Ökonomie und Vertrauen, zwei aufeinander prallende konträre Welten oder harmonische und nutzenstiftende Kombination? Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Konstrukt des Vertrauens im ökonomischen Kontext. Den Kern der Betrachtung bildet das Self-Pricing-Konzept. Von besonderem Interesse ist die Frage, wie es funktioniert und welche Faktoren beachtet werden müssen, damit dieses Konzept erfolgreich eingesetzt werden kann. Was bringt Menschen dazu freiwillig mehr zu zahlen, als unbedingt notwendig in Zeiten, in denen die "Schnäppchenmentalität" vorherrscht und "Geiz-ist-geil"zur gesellschaftsfähigen Handlungsmaxime aufgestiegen ist? Die wissenschaftliche Erörterung dieser Fragestellung wird durch das Kapitel zum Vertrauen speziell in der Ökonomie abgebildet. Vertrauen bildet die Basis einer jeden menschlichen Interaktion und ist allgegenwärtiger Bestandteil der Gesellschaft. Wie verhalt es sich mit dem menschlichen Urinstinkt Vertrauen aber in der Wirtschaft, wo Gewinnmaximierung und Kalkül dominieren? Vertrauen wird definiert als subjektive Überzeugung der Richtigkeit bzw. Wahrheit von Handlungen und Einsichten eines anderen oder von sich selbst (Selbstvertrauen). Zum Vertrauen gehört auch die Überzeugung der Möglichkeit von Handlungen und der Fähigkeit zu Handlungen. Vertrauen zwischen zwei Personen beruht meist auf Gegenseitigkeit. Fragen des Vertrauens beruhen oft auch auf gegenseitigem Verstehen und auf früheren Handlungen. Diese Art von Vertrauen bietet oft Vorteile. Über längere Sicht betrachtet gewinnen Strategien, die auf Vertrauen basieren und zu Kooperation fuhren, mehr, als Strategien, die auf Misstrauen beruhen. Kann im Kontext der Ökonomie noch von Vertrauen im beschriebenen, eigentlichen Sinn gesprochen werden, oder handelt es sich nur noch um ein künstliches Gebilde, das dem ursprünglichen Vertrauen ähnelt? Eine Art Skelett, das die Vorteile des Vertrauens für wirtschaftliche Interaktionen nutzbar macht ohne eine wirkliche Vertrauensbasis zu schaffen?
Im Anschluss an die Analyse des Vertrauens in der Ökonomie werden zwei Unternehmen vorgestellt, die entgegen den Annahmen der klassischen Theorie erfolgreich mit dem Self-Pricing-Konzept arbeiten. Zwei Unternehmen, die sich sowohl konzeptionell, als auch geographisch stark unterscheiden. Zum einen das Vier-Sterne-Wellnesshotel im idyllischen Sasbachwalden in Mitten des Schwarzwaldes und zum anderen die Drehbuchautorenschule Ars-Dramatica in der urbanen Metropole Berlin.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Vertrauen als ökonomische Dimension
2.1 Existenz von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit
2.2 Vertrauen aus Gefühl und Kalkül
2.3 Vertrauen in der Ökonomie – ein Widerspruch?
2.3.1 Gefangenendilemma im Zeichen des Vertrauens
2.3.2 Principal-Agent-Problematik als Trust Game
2.3.3 Paradoxon des Vertrauens in einer Pricipal-Agent-Beziehung
2.4 Verringerung von Transaktionskosten durch Vertrauen
2.5 Vertrauen als soziales Kapital
2.6 Lohnt sich eine Investition in Vertrauen?
3 Self-Pricing Feldstudien
3.1 Hotel & Restaurant Wagner’s Tannenhof
3.1.1 Konzeption und Philosophie des Wagner’s Tannenhof und die Entstehung des Self-Pricing-Konzepts
3.1.2 Medienresonanz
3.1.2.1 Entwicklung der Pressebeiträge von Juli 2002 bis April 2004
3.1.2.2 TV- und Radiobeiträge
3.1.2.3 Resümee aus den Medienauftritten
3.1.3 Resonanz der Gäste und Zahlungsmoral
3.1.4 Umsatzentwicklung und Zimmerbelegung
3.1.5 Taktische und strategische Ausrichtung des Geschäftsmodells
3.1.6 Reaktionen und Visionen der Gemeinde Sasbachwalden im Rahmen des Self-Pricing-Modells
3.2 Akademie für dramatisches Erzählen Ars Dramatica
3.2.1 Konzeption und Produktportfolio der Ars Dramatica
3.2.2 Entstehung und Umsetzung des Self-Pricing-Konzeptes
3.2.3 Resonanz auf das neue Preismodell und Zahlungsmoral
3.2.4 Strategische Ausrichtung der Ars Dramatica
4 Spieltheoretische Konzepte und experimentelle Befunde unter dem Einfluss menschlicher Eigenschaften
4.1 Kritische Betrachtung der Eigennutz-Hypothese am Beispiel des Bargainig
4.1.1 Ansatz I: Subjektive vs. objektive Spielauffassung der Agenten
4.1.2 Ansatz II: Spielereinstellungen und -erwartungen im Kontext der Dynamik
4.1.3 Ansatz II: Soziale Attribute als additives Spielerkalkül
4.2 Reziprozität und Rationalität im Fokus der experimentellen Ökonomie
4.2.1 Positive und negative Reziprozität
4.2.1.1 Negative Reziprozität: Das Ultimatumsspiel
4.2.1.2 Positive Reziprozität: Das Gift-Exchange Spiel
4.2.1.3 Diktator-Spiel – ein Spiel ohne Reziprozität?
4.2.2 Alter und die Entwicklung von Reziprozität und Vertrauen
4.2.3 Rationalität in Entscheidungsprozessen: individuelles vs. Gruppenverhalten
4.2.3.1 Widersprüche in der experimentellen Ökonomie
4.2.3.2 Gründe für die heterogene Struktur der Ergebnisse
4.2.3.3 Befunde zum Grad der Rationalität in Entscheidungsprozessen
4.2.3.4 Resümee aus den Forschungsergebnissen und Implikationen für die Feldstudien
4.2.4 Kritische Beurteilung des Experimentaldesigns
4.3 Theorien der Fairness
4.3.1 Die Quelle der Fairness: Absichten oder Resultate?
4.3.2 Kritische Beurteilung der Fairnesstheorien
4.3.3 Anwendung der Fairnesstheorien auf die Feldstudien
5 Soziale Normen
5.1 Soziale Normen in der wissenschaftlichen Theorie
5.2 Evolution Sozialer Normen
5.3 Bedeutung sozialer Normen für die Feldstudien
6 Ausblick
7 Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Vertrauensbeziehung als Principal-Agent-Beziehung
Abbildung 2: Übersicht zu Formaten der veröffentlichten Beiträge
Abbildung 3: Anzeigenpreise Printmedien
Abbildung 4: Veröffentlichungen per TV oder Radio in den Jahren 2002 und 2004
Abbildung 5: Spot Bilanz 2000
Abbildung 6: Umsatzentwicklung Wagner's Tannenhof
Abbildung 7: Zimmerbelegung Wagner's Tannenhof detailliert im Vergleich
Abbildung 8:Zimmerbelegung Wagner's Tannenhof
Abbildung 9: Zahlungsverhalten in der Ars Dramatica
Abbildung 10: Akzeptanzwahrscheinlichkeit im Ultimatum Spiel mit Intentionen und ohne Intentionen in Abhängigkeit von der Angebotshöhe
Abbildung 11: Aufwandsentscheidung in Abhängigkeit des gezahlten Lohnes, gegebenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten= 2 und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten= 0,2
1 Einleitung
Ökonomie und Vertrauen – zwei aufeinander prallende konträre Welten oder harmonische und nutzenstiftende Kombination? Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Konstrukt des Vertrauens im ökonomischen Kontext. Den Kern der Betrachtung bildet das Self-Pricing-Konzept. Von besonderem Interesse ist die Frage, wie es funktioniert und welche Faktoren beachtet werden müssen, damit dieses Konzept erfolgreich eingesetzt werden kann. Was bringt Menschen dazu freiwillig mehr zu zahlen, als unbedingt notwendig in Zeiten, in denen die „Schnäppchenmentalität“ vorherrscht und „Geiz-ist-geil“ zur gesellschaftsfähigen Handlungsmaxime aufgestiegen ist? Die wissenschaftliche Erörterung dieser Fragestellung wird durch das Kapitel zum Vertrauen speziell in der Ökonomie abgebildet. Vertrauen bildet die Basis einer jeden menschlichen Interaktion und ist allgegenwärtiger Bestandteil der Gesellschaft. Wie verhält es sich mit dem menschlichen Urinstinkt Vertrauen aber in der Wirtschaft, wo Gewinnmaximierung und Kalkül dominieren? Vertrauen wird definiert als subjektive Überzeugung der Richtigkeit bzw. Wahrheit von Handlungen und Einsichten eines anderen oder von sich selbst (Selbstvertrauen). Zum Vertrauen gehört auch die Überzeugung der Möglichkeit von Handlungen und der Fähigkeit zu Handlungen. Vertrauen zwischen zwei Personen beruht meist auf Gegenseitigkeit. Fragen des Vertrauens beruhen oft auch auf gegenseitigem Verstehen und auf früheren Handlungen. Diese Art von Vertrauen bietet oft Vorteile. Über längere Sicht betrachtet gewinnen Strategien, die auf Vertrauen basieren und zu Kooperation führen, mehr, als Strategien, die auf Misstrauen beruhen. Kann im Kontext der Ökonomie noch von Vertrauen im beschriebenen, eigentlichen Sinn gesprochen werden, oder handelt es sich nur noch um ein künstliches Gebilde, das dem ursprünglichen Vertrauen ähnelt? Eine Art Skelett, das die Vorteile des Vertrauens für wirtschaftliche Interaktionen nutzbar macht ohne eine wirkliche Vertrauensbasis zu schaffen?
Im Anschluss an die Analyse des Vertrauens in der Ökonomie werden zwei Unternehmen vorgestellt, die entgegen den Annahmen der klassischen Theorie erfolgreich mit dem Self-Pricing-Konzept arbeiten. Zwei Unternehmen, die sich sowohl konzeptionell, als auch geographisch stark unterscheiden. Zum einen das Vier-Sterne-Wellnesshotel im idyllischen Sasbachwalden in Mitten des Schwarzwaldes und zum anderen die Drehbuchautorenschule Ars-Dramatica in der urbanen Metropole Berlin. Die Unternehmen und ihre Arbeit mit dem Self-Pricing-Konzept werden in Form von Feldstudien präsentiert. Die Feldstudien werfen im Rahmen der problemgetriebenen Vorgehensweise eine Vielzahl von Fragen auf, die die nachfolgenden Kapitel beantworten sollen.
Zunächst werden spieltheoretische Konzepte und experimentelle Befunde präsentiert, die das beobachtete Verhalten detailliert analysieren und später konkret erklären helfen. Die Spieltheorie bildet hierbei den theoretisch-wissenschaftlichen Kern, allerdings werden fast ausnahmslos in allen Untersuchungen angrenzende Disziplinen (z.B. Psychologie) in die Betrachtungen mit eingeflochten. Eine ausschließliche spieltheoretische Untersuchung im konservativen bzw. klassischen Sinne würde besonders aktuellen bzw. aktuellsten Forschungsergebnissen nicht gerecht werden.
Im Anschluss daran widmet sich die Arbeit den sozialen Normen und ihrem Einfluss auf das menschliche Handeln. Sind es womöglich erst die im Laufe eines Lebens erlernten sozialen Normen, die für das Funktionieren des Self-Pricing-Konzeptes verantwortlich gezeichnet werden können? Der anschließende Ausblick zeigt bestehenden Forschungsbedarf und wirft weiterführende interessante Fragen auf.
2 Vertrauen als ökonomische Dimension
Die Bedeutung von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit als erklärende Faktoren ökonomischen Verhaltens sind unbestritten. Sie sind von fundamentalem Wert für die ökonomische Wohlfahrt: Sie ermöglichen sowohl monetäre als auch temporale Ersparnisse beim Aufsetzen und Verhandeln von Verträgen und bilden die notwendige Voraussetzung für die Existenz von Märkten. Sie erklären die Verbreitung von Ehrlichkeit durch das Etablieren sozialer Sicherheitsnetze. Erst durch die Existenz von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit sind routinierte Abläufe, wie z.B. das Zahlen in einem Restaurant nach dem Verzehr einer Mahlzeit, sämtliche Aktivitäten an einer Börse, sowie die generelle Akzeptanz von formlosen Versprechen im Handel möglich. [vgl. Bacharach 2001a, S.1] Unter ökonomischen Aspekten konstituiert Vertrauen soziales Kapital (siehe Kapitel 2.4). Man stelle sich z.B. eine Werbeagentur vor, die einen Kunden schon mehrere Jahre betreut. Eine solche geschäftliche Bindung ist durch Vertrauen geprägt, das sich über die Dauer der Zusammenarbeit etabliert hat. Der Kunde kennt die Arbeitsweise der Agentur, er weiß, dass sie seine Marke, sein Produktportfolio und sein Konkurrenzumfeld kennt. Er weiß aus der Vergangenheit, dass die Agentur zuverlässig und termingerecht arbeitet und seine Anliegen vertraulich behandelt. Besonders der Aspekt des vertraulichen Behandelns von Kunden-Interna spielt eine wichtige Rolle. Der Kunde muss sich sicher sein, dass bspw. zukünftig geplante Produktinnovationen nicht an die Presse oder an Konkurrenten weiter getragen werden. Die Agentur wiederum kennt die Ansprüche des Kunden und seine Arbeitsweise. Sie ist über die Struktur des Unternehmens und die Prozesse informiert und kann entsprechend agieren. Besonders bei Kunden aus dem Konzernbereich (z.B. Mercedes Benz, Coca-Cola usw.) bedarf es hierzu einer langfristigen Zusammenarbeit. Würde der gleiche Kunde eine neue Agentur beauftragen, so würden durch das noch nicht vorhandene Vertrauen erhebliche Kosten entstehen. Denkbar sind hier z.B. Vertragsanbahnungs-, Verhandlungs- und Kontrollkosten. Der Kunde müsste seine Unternehmensphilosophie erneut detailliert gegenüber der Agentur darstellen, und die Agentur müsste die Qualität ihrer Arbeit im Vorfeld aufwendig und kostenintensiv belegen. Eine langfristige Geschäftsbeziehung ist hingegen von guter gegenseitiger Kenntnis und damit einhergehendem Vertrauen geprägt und allein dadurch lässt sich die Effizienz der Zusammenarbeit erheblich steigern. Vertrauen ist ein zentraler Baustein einer jeden (Geschäfts-) Beziehung. Trotz der Zentralität von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit bei ökonomischen Aktivitäten und ihrer heute weit verbreiteten Wahrnehmung als solche, existieren viele Verwirrungen bezüglich der Frage, wie genau Vertrauen entsteht und sogar danach, was Vertrauen ist. [siehe Bacharach 2001a, S.2-25]
Vertrauen stellt einen elementaren Bestandteil zwischenmenschlicher Austausch-beziehungen dar und ist deshalb ein zentrales Thema der vorliegenden Arbeit. Ein charakteristisches Merkmal der Ökonomik ist die Ausdehnung auf nicht-marktliche Bereiche und somit auf angrenzende Nachbardisziplinen, wie z.B. die Soziologie, die Psychologie, die Moralphilosophie, die Rechtswissenschaften oder die Politologie. Dieser Umstand erschwert eine klare Abgrenzung "rein ökonomischer" Themen und eine alleinige Betrachtung der Ökonomie bzw. macht sie unmöglich. Oft wird unterstellt, moralische Prinzipien seien nicht mit wirtschaftlichem Handeln vereinbar (siehe Kapitel 2.2). Entsprechend schwer ist es in diesem Zusammenhang, Vertrauen unter ökonomischen Aspekten zu analysieren. [vgl. Rippberger 1998, S. 235]
Die folgenden Kapitel sollen die Stellung des Vertrauens innerhalb einer Ökonomie darlegen, und es soll gezeigt werden, wie dieser zunächst scheinbare Widerspruch überwunden werden kann. Die ökonomische Vorteilhaftigkeit von Vertrauen bei zwischenmenschlichen Austauschbeziehungen ergibt sich dann aus einer näheren Betrachtung seiner Funktion – danach ist „mehr Vertrauen in Vertrauen gerechtfertigt.“ [Rippberger 1998, S. 236]
2.1 Existenz von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit
In der Literatur existiert eine Vielzahl von Erklärungen zum Entstehen von Vertrauen. Hollis (1998) bettete in „Trust with Reasons“ Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit in den Rahmen der rationalen Entscheidungstheorie. Er kam zu dem Ergebnis, die beiden Konzepte seien irrational, unabhängig von dem sozialen Benefit, den sie generieren. Hardin (1991) untersuchte in „Trusting Persons, Trusting Institutions“ Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit unter rationalen Aspekten in wiederholten Strategien.
Bachara und Gambetta (2001b) erklärten in „Trust in Signs“, dass Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit das Produkt angeregter bzw. motivierter Eigenschaften seien und somit weder als rational noch als irrational einzustufen seien. Bachara und Gambetta vertreten die Meinung, dass Vertrauenswürdigkeit als ein Produkt aus der selbsterfüllenden Eigenschaft von Vertrauen hervorgeht. Damit wird die Tendenz beschrieben, Vertrauen zu erwidern, weil man glaubt, dass es einem entgegengebracht wurde. Die Existenz von gegenseitigem Vertrauen wurde von den beiden Autoren für den Bereich e-Business untersucht, ein spezifisches Geschäftsfeld mit hohen potentiellen Wohlfahrtsgewinnen bei unterstelltem Vertrauen. Bachara und Gambetta zeigen, dass Vertrauenswürdigkeit ein Ergebnis von der Erwiderung entgegengebrachten Vertrauens ist. [vgl. Bachara und Gambetta 2001b S. 10-16] Somit kann theoretisch die Vertrauenswürdigkeit erhöht werden, um Wohlfahrtsgewinne abzuschöpfen. Dieser Prozess wird durch ein glaubwürdiges Signal des Vertrauensgebers an den Vertrauensnehmer initiiert, wodurch der Vertrauensgeber seine Bereitschaft zu vertrauen anzeigt.
Die Autoren unterstellen, wie auch schon Hausman (1998), dass der Schlüssel zum Vertrauen in der Vertrauenswürdigkeit liegt. Wenn unterstellt wird, dass es vernünftig ist anzunehmen, dass Vertrauenswürdigkeit existiert, ist Vertrauen eine "Folgeerscheinung", da Vertrauen typischerweise die beste Reaktion auf diese Annahme ist. Die Frage die es zu beantworten gilt, ist, warum vernünftige Menschen diese Annahme der Vertrauenswürdigkeit hegen, obwohl in typischen Vertrauenssituationen vertrauenswürdiges Verhalten direkt im Zusammenhang mit materiellen Anreizen auftritt. [vgl. Bachara und Gambetta 2001b S. 2-10] Die verschiedenen Motivationen für Vertrauen und die sich daraus ableitende Frage ‚Ist es gerechtfertigt, bei ökonomischen Prozessen von Vertrauen zu sprechen?‘ werden in den nachfolgenden Kapiteln diskutiert.
2.2 Vertrauen aus Gefühl und Kalkül
Den meisten ökonomischen Modellen wird der Mensch als homo oeconomicus zu Grunde gelegt, also als rational handelnder Nutzenmaximierer. Rationales Verhalten manifestiert sich in der fortwährenden Maximierung einer unterstellten Nutzen-funktion. Rationalität im ökonomischen Sinne meint bewusst rationales Verhalten. Das bedeutet, dass ein Wirtschaftssubjekt unter Beachtung bestimmter Präferenzen unter mehreren Wahlmöglichkeiten stets diejenige auswählt, die seinen persönlichen Nutzen maximiert. In diesem Kalkül sind auch die sog. Opportunitätskosten enthalten, also die Kosten einer entgangenen Handlungsalternative. [vgl. Rippberger 1998, S. 237]
Der Einwand lautet, Vertrauen sollte nicht mit in das menschliche Kalkül ökonomischer Modelle eingebunden werden, da es mit dem Konstrukt des homo oeconomicus nicht vereinbar ist und eine ökonomische Betrachtung somit unmöglich macht. Diesem Einwand liegt eine differenzierte Definition von Vertrauen zu Grunde: ‚emotionales‘, ‚persönliches‘ Vertrauen einerseits und ‚strategisches‘, ‚kalkulierendes‘ Vertrauen andererseits. Also ‚Vertrauen aus Leidenschaft‘ getrennt vom ‚Vertrauen aus Handlungsmodalität‘, bzw. ‚affektives‘ und ‚kognitives‘ Vertrauen. Die Motivationen für diese Arten von Vertrauen sind also verschiedene: Emotionen contra Klugheitserwägungen. Emotional bedingtes Vertrauen basiert auf dem Glauben an ‚das Gute im Menschen‘ gestützt durch Moral und Integrität. Vertrauen aufbauend auf Klugheitserwägungen entspringt einem strategischen Kalkül, welches bei emotional bedingtem Handeln ausgeschlossen wird. [vgl. Dunn 1988, S. 74]
Persönliches Vertrauen begrenzen einige Autoren auf spezielle Formen zwischen-menschlicher Beziehungen, wie z.B. Familie, Freundschaft oder Beziehungen zwischen Liebenden. Also Bindungen, die durch Emotionen und nicht durch strategisches Kalkül geprägt sind. In der Konsequenz wird festgestellt, dass persönliches Vertrauen Kalkulation ausschließt und somit nicht mit ökonomischen Modellen vereinbar ist. In kalkulierendem Vertrauen wird ein in sich ruhender Widerspruch gesehen und somit der Ausschluss aus der ökonomischen Analyse gerechtfertigt. [vgl. Williamson 1993, S. 463]
Vertrauen ist ein Aspekt moralischen Handelns. Die Problematik hat ihren Ursprung in der Unsicherheit über die moralischen Werte eines anderen Menschen. Williamson bezeichnet die Enttäuschung auf der Ebene des persönlichen Vertrauens als demoralisierend, auf der Ebene des kalkulierten Vertrauens jedoch nicht. Emotional begründetes Vertrauen birgt demnach durchaus Moral in sich, kalkuliertes Vertrauens entsprechend nicht. Damit wird der Widerspruch zwischen Moral und ökonomischem Handeln klar herauskristallisiert. [vgl. Williamson 1993, S. 482]
Eine solche Polarisierung bezüglich der Moral wird auch vom Adam Smith vertreten. In seiner ‚Theorie der ethischen Gefühle‘ definiert Smith die Emotion der Sympathie als Basis der Moral. [siehe Smith 1759 (1985)] In ‚Wohlstand der Nationen‘ hingegen spricht er vom Eigennutz als Motor der Ökonomie. [siehe Smith 1776 (1974)] Kant schreibt Klugheitserwägungen ebenso einen egoistischen Antrieb zu. Nach Kant zielt die Selbstliebe „ab auf seinen eigenen Vorteil und ist ein eigensüchtiges Principium, wodurch unsere Sinne befriedigt werden. Es ist ein Principium der Klugheit.“ [Kant 1775 – 1785 (1991), S. 22]
2.3 Vertrauen in der Ökonomie – ein Widerspruch?
Wie bereits eingangs beschrieben, handelt es sich bei ökonomischen Interaktionen meist um den zwischenmenschlichen Austausch von knappen Ressourcen. Die Darstellung von Vertrauen als ein zentraler Bestandteil dieser Austauschbeziehung scheint also durchaus legitim. Allerdings wird genau diese Legitimation von den Gegnern einer ökonomischen Betrachtung des Vertrauens bestritten. Es wird die These aufgestellt, dass die ökonomische Vorteilskalkulation im Widerspruch zur Moral steht. Und somit darf Vertrauen nicht mit in die ökonomische Analyse eingebunden werden (siehe Kapitel 2.2). [vgl. Rippberger 1998, S. 262] Diese Auffassung basiert auf der Annahme, dass moralisches Handeln immer ein Selbstzweck, aber niemals ein Mittel zur Erringung eines eigenen Vorteils sein könne. Diese Ansicht vertritt auch Williamson in seiner (führenden) Darstellung des ökonomischen Modells des Vertrauens. Er zeigt, wie die Vernetzung des Fachgebietes der Ökonomie mit den Sozialwissenschaften zunimmt. Williamson kommt zu dem Schluss, dass ökonomische Transaktionen besser unter dem Aspekt des kalkulierten Verhaltens (vgl. Kapitel 2.2) als unter der Annahme der Existenz von Vertrauen erklärt werden können. [vgl. Williamson 1993, S.454, 463] Er zeigt mit Hilfe seines Modells die Irrelevanz von Vertrauen für die Betrachtung ökonomischer Interaktionen. Williamson geht sogar soweit, zu resümieren, dass Vertrauen bei ökonomischen Interaktionen nicht existiert. [vgl. Williamson 1993, S.485-486] Vielmehr argumentiert er, dass der austauschbare Gebrauch der Begriffe Vertrauen und Risiko in den Sozialwissenschaften dazu geführt hat, dass das Wort Vertrauen fälschlicher Weise dazu verwendet wird, ökonomische Transaktionen zu erklären. [vgl. Williamson 1993, S.463]
Diese Annahme ist nicht unproblematisch, da eine strikte Trennung zwischen ökonomischen und moralischen Forschungsgebieten unter Zugrundelegung einer erweiterten Auffassung der Ökonomik nicht aufrechterhalten werden kann. Moralisches und ökonomisches Handeln würden sich gegenseitig ausschließen. Es ist zu bedenken, dass Moral und Ökonomik dieselben Phänomene menschlicher Interaktion betrachten, jedoch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. [vgl. Rippberger 1998, S. 262 ff.] Wann immer Menschen auf einer individuellen Ebene interagieren ist es unmöglich das Entstehen minimaler affektierter Emotionen zu verhindern. Um Parallelen zu Williamsons Struktur des Vertrauens auf einem Spektrum der Kalkuliertheit aufzuzeigen, könnte man argumentieren, dass (zwischen-)menschliche Beziehungen auf einem Spektrum von Affinitäten arrangiert sind. Wobei je nach Art der Beziehung der Grad der Affinität variiert. Dem Grunde nach existiert im Kern immer eine affektierte Beziehung eines bestimmten Typus. [vgl. Mitchell 2001, S. 114-119] Daraus kann geschlossen werden, dass selbst die kalkulierteste Handlung bzw. Beziehung von einem roten Faden menschlichen Einfühlungsvermögens durchzogen ist.
Die moralische Abwertung kalkulierenden Handelns an sich ist selbst eine moralphilosophische Wertung und somit keineswegs grundsätzlich zwingend zutreffend. Kalkulierendes Verhalten kann unter bestimmten moralischen Aspekten einen moralphilosophischen Widerspruch darstellen. Das allein reicht jedoch nicht aus, um zu belegen, dass sich dadurch gleichzeitig ein genereller Widerspruch unter dem ökonomischen Paradigma ergibt. Dieser Zusammenhang ist stark von der Stellung der Moral in der Ökonomik motiviert. [vgl. Rippberger 1998, S. 262 ff.]
Neben den beschriebenen ökonomisch motivierten Modellen zu Vertrauen existieren eine Reihe von speziellen spieltheoretischen Betrachtungen zur Vertrauensproblematik. In den nachfolgenden Kapiteln soll, mit Hinblick auf spätere Betrachtungen zu spieltheoretischen Konzepten (siehe Kapitel 4), eine Selektion von drei relevanten Modellen skizziert und diskutiert werden.
2.3.1 Gefangenendilemma im Zeichen des Vertrauens
Die Konzepte Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit wurden von James (2001a) im Zusammenhang mit dem Gefangenendilemma (hier einseitig variiert) unter folgenden Szenarien/Bedingungen untersucht:
- Variation der Spielerpräferenzen
- Schließung expliziter Kontrakte
- Etablierung impliziter Kontrakte
- Wiederholung der Spielerinteraktionen
Die untersuchten Lösungen hängen jeweils von den Anreizen ab, die kreiert wurden, um Kooperation zu induzieren. Die Arbeit von James stellt ein Paradoxon des Vertrauens heraus: Wenn ein Spieler dem anderen vertraut, weil für diesen ein Anreiz besteht vertrauenswürdig zu sein, dann ist die Gefahr der Ausbeutung nicht mehr gegeben. Dadurch entsteht die eigentliche Bedeutung von Vertrauen in diesem Spiel. James untersucht die Implikationen von Vertrauen für zwei mögliche Ebenen: eine, in dem es Anreize zu vertrauen gibt, und eine andere, in der geeignete Anreize fehlen. [siehe James 2001a, S. 4-20]
James resümiert, dass vom ökonomischen Punkt der Betrachtung Vertrauen für den Spieler genau dann eine Erwartung darstellt, die nicht von einem anderen ausgebeutet werden kann, wenn keine starken Anreize zu opportunistischem Verhalten bestehen. Oft wird mit der Rationalität der Spieler bezüglich der Wahl und den damit verbundenen Konsequenzen eines Zuges argumentiert. Bei Vertrauen reicht diese Argumentation nicht aus, da Menschen auch in Situationen vertrauen, in denen die Gefahr der Ausbeutung bestehen bleibt. Entgegen der klassischen Spieltheorie, wo das Verhalten der Spieler durch die Auszahlungen determiniert wird, kann Vertrauen auch ohne spezifische Anreize bestehen. [vgl. James 2001a, S. 20] Es bleibt allerdings die Frage nach der ‚Qualität‘ des Vertrauens bestehen oder wie James es in seiner Untersuchung formulierte: „Is it really trust when you know your partner has an incentive to be trustworthy?“ [James 2001a, S. 20]
2.3.2 Principal-Agent-Problematik als Trust Game
Bei James (2001b) so genannten Trust Game handelt es sich um eine Principal-Agent-Problematik. Der Principal kann auswählen, ob er vertraut oder den Agenten beobachtet. Der Agent kann im Gegenzug das Vertrauen entweder honorieren oder ausnutzen. Die Entscheidung des Principals für Vertrauen oder Beobachten hängt von der relativen Versuchung des Agenten ab, das Vertrauen auszunutzen (siehe Abbildung 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Vertrauensbeziehung als Principal-Agent-Beziehung (Quelle: Rippberger `98, S. 74)
Somit fließen bei diesem Spiel zwei Elemente komprimiert in den Entscheidungsprozess ein: die Anreize der Umwelt, denen sich der Agent gegenüber sieht und die persönlichen Eigenschaften des Agenten. Das Modell wird in der Arbeit von James (2001b) verwendet um eine zuverlässige Bedingung zu entwickeln, die der Principal verwenden kann, um die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, mit der das in den Agenten gesetzte Vertrauen honoriert wird. [James 2001b, S.6-21]
Auf die Frage, wann der Principal dem Agent Vertrauen entgegenbringt, existieren zwei generelle Antworten. Die erste ist offensichtlich und beschreibt den Fall, in dem der Principal weiß, dass der Agent einen Anreiz hat vertrauenswürdig zu sein. Die zweite Möglichkeit ist auf den ersten Blick weniger offensichtlich. Hier wird der Fall beschrieben, in dem die Möglichkeit besteht, dass der Agent den Principal ausnutzt. In der Arbeit von James (2001b) wird gezeigt, dass der Principal vertraut, wenn er glaubt, dass er das vertrauenswürdig tun kann. Dieser Fall tritt ein, wenn der Principal annimmt, dass das Verlangen des Agenten das Vertrauen zu missbrauchen entsprechend klein ist. Entweder, weil der Anreiz für den Agenten klein ist oder weil sich der Principal über die persönlichen Charakteristika das Agenten eine sichere Erwartung gebildet hat. [vgl. James 2001b, S.21] Das Modell eröffnet zwar gute Möglichkeiten der technischen Analyse von Vertrauen, lässt aber offen, wie Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit entwickelt werden und später im ökonomischen und nicht-ökonomischen Kontext eingesetzt werden können.
2.3.3 Paradoxon des Vertrauens in einer Pricipal-Agent-Beziehung
Guerra und Zizzo (2002) bedienen sich ebenfalls der Principal-Agent Problematik, um experimentell die empirische Robustheit der psychologischen Hypothese der Vertrauenserwiderung (trust-responsiveness) zu testen. Diese Hypothese erklärt, warum Menschen Vertrauen honorieren. Die Autoren widmen sich dem Potential das Vertrauens Transaktionskosten1 zu senken (siehe Kapitel 2.4) und soziales Kapital zu generieren (siehe Kapitel 2.5). Das Paradoxon des Vertrauens wird deutlich, wenn der Vertrauensnehmer (Agent) das entgegengebrachte Vertrauen nicht ausnutzt. Hierbei handelt es sich um eine typisch menschliche Reaktion, wie schon Hausmann (1998) befand: Aus der Perspektive des Vertrauensgebers ist Vertrauen die beste Reaktion auf die Erwartung der Vertrauenserfüllung. [siehe Guerra und Zizzo 2002, S. 2-12]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Transaktionskosten: Bezeichnen "Marktbenutzungskosten", die bei Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen über den Markt entstehen, weil reale Austauschprozesse bei unvollkommener Information und auf unvollkommenen Märkten stattfinden: Such- und Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten, Kontrollkosten und Kosten der Durchsetzung. [vgl. Gabler 1997, S. 3804]
Vertrauenserwiderung ist ein möglicher psychologischer Mechanismus, mit dem erklärt werden kann, warum Vertrauensnehmer die in sie gesetzte Vertrauenserwartung erfüllen, womit das Vertrauens-Paradoxon (zumindest teilweise) gelöst werden kann: Es ist die Tendenz Vertrauen zu erfüllen, weil man glaubt, dass es in einen gelegt wurde [Bacharach et al. 2001, siehe auch Kapitel 2], eventuell aus dem Gefühl heraus, den Vertrauensgeber nicht enttäuschen zu wollen.
2.4 Verringerung von Transaktionskosten durch Vertrauen
Der Existenz von Transaktionskosten fällt unter dem Aspekt des Vertrauens eine entscheidende Rolle zu. Transaktionskosten entstehen bei der Festlegung, Bestimmung und Übertragung von Verfügungsrechten. Man könnte sie als Betriebskosten eines ökonomischen Systems bezeichnen. Es kann zwischen ex ante und ex post anfallenden Transaktionskosten unterschieden werden. Erstere entstehen durch Entwurf, Verhandlung und Sicherung eines Vertrages. Zweitere entstehen typischer Weise durch spätere Anpassung, Kontrolle und Überwachung des gleichen. Transaktionskosten potenzieren sich durch die Existenz oder das Befürchten opportunistischen Verhaltens der Vertragspartner, also durch fehlendes Vertrauen. [vgl. Rippberger 1998, S. 26]
Die Organisation wirtschaftlicher Abläufe ist somit nicht kostenfrei. Vertiefend sei an dieser Stelle auf die Transaktionskostentheorie von Coase (1937) verwiesen. Die Organisation zwischenmenschlicher Beziehungen erfordert explizite und implizite Verträge. Die Transaktionskostentheorie begründet sich also auf der Notwendigkeit von Verträgen. Die zentralen Verhaltensannahmen sind begrenzte Rationalität und Opportunismus, durch die entsprechende Verträge notwendig werden. Untersuchungsgegenstand der Transaktionskostentheorie ist die einzelne Transaktion, definiert als eine Übertragung von Verfügungsrechten und die dabei entstehenden Kosten.
Transaktionskosten werden als Hauptursache angeführt, wenn es darum geht zu begründen, warum das internationale Handelsvolumen wesentlich geringer ist, als es laut der klassischen Handelstheorie sein müsste. [siehe Butter und Mosch 2003, S. 3-21] Vertrauen zwischen den Handelspartnern verringert die Transaktionskosten und könnte somit den Handel forcieren. Butter und Mosch (2003) fanden mit Hilfe empirischer Untersuchungen heraus, dass es tatsächlich zu vermehrtem Handel kommt, wenn der Mangel an Vertrauen zwischen den Handelspartnern ausgeglichen wird. Fehlendes Vertrauen ist unter anderem bedingt durch kulturelle Unterschiede und Gewohnheiten oder auf Grund unzureichender Informationen über die Qualität eines Produktes und die Vertrauenswürdigkeit. Butter und Mosch führten Untersuchungen in 25 Ländern durch und stellten fest, dass sich bei einer angenommenen Steigerung des Vertrauens aus intrinsischen Motiven2 ein kombinierter Effekt aus intrinsisch und extrinsisch3 motiviertem Vertrauen einstellt. Dieser Effekt führt, abhängig vom Rechtssystem des jeweiligen Landes, zu einer Steigerung von 90 bis 150 Prozent des bilateralen Handels. [vgl. Butter und Mosch 2003, S. 9-19]
Besonders schutzbedürftig erscheinen bei der Betrachtung von Transaktionskosten Investitionen in spezifische Ressourcen. Die Spezifikation einer Ressource bemisst sich danach, in welchem Maße sie an Wert verliert, wenn sie außerhalb der ursprünglichen Vertragsbeziehung zum Einsatz kommt. [vgl. Rippberger 1998, S. 26] Beispielhaft sei hier die Automobilindustrie angeführt. Zulieferer sind meist auf einen Abnehmer spezialisiert, so dass eine Umstellung auf einen anderen Abnehmer mit erheblichen Investitionen (Umstellungskosten) verbunden wäre. Eine solche vertragliche Beziehung ist in hohem Maße sensibel und muss entsprechend gesichert werden. So werden z. B. langfristige Verträge geschlossen, in denen auch entsprechende Vertragsstrafen für den Fall einer Vertragsverletzung vereinbart werden. Denn auch der Automobilhersteller steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Lieferanten. Wenn dieser nicht oder verspätet liefert bedeutet das für die heute in dieser Branche übliche Just-in-time Produktion einen kompletten Stillstand und damit verbundene erhebliche Ausfallkosten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2 intrinsische Motivation: (lat.) Lernen oder Arbeiten aus eigenem, innerem Antrieb und zur persönlichen Befriedigung. Geld oder Bewunderung spielen dabei keine auslösende Rolle. [vgl. Gabler 1997, S.159]
3 extrinsische Motivation: Beruht auf dem Streben nach Belohnung bzw. Anerkennung respektive der Bemühung, eine Bestrafung zu vermeiden Diese Motivation ruft häufig nach immer höherer Belohnung und kann unter Umständen sogar destruktiv wirken [vgl. Gabler 1997, S.159]
Unsicherheit und Komplexität kennzeichnen die Umwelt von Wirtschaftssubjekten in hohem Maße. Unsicherheit kann exogen oder endogen bedingt sein. Endogene Unsicherheit kann sich hier sowohl auf die Fähigkeiten als auch auf die Absichten eines Akteurs beziehen gemäß seinen Plänen zu handeln. Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit sind nur gewährleistet, wenn Akteure in der Lage sind, Komplexität zu bewältigen. D.h., es müssen Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmter unsicherer Ereignisse abgewogen, sowie daraus resultierende Konsequenzen gezogen werden. Stringenter Weise müssen entsprechende Maßnahmen für den Umgang mit sich ergebenden Risiken ergriffen werden. Dieses Vorgehen stellt sehr hohe Anforderungen an den einzelnen Akteur, da nur von einer begrenzten Rationalität ausgegangen werden kann. Durch die Existenz von subjektiv empfundener Unsicherheit einzelner Wirtschaftssubjekte eröffnen sich für weitere beteiligte Akteure Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten. [vgl. Rippberger 1998, S. 27] Der Mensch, mit dem ihm eigenen Verhalten und Eigenschaften, schafft somit die Grundlage für die Existenz von Transaktionskosten.
2.5 Vertrauen als soziales Kapital
Für den Terminus soziales Kapital existieren eine Reihe von Definitionen. Die für diese Arbeit adaptierte Begriffsdefinition ist neutral im Hinblick auf externe Ressourcen vs. interne Charakteristika: „Social capital ist the sum of ressources accuring to an individual or group by virtue of their location in the network of their more or less durable social relations.“ [Adler/Kwon 1999, S. 4] Soziales Kapital gründet sich auf eine fundierte theoretische Basis. Ökonomen haben erkannt, dass in diesem Zusammenhang wiederholte soziale Interaktionen helfen können, das Free-Rider-Problem zu lösen und Opportunismus zu reduzieren [siehe Greif 1993]. Die Literatur der wiederholten Spiele [siehe u. a. Abreu 1988, Fundenberg und Maskin 1986, Kreps et al 1982] erklärt, warum Kooperationen wahrscheinlicher bzw. einfacher werden, wenn die Parteien häufigere gemeinsame Interaktionen in der Zukunft erwarten. Soziale Strukturen können substitutiv für fehlende oder teurere Rechtsstrukturen eingesetzt werden und so bspw. Investitionen und andere Finanztransaktionen erleichtern [siehe Arrow 1972]. All diese Theorien und Befunde widmen sich den Effekten und Auswirkungen sozialen Kapitals, hingegen sind die Prozesse, die zur Entstehung sozialen Kapitals führen, kaum untersucht. [siehe Glaeser 2001]
Vertrauen konstituiert soziales Kapital. Soziales Kapital vermehrt sich durch Gebrauch, im Gegensatz zu Kapital im herkömmlichen Sinne, wo nach dem Einsatz des Kapitals eine Verringerung bzw. Umverteilung festzustellen ist. Diese besondere Eigenschaft sozialen Kapitals führt dazu, dass in der Regel alle beteiligten Parteien einer Austausch- bzw. Vertrauensbeziehung ein Interesse an dem Aspekt des sozialen Kapitals haben. Der Vertrauensgeber ist bestrebt, ein Anreiz- und Sanktionspotential gegenüber dem Vertrauensnehmer aufzubauen. Der Vertrauensnehmer seinerseits hat ein Interesse daran, für seinen Ressourceneinsatz zur Erfüllung der Vertrauenserwartung kompensiert zu werden. Unterstellt man Altruismus, kann die Wechselseitigkeit der Vertrauensbeziehung in die Zukunft hinein projiziert werden: Indem der Vertrauensnehmer Ressourcen zur Erfüllung der Vertrauenserwartung des Vertrauensgebers einsetzt, tut er das in der Hoffung, dass dieser sich im Falle einer zukünftigen Umkehrung der Vertrauensbeziehung ihm gegenüber ebenfalls moralisch verhalten wird, also, dass der sich ergebende moralische Anspruch eingelöst wird. Dieser moralische Anspruch konstituiert soziales Kapital, wenn er durch die Obligation des Vertrauensgebers gedeckt ist. [vgl. Rippberger 1998, S. 165] Es lassen sich gewisse Parallelen zu Geld erkennen. Bezüglich der Frage ‚Ist soziales Kapital wirklich Kapital?‘ bestehen in der Literatur zahlreiche Kontroversen, denen nur durch entsprechend scharfe Definition und Abgrenzung des Terminus soziales Kapital begegnet werden kann [siehe Robinson, Schmid, Siles 2000; Adler, Kwon 1999].
2.6 Lohnt sich eine Investition in Vertrauen?
Das Gros der Definitionen von Vertrauen unterstellt, dass Vertrauen ein Glaube ist, genauer die Erwartung von Vertrauenswürdigkeit [siehe auch Yamagishi 1994, Gambetta 1988, Hardin 2002, Camerer 2003]. Vertrauenswürdigkeit hingegen, so wird unterstellt, basiert auf Reziprozität (siehe Kapitel 4.1), also Gegen- oder Wechselseitigkeit [siehe auch Croson und Buchan 1999, Fehr und Gächter 2000, Camerer und Fehr 2003, Ostrom und Walker 2003]. Diese beiden Thesen wurden von Ashraf, Bohnet und Piankov (2003), mit Fokus auf die Frage ,Is Trust a bad Investment?‘ kritisch untersucht. Sie kamen zu dem Schluss, dass für die Mehrheit der Menschen die Entscheidung, ob vertrauen oder nicht vertrauen, keine Investitionsentscheidung unter Unsicherheit ist. Vielmehr wird in Vertrauen eine soziale Komponente bzw. eine Orientierung in Richtung der Menschen und der Gesellschaft als Ganzes gesehen. [vgl. Ashraf, Bohnet, Piankov 2003, S. 15-29]
Im höchsten Maße ökonomisch relevant ist die Frage, ob mit Vertrauen eine Rendite erzielt werden kann oder gar einen Return on Investment? Lässt sich eine Geschäftsidee erfolgreich auf der Basis von Vertrauen umsetzen oder ist ein solches Konzept zum Scheitern verurteilt? Die Feldstudien (Kapitel 3) und die angegliederten experimentellen Befunde und Theorien (Kapitel 4 und 5) sollen helfen diese und weitere Frage zu beantworten.
3 Self-Pricing Feldstudien
Dieses Kapitel widmet sich Unternehmen, die mit Self-Pricing-Strategien4 arbeiten. Es handelt sich hierbei um unternehmerische Strategien, bei denen Vertrauen ein zentrales Element bildet. Die Arbeit der Unternehmen wird in Form von Feldstudien aufbereitet. Die präsentierten Unternehmen arbeiten jeweils seit mehreren Jahren erfolgreich mit der Self-Pricing-Strategie. Im Folgenden wird diese Arbeit zunächst in Form einer reinen Faktenpräsentation dokumentiert. Im Anschluss werden spieltheoretische Theorien präsentiert und diskutiert, die das beobachtete Verhalten wissenschaftlich untermauern und erklären.
Zunächst werden die Geschäftsmodelle und die unternehmerische Ausrichtungen des Hotelbetriebes "Wagner's Tannenhof" und der Drehbuchautorenschule "Ars Dramatica" vorgestellt. Darauf aufbauend wird die konkrete Arbeit mit der Self-Pricing-Strategie dokumentiert und die damit einhergehenden Besonderheiten der beiden Unternehmen herausgestellt. Im Anschluss wird jeweils ein Ausblick auf die zukünftige strategische Ausrichtung der beiden Unternehmen gegeben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Self-Pricing4: Die Self-Pricing-Strategie überlässt es dem Konsumenten, die Höhe des zu zahlenden Preises gemäß der subjektiv empfundenen Zufriedenheit selbst festzulegen. Vom Anbieter kann bei dieser Strategie ein so genannter Richtpreis als Orientierungshilfe für den Konsumenten angegeben werden, dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Dieser Richtpreis entspricht dem kalkulierten Preis, der sich jedoch nicht als, im juristischen Sinne, verbindlich zu zahlender Preis versteht.
Für die vorliegende Arbeit wurde eine problemgetriebene Vorgehensweise ausgewählt, wobei zunächst Fragen aufgeworfen werden (Kapitel 3), die in den nachfolgenden Kapiteln (4 und 5) beantwortet werden. Mit Hilfe der entsprechenden Theorien wird versucht zu erklären, warum das Self-Pricing in den konkreten Fällen erfolgreich Anwendung findet. Begonnen wird hierbei mit der Spieltheorie (Kapitel 4). Es werden spieltheoretische Modelle vorgestellt und relevante empirische Untersuchungsergebnisse präsentiert. Die daraus resultierenden Implikationen werden anschließend auf die Feldstudien angewendet. Auf die gewonnenen Erkenntnisse aufbauend, erfolgt eine theoretische Untersuchung aus der Perspektive der sozialen Normen (Kapitel 5). Soziale Normen haben einen engen Bezug zur menschlichen Psyche und sind somit wichtige Bausteine für die Erklärung des zunächst irrational erscheinenden Verhaltens der Konsumenten (mehr zu zahlen als zwingend notwendig). Die beiden an die Feldstudien anschließenden, theoriefokussierten Kapitel weisen zahlreiche Schnittstellen zu benachbarten wissenschaftlichen Fachdisziplinen auf. Eine Tatsache, die bereits im einführenden Kapitel 1 (Vertrauen als ökonomische Dimension) festgestellt wurde und aus der Betrachtung menschlichen Verhaltens automatisch erwächst. Das hier zugrunde gelegte Menschenbild stellt den Menschen als ein komplexes Individuum dar und nicht als reinen homo oeconomicus der klassischen wissenschaftlichen Theorie.
3.1 Hotel & Restaurant Wagner’s Tannenhof
Wagner’s Tannenhof ist ein inhabergeführtes Vier-Sterne-Hotel mit mediterranem Flair und umfangreichem Wellnessangebot im idyllischen Sasbachwalden mitten im Schwarzwald. Das Besondere an diesem Haus ist das so genannte Self-Pricing, das den Gästen für die ersten drei Tage ihres Aufenthaltes offeriert wird. D.h. der Gast zahlt, unter Kenntnis des branchenüblichen Normalpreises (Richtpreis oder auch kalkulierter Preis), den Preis, den er persönlich für angemessen hält. In den folgenden Abschnitten sollen die Philosophie der Betreiber, Anita Bhatia-Wagner und Klaus-Werner Wagner, und ihr Geschäftsmodell des Wagner’s Tannenhof vorgestellt werden. Die Umsetzung der Self-Pricing-Strategie wurde vor Ort dokumentiert und kritisch hinterfragt. Neben den Fakten, wie Umsatzentwicklung, Zimmerbelegung und Presseresonanz, werden auszugsweise geführte Interviews mit den Hoteleignern angeführt. Abgerundet wird das Bild durch einen Ausblick auf die strategische Ausrichtung des Geschäftsmodells Wagner’s Tannenhof und die touristische Planung der Gemeinde Sasbachwalden, die eine regionale Adaption des Self-Pricing-Konzeptes anstrebt.
3.1.1 Konzeption und Philosophie des Wagner’s Tannenhof und die Entstehung des Self-Pricing-Konzepts
Klaus-Werner Wagner, ein echter Vollblut-Gastronom, betrieb vor dem Hotel in Sasbachwalden in einer Finca auf Mallorca ein Filmcatering–Unternehmen. Die Veräußerung des Objektes in Mallorca gestaltete sich als kompliziert, so dass der Start in die neue unternehmerische Zukunft in Deutschland zusätzlich erschwert wurde. Im Februar 2002 besichtigten Anita Bhatia-Wagner und Klaus-Werner Wagner erstmals den Tannenhof in Sasbachwalden. Trotz erster Aversionen gegen den Standort Schwarzwald, entschied sich das Ehepaar sehr schnell für den Tannenhof. Ausschlaggebend war die Lage des Hauses, das damit verbundene Ambiente und die Möglichkeit, das Haus in ein Wellnesshotel umzuwandeln. Die Verhandlungen dauerten bis März 2002 und schon Ende des Monats wurde mit dem Umbau begonnen. Der Tannenhof wurde zuvor als Gästehaus der ortsansässigen Dr. Wagner Kliniken genutzt und anschließend kurzzeitig fremdverpachtet. Allerdings hatten die Pächter wenig Erfolg mit ihrem Geschäftsmodell (klassische Gastronomie). Hauptgrund für das Scheitern war die etwas abgeschiedene Lage des Tannenhofes, die Laufkundschaft quasi ausschließt.
Im Mai 2002 wurde Wagner’s Tannenhof als Restaurant mit der Option auf einen angeschlossenen Hotelbetrieb eröffnet. Die Zahl der Gäste schwankte zunächst stark, was eine Planung (bezüglich Material und Personal) zusätzlich erschwerte. Der Restaurantbetrieb erwirtschaftete einen kleinen Gewinn, das Hotel entpuppte sich allerdings als nicht rentabel und musste bezuschusst werden. Dem Unternehmen drohte gegen Juli 2002 der Konkurs. Aus dieser prekären Situation heraus entstand die Idee zum Self-Pricing. Herr Wagner erinnerte sich damals an eine "Guerilla-Aktion"5,
die er während seiner früheren Tätigkeit für ein Bekleidungsgeschäft in Eschborn (Nähe Frankfurt) erfolgreich durchgeführt hatte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5 Guerilla-Aktion: Strategie, die darauf abzielt, die Marktanteile (des Auftraggebers) mit aggressiven, aber unauffälligen Methoden zu erhöhen. Ist besonders geeignet für kleine Unternehmen, deren Etat keinen aufwendigen Werbefeldzug zulässt. [vgl. Medien ABC, SevenOne Media, S. 35]
Bei dieser Aktion wurden Jeans für damals eine DM verkauft. Der Verlust war zwar zunächst enorm, aber die Resonanz der Kunden übertraf die Erwartungen bei weitem. Das Geschäft wurde ohne klassische Werbung und Marketingmaßnahmen über Nacht durch Mundpropaganda und ein umfangreiches Presseecho bekannt. Diese Idee wollte Herr Wagner auf den Tannenhof übertragen.
Im Juli 2002 wurde das Self-Pricing Modell in Wagner’s Tannenhof eingeführt. Die Gäste hatten von nun an die Möglichkeit, den Preis für die ersten drei Übernachtungen selbst zu bestimmen. In der Preisliste das Hauses sind die folgenden Richtpreise für die Zimmer der unterschiedlichen Kategorien angegeben:
Kategorie A: großzügiges Doppelzimmer (für zwei Personen), teilweise mit Talblick; 49,00 € Richtpreis/Tag/Person
Kategorie B: großzügiges Doppelzimmer (für zwei Personen), mit Talblick und Balkon; 59,00 € Richtpreis/Tag/Person
Kategorie C: sehr großes Doppelzimmer (für zwei Personen), mit Wald- und/oder Talblick und Balkon; 69,00 € Richtpreis/Tag/Person
Einzelzimmer: 65,00 € pro Tag
Herr Wagner erwartete zum damaligen Zeitpunkt, dass ca. 40% der Gäste das Angebot nutzen würden und gar nichts oder nur sehr wenig zahlen würden und ca. 60% der Gäste den angegebenen Richtpreis zahlen würden. (Die tatsächliche Resonanz der Gäste auf das Preismodell und ihr Zahlungsverhalten werden in Kapitel 3.1.3 detailliert betrachtet.) Somit, so die Strategie, würde eine 100%-tige Auslastung des Tannenhofes erreicht werden. Die Kalkulation, bei unterstellten 60% „Vollzahlern“, ergab einen zwar geringen, aber ausreichenden Deckungsbeitrag.
Die Fixkosten könnten mit Hilfe dieses Modells gedeckt werden und das Haus würde nicht leer stehen. Besonders die Fixkosten im Personalbereich stellten ein nicht zu unterschätzendes Problem dar. Um dieser Problematik aktiv zu begegnen, arbeitete das Ehepaar Wagner damals wie heute selbst im Tannenhof mit. Darüber hinaus wurden bei Einführung des Self-Pricing acht weitere Mitarbeiter in den Bereichen Küche, Restaurant und Service beschäftigt.
Die Wagners haben mittlerweile, um das Risiko der „Fixkostenfalle“ zu umgehen, ihre Personalplanung stark flexibilisiert. Die grundsätzliche Idee, unabhängig von externen Mitarbeitern zu sein, lässt sich im Bereich Hotellerie umsetzen. Hier muss, laut Herrn Wagner, der Betreiber erst einmal in finanzielle Vorleistung gehen und eine Infrastruktur bereitstellen. Ist diese Hotelinfrastruktur einmal errichtet, lässt sich das Hotel mit relativ geringem Aufwand betreiben. Allerdings ist es im Bereich Gastronomie, wie Herr Wagner im Interview äußerte, unmöglich mit einer extrem dünnen Personaldecke zu arbeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass im Bereich Gastronomie bei verhältnismäßig hohem Aufwand ein vergleichsweise geringer Umsatz erzielt wird. Um diesem Umstand zu begegnen, haben die Wagners ein flexibles Personalsystem entwickelt. Sie beschäftigten zum Zeitpunkt des Interviews kaum noch fest angestellte Mitarbeiter wie zur Eröffnung des Tannenhofes. Sie arbeiten heute vornehmlich mit Pauschal- und Saisonkräften bzw. Aushilfskräften. Je nach Auslastung werden entsprechend mehr oder weniger Arbeitskräfte nachgefragt und zeitlich begrenzt beschäftigt. Während des Interviews im Mai 2004 waren fünf bis sechs Mitarbeiter auf dieser Basis in den Bereichen Gastronomie, Service und Facility Management beschäftigt. Herr Wagner ist weiterhin im Bereich Gastronomie (Küche) tätig und Frau Wagner betreut das Haus in den Bereichen Service, Wellness und Gastronomie. [Interview mit Anita Bhatia-Wagner und Klaus-Werner Wagner, 20.05.2004 und 22.05.2004, Wagner‘s Tannenhof, Sasbachwalden]
3.1.2 Medienresonanz
Bevor die Wagners sich entschieden, das Self-Pricing-Modell einzuführen, gab es kaum medienwirksame Berichte über den Tannenhof. Themen, die hin und wieder von der lokalen Presse aufgegriffen wurden, waren, gemäß der Aussage der Wagners, der Mallorca-Hintergrund und der Altersunterschied (die Eheleute trennen 23 Jahre). Eigenschaften, durch die sich die Wagners zwar vom gängigen Bild (bzw. Klischee) eines Gastronomen und Hoteliers aus der Region Schwarzwald abheben, die aber für eine umfangreiche werbliche Kampagne nicht die nötigen Inhalte bieten. Die Wagners unterstützen ihre Geschäftseröffnung im Mai 2002 mit diversen Anzeigen in regionalen und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften. Laut Herrn Wagner lagen die wöchentlichen Media Spendings damals bei ca. 1.000 Euro, und die Resonanz war kaum wahrnehmbar. Auf eine Anzeige folgten ein bis drei Anrufe, aber keine Buchungen. Bei dieser Entwicklung hätte das Hotel zwei bis drei Jahre Anlaufzeit benötigt und einen finanziellen monatlichen Zuschuss, den Herr Wagner auf 10.000 Euro schätzt.
3.1.2.1 Entwicklung der Pressebeiträge von Juli 2002 bis April 2004
Im Juli 2002 wurde das Self-Pricing-Modell eingeführt. Herr Wagner setzte sich mit einem lokalen freien Journalisten in Verbindung, der über das neue Geschäftsmodell einen redaktionellen Beitrag verfassen sollte. Der angesprochene Journalist fand die Idee „sehr interessant, aber völlig irre“ [Zitat aus dem Interview mit Klaus-Werner Wagner, 20.05.2004, Wagner‘s Tannenhof, Sasbachwalden]. Der Bericht wurde veröffentlicht und von weiteren Journalisten aufgegriffen. Den Durchbruch brachte eine dpa-Meldung vom 26.08.2002 mit dem Titel „Im Tannenhof zahlt jeder so viel er will“ [Claus Donath, Deutsche Presse Agentur Meldung B13341X1, 26.08.2003], und die vormals regionale Berichterstattung wurde überregional. Es setzte eine Art „Schneeballeffekt“ ein, der bis in die Gegenwart anhält. In folgenden Medien wurde unter anderem über Wagner‘s Tannenhof berichtet (Die Reihenfolge der ausgewählten Beiträge ist chronologisch):
- Badisches Tagblatt, Nr. 166, 20.06.2002: „Skrupellose nächtigen fast zum Nulltarif“
- Die Welt, 06.09.2002: „Wenn der Hotelgast den Zimmerpreis bestimmt“
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2002: „Begegnungen: Der Richtpreis-Hotelier“
- Badische Zeitung, Nr. 292/51, 17.12.2002, S. 3: „Das Landhotel zum fairen Preis. Vertrauen rentiert sich doch: In Sasbachwalden zahlen Hotelgäste was sie für angemessen halten.“
- Allgemeine Hotel- und Gaststättenzeitung, 10.05.2003, S. 27: „Bezahlen, was der Gast für angemessen hält“
- ECHO DER FRAU, Nr. 21, 14.05.2003: „Schlemmer-Freuden im Schwarzwald“
- Garten und Wohnen, Ausgabe 06/2003, S. 74: „Ein selbstbewusstes Konzept und Vertrauen in die Gäste“
- Impulse - Das Unternehmermagazin, Ausgabe 07/2003: „Kostenloses PR-Feuerwerk entzünden – Aktive Pressearbeit zahlt sich aus. Damit können Unternehmen sich von der Masse abheben. Mit außergewöhnlichen oder überraschenden Angeboten kann es sogar gelingen, ein bundesweites Medienecho auszulösen.“
- VIVRE, Ausgabe 09/2003, S. 52: „Experiment: der Gast zahlt nach Gutdünken“
- Freundin, Ausgabe 09/2003, S. 156: „Zimmer-Poker: Der Gast bestimmt den Preis"
- BILD-Zeitung Stuttgart, 08.01.2004, S. 8: „In diesem Schwarzwald-Hotel können Sie für einen Cent schlafen!“
- Der Spiegel, Nr. 2/05.01.2004, S. 74: „Löhnen nach Lust und Laune-Werbegag oder Modell mit Zukunft – findige Unternehmer machen aus der Geiz-ist-geil-Not eine Tugend und überlassen die Preisgestaltung ihren Kunden“
- Wiebadener Kurier, Nr. 52, 02.03.2004: „Hotelgäste im Tannenhof zahlen freiwillig“
- mach mal Pause, Nr. 11/2004, 03.03.2004, S. 54: „Bitte zahlen Sie, was Sie wollen! Alle hielten ihn für verrückt. Doch eine ungewöhnliche Idee brachte einem Hotelier Erfolg...“
- tina, Nr. 12, 10.03.2004: „In diesem Haus zahlen Sie was Sie wollen!“
- Mini, Nr. 19, 28.04.2004, S. 21: „Zahlen Sie einfach was Sie wollen...In diesem Hotel kann jeder Gast den Preis selbst bestimmen.“
[...]
- Arbeit zitieren
- Henny Steiniger (Autor:in), 2004, Ökonomie des Vertrauens - Feldstudien zu Reziprozität und Gift-Exchange-Experiment. Ein Erklärungsansatz zur erfolgreichen Implementierung von Self-Pricing-Modellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34259
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