Fachdidaktische Prinzipien können als Produkt der Geschichte nach dem 2. Weltkrieg angesehen werden. Die genetische Politikdidaktik von Petrik setzt insbesondere an den Erkenntnissen von Spranger und Wagenstein an. Spranger war der erste Pädagoge, der die von Wagenstein exemplarisch-genetisch-sokratische Methode auf das politische Lernen übertrug. „Seine politischen Elementarphänomene sind Vorbilder für die aktuelle Arbeit […], weil sie zwischen Alltagserfahrung, institutionellen Wissen und sozialwissenschaflicher Reflexion vermitteln“.
Eine konzeptionelle und empirische Ausgestaltung erfährt dieser Ansatz später in der genetischen Politikdidaktik von Petrik (2007/2013). In diesem Essay soll der Frage nachgegangen werden: Welche Inhalte können mit Hilfe des genetischen Ansatz vermittelt werden und wo liegen hierbei mögliche Grenzen?
Inhalt
1. Einleitung
2. Der genetische Ansatz
2.1 Inhalte und Ziele
2.2 Der politische Kompass
3. Unterrichtspraktische Umsetzung
3.1 Der Dorf-O-Mat als Entdeckungsinstrument für politische Grundorientierungen
3.1.1 Sachanalyse und methodisches Vorgehen
3.1.2 Auswertung
3.2 Inselgeschichten
3.2.1 Ausgangssituation
3.2.2 Begriffliche Ableitungen
4. Kritische Betrachtung
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Fachdidaktische Prinzipien können als Produkt der Geschichte nach dem 2. Weltkrieg angesehen werden.[1] Die genetische Politikdidaktik von Petrik setzt insbesondere an den Erkenntnissen von Spranger und Wagenstein an. Spranger war der erste Pädagoge, der die von Wagenstein exemplarisch-genetisch-sokratische Methode auf das politische Lernen übertrug.[2] „Seine politischen Elementarphänomene sind Vorbilder für die aktuelle Arbeit […], weil sie zwischen Alltagserfahrung, institutionellen Wissen und sozialwissenschaflicher Reflexion vermitteln“.[3]
Eine konzeptionelle und empirische Ausgestaltung erfährt dieser Ansatz später in der genetischen Politikdidaktik von Petrik (2007/2013). In diesem Essay soll der Frage nachgegangen werden: Welche Inhalte können mit Hilfe des genetischen Ansatz vermittelt werden und wo liegen hierbei mögliche Grenzen?
2. Der genetische Ansatz
2.1 Inhalte und Ziele
Entgegen dem „darlegenden Lernen“ als vorschnelle Gegenüberstellung mit fertigen Strukturen, die für Schüler eine abgeschlossene Expedition darstellen, zielt das genetische Lernen auf die erfahrungsorientierte Entdeckung ab.[4] Wobei der genetische Ansatz nicht auf fertige Produkte verzichtet, sondern diese vielmehr an das Ende eines induktiven Entdeckungs- und Entwicklungsprozesses setzt.[5] In Anlehnung an Petrik begreift sich der genetische Ansatz als Synthese aus schüler-, handlungs- und kategorial orientierten Ansätzen.[6] Ungelöste Ursprungs- und Umbruchsituationen dienen hierbei als Ausgangspunkte, die zur politischen Lösungssuche und Identitätsentwicklung auffordern.[7] Hierbei sind aufkommende Fragen und Konstruktionen für die jugendlichen Gründer oftmals selbst neu. Mögliche Gründungsituationen können Inselgeschichten oder Robinsonaden sein. Bei Leps (2004) wurde ein Herrscher überwältigt. Daraufhin muss ein Staat neu organisiert und strukturiert werden. Mannigfaltige Entscheidungsprozesse und Krisen während der Gründung provozieren Konzeptwechsel, sodass gesellschaftliche Entwicklungsaufgaben mit individuellen Wünschen abgeglichen werden müssen.[8] Genetisch soll durch forschungsähnliche Expeditionen zu exemplarischen Ursprüngen das Wissen erfahrbar werden. Hierbei wird der Entdeckungsprozess durch Provokation und Loslassen (sokratische Lehrerbegleitung) gestützt.[9]
Sozialwissenschaftliche Theorien und Theoretiker können den Lernenden als Anregungen für Auseinandersetzungen um ihre Gründung dienen. Bei einer Dorfgründung können sich die Schüler beispielsweise von Smith, Burke, Marx oder Proudhon inspirieren lassen, die alle eine andere Weltanschauung bzw. Ordnungsvorstellung vertreten. Mit Hilfe des politischen Kompasses lassen sich diese Ansichten politisch verorten.[10]
2.2 Der politische Kompass
Der politische Kompass geht auf Mannheim (1952) und Kitschelt (2003) zurück. Anhand des politischen Kompasses, der auf der x- Achse zwischen „Wirtschaftsfreiheit versus soziale Gleichheit“ und auf der y-Achse zwischen „Selbstbestimmung versus Autorität“ differenziert, lassen sich aktuelle politische Positionen und konkurrierende Wertorientierungen klar unterscheiden. Die beiden Haupt-Konfliktlinien ermöglichen das Herausstellen von vier Grundorientierungen (liberale-, konservative-, sozialistisch/sozialdemokratische- und libertäre Grundorientierung). Diese vier Grundorientierungen bieten subjektive Andockstellen an das Politische, indem sie u.a. Antworten auf soziopolitische Grundfragen wie Herrschaft und Partizipation, Güterverteilung, Besitzverhältnisse, abweichende Lebensstile und Ökologie gewähren (siehe Unterrichtsbeispiel). Den Lernenden erschließt sich dadurch ihre Position. Sie finden heraus, wo sie im Augenblick stehen. Damit bildet der politische Kompass eine bedeutsame Grundlage der politischen Urteilskompetenz und Identitätsentwicklung. Die nachfolgende Abbildung zeigt diesen Zusammenhang.[11]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Der politische Kompass als Grundlage der Urteilskompetenz.
(vgl. Petrik 2014, S. 42).
3. Unterrichtspraktische Umsetzung
3.1 Der Dorf-O-Mat als Entdeckungsinstrument für politische Grundorientierungen
3.1.1 Sachanalyse und methodisches Vorgehen
Anhand des Dorf-O-Maten können Lernende ihre (vorläufige) politische Orientierung entdecken. Dies geschieht interaktiv und mit Hilfe des politischen Kompasses. Der Lehrer stellt hierbei zehn kontroverse Situationen zu marktliberalen, konservativen, demokratisch-sozialistischen und grün-libertären Grundwerten zur Diskussion. Die Situationen 1-5 beschreiben die gesellschaftspolitische Konfliktlinie „Selbstbestimmung versus Autorität“ und die Situationen 6-10 die wirtschafts- und sozialpolitische Konfliktlinie. Die Schüler müssen sich zu jeder Situation eine Meinung bilden, wobei sich auch untereinander ausgetauscht werden darf. Anschließend müssen sie sich auf einer Streitlinie positionieren. Auf dem ausgehändigten Arbeitsblatt muss dann die eigene Position angekreuzt werden
(Abb. 2).[12]
Beispiel: Herrschaft: Ein machtvoller gewählter Bürgermeister fürs Dorf? Der Bürgermeister wird sich stets andere Meinungen anhören, hat aber in allen Fragen das letzte Wort.
[...]
[1] vgl.: Reinhardt, Sybille (2014): Politik-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. 5. Auflage. Cornelsen: Berlin. S. 75.
[2] vgl.: Petrik, Andreas (2011): Politische Elementarphänomene – Genetische Brücken von der Mikro- zur Makrowelt bei Eduard Spranger. In: May, Michael/Schattschneider, Jessica (Hrsg.): Klassiker der Politikdidaktik neu gelesen. Schwalbach: Wochenschau Verlag. S. 36.
[3] ebd. S. 36.
[4] vgl.: Petrik, Andreas (2013). Der genetische Ansatz. In: Deichmann, Karl/Tischner, Christian K. (Hrsg.): Handbuch Dimensionen und Ansätze in der politischen Bildung. Schwalbach: Wochenschau Verlag. S. 37.
[5] ebd. S. 244.
[6] vgl.: Petrik, Andreas (2013). Der genetische Ansatz. S. 39.
[7] vgl.: Petrik, Andreas (2013). Der genetische Ansatz. S. 39.
[8] vgl.: Reinhardt, Sybille (2014): Politik-Didaktik. S. 161-162.
[9] vgl.: Petrik, Andreas (2013). Der genetische Ansatz. S. 37.
[10] vgl.: Reinhardt, Sybille (2014): Politik-Didaktik. S. 162.
[11] vgl.:Petrik, Andreas (2013). Der genetische Ansatz. S. 41-43.; Reinhardt, Sybille (2014): Politik-Didaktik. S. 162.
[12] Petrik, Andreas (2013). Der genetische Ansatz. S. 47.
- Quote paper
- Sebastian Schäfer (Author), 2016, Die genetische Politikdidaktik von Petrik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342437
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