Die Schlagworte ‚Agile Arbeitsweisen’ und ‚Lean Management’ erfreuen sich derzeit einer hohen Präsenz, ob in Management- und Personalzeitschriften oder auf Kongressen rund um das Thema ‚Arbeitswelt der Zukunft’. Agileane Organisationen scheinen mit ihren schlanken Prozessen und den regelmäßigen Überprüfungen der Kundenwünsche DIE Lösung für die sich immer schneller verändernden Anforderungen der dynamischen und unsicheren Unternehmensumwelt zu sein. Im Kampf um das Überleben auf dem Markt sehen sich viele Unternehmen dazu gezwungen, die Veränderung von klassischer zu agileaner Organisation anzugehen.
Tun sie dies in absoluter Konsequenz, so stehen sie vor der Herausforderung eines umfassenden Change Prozesses, welcher alle Ebenen des Unternehmens betrifft. Die Organisationsstruktur, die Unternehmenskultur sowie die Rollen Mitarbeiter und Führung müssen überprüft und neu definiert werden. In Anbetracht dieses Ausmaßes stellt sich die Frage nach Best Practices oder besser noch nach den erfolgskritischen Faktoren in diesem Change. Was also gilt es im Speziellen zu beachten, um eine erfolgreiche Umsetzung durchzuführen? In Form von Leitfadeninterviews wurden für die vorliegende Thesis Experten - Agile- Coaches und Agile-Manager - zu ihren Erfahrungswerten und Einschätzungen hinsichtlich der Teilaspekte in der Wandlung von klassischer zu agileaner Organisation befragt.
Es konnten nicht nur die individuellen Probleme in Einzelinterviews erfasst, sondern auch überindividuelle Herausforderungen durch das wissenschaftliche Zusammenführen der Einzelergebnisse identifiziert werden. Ebenso ergaben sich einige wichtige Erkenntnisse, auf deren Basis konkrete Empfehlungen für alle Unternehmen definiert werden konnten, die den Evolutionsprozess noch vor sich haben: Unter anderem das Formulieren einer eindeutigen und motivierenden Vision, die Veränderung der Führungsaufgaben oder das Empowerment von Mitarbeitern.
Abstract
Die Schlagworte ‚Agile Arbeitsweisen’ und ‚Lean Management’ erfreuen sich derzeit einer hohen Präsenz, ob in Management- und Personalzeitschriften oder auf Kongressen rund um das Thema ‚Arbeitswelt der Zukunft’. Agileane Organisationen scheinen mit ihren schlanken Prozessen und den regelmäßigen Überprüfungen der Kundenwünsche DIE Lösung für die sich immer schneller verändernden Anforderungen der dynamischen und unsicheren Unternehmensumwelt zu sein. Im Kampf um das Überleben auf dem Markt sehen sich viele Unternehmen dazu gezwungen, die Veränderung von klassischer zu agileaner Organisation anzugehen. Tun sie dies in absoluter Konsequenz, so stehen sie vor der Herausforderung eines umfassenden Change Prozesses, welcher alle Ebenen des Unternehmens betrifft. Die Organisationsstruktur, die Unternehmenskultur sowie die Rollen Mitarbeiter und Führung müssen überprüft und neu definiert werden. In Anbetracht dieses Ausmaßes stellt sich die Frage nach Best Practices oder besser noch nach den erfolgskritischen Faktoren in diesem Change. Was also gilt es im Speziellen zu beachten, um eine erfolgreiche Umsetzung durchzuführen? In Form von Leitfadeninterviews wurden für die vorliegende Thesis Experten - Agile- Coaches und Agile-Manager - zu ihren Erfahrungswerten und Einschätzungen hinsichtlich der Teilaspekte in der Wandlung von klassischer zu agileaner Organisation befragt. Es konnten nicht nur die individuellen Probleme in Einzelinterviews erfasst, sondern auch überindividuelle Herausforderungen durch das wissenschaftliche Zusammenführen der Einzelergebnisse identifiziert werden. Ebenso ergaben sich einige wichtige Erkenntnisse, auf deren Basis konkrete Empfehlungen für alle Unternehmen definiert werden konnten, die den Evolutionsprozess noch vor sich haben: Unter anderem das Formulieren einer eindeutigen und motivierenden Vision, die Veränderung der Führungsaufgaben oder das Empowerment von Mitarbeitern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ... 1
1.1. Zielsetzung der Arbeit ... 3
1.2. Übersicht über die Arbeit ... 4
2. Theoretische Grundlagen ... 5
2.1. Was ist ‚Agilean’? ... 5
2.1.1. Lean Management ... 6
2.1.2. Agile Arbeitsweisen ... 6
2.1.3. Agileane Organisationen ... 8
2.2. Das 7-Phasen-Model im Change Prozess ... 8
2.2.1. Phase 1: Schock ... 10
2.2.2. Phase 2: Verneinung und Ablehnung ... 10
2.2.3. Phase 3: Rationale Einsicht ... 10
2.2.4. Phase 4: Emotionale Akzeptanz/Verweigerung ... 10
2.2.5. Phase 5: Testphase, Ausprobieren und Lernen ... 11
2.2.6. Phase 6: Erkenntnis ... 11
2.2.7. Phase 7: Routine erlangen, Integration ... 11
2.3. Klassische und agileane Rollen ... 12
2.3.1. Der Begriff der ‚Rolle’ ... 12
2.3.2. Die klassische Führung ... 12
2.3.3. Der klassische Mitarbeiter ... 14
2.3.4. Die agileane Führung ... 14
2.3.5. Der agileane Mitarbeiter ... 15
2.4. Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse ... 16
2.5. Ableitung der untersuchungsrelevanten Forschungsfragen ... 18
3. Methode ... 19
3.1. Ziele und Rahmenbedingungen der qualitativen Untersuchung ... 19
3.2. Methodenauswahl und –begründung ... 19
3.3. Operationalisierung und Strukturbaum ... 20
3.3.1. Dimension Daten zur Stichprobe ... 24
3.3.2. Dimension Unternehmenskultur ... 25
3.3.3. Dimension Kompetenz der Führungskräfte ... 27
3.3.4. Dimension Führungsstil ... 28
3.4. Der Interviewleitfaden ... 30
3.5. Der Pretest und die Leitfadenanpassung ... 31
3.6. Die Stichprobe ... 31
3.7. Die Ansprache der Probanden ... 32
3.8. Die Durchführungsplanung ... 32
3.9. Die Durchführung ... 33
3.10. Die Auswertung ... 34
4. Individuelle und überindividuelle Ergebnisse der Experteninterviews
... 35
4.1. Umgang mit Konflikten ... 35
4.2. Ausmaß an Informationstransparenz ... 36
4.3. Fehlerkultur ... 38
4.4. Vision ... 39
4.5. Innovationsbereitschaft von Führungskräften ... 40
4.6. Soziale Kompetenz von Führungskräften ... 41
4.7. Coachingkompetenz von Führungskräften ... 42
4.8. Vorherrschendes Menschenbild ... 44
4.9. Partizipation von Mitarbeitern ... 44
4.10. Empowerment von Mitarbeitern ... 45
5. Diskussion ... 47
5.1. Kritische Reflexion der eingesetzten Methode ... 48
5.2. Kritische Reflexion der erhaltenden Ergebnisse (wissenschaftliche Güte) ... 49
5.3. Nutzenbewertung der Ergebnisse für Unternehmen (praxisbezogene Güte) ... 51
5.4. Interpretation der Ergebnisse und Übertragung auf die Grundgesamtheit 52
5.5. Handlungsempfehlungen ... 54
5.6. Fazit und Ausblick ... 58
6. Literatur- und Quellenverzeichnis ... 63
Abbildungsverzeichnis ... 66
Tabellenverzeichnis ... 67
Anhang ... 68
1. Einleitung
Balanced Scorecard, Strategic Planning, Total Quality Management, Benchmarking – das sind nur einige der vielen Managementtools, derer sich Unternehmen in den vergangenen Jahren bedienten. Dies war notwendig, um sich weiter zu verbessern und so im Wettbewerbskampf zu überleben. Doch bald reichten quantitative Optimierungstools nicht mehr, um das Unternehmen zeitgerecht zu führen. Es galt nach dem Lean Management Ansatz überflüssige Arbeitsschritte zu eliminieren, Durchlaufzeiten zu reduzieren und Prozesse zu optimieren, um möglichst schnell einen Nutzen für den Kunden zu erzeugen. Doch wenn die Wettbewerber den gleichen Weg gehen und alle Prozesse optimiert sind, so wird die Ressource Mensch zum einzig übrigen Erfolgsfaktor. Dementsprechend versuchten sich viele Manager an modernen Führungsstilen, bezogen Mitarbeiter in Entscheidungen mit ein, gaben, dem kooperativen Führungsverständnis getreu, Verantwortung ab und hofften so auf motivierte und damit leistungsstärkere Mitarbeiter.
Doch die Veränderung der Umwelt geht weiter und so steigt die Komplexität der Arbeitswelt stetig an. Verschiedenste Tools sind gleichzeitig zu bedienen, die Digitalisierung schreitet voran, die geforderte Geschwindigkeit von Prozessen nimmt zu. Zeitgleich wird die Konkurrenz, nicht zuletzt aufgrund der Globalisierung, immer größer und die verschiedenen Märkte immer härter umkämpft. Die aktuellen unternehmensseitigen Herausforderungen sind so unübersichtlich, dass sie nicht mehr planbar sind. In einer solch komplexen Welt ändern sich Anforderungen fortlaufend. Doch die Art des Arbeitens hat sich kaum verändert. In Projekten wird weiterhin an starren Zielen festgehalten, die erst am Ende der Projektzeit dem Kunden vorgestellt werden. Dabei kann der Kunde das ursprünglich beauftragte Produkt nach der langen Entwicklungszeit häufig gar nicht mehr gebrauchen, da sich die Anforderungen inzwischen verändert haben.
[Abbildungen werden in dieser Leseprobe nicht dargestellt]
Abbildung 1: Megatrends „Unternehmen stehen angesichts einer Umwelt, die eher durch Diskontinuität, Unsicherheit, Dynamik und Intransparenz gekennzeichnet ist, vor einer neuen Herausforderung: Agilität zu entwickeln – und das als permanente Aufgabe einer agilen Organisation mit entsprechender Unternehmenskultur und nicht nur für eine begrenzte „Projektlaufzeit“. Denn Agilität ist eine fundamentale und notwendige Kompetenz von Unternehmen, die in unsicheren und dynamischen Umwelten erfolgreich sein wollen.“1
Einige der wichtigsten Innovationen entstehen nicht mehr durch neue Technologien, sondern durch neue Arten der Zusammenarbeit und neue Wege Arbeit zu organisieren. Nach Tom Malone, MIT
‚Agileane’ Organisationen, die sich agile Arbeitsweisen und leane Prozesse zunutze machen, sind die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Dabei stellen agile Arbeitsweisen immer den Menschen in den Mittelpunkt. Sie fokussieren sich auf die Anforderungen der Kunden und das nicht nur zu Beginn des Auftrages sondern fortlaufend während des gesamten Entstehungsprozesses. Durch iterative Schleifen wird der Kunde immer wieder um Feedback gebeten. So entsteht ein Produkt, das den aktuellen Kundenwünschen entspricht. Zeitgleich stellen sie aber auch den Mitarbeiter „als das, was ihn ausmacht: einen absolut unverzichtbaren Teil der Wertschöpfung und Innovation jedes Unternehmens“2, in den Vordergrund.
Unternehmen, die erfolgreich bleiben und den Konkurrenzkampf fortwährend überleben wollen, müssen ihre Arbeitsweise an den schnellen Wandel und die Instabilität der Anforderungen anpassen. Dies wird nur noch mit einer agilen Arbeitsweise und einer leanen Organisationsform möglich sein. Doch was bedeutet dieser Wandel? Was muss sich verändern, um erfolgreich agilean zu sein? Die neue Arbeitsweise fordert eine große Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten und der gesamten Organisation, denn dieser Change ist vielschichtig. Vor allem aber sind die Rollen Führung und Mitarbeiter gänzlich neu zu denken.
1.1. Zielsetzung der Arbeit
Jeder Change Prozess bringt Herausforderungen mit sich. Beziehen sich die Veränderungen auf Menschen, ihr Verhalten und gelernte Rollen, so entsteht zumeist ein komplexes Gebilde aus Anforderungen und kritischen Erfolgsfaktoren. Da im ‚agileanen’ Kontext andere Rollen vorgesehen sind, als in der klassischen Organisation, würde ein rein arbeitsablaufkonzentrierter Change Prozess im Wandel von klassischer zu agileaner Organisation den erfolgskritischen und wichtigen Faktor Mensch zu wenig berücksichtigen. Rollen sind eng mit den Individuen verwoben und oft nur schwer abzulegen. Bliebe jedoch beispielsweise die Führungskraft bei ihrem alten Rollenmuster, so könnte das Team niemals so eigenverantwortlich handeln, wie es agile Arbeitsweisen vorsehen, und der Wandel zur agilean Organisation würde zwangsläufig scheitern. Daher ist der Change Prozess der Rolleninhaber Mitarbeiter und vor allem Führungskraft erfolgsentscheidend für den gesamten Wandel hin zum agileanen Unternehmen. Es stellt sich bezüglich des erfolgreichen Transformationsprozesses die zentrale Frage: Gibt es spezifische Herausforderungen und kritische Momente im Rollen-Change von Führung und Mitarbeiter von klassischer zu agileaner Organisation und wenn ja, welche? Und weiter abgeleitet: Gibt es bereits Erfahrungswerte zum Umgang mit diesen Agilitätsstörfaktoren, so dass Handlungsempfehlungen zur Bearbeitung oder gar zur Vorbeugung ausgesprochen werden können? Eben diese Fragen soll die vorliegende Arbeit erforschen.
1.2. Übersicht über die Arbeit
Um den soeben aufgeführten Fragen nachzugehen ist es zunächst unabdingbar ein theoretisches Grundverständnis über Lean Management und Agile Arbeitsmethoden zu erarbeiten. Was ist genau mit lean und agile gemeint? In den Abschnitten unter 2.1. werden die Ansätze erläutert. Wie sieht ein typischer Change Prozess aus? Unter 2.2 wird dieser Frage mithilfe des 7-Phasen- Modells beantwortet. Veränderung heißt immer, dass es einen alten und einen neuen Zustand gibt. Wie sehen also die alten Rollen Führung und Mitarbeiter aus und wie die agileanen? Eine Darstellung der Rollen in beiden Unternehmensformen wird unter dem Abschnitt 2.3. angeboten. Mittels dieses Vorgehens sollen die theoretischen Unterschiede herausgearbeitet und mögliche Herausforderungen im Veränderungsprozess aufgezeigt werden. Die theoretisch erarbeiteten Annahmen werden anschließend anhand von Experteninterviews (Methode unter 3.) verifiziert. Als Experten dienen hier Agile Coaches und Agile Manager, die durch ihre Position bereits mehrere agileane Organisationsentwicklungen begleitet haben und somit nicht nur die fachlichen Kenntnisse sondern auch ein großes Erfahrungswissen zum Thema vorweisen. Die Zusammenfassung der Interviewergebnisse ist unter 4. zu finden und unter 5.1. - 5.3. werden diese kritisch hinterfragt. Abschließend werden unter 5.4. und 5.5. Interpretationsmöglichkeiten sowie auf den Ergebnissen aufbauende, Handlungsempfehlungen dargestellt.
2. Theoretische Grundlagen
Um den Change Prozess von klassischen zu agileanen Rollen und dessen besondere Herausforderungen aufzeigen zu können, ist es zunächst notwendig ein theoretisches Grundverständnis darüber zu erhalten, was sich hinter dem Begriff ,agilean’ verbirgt. Nur so können dann auch die klassischen mit den agileanen Rollen verglichen werden. Anschießend gilt es die klassischen Phasen eines Change Prozesses darzustellen.
2.1. Was ist ‚Agilean’?
Lean Management und Agile Arbeitsmethoden haben einen großen Überschneidungsbereich. Sie teilen das gleiche Gedankengut. Anpassbare Planung und der Fokus auf den Menschen, persönliche Kommunikation und Interaktion sind in beiden Methoden wichtig, ebenso die Reduzierung der Zykluszeit in der Produktentwicklung. „Während Lean versucht, das Gesamtsystem zu optimieren, haben die agilen Methoden ursprünglich den Anspruch die durch die Firmenstruktur geschaffene Komplexität in Entwicklungsprojekten durch interdisziplinäre Hochleistungsteams zu verringern.“3 In Expertenkreisen steht das Kunstwort ,agilean’ für die zwei Kernaussagen von Agile und Lean. „Agi“(le) meint hier die Anpassungsfähigkeit, lean die Schnelligkeit. Da sowohl Agile, als auch Lean das gleiche Führungsverständnis vertreten4 und somit die gleichen Rollenbilder prägen, bezieht sich die vorliegende Arbeit durchgängig auf die agileane Organisation. Ein tieferes Verständnis beider Konzepte ist im Veränderungsprozess von klassischer zu agileaner Organisation von großer Bedeutung, daher werden diese in den nachfolgenden Abschnitten genauer erläutert.
2.1.1. Lean Management
Das Lean Management ist die Antwort auf die Forderung nach schlanken Organisationsstrukturen und Prozessen. „Lean kommt ursprünglich aus der Fertigung und wurde in den 50er-Jahren bei Toyota entwickelt. Doch erst das Buch «The Machine That Changed the World» von Womack, Jones und Ross machte die Methoden, die dahinter stecken, in den USA und Europa bekannt. Im Laufe der Zeit wurde der Ansatz verallgemeinert und als «Lean Management» bezeichnet. Die Prinzipien wurden später von Mary und Tom Poppendieck auf die Softwareentwicklung“5 übertragen und wurden so für viele Unternehmen erstrebenswert. Das Lean Management soll Durchlaufzeiten reduzieren, möglichst schnell einen Nutzen für den Kunden generieren sowie ineffiziente Arbeitsweisen eliminieren und dabei zeitgleich die Qualität maximieren. Dabei richtet sich das Lean Management nach fünf Prinzipien:
1. Customer Value: Den Wert aus der Kundensicht definieren.
2. Value Stream: Den Wertstrom identifizieren.
3. Flow: Das Fluss-Prinzip umsetzen.
4. Pull: Das Pull-Prinzip einführen.
5. Perfection: Nach Perfektion streben.6
2.1.2. Agile Arbeitsweisen
„Unter Agility wird die Fähigkeit eines Unternehmens beziehungsweise einer Organisation verstanden, schnell, kurzfristig und adäquat Veränderungen und Ereignisse in der Unternehmensumwelt wahrzunehmen.“7 Agilität „entstand als Reaktion auf die seit Jahrzehnten langsamen, bürokratischen Organisationsstrukturen, um den veränderten Marktbedingungen zu begegnen.“8
Mit Scrum und Kanban sind zwei agile Managementframeworks entwickelt worden, die die Effizienz von Prozessen kontinuierlich verbessern sollen. Wie in Abschnitt 2.1.1. erwähnt, stammen diese Ansätze ursprünglich aus der Softwareentwicklung und der Automobilindustrie, inzwischen wird jedoch auch in vielen anderen Bereichen auf ihrer Basis gearbeitet. Sowohl Kanban, als auch Scrum sollen mit Hilfe von Stand-Ups (kurze regelmäßige Steh-Meetings) Transparenz bezüglich der Arbeitsweise eines Unternehmens schaffen und durch turnusmäßige Feedbackschleifen (Retrospektiven) kontinuierlich die Prozesse und Zusammenarbeit verbessern. So sollen auch Planungsfehler in Projekten frühzeitig erkannt werden und im Laufe des Projektes Anforderungen gegebenenfalls kurzfristig noch geändert und neu definiert werden.9 Anders als das klassische Projektmanagement beziehen die agilen Methoden die Unvorhersehbarkeit mit ein.
Die Grundlage der agilen Konzepte ist das Agile Manifest, welches aus vier Punkten besteht und im Jahr 2001 entwickelt wurde:
1. Individuen und Interaktionen stehen vor Prozessen und Werkzeugen.
2. Funktionierende Software steht über umfangreicher Dokumentation.
3. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Verhandlung von Verträgen.
4. Das Reagieren auf Veränderungen steht über dem Befolgen eines Planes.10
Ohne auf weitere Spezifika agiler Methoden einzugehen, zeigt bereits die Grundlage aller agilen Arbeitsweisen - das agile Manifest - dass eine konsequente Einführung und Umsetzung agiler Methode einige Veränderungen für das Unternehmen, die Unternehmenskultur, die Organisationsstruktur und der Arbeitsweisen mit sich bringen.
2.1.3. Agileane Organisationen
Agileane Organisationen unterscheiden sich von klassischen Organisationen in verschiedenen Aspekten. Sie streben kontinuierlich nach Verbesserung, dies „setzt ein hohes Maß an Vertrauen, den offenen Umgang mit Fehlern und den Mut voraus, Mitarbeitern den erforderlichen Spielraum einzuräumen, Arbeitsprozesse selbst zu steuern und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen zu können.“11 Ein Unternehmen kann nur agilean werden, wenn es eine entsprechende Fehler- und Vertrauenskultur einführt. Darüber hinaus ist in der agileanen Organisation die Abgabe von Verantwortung der Führung auf die Mitarbeiter vorgesehen. Ein solch kultureller Change bedarf die Veränderungsbereitschaft seitens Mitarbeiter und Führungskräften. „Für manche Mitarbeiter passen die kulturschockähnlichen Veränderungen nicht mehr in ihr bisheriges Weltbild. (...) Darüber hinaus kommt es nicht selten vor, dass Manager nicht loslassen können oder dass ihnen das Vertrauen (...) fehlt (...).“12 Eine agileane Organisation zeichnet sich darüber hinaus durch eine richtungsweisende Vision aus. Sodass Mitarbeiter ihr Handeln jederzeit anhand dieser Vision überprüfen können. Neben der Unternehmenskultur ist auch die Veränderung des Rollenverständnisses Mitarbeiter und Führung ausschlaggebend.
2.2. Das 7-Phasen-Model im Change Prozess
Viele Unternehmen haben festgestellt, dass das bloße Kopieren agiler Mechaniken nicht den gewünschten Erfolg hat. „Mentalität und Kultur müssen sich der Scrum-Philosophie anpassen. Veränderungsmanagement spielt dabei eine tragende Rolle, denn je älter, größer und hierarchischer strukturiert eine Organisationen ist, umso stärker müssen die Vorteile des Wandels kommuniziert werden, damit sie sich verankern. Kleineren Unternehmen fällt der Umstieg auf agile Methoden oft leichter. Doch wer agil werden will, darf den Kulturwandel nicht scheuen. (...) Der Weg hin zu agilen Teams, die eigenorganisiert und selbstverantwortlich arbeiten, ist weit.“13 Ein Wandel der Organisation inklusive einer neuen Kultur, neuen Rollenverständnissen und einer Veränderung der inneren Haltung der Mitarbeiter und Führungskräfte ist erforderlich. Eine solche Transformation braucht nicht nur eine gewisse Zeit, sondern durchläuft auch verschiedene Phasen, bis eine Veränderung schließlich nachhaltig vollzogen ist.14 Um die Phasen des Change Prozesses zu beschreiben soll im Folgenden das Model von Richard K. Streich dienen.
[Abbildungen werden in dieser Leseprobe nicht angezeigt]
Abbildung 2: Die 7 emotionalen Phasen des Veränderungsprozesses, nach Richard K. Streich
2.2.1. Phase 1: Schock
Die Konfrontation mit dem bevorstehenden Wandel findet statt, kommt jedoch unerwartet und führt somit zur Überraschung und zu einem Zustand des Schocks bei allen Betroffenen. Aufgrund der Diskrepanz zwischen bisherigen Verhalten und dem neuen gewünschten Verhalten, sinkt die wahrgenommene eigene Kompetenz.
2.2.2. Phase 2: Verneinung und Ablehnung
Nach dem Überwinden des Schocks kommt es typischerweise zu einer Abwehrreaktion. Hintergrund ist hier für gewöhnlich die Angst, gewohntes Terrain verlassen zu müssen und eine gefühlte Einschränkung der eigenen Freiheit.
2.2.3. Phase 3: Rationale Einsicht
Nach den ersten emotionalen Reaktionen, die meist ohne Erfolg bleiben, wird der Wandel mit all seinen Fakten und Hintergründen deutlich rationaler betrachtet. Eine wirkliche Bereitschaft zur Veränderung besteht allerdings noch nicht.
2.2.4. Phase 4: Emotionale Akzeptanz/Verweigerung
Diese Phase stellt nicht nur den emotionalen Tiefpunkt, sondern vor allem auch den entscheidenden Wendepunkt dar. Hier stellt sich heraus, ob die Veränderung wirklich akzeptiert oder doch komplett verweigert wird. In welche Richtung es geht, hängt insbesondere davon ab, ob in der Phase 3 die Notwendigkeit der Veränderung rational verstanden wurde. Hierzu braucht es vor allem eine transparente Kommunikation der Veränderungshintergründe seitens des Managements.
2.2.5. Phase 5: Testphase, Ausprobieren und Lernen
Mit dieser Phase werden erstmalig aktive Schritte Richtung Veränderung unternommen. Es entsteht eine Neugier und erste Verhaltensweisen werden getestet. Die eigene wahrgenommene Kompetenz steigt auch langsam wieder an.
2.2.6. Phase 6: Erkenntnis
Durch das wiederholte Ausführen des neuen Verhaltens, wird Sicherheit erlangt und erste Erfolge werden wahrgenommen.
2.2.7. Phase 7: Routine erlangen, Integration
Die neuen Handlungs- und Verhaltensweisen werden zur Routine und sind damit vollständig in den Alltag integriert.15
2.3. Klassische und agileane Rollen
In einer hierarchisch aufgebauten Organisation, wie sie derzeit in den meisten deutschen Unternehmen üblich ist, gibt es hauptsächlich zwei Rollen. Die des Teammitgliedes - Mitarbeiter und die der Führungskraft – Führung. Teammitglieder unterscheiden sich nach Fachrichtung, Verantwortungsumfang, Zugehörigkeitsdauer und persönliche Charakteristika. Führungskräfte können unterschiedlich große Teams und Budgets verantworten sowie je nach Unternehmensgröße auf unterschiedlichen Managementebenen angesiedelt sein. Durch agileane Arbeitsweisen, ändert sich vor allem die Verteilung der Verantwortung und das damit einhergehende Selbstverständnis der Rollen.
2.3.1. Der Begriff der ‚Rolle’
Wenn in der vorliegenden Arbeit der Begriff ‚Rolle’ verwendet wird, bezieht er sich auf die folgende Definition: Eine Rolle wird als die Kombination von Verhaltensweisen, Erwartungen anderer und den Zuständigkeiten einer Person definiert. Hierbei sind sowohl „spezifische Anforderungen der Aufgaben als auch Persönlichkeitsmerkmale“16 entscheidend.
2.3.2. Die klassische Führung
Die Führungskraft ist in ihrem ursprünglichen Sinne dafür zuständig, das Überleben des Unternehmens zu sichern.17 Dafür richtet sie ihr eigenes Handeln und das des Teams auf den Erfolg aus. Überspitzt kann die Verantwortung der klassischen Führung durch den Ausdruck Command & Control zusammengefasst werden.18 Ihre Aufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Die Führungskraft ist dafür zuständig Entscheidungen zu treffen: Personalentscheidungen wie Neueinstellungen und Kündigungen, Zielsetzungen, Weiterbildung und Gehälter.
- Die Führungskraft delegiert Aufgaben.
- Kommunikation mit anderen Führungskräften beispielsweise zur Absprache von Zusammenarbeit gehört auch zu den Führungsaufgaben.
- Die Führungskraft führt das Team durch Lob und Kritik, managt Konflikte.
- Im Rahmen von Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgesprächen legt die Führungskraft, im Idealfall gemeinsam mit dem Mitarbeiter, dessen persönliche
Entwicklungsziele sowie die fachlichen Ziele fest.
- Veränderungen werden von oberen Führungseben auf untere Führungsebenen heruntergebrochen und so von der Führungskraft an den Mitarbeiter weitergeben. Die Führung ist somit der Motor der Veränderung.
- Im klassischen Führungsverständnis ist das Menschenbild häufig eher negativ geprägt. Es wird davon ausgegangen, dass die Führung den
Mitarbeitern Vorgaben machen und sie anleiten muss.19
Je nach Führungsstil kann das Rollenverständnis der Führungskraft natürlich auch in klassischen Organisationen etwas variieren.
…
1 Kienbaum Management GmbH: Change-Management-Studie 2014/2015
2 Kasch, W.: Wenn der Chef agil ist, Wirtschaft + Weiterbildung 11/12_2013, S. 34 und 35
3 Wolf, M., Erretkamps, H., Schröder, A.: So viel Agile steckt in Lean, In: Der F&E Manager Heft 03/2014, S. 18
4 Vgl.: Komus, A. und Kamlowski, W.: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Lean Management und agilen Methoden, Working Paper des BPM-Labors Hochschule Koblenz, Koblenz, 2014, S.24
5 Wolf, M., Erretkamps, H., Schröder, A.: So viel Agile steckt in Lean, In: Der F&E Manager Heft 03/2014, München, S. 15
6 Wolf, M., Erretkamps, H., Schröder, A.: So viel Agile steckt in Lean, In: Der F&E Manager Heft 03/2014, München, S. 16
7 Kienbaum Management GmbH: Change-Management-Studie 2014/2015, S.7
8 Buhse, Dr. W., Grabmeier, S.: Neues Denken für das digitale Zeitalter, In: Personalwirtschaft, Heft 03/2015, S. 57
9 Vgl. Gloger, B.: Warum der klassische Manager ausstirbt, Personalpraxis 9/14
10 Agiles Manifest: http://agilemanifesto.org/iso/de/, 2001
11 Perspektive Mittelstand (01.11.2015), http-//www.perspektive-mittelstand.de/Studie-Lean- Management-Vorhaben-meist-nur-zum-Teil-erfolgreich/management-wissen/4639.pdf
12 Pesch, U.: Raus aus den Strukturen, In: Personalwirtschaft, Heft 09/2015, S. 25
13 Pesch, U.: Raus aus den Strukturen, In: Personalwirtschaft, Heft 09/2015, S. 22
14 Vgl.: Niedermeyer, R., Postall, N.: Mitarbeitermotivation in Veränderungsprozessen, Freiburg, 2013, S. 49
15 Vgl. Niedermeyer, R., Postall, N.: Mitarbeitermotivation in Veränderungsprozessen, Freiburg, 2013, S. 51 ff.
16 Blümke, M.: Jedes Teammitglied agiert in seiner Rolle, (15.12.2015) http://www.business-wissen.de/artikel/ergaenzen-jedes-teammitglied-agiert-in-seinerrolle/
17 Vgl. Springer, R.K.: Radikal führen, Frankfurt am Main, 2012, S. 18
18 Vgl. Häusling, A.: Agiles Change Management, eBook der HR Pioneers GmbH, Köln, 2015, S. 15
19 Vgl. Kirchler, E.: Arbeits- und Organisationspsychologie, Wien, 2005, S. 411 ff.
- Quote paper
- Nicole Bittger (Author), 2016, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren im Change Prozess. Qualitative empirische Untersuchung der Rollen "Führungskraft" und "Mitarbeiter" von der klassischen Organisation zur agileanen Organisation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342486
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