Auch mit seinem sechsten Roman landet Houellebecq einen für Aufruhr sorgenden Bestseller, der beinahe die Nation spaltet. Diesmal steht eine der größten Ängste eines stetig wachsenden Teils der konservativen französischen Bevölkerung im Mittelpunkt des Romans: Die Islamisierung des (Abend-)Landes. Die politische Fiktion zeichnet das Bild einer sukzessive erwachsenden islamischen Republik Frankreich und hinterfragt die französisch-okzidentale Identität grundlegend. Soumission erscheint am 7. Januar 2015 und wird von dem tragischen Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo, auf deren Titelseite an diesem Tag eine Houellebecq-Karikatur figuriert, überschattet. Durch das Zusammenfallen mit dem islamistisch motivierten Attentat und durch die in der Vergangenheit von Houellebecq getätigten islamfeindlichen Aussagen verstärkt, entsteht eine explosive Mischung. Wie ein Damoklesschwert schwebt der Vorwurf der Islamophobie über dem Werk. Die Meinungen der Kritiker schwanken zwischen einem ernstzunehmendem Islampamphlet und einer rein satirischen Provokation.
Wo ist Soumission im Spannungsfeld zwischen einer auf der Realität fußenden Antizipation und einer fiktiven Nachgegenwartsutopie zu situieren? Um dieser zentralen Frage nachzugehen, muss zuerst dem Entstehungskontext des Romans Rechnung getragen werden. Dazu erfolgt ein summarischer Einblick in die politische und soziokulturelle Lage Frankreichs zum Erscheinungszeitpunkt des Romans. Besondere Beachtung erfahren aufgrund der Romanthematik dabei der Islam sowie die muslimische Bevölkerung. Schließlich soll untersucht werden, wie es dem Autor im Rahmen seines Zukunftsszenarios gelingt, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschmelzen zu lassen. Dazu wird einerseits das houellebecqsche Literaturverständnis (in realistisch-naturalistischer Tradition) herausgearbeitet, aber auch auf diejenigen Realitätsbezüge verwiesen, welche nahelegen, Soumission als realistische Erzählung zu rezipieren. Dabei wird auch auf die Rolle Huysmans und die emblematische Funktion des Romans für das kontemporäre Frankreich verwiesen. Im Anschluss daran wird die Frage aufgeworfen, inwiefern es sich bei dem Roman um eine realitätsnahe literarische Antizipation oder gar um eine Prophezeiung handelt. Andererseits werden jedoch auch diejenigen Elemente in den Blick genommen, welche Soumission vielmehr als eine fiktive Nachgegenwartsutopie mit sowohl eutopischen als auch dystopischen Elementen erscheinen lassen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entstehungskontext des Romans
- Soumission: Zwischen Antizipation und Nachgegenwartsutopie
- Das Romangeschehen
- Modellierung der Realität und Referenzialität
- Bezüge zum Realismus und Naturalismus
- Authentifizierungsstrategien: Dokumentation und Recherche
- Verweise auf die Gegenwart
- Mise en abyme: Huysmans
- Bezüge zur Situation des kontemporären Frankreichs/Europas
- Antizipation und der Aspekt des Prophétisme littéraire
- Im Frühwerk
- Soumission als visionärer Vorgriff
- Soumission - eine Nachgegenwartsutopie?
- Fiktive Elemente und Fiktionalisierung der Realität
- Hybridstellung zwischen Eutopie und Dystopie
- Houellebecqs literarisches Spiel
- Das 'Spiel' mit den Ängsten der Bevölkerung
- Skandalpotenzial: Provokation und Satire
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit Michel Houellebecqs Roman „Soumission“ und analysiert dessen Bedeutung im Kontext der französischen Gesellschaft und Kultur. Ziel ist es, die komplexe Beziehung zwischen Antizipation, Nachgegenwartsutopie und realitätsbezogener Fiktion im Werk zu untersuchen.
- Die Rolle der Islamisierung in der französischen Gesellschaft
- Die Frage nach der Identität und Zukunft Europas
- Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion in der Literatur
- Die literarische Strategie der Provokation und Satire
- Die Rezeption des Romans in der Öffentlichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Michel Houellebecq als einen der wichtigsten und zugleich umstrittensten französischen Schriftsteller vor und gibt einen ersten Einblick in die Thematik des Romans „Soumission“. Das zweite Kapitel beleuchtet den Entstehungskontext des Romans und betrachtet die politische, soziale und kulturelle Situation Frankreichs zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Das dritte Kapitel analysiert den Roman selbst und untersucht die vielfältigen Aspekte der Antizipation und der Nachgegenwartsutopie in Houellebecqs Werk. Hier werden die fiktiven Elemente des Romans mit realen Bezügen verknüpft und die literarischen Strategien des Autors beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Romans „Soumission“ lassen sich mit den Schlüsselbegriffen Islamisierung, Identität, Antizipation, Nachgegenwartsutopie, Provokation, Satire und Fiktion beschreiben. Die Arbeit befasst sich mit der komplexen Wechselwirkung dieser Themen und beleuchtet die Rolle Houellebecqs als politischer und gesellschaftlicher Provokateur.
- Quote paper
- Gina Hölzel (Author), 2016, Michel Houellebecqs "Soumission". Antizipation und Nachgegenwartsutopie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342688