Das Ziel dieser Arbeit ist die systematische Darstellung der Voraussetzungen und steuerlichen Auswirkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft sowie die schwerpunktmäßige Würdigung der steuerlichen Behandlung inner- und vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen unter Zuhilfenahme der aktuellen Gesetzesfassungen (Stand 2016). Dabei wird auf eine Betrachtung der gewerbe-, umsatz- oder grunderwerbsteuerlichen Organschaft vollständig verzichtet.
Zu Beginn befasst sich diese Untersuchung mit der Betrachtung der zu erfüllenden Voraussetzungen zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses. Dabei werden zuerst die persönlichen Voraussetzungen dargelegt, die von den Beteiligten diesbezüglich erfüllt sein müssen, ehe im Folgenden die sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen im Detail gewürdigt werden.
Nachdem die Voraussetzungen präzisiert wurden, wird sich diese Arbeit mit den steuerlichen Auswirkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft auseinandersetzen, indem sie den Prozess der Einkommenszurechnung und -ermittlung verdeutlicht. Auf diesem Weg erkennt der Leser die Relevanz dieses steuerlichen Instruments und versteht, weshalb die körperschaftsteuerliche Organschaft das Herzstück des deutschen Konzernsteuerrechts ist.
Im weiteren Gang der Untersuchung wird die besondere Thematik der Mehr- und Minderabführungen schwerpunktmäßig betrachtet und deren steuerliche Behandlung explizit dargestellt. Dabei wird zwischen vororganschaftlichen und organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen differenziert. Ergänzend werden die aus diesen Abführungsdifferenzen resultierenden steuerlichen Auswirkungen anhand von Praxisbeispielen verdeutlicht.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Übersichtenverzeichnis
1 Einleitung
2 Voraussetzungen und Wirkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft
2.1 Voraussetzungen
2.1.1 Persönliche Voraussetzungen
2.1.2 Sachliche Voraussetzungen
2.2 Einkommensermittlung und -zurechnung
2.2.1 Einkommenszurechnung
2.2.2 Einkommensermittlung der Organgesellschaft
2.2.3 Einkommensermittlung beim Organträger
3 Mehr- und Minderabführungen in der Organschaft
3.1 Organschaftliche Mehr- und Minderabführungen
3.1.1 Bildung von Ausgleichsposten
3.1.2 Auflösung von Ausgleichsposten
3.1.3 Praxisbeispiele
3.2 Vororganschaftliche Mehr- und Minderabführungen
3.2.1 Tatbestand vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen
3.2.2 Rechtsfolgen vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen
3.2.3 Praxisbeispiele
4 Fazit
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Übersichtenverzeichnis
Übersicht 1: Einkommensermittlung beim Organträger
Übersicht 2: Handelsbilanz der G-GmbH zum 31.12.2012
Übersicht 3: Steuerbilanz der G-GmbH zum 31.12.2012
Übersicht 4: Steuerbilanz der E-AG zum 31.12.2012
1 Einleitung
Die steuerliche Organschaft stellt einen Kernbereich des deutschen Konzern- und Unternehmenssteuerrechts dar. Dabei werden mehrere rechtlich selbstständige, aber wirtschaftlich unselbständige Kapitalgesellschaften, die in einem steuerlich anerkannten Unterordnungsverhältnis zu einem übergeordneten Unternehmen stehen, mit diesem zusammen wie ein einziges Steuersubjekt behandelt. Das Ziel dabei ist es eine steuerliche Ergebnisverrechnung der einzelnen Unternehmungen zu ermöglichen1.
Die genannte untergeordnete Gesellschaft wird in § 14 KStG als Organgesellschaft bezeichnet, während die übergeordnete Unternehmung Organträger genannt wird. Zusammen bilden Organträger und Organgesellschaft den Organkreis.
Es stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen von Organträger und Organgesellschaft im Einzelnen zu erfüllen sind, um eine steuerlich anerkannte körperschaftsteuerliche Organschaft zu begründen. Zudem ist fraglich, welche steuerlichen Auswirkungen und Rechtsfolgen sich auf Organträger- und Organgesellschaftsebene bei der Einkommensermittlung ergeben.
Eine organschaftsspezifische Besonderheit ergibt sich aus der handels- und steuerrechtlich zwingend vorzunehmenden Gewinnabführung i.S.d. § 291 AktG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses. Dabei führen regelmäßig abweichende handels- und steuerrechtliche Gesetzesre- gelungen zu wertmäßigen Differenzen zwischen handelsrechtlich vorzunehmender Ergebnisabführung und der im Einkommen eingegangenen steuerlichen Vermögensänderung. Derartige Abführungsdifferenzen werden als Mehr- und Minderabführungen bezeichnet, die es nach § 14 Abs. 3 und 4 KStG hinsichtlich ihrer zeitlichen Verursachung in vor- und innerorganschaftliche Mehr- und Minderabführungen zu unterscheiden gilt. In der Praxis kommt diesen Unter- schiedsbeträgen eine hohe Relevanz und Bedeutung zu, da eine zwingend notwendige Unterscheidung je nach Komplexität des Geschäftsvorfalles schwierig vorzunehmen ist2. Daher werden die steuerlichen Wirkungen und Rechtsfolgen, die je nach zeitlicher Verursachung voneinander abweichen, in der Literatur intensiv gewürdigt und diskutiert.
Das Ziel dieser Arbeit ist die systematische Darstellung der Voraussetzungen und steuerlichen Auswirkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft sowie die schwerpunktmäßige Würdigung der steuerlichen Behandlung inner- und vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen unter Zuhilfenahme der aktuellen Gesetzesfassungen. Dabei wird auf eine Betrachtung der gewerbe-, umsatz- oder grunderwerbsteuerlichen Organschaft vollständig verzichtet.
Zu Beginn befasst sich diese Untersuchung mit der Betrachtung der zu erfüllenden Voraussetzungen zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses. Dabei werden zuerst die persönlichen Voraussetzungen dargelegt, die von den Beteiligten diesbezüglich erfüllt sein müssen, ehe im Folgenden die sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen im Detail gewürdigt werden.
Nachdem die Voraussetzungen präzisiert wurden, wird sich diese Arbeit mit den steuerlichen Auswirkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft auseinander- setzen, indem sie den Prozess der Einkommenszurechnung und -ermittlung ver- deutlicht.
Im weiteren Gang der Untersuchung wird die besondere Thematik der Mehr- und Minderabführungen schwerpunktmäßig betrachtet und deren steuerliche Behandlung explizit dargestellt. Dabei wird zwischen vororganschaftlichen und organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen differenziert. Ergänzend werden die aus diesen Abführungsdifferenzen resultierenden steuerlichen Auswirkungen anhand von Praxisbeispielen des fiktiven E-Konzerns verdeutlicht.
Abschließend werden die Ergebnisse dieser Untersuchung in einem Fazit zusammengefasst.
2 Voraussetzungen und Wirkungen der körperschaftsteuer- lichen Organschaft
2.1 Voraussetzungen
Zur Begründung einer Organschaft sind einige Voraussetzungen zu erfüllen. Dabei gilt es nach persönlichen und sachlichen Voraussetzungen zu unterscheiden. Während die persönlichen Voraussetzungen Bedingungen an die Beteiligten der Organschaft formulieren, werden mit den sachlichen Voraussetzungen die grundle- gend zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzungen zwischen Organgesellschaft und Organträger festgelegt.
2.1.1 Persönliche Voraussetzungen
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG muss der Organträger ein gewerbliches Unter- nehmen sein. Die Gewerblichkeit eines Unternehmens ist anhand von § 15 Abs. 2 EStG zu bestimmen, da die Begriffe in § 14 KStG und § 15 EStG einheitlich auszu- legen sind3. Laut Legaldefinition des § 15 Abs. 2 EStG ist eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit einer Gewinnererzielungsabsicht verbunden ist, und eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorsieht als Gewerbebe- trieb anzusehen. Die Voraussetzung des gewerblichen Unternehmens muss nach Auffassung der Finanzverwaltung zu Beginn des Wirtschaftsjahres erfüllt sein4. Dem steht der BFH mit der Ansicht, dass eine unterjährige Begründung der Gewerblich- keit ausreicht, entgegen5.
In § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG werden als geeignete Organträger der Körperschaftsteuer unterliegende Körperschaften, Vermögensmassen und Personenvereinigungen, aber auch natürliche Personen und Personengesellschaften genannt. Somit können Institutionen i.S.d. § 1 KStG als Organträger einer körperschaftsteuerlichen Organ- schaft fungieren. Hierzu gehören insbesondere Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder GmbH und Genossenschaften. Die zunehmend an Bedeutung gewinnende Societas Europaea, nachfolgend SE genannt, gilt nach Art. 3 VO (EG) Nr. 2157/2001 als Aktiengesellschaft und kann daher auch Organträgerin sein.
Bei Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG sind nach § 8 Abs. 2 KStG sämtliche Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Es liegt somit ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform vor.
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG a.F. war die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland zentrale Voraussetzung für den Organträger. In der ab dem Veranla- gungszeitraum 2012 geltenden Fassung ist diese Bedingung weggefallen. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 bis 7 KStG ist die Eigenschaft einer Körperschaft, Organträger sein zu können, unabhängig vom Ort der Geschäftsleitung oder ihrem Sitz. Die Beteiligung an der Organgesellschaft muss lediglich während der gesamten Organschaftsdauer einer inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO des Organträgers zuzuordnen sein. Zudem ist das Einkommen der Organgesellschaft dieser Betriebsstätte zuzurechnen.
Gleiches gilt für natürliche Personen. Diese können unabhängig von ihrem Wohnsitz, ihrem gewöhnlichen Aufenthalt oder dem Ort der Geschäftsleitung ihres Unternehmens Organträger sein, sofern sie ein gewerbliches Unternehmen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG betreiben6.
Personengesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG können laut § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG ebenfalls Organträger sein, sofern sie eine Tätigkeit des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben. Der o.g. Inlandsbezug des § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 bis 7 KStG gilt entsprechend.
Besonderheiten ergeben sich bei Holdinggesellschaften als potentielle Organträger. Es gilt dabei die vermögensverwaltende und die geschäftsleitende Holding zu unter- scheiden. Während eine geschäftsleitende Holdinggesellschaft Einfluss auf die Geschäftspolitik der Beteiligungsgesellschaften ausübt, verwaltet eine vermögens- verwaltende Holding ausschließlich Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens7.
Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG gelten gemäß § 8 Abs. 2 KStG als Gewerbebetriebe kraft Rechtsform, auch wenn sie geschäftsleitende oder lediglich vermögensverwaltende Holdingfunktionen ausüben. Ist eine derartige Holding jedoch an weniger als zwei Gesellschaften beteiligt, wird steuerlich keine gewerbliche Tätigkeit anerkannt, obgleich sie ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform ist8.
Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften in der Organisationsform einer Holding gilt es zu prüfen, ob sie einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG unter- halten und die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllen. Es ist insbesondere die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu prüfen. Diese liegt bereits vor, wenn die Holdinggesellschaft Beratungs- und Verwaltungsleistungen gegen marktübliches Entgelt an die Beteiligungsgesellschaften erbringt9. Alternativ begründet der BFH die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr durch die Ausübung der einheitlichen Leitung über mindestens zwei abhängige Gesell- schaften10. Darüber hinaus muss die Ausübung der Konzernleitung durch äußere Merkmale, wie z.B. schriftliche Richtlinien und Weisungen, erkennbar sein11.
Die dem Organträger untergeordnete Organgesellschaft muss gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG eine Europäische Gesellschaft, eine Aktiengesellschaft, nachfolgend AG genannt, oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, nachfolgend KGaA genannt, mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz innerhalb der EU oder des EWR. Nach § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberlei- tung. Dieser ist der Ort, an dem die Geschäftsführung zentrale und bedeutsame Maßnahmen anordnet12. Durch die Berücksichtigung der Europäischen Gesellschaft im Gesetzestext ist die Societas Europaea als Organgesellschaft ebenfalls geeignet.
Laut § 17 KStG kann die Organgesellschaft auch die Rechtsform einer anderen Kapitalgesellschaft haben. Folglich ist neben einer AG, KGaA und SE auch eine GmbH als Organgesellschaft geeignet. Die in § 5a GmbHG geregelte Unternehmer- gesellschaft (haftungsbeschränkt) ist eine vereinfachte Form der GmbH und ist ebenfalls zulässig.
Das Kriterium der Gewerblichkeit wird bei Organgesellschaften im Gesetz nicht berücksichtigt, da nach § 8 Abs. 2 KStG die erzielten Einkünfte der Organgesellschaften ohnehin kraft Rechtsform gewerblich sind. Daher kann sich die Tätigkeit einer Organgesellschaft auf die Vermögensverwaltung beschränken13.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. galt der doppelte Inlandsbezug, der vorschrieb, dass eine Organgesellschaft sowohl ihre Geschäftsleitung als auch ihren Sitz im Inland haben musste. Diese Vorschrift verstieß jedoch gegen die Niederlassungs- freiheit des Art. 49 AEUV, da hierdurch ausländische Gesellschaften diskriminiert wurden14. Mit Inkrafttreten des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG n.F. ist diese Bedingung entsprechend angepasst worden. Jedoch können Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz in einem Drittland haben, weiterhin keine Organgesellschaft sein. Durch die Neufassung können alle nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften, die den deutschen Kapitalgesellschaften entsprechen, Organgesellschaften werden, sofern sie ihre Geschäftsleitung in Deutschland und ihren Sitz in einem EU- bzw. EWR-Land haben. Diese Kapitalgesellschaften unterliegen gemäß § 17 Satz 1 KStG ebenfalls den Vorschriften der §§ 14 bis 16 KStG.
Kapitalgesellschaften, die nach § 5 KStG steuerbefreit sind, sind als Organgesell- schaften geeignet, da ihre Einkommen aufgrund der Steuerbefreiung auch ohne bestehendes Organschaftsverhältnis unbesteuert bleiben15. Folglich wird die
Steuerlast des Organträgers nicht beeinflusst. Somit steht der Eignung von steuerbefreiten Kapitalgesellschaften als Organgesellschaft nichts entgegen.
Personengesellschaften sind nicht als Organgesellschaften zulässig, da ihre Gewinne den einzelnen Gesellschaftern direkt zugerechnet werden. Nach der Auffassung des BFH kann auch eine GmbH & Co. KG keine Organgesellschaft sein, obwohl eine Beteiligung einer Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesell- schafter vorliegt16.
Eine Vorgründungsgesellschaft ist nach h.M. nicht als Organgesellschaft zulässig, da sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder OHG ist und damit zu den Personengesellschaften zählt17.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die persönlichen Voraussetzungen an einen Organträger von denen einer Organgesellschaft abweichen. Als Organträger sind Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG, natürliche Personen und Personengesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Organträger geeignet, sofern sie den Tatbestand eines gewerblichen Unternehmens erfüllen und die Beteiligung an der Organgesellschaft während der gesamten Organschaftsdauer einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet ist.
Als Organgesellschaften sind hingegen nur Kapitalgesellschaften i.S.d. §§ 14 und 17 KStG zulässig, die ihre Geschäftsleitung im Inland und ihren Sitz in einem EUbzw. EWR-Land haben.
2.1.2 Sachliche Voraussetzungen
Neben den o.g. persönlichen Voraussetzungen sind zusätzlich sachliche Voraus- setzungen für das Bestehen einer Organschaft zu erfüllen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 KStG sind zentrale Voraussetzungen für das Vorliegen eines gültigen Organschaftsverhältnisses die finanzielle Eingliederung, die zeitliche Voraussetzung sowie das Bestehen eines handels- und steuerrechtlich anerkannten Gewinnabführungsvertrages.
Mit Inkrafttreten des StSenkG vom 23.10.2000 sind die Kriterien der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung als sachliche Voraussetzungen der körper- schaftsteuerlichen Organschaft weggefallen. Damit weichen die sachlichen Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft von denen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ab. Laut § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG liegt eine finanzielle Eingliederung vor, wenn der Organträger an der Organgesellschaft mehrheitlich beteiligt ist. Eine Mehrheitsbeteiligung liegt demnach vor, wenn die Mehrheit der Stimmrechte eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen zusteht. Im Vordergrund steht somit die Ausübung beherrschenden Einflusses. Die einfache Stimmrechtsmehrheit reicht hierzu aus, sofern im Gesellschaftsvertrag diesbezüglich keine Sonderregelungen getroffen wurden18.
Das Gesetz stellt dabei nicht auf die Beteiligungshöhe, sondern auf die Höhe der Stimmrechte ab. Durch Mehrfachstimmrechte oder stimmrechtslose Aktien können beide Größen voneinander abweichen, sodass eine Mehrheit der Stimmrechte auch bei einer Beteiligungsquote von weniger als 50 % vorliegen kann. Gemäß § 16 Abs. 3 AktG ist diese erlangt, wenn der Quotient aus dem Verhältnis von Zahl der Stimm- rechte an der Gesamtzahl der Stimmrechte größer als 50 % ist. Ist die Organgesell- schaft in Besitz eigener Anteile, so bleiben die damit verbundenen Stimmrechte unberücksichtigt, indem sie von der Gesamtzahl der Stimmrechte abgezogen werden.
Um unmittelbar mehrheitsbeteiligt zu sein, muss der Organträger wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO der Anteile sein, die die Stimmrechtsmehrheit voraussetzt19.
Neben der oben beschriebenen unmittelbaren Beteiligung ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG auch eine mittelbare Beteiligung zu berücksichtigen, wenn sie dem Organträger über vermittelnde Gesellschaften die Mehrheit der Stimmrechte an einer Untergesellschaft gewährt. Eine vermittelnde Gesellschaft kann neben einer Kapitalgesellschaft auch eine Personengesellschaft sein20.
Bei mittelbaren Beteiligungen kann die Bestimmung der Höhe der Stimmrechte nach der Durchrechnungsmethode oder nach der Additionsmethode erfolgen. Bei der Durchrechnungsmethode werden die Stimmrechtsanteile entlang der Beteiligungskette multipliziert21. Im Rahmen der Additionsmethode werden die unmittelbar an der potentiellen Organgesellschaft gehaltenen Stimmrechtsanteile mit den mittelbaren Stimmrechtsanteilen, die von den vermittelnden Gesellschaften gehalten werden, in voller Höhe summiert22. Dabei muss der Organträger bei Anwendung dieser Methodik die Stimmrechtsmehrheit an jeder dieser vermittelnden Gesellschaft innehaben, damit eine Zusammenrechnung möglich ist23. Zur finanziellen Eingliederung der beteiligten Gesellschaft muss das Ergebnis des ausgewählten Rechenverfahrens größer als 50 % sein.
Strittig ist, welche Methodik zur Berechnung heranzuziehen ist. Während die Finanzverwaltung die Durchrechnungsmethode favorisiert24, wird nach h.M. die Anwendung der Additionsmethode bevorzugt25.
Eine durch mittelbare Beteiligungen ermöglichte Organschaft gilt es von einer Organschaftskette zu unterscheiden26. Letztere ist eine Konstellation, bei der mehrere Organschaftsverhältnisse vorliegen. Existiert bspw. eine Organbeziehung zwischen Enkel- und Tochtergesellschaft, während zusätzlich ein Organschafts- verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft besteht, liegt eine Organschaftskette vor. In diesem Beispiel würde das Einkommen der Enkelgesell- schaft der Tochtergesellschaft zugerechnet werden, wobei dessen Einkommen wiederum der Muttergesellschaft zugeordnet wird. Folglich besteht bei einer Organ- schaftskette die Organschaft aufgrund unmittelbarer Beteiligungen.
Neben der genannten unmittelbaren und mittelbaren finanziellen Eingliederung gilt es zusätzlich die zeitlichen Voraussetzungen zu erfüllen.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG muss die Organgesellschaft von Beginn ihres Wirtschaftsjahres ununterbrochen in die Unternehmung des Organträgers finanziell eingegliedert sein. Gleiches gilt bei Vorliegen eines Rumpfwirtschaftsjahres27. Eine Unterbrechung der finanziellen Eingliederung innerhalb des laufenden Wirtschaftsjahres gilt als schädlich und führt zu einer Beendigung des Organschaftsverhältnisses28. Die Umwandlung einer mittelbaren Beteiligung in eine unmittelbare oder umgekehrt ist nach Ansicht des BMF zulässig, sofern der Organträger gleich bleibt29.
Besonders bei Veräußerungen gilt es die Erfüllung der ununterbrochenen finanziellen Eingliederung als Voraussetzung zur Begründung eines Organschafts- verhältnisses zu betrachten. Veräußert der Organträger eine Mehrheitsbeteiligung einer finanziell eingegliederten Gesellschaft zum Ende des Wirtschaftsjahres an ein anderes gewerbliches Unternehmen, vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die finanzielle Eingliederung bis zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums um Mitternacht des letzten Tages des laufenden Geschäftsjahres bestehen muss, damit eine Organbeziehung zwischen Organträger und zu veräußernder Organgesellschaft für dieses Wirtschaftsjahr anzuerkennen ist. Gleichzeitig wird dadurch sichergestellt, dass das Kriterium der finanziellen Eingliederung zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses zwischen der veräußerten Gesell- schaft und dem Erwerber ebenfalls erfüllt ist. Bei unterjährigen Veräußerungen und Vorliegen einer amtlichen Genehmigung nach § 7 Abs. 4 Satz 3 KStG ist das Ende des Wirtschaftsjahres auf den Zeitpunkt der Veräußerung umzustellen. Die finanzielle Eingliederung endet dann mit Ende des entstandenen Rumpfwirtschafts- jahres30.
Neben der zeitlichen Voraussetzung der finanziellen Eingliederung ergibt sich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG eine weitere zeitliche Erfordernis für die Organgesellschaft. Demnach muss die Gesellschaft ununterbrochen einer inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO zuzuordnen sein. Bei gleicher Auslegung der o.g. Folgen einer Unterbrechung, stellt eine unterjährige Änderung der Zuordnung eine schädliche Handlung dar und führt zur sofortigen Beendigung des Organschaftsverhältnisses31.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG ist Grundlage für die Begründung einer Organschaft die vertragliche Verpflichtung der Organgesellschaft zur Abführung ihrer Gewinne an den Organträger. Somit ist neben den genannten Bedingungen das Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG eine weitere zentrale Voraussetzung. Damit ein Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 AktG zivilrechtlich anerkannt wird, muss er einigen aktienrechtlichen Voraussetzungen entsprechen. Erfüllt er diese, ist er ebenfalls steuerlich anzuerkennen32. Zum einen ist der Vertrag nach § 293 Abs. 3 AktG schriftlich abzuschließen. Die Hauptversammlung der abführenden Organgesellschaft muss diesem gemäß § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen. Zum anderen bedarf es nach § 294 Abs. 1 AktG zum Erlangen seiner Wirksamkeit der Eintragung des Vertrages ins Handels- register. Ein abgeschlossener Vertrag ist bis zur Eintragung schwebend unwirksam33. Folglich entscheidet der Eintragungszeitpunkt über die Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrages34.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG muss der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen werden und während dieser Zeit ununter- brochen durchgeführt werden. Dabei gilt es die Vorgabe nach der Auffassung der Finanzverwaltung nach Zeitjahren auszulegen35. Der BFH folgt dieser Auslegung und erklärte, dass die zeitliche Durchführung auf mindestens 60 Monate festzulegen ist36. Die Umstellung eines Wirtschaftsjahres einer Organgesellschaft nach Abschluss eines auf fünf Jahre ordnungsgemäß vereinbarten Vertrages ist nicht schädlich für die steuerliche Anerkennung, obwohl durch das entstandene Rumpfwirtschaftsjahr der Gesamtzeitraum von fünf Zeitjahren nicht mehr erreicht werden kann37. Dieser wird im Extremfall auf eine Laufzeit von vier Jahren und einem Tag reduziert. Folglich resultiert aus der Rechtsprechung des BFH die Möglichkeit die ununterbrochene Durchführung des Gewinnabführungsvertrages entsprechend zu verkürzen.
Mit Wirksamwerden des Vertrages ist das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnen. Daraus resultiert als logische Konsequenz, dass handelsrechtliche Jahresfehlbeträge ebenfalls dem Organträger zuzuordnen sind und von diesem im Rahmen der Verlustübernahme i.S.d. § 302 AktG auszugleichen sind. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes wäre es zutreffender, den Begriff des Ergebnisabführungsvertrages zu verwenden.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG ist der Ergebnisabführungsvertrag tatsächlich während seiner gesamten Geltungsdauer durchzuführen. Hierzu ist auf Organgesellschaftsebene für einen abzuführenden Gewinn eine Verbindlichkeit zu passivieren, während beim Organträger eine Forderung zu aktivieren ist. Der alleinige Bilanzausweis reicht jedoch nicht aus, stattdessen muss eine zeitnahe Erfüllung erfolgen38. Ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Verzicht auf die Forderung, bei Gewinnabführung seitens Organträger oder bei Verlustübernahme seitens Organgesellschaft, führt hingegen zur Nichtdurchführung des Ergebnisabführungs- vertrages und zur Beendigung des Organschaftsverhältnisses39.
[...]
1Vgl. Danelsing in Blümich: EStG-KStG-GewStG, § 14 KStG Rz. 1
2 Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 721
3Vgl. BFH, Urteil vom 13.09.1989, I R 110/88, BStBl II 1990, S. 24
4Vgl. BMF, Schreiben vom 10.11.2005, IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl I 2005, S. 1038
5 Vgl. BFH, Urteil vom 24.07.2013, I R 40/12, BStBl II 2014, S. 272
6 Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 110
7 Vgl. Kirchner et al: Holding und Beteiligung, S.67, 2009
8 Vgl. BFH, Urteil vom 15.04.1970, I R 122/66, BStBl II 1970, S. 554
9 Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 146
10Vgl. BFH, Urteil vom 17.12.1969, I 252/64, BStBl II 1970, S. 257
11 Vgl. BFH, Urteil vom 17.09.2003, I R 95, 98/01, BFH/NV 2004, S. 808
12Vgl. BFH, Urteil vom 16.12.1998, I R 138/97, BStBl II 1999, S. 437
13Vgl. BFH, Urteil vom 21.01.1970, I R 90/67, BStBl II 1970, S. 348
14Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 17 KStG Rz. 8
15 Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 184
16Vgl. BFH, Urteil vom 07.03.1973, I R 119/71 BStBl II 1973, S. 562
17 Vgl. Stangl/ Winter: Organschaft 2013/ 2014, S. 85, Rz. 71, 2014
18Vgl. Stangl/ Winter: Organschaft 2013/ 2014, S. 81, Rz. 85, 2014
19Vgl. Kolbe in Herrmann/ Heuer/ Raupach: EStG-KStG-Kommentar, § 14 KStG Anm. 102
20Vgl. R 57 Satz 4 KStR 2004
21 Vgl. Brink in Schnitger/ Fehrenbacher: Kommentar KStG, § 14 Rz. 159, 2012
22Vgl. Danelsing in Blümich: EStG-KStG-GewStG, § 14 KStG Rz. 76
23Vgl. Schumacher: Die Organschaft im Steuerrecht, S. 51, 2014
24Vgl. R 57 KStR 2004, Beispiel 3
25Vgl. Danelsing in Blümich: EStG-KStG-GewStG, § 14 KStG Rz. 84
26Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 230
27Vgl. R 59 Abs. 1 Satz 3 KStR 2004
28Vgl. Danelsing in Blümich: EStG-KStG-GewStG, § 14 KStG Rz. 87
29 Vgl. BMF, UmwStErl. vom 11.11.2011, IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl I 2011, S. 1314
30Vgl. R 59 Abs. 2 Satz 1 bis 3 KStR 2004
31Vgl. Kolbe in Hermann/ Heuer/ Raupach: EStG-KStG-Kommentar, §14 KStG Anm. 190
32 Vgl. BFH, Urteil vom 22.10.2008, I R 66/07, BStBl II 2009, S. 972
33Vgl. Danelsing in Blümich: EStG-KStG-GewStG, § 14 KStG Rz. 103, 2013
34Vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 13.12.2007 6 K 411/07, EFG 2008, S. 885
35Vgl. R 60 Abs. 2 KStR 2004
36Vgl. BFH, Urteil vom 12.01.2011. I R 3/10. BStBl II 2011, S. 727
37Vgl. BFH, Urteil vom 13.11.2013 I R 45/12, BStBl II 2014, S. 486
38Vgl. Dinkelbach: Ertragsteuern, S. 431, 2015
39 Vgl. Frotscher in Frotscher/ Maas: KStG/ GewStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 451
- Quote paper
- Fabian Lauche (Author), 2016, Körperschaftsteuerliche Organschaft unter schwerpunktmäßiger Betrachtung inner- und vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342758
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