderem soll die „Beschäftigung nicht-deutscher Lehrkräfte in allen Unterrichtsfächer“ erleichtert werden. Außerdem wird eine Empfehlung für die Kooperation mit Einrichtungen der Jugendarbeit angestoßen, wie zum Beispiel der Landesjugendplan des Landes Nordrhein-Westfalen, der 1999 initiiert wurde (Auernheimer, 2003, S. 43). Man kann den Beschluss von 1996 als einen ersten Versuch einer „Neugestaltung der Strukturen von Bildung und Erziehung [ansehen], die so ausgerichtet ist, dass der ‚unterschiedlichen Verschiedenheit‘ von allen am Bildungsprozess Beteiligten Rechnung getragen werden kann“ (Gogolin, 2006, S. 101).
Auch in der Institutionalisierung der Interkulturellen Pädagogik hat sich im Laufe der neunziger Jahre vieles getan: Anfang der neunziger Jahre werden größere Forschungs- und Dokumentationseinrichtungen gegründet, „mit denen fast durchweg die Kooperation mehrerer Disziplinen, in der Regel von Soziologie, Sprach – und Erziehungswissenschaft institutionalisiert wurde, wie zum Beispiel das IMIS (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien) an der Universität Osnabrück, das IMU (Institut für Interkulturelle Bildung) an der Universität Freiburg oder die FiSt (Forschungsstelle für interkulturelle Studien) an der Universität zu Köln (Auernheimer, 2003, S. 50). Im gleichen Zeitraum etabliert sich die Interkulturelle Pädagogik als Fachgebiet der Erziehungswissenschaft (Auernheimer, 2003, S. 51): Im Jahre 1994 wird die „Arbeitsgemeinschaft Interkulturelle Pädagogik“ gegründet, im Jahr 1999, innerhalb dieser Arbeitsgemeinschaft, die Gemeinschaft „International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft“.
Trotzdem lassen sich in der Lehramtsausbildung immer noch Defizite im Bereich Interkulturelle Pädagogik verzeichnen. Um diese zu kompensieren, schlägt Auernheimer (2003, S. 48) eine „Öffnung für stärker fallbezogenes Arbeiten“ vor: Die Studenten könnten nämlich dadurch „die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten in einer Situation und damit der Handlungsalternativen sehen lernen und so ihr pädagogisches Verstehen vertiefen“ (Auernheimer, 2003, S. 48). Auernheimer (2003) ist für einen stärkeren Praxisbezug, zum Beispiel durch Fallstudien: Nur dadurch können die Studenten ihre praktischen Kenntnisse vertiefen und in der Realität anwenden. Außerdem müssen die Studenten lernen, kritisch über ihre eigene Kultur und über Vorurteile nachzudenken (Auernheimer, 2003).
4. Schule und Migration heute
Zu Beginn des neuen Jahrtausends besuchen etwa eine Million ausländische Schüler allgemeinbildende Schulen in der Bundesrepublik Deutschland. Es zeigt sich deutlich, dass im Vergleich zu den Jahrzehnten davor, sich „eine bessere Bildungsbeteiligung der Kinder und Jugendliche nichtdeutscher Staatsangehörigkeit eingestellt hat“ (Gogolin, 2006, S. 153). Während im Schuljahr 1977/78 nur drei von vier schulpflichtigen ausländischen Kindern eine allgemeinbildende Schule in der BRD besuchen, sind es im Jahr 2001 nur 84%, die ohne Schulabschluss bleiben (Gogolin, 2006). Zwar ist statistisch gesehen eine günstige Evolution zu verzeichnen, trotzdem sind es immer noch die ausländischen Schüler, die „nach wie vor weit hinter den Werten der deutschen Schulabsolventen zurückbleiben“ (Gogolin, 2006, S. 154). Das könnte daran liegen, dass ausländische Kinder seltener vorschulische Einrichtungen besuchen als deutsche Kinder. Denn durch den Besuch eines Kindergarten wird laut wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, der Erwerb eines Schulabschlusses erleichtert, außerdem haben die Kinder die Chance, soziale Beziehungen zu knüpfen, durch die ihr Selbstbewusstsein gestärkt wird (Gogolin, 2006). Trotzdem ist in diesem Bereich eine Besserung in Sicht: Man muss diese Entwicklung zunächst einmal regional betrachten, denn „in manchen Regionen sind die Versorgungsquoten für Kinder in diesem Alter inzwischen identisch mit denen der deutschen Kinder“ (Gogolin, 2006, S. 154 – 155).
In der Sekundarstufe I zeichnet sich folgende Entwicklung ab: Dreimal so viele deutsche wie ausländische Schüler besuchen nach der Grundschule ein Gymnasium. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Übertritt von der Grundschule in eine weiterführende Schule die wichtigste Stufe beim „Bildungserfolg“ darstellt. Das Besuchen einer „niedrig qualifizierende[n] Schulform der Sekundarstufe“ ist oftmals mit einem Erlangen eines niedrigeren Schulabschlusses verbunden, obwohl man die Möglichkeit hat, nach einem Schulabschluss andere Schulen zu besuchen, um einen besseren Abschluss zu erlangen (Gogolin, 2006, S. 155). Auch in den Sonderschulen ist eine höhere Zahl von ausländischen Schülern zu verzeichnen: Im Jahr 2000 gab es 63.000 ausländische Schüler an Sonderschulen, davon 62% an Sonderschulen für Lernbehinderte, während 54% der deutschen Sonderschüler solch Einrichtung besuchen (Gogolin, 2006).
Mit Hilfe der PISA-Studie im Jahr 2000 ist es erstmals möglich, die schulischen Leistungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf internationaler Ebene zu analysieren. Dem Ergebnis zufolge ist zu entnehmen, dass in der BRD immer noch viele Defizite im Umgang mit ausländischen Jugendlichen existieren: So kommt heraus, dass fast 50% der Kinder mit Migrationshintergrund – von denen 70% sogar hier in Deutschland geboren sind – die grundlegenden „Lesefähigkeit“ nicht beherrschen und dieser Mangel sich auch auf „die mathematischen und naturwissenschaftliche Leistungsfähigkeiten“ negativ auswirkt (Gogolin, 2006, S. 158).
Die PISA – E Studie, die in Zusammenhang mit der PISA Studie erfolgt, vergleicht die Lernleistungen von Bundesland zu Bundesland. Getestet werden Schüler der neunten Klasse. Das Ergebnis zeigt, dass „auch auf Bundesländerebene deutliche Diskrepanzen zwischen den Leistungen der Schüler mit und ohne Migrationshintergrund bestehen. Bayern weist in allen getesteten Bereichen die geringste, Bremen die größte Leistungsdifferenz zwischen beiden Gruppen auf“ (Gogolin, 2006, S. 159). Das liegt an den unterschiedlichen Bildungssystemen, an der Herkunft der Kinder mit Migrationshintergrund und an ihrer unterschiedlichen Verteilung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland: „In Nordrhein – Westfalen werden […] ca. eineinhalbmal so viele Zugewanderte unterrichtet wie in Bayern“ (Gogolin, 2006, S. 159).
Laut Gogolin (2006) müssten diese Unterschiede auch Einfluss auf diese Studien haben. „Es bedarf mithin noch einiger Forschung, bevor gesagt werden kann, welche Faktoren genau dafür verantwortlich sind, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in deutschen Schulen benachteiligt sind“ (Gogolin, 2006, S. 160). Um diese sozial benachteiligte Stellung der Kinder mit Migrationshintergrund zu stärken, stellt Preuss-Lausitz 15 Forderungen an eine für Kinder mit Migrationshintergrund förderliche Schule und Schulpolitik (Holzbrecher, 2004): Unter anderem soll die Herkunfssprache in Vor – und Grundschule eingegliedert werden. Die Lehrer sollen zweisprachige Kompetenzen besitzen und Zusatzkurse in der Herkunftssprache belegen. Außerdem sollen alle „Sonderklassen für Kinder mit Migrationshintergrund“ vermieden werden: „Sie sind weder lerneffektiv (schon gar nicht für den Erwerb der deutschen Verkehrssprache) noch überwinden sie die partielle Ghettoisierung der Schülerinnen und Schüler“ (Holzbrecher, 2004, S. 64). Man sollte auch versuchen, den Anteil von Kinder mit Migrationshintergrund an Sonderschulen geringer zu halten und sie allgemeine Schulen besuchen lassen; die Sonderschullehrer sollte man auch in allgemeinen Schulen einsetzen. „Migranten-Abiturienten“ sollen für das Lehramtsstudium angeworben werden, damit die „Chancengleichheit“ und die „gesellschaftliche Akzeptanz“ verbessert wird (Holzbrecher, 2004, S. 64). Darüber hinaus sollten erfolgreiche Migranten an die Schulen kommen und im Rahmen von Veranstaltungen den Schülern „konkrete Perspektiven“ zeigen, ihnen Chancen und Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt aufzeigen.
5. Theorien und Konzepte der Interkulturellen Pädagogik
Die von Preuss-Lausitz geforderten Ansätze wurden bislang noch leider nicht in der Bundesrepublik Deutschland erreicht. Doch die Theorien der Interkulturellen Pädagogik, von denen einige im nächsten Punkt beschrieben werden, sollen dazu beitragen, dass der Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im schulischen Kontext erleichtert wird.
5.1. Interkulturelles Lernen
Bei der Interkulturellen Pädagogik handelt es sich um ein „Handlungskonzept, das gesellschaftliche Veränderungen wahrnehmen und selbst innovative Prozesse einleiten soll […]“ (Holzbrecher, 2004, S. 88 – 89, zit. nach Roth, 2003, S. 88 – 92). Sie soll sich auf verschiedene Bereiche des schulischen Alltags auswirken: „Curriculum-Konstruktion, Schulorganisation, Unterrichtsgestaltung wie auch in der persönlichen Begegnung mit Schülern (…)“ (Holzbrecher, 2004, S. 89). Damit Interkulturelles Lernen stattfindet, müssen die Beteiligten sich in die Rolle des Anderen begeben, damit ein „Fremdverstehen“ erst zu Stande kommt: Nur durch diese „Dimension“ und die der Selbstkenntnis kann „sich das Subjekt ein jeweils neues Bild von sich selbst, vom Anderen und vor allem von der eigenen Stellung im lebensweltlichen bzw. gesellschaftlichen Kontext erarbeitet“ (Holzbrecher, 2004, S. 92).
Damit eine solche Subjektbildung erst möglich ist, ist es für die Beteiligten wichtig, dass sie in einem geöffneten Umfeld zusammenkommen und sich aktiv an Hausaufgabenbetreuung, Mitarbeit bei Veranstaltungen, bei karitativen Hilfswerken wie Misereor oder Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International beteiligen. Damit Interkulturelles Lernen zustande kommt, ist es außerdem unabdingbar, dass der Lehrer/die Lehrerin „die Lebenssituation der Teilnehmer/innen kennt bzw. sie gemeinsam mit ihnen erkundet, damit ein Erfahrungsbezug gewährleistet ist“ (Auernheimer, 2003, S. 159). Wichtig ist also, dass man die Erfahrungen, die man durchlebt hat und die dabei empfundenen Gefühle offen ausspricht, damit die Wahrnehmung des anderen auf einen selbst reflektiert wird und man somit erkennt, was „die Fremdbilder mit unseren Selbstbildern zu tun haben“ (Auernheimer, 2003, S. 159). Nur durch diese Selbstreflektion und der Äußerung der eigenen Gefühle und Erfahrungen ist es möglich, „Selbsteinschätzungen, Identifikationen, Abgrenzungen, Fremdheitsgefühle […] zur Sprache zu bringen“, um dann Vorurteile, Barrieren in gemeinsamer Arbeit abbauen zu können. Damit dies zustande kommt, gibt es viele Übungen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung:
„In der Übung „Selbstbild – Fremdbild“ zum Beispiel charakterisieren sich die Gruppenteilnehmer abwechselnd durch Anspielungen oder Allegorien, wobei die Gruppe durch Fragen herauszufinden versucht, wer gemeint ist (z.B. Welche Farbe würdest du der Person zuordnen?).
Beim „Baum der Wünsche und Ängste“ zeichnet jeder Teilnehmer Symbole für seine Wünsche und Ängste auf Karten, die er an einen Baum heftet, den man auf eine Wandzeitung gemalt hat“ (Auernheimer, 2003, S. 159).
5.2. Gewaltprävention und Interkulturelle Kompetenz
Gewaltprävention ist auch ein Mittel, durch das Interkulturelles Lernen zustande kommen kann. Cohen (1994, zit. nach Auernheimer, 2003, S. 160) schlägt ein Schulhofprojekt vor, „bei dem konfliktnahe Situationen, die per Videokamera festgehalten worden waren, besprochen wurden. Cohen geht es nicht darum, positive Bilder zu vermitteln, sondern „einen Rahmen zu schaffen“ oder einen „Raum“, in dem die Lernenden „die Vorurteile ihrer Kultur“ untersuchen und die Mehrschichtigkeit ihrer Erfahrungen erkunden können“ (Cohen, 1994, zit. nach Auernheimer, 2003, S. 160).
Die Aktion Jugendschutz Landesarbeitsstelle Bayern e.V. schreibt in der zweiten Ausgabe des Jahres 2005 ihrer Fachzeitschrift proJugend über Interkulturelle Gewaltprävention: Demnach ist zu entnehmen, dass „ca. fünfzig Prozent der Teilnehmer in den sogenannten Anti-Aggresivitäts-Trainings“ [...] einen Migrationsbezug haben (Toprak, 2005, S. 8). Aus diesem Grund sind bei den Pädagogen und Sozialarbeitern Interkulturelle Kompetenzen unabdingbar: Laut Gaitanides (2000, zit. nach Toprak, 2005, S. 6) beinhaltet interkulturelle Kompetenz folgende Variablen:
Empathie ist die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Einfühlung in Menschen anderer kultureller Herkunft). Rollendistanz ist einerseits die dezentrierte kulturelle und soziale Selbstwahrnehmungsfähigkeit und andererseits die Fähigkeit zur Einnahme der anderen Perspektive und Relativierung der anderen Sichtweise. Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, Ungewissheit, Unsicherheit, Fremdheit, Nichtwissen und Mehrdeutigkeiten auszuhalten, die Neugier und die Offenheit gegenüber dem Unbekannten, das Respektieren anderer Meinungen und die Abgrenzungs- und Konfliktfähigkeit. Kommunikative Kompetenz ist die Sprach-, Dialog- und Aushandlungsfähigkeit sowie Verständigungsorientierung (Gaitanides, 2000, zit.nach Toprak, 2005, S. 6).
Außerdem muss man laut Gaitanides (2000) auch interkulturelle kognitive Kompetenzen besitzen, d.h. man muss „Kenntnisse über die Herkunftsgesellschaften, Herkunftssprachen und eigene Auslandserfahrungen“ mitbringen und auch über die „Ursachen“, „Entwicklung“ und „Folgen“ der Migration bescheid wissen (Gaitanides, 2000, zit. nach Toprak, 2005).
Denn oftmals fühlen sich die Jugendlichen mit Migrationshintergrund einfach missverstanden und es ist von Vorteil, Fortbildungen zu besuchen, durch die der Erwerb interkultureller Kompetenzen ermöglicht wird. Dann kann man nämlich auch in einer angemessenen Form in Kontakt mit den betroffenen Jugendlichen und Eltern treten. Außerdem muss der Schwerpunkt auf die Eltern gelenkt werden, denn „ohne die konkrete Unterstützung der Eltern kann wenig erreicht werden, weil Migrantenfamilien anders organisiert sind als deutsche Familien“ (Toprak, 2005, S. 9). Für die Betroffenen wird es sehr wichtig sein, schon im schulischen Alltag interkulturelle Kompetenzen zu erlangen, denn auch im späteren Berufsalltag werden diese unabdingbar sein: In einem globalisierten Europa, in dem Mobilität keine Rolle mehr spielt wird man oft mit Menschen mit Migrationshintergrund zusammenarbeiten müssen.
Zurück zum schulischen Alltag: Viele Migranten schätzen immer noch die Rolle des Lehrers und der Schule folgendermaßen ein: In ihren Augen ist es die Schule und sind es die Lehrer, die sich um die Erziehung des Kindes kümmern, deshalb muss darauf hingewiesen werden, dass Schule und Eltern zusammenarbeiten müssen (Toprak, 2005). In gewaltpräventiven Übungen ist es darüber hinaus wichtig „ressourcenorientiert zu arbeiten. Das heißt nicht die Schwächen der Zielgruppe in den Vordergrund zu stellen, sondern ihre Stärken“ (Toprak, 2005, S. 9).
5.3. Öffnung der Schule
Die Öffnung der Schule ist eine weitere Möglichkeit zum Interkulturellen Lernen statt. Die Institution Schule soll stark mit dem Umfeld, dem Dorf oder dem Stadtviertel des Schülers verbunden werden: „Die vielerorts entwickelte Praxis zeigt, dass die nach außen gerichteten Aktivitäten die Form des Lehrens und Lernens verändern – und umgekehrt“ (Holzbrecher, 2004, S. 126). Lüddecke (2001, zit. nach Holzbrecher, 2004, S. 126) schlägt vor, Aktivitäten und Kooperationen zu starten, wie der „Mitarbeit bei der Entwicklung eines internationalen Netzwerkes gegen Rassismus“, oder „Anti-Diskriminierungs-Schulgesetze“, „eine verstärkte Kooperation z.B. mit Eltern, Ausbildungsstätten, Polizei oder Jugendamt“, „Unterrichtsreihen zum Thema Rassismus“, „interkulturelle/antirassistische Projekte, Arbeitsgemeinschaften, fächerübergreifender Unterricht“ (Lüddecke 2001, zit.nach Holzbrecher, 2004, S. 126 – 127). Die Schule muss mehr in die Gemeinde und deren Aktivitäten integriert werden und einen stärkeren Kontakt zu den Eltern pflegen. Schule soll nicht nur ein Ort des Wissenstransfers sein, sondern auch ein Ort, in dem gesellschaftliche Prozesse und „Problemen“ nachgegangen wird (Holzbrecher, 2004, S. 128). Auch soll Schule zu einem „sinnstiftenden Erfahrungsraum“ werden, „in dem […] identitätsbildende Erfahrung möglich wird“, denn nur „ wer sich als Subjekt ernst genommen und anerkannt fühlt, kann ein stabiles Selbstbild aufbauen, das die psychische Grundlage für einen gestaltenden Umgang mit der Differenz der Anderen darstellt“ (Holzbrecher, 2004, S. 129). Für die Schule bedeutet dies, dass alle gleichermaßen am Lernprozess teilnehmen, dass man über seine eigenen Erfahrungen spricht und diese reflektiert. Außerdem soll mit anderen Institutionen, mit anderen Menschen (Jugendverbänden…) zusammengearbeitet werden, was wiederum zu mehr Toleranz und einem Abbau von Rassismus führen soll (Holzbrecher, 2004, S. 130).
6. Schluss und Ausblick
Ziel der vorliegenden Arbeit war es die Entwicklung der Interkulturellen Pädagogik und der Migrationsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen. Es wurde festgestellt, dass es sich bei der Entwicklung der Interkulturellen Pädagogik immer um eine progressive Entwicklung handelt, da sie sich den Herausforderungen der sich immer ständig verändernden Gesellschaft stellen muss. Die Gesellschaft in Deutschland wird sich immer weiter verändern, vor allem durch die politischen und sozialen Entwicklungen in einem vereinten Europa. Interkulturelle Kompetenzen werden immer weiter gebraucht werden, sei es im schulischen Alltag als auch in der Berufswelt.
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund leiden immer noch unter Defizite im Bildungssystem. Aber es gibt auch viele neue Konzepte und Ansätze, wie die Interkulturelle Pädagogik, die diese Probleme angeht und versucht zu lösen: Schule, Lehrer, Schüler und Eltern müssen zusammenarbeiten, damit Ziele der Interkulturellen Pädagogik mit der Zeit erreicht wird und sowohl Migranten als auch Deutsche die gleichen Bildungs- und Lebenschancen haben.
7.Bibliographie
Auernheimer, G. (1995). Einführung in die Interkulturelle Erziehung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Auernheimer, G. (2003), Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Gogolin, I., Krüger – Potratz, M. (2006). Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
Hamburger, F. (1994). Pädagogik der Einwanderungsgesellschaft. Frankfurt/Main: Cooperative – Verlag.
Holzbrecher, Alfred (2004): Interkulturelle Pädagogik. Cornelsen. Berlin.
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Migrationsbericht 2005. Bundesministerium des Innern.
Prengel, A. (2006). Pädagogik der Vielfalt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Schmidtke, H. (2005). Entwicklung der pädagogischen Betrachtungsweise – Ausländerpädagogik, interkulturelle Pädagogik, Pädagogik der Vielfalt. In R. Leiprecht & A.Kerber (Hrsg.), Schule in der Einwanderungsgesellschaft. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag.
Toprak, A. (2005). Schau mich an, wenn ich mit Dir rede. proJugend, 2/2005, 4 – 9 [auch verfügbar im Internet unter http://www.aktion-jugendschutz-bayern.de/projugend/meldung.aspx?ID=338].
Watzlawick, P., Beavin J. & Jackson D. (2000). Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: Huber.
[...]
[1] Dies änderte sich aber mit der Aufnahme der Länder Griechenland im Jahr 1981, Spanien und Portugal im Jahr 1986 in die EWG bzw. EG (Gogolin, 2006).
- Quote paper
- Christian Sorce (Author), 2007, Migrationsgeschichte und interkulturelle Pädagogik. Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland seit 1960, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343203
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