Auf dem „Platz der Einheit“ in Potsdam, also auf dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR steht das „Mahnmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer“, welches im Mai 1975 errichtet wurde. Es trägt den in Großbuchstaben eingemeißelten Schriftzug: „UNSER OPFER/ UNSER KAMPF /GEGEN FASCHISMUS UND KRIEG/ DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG UND VERPFLICHTUNG“.
Auf den ersten Blick scheint dieses Denkmal wie eines unter hunderten anderer Denkmäler in der heutigen Bundesrepublik den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet zu sein. Mangels einer noch fehlenden wichtigen geschichtlichen Hinweistafel, auf welcher die ideologische Motivation und die eigentlich beabsichtigte sozial-psychologische sowie auch sozialistisch-propagandistische Wirkung des Mahnmals auf Besucher und Bewohner der Stadt Potsdam deutlich herausgearbeitet und verschriftlicht steht, wird sich an diesem Umstand wenig ändern. Am interessantesten bleibt natürlich in erster Linie der exemplarische Schriftzug. Eine sprachliche Analyse desselben zusammen mit dem heutigen Wissen über das zu DDR-Zeiten sinnstiftende „Staatsideologem Antifaschismus“ lassen viele Beobachtungen über die Erinnerungspolitik der DDR zu NS-Verbrechen und zur NS-Zeit zu.
Der folgende Essay will als Grundlage für die spätere Diskussion über einen zukünftigen adäquateren öffentlichen Umgang mit ehemaligen DDR-Denkmälern zum Nationalsozialismus zunächst auf den in der DDR-Staatsdoktrin tief verwurzelten Antifaschismus eingehen.
Wir befinden uns in Potsdam, also auf dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR. Das obere Bild ist ein Ausschnitt des „Platz der Einheit“.
Das als „Mahnmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer“ im Mai 1975 errichtete Monument trägt den in Großbuchstaben eingemeißelten Schriftzug:
„UNSER OPFER/ UNSER KAMPF /GEGEN FASCHISMUS UND KRIEG/ DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG UND VERPFLICHTUNG“
Auf den ersten Blick scheint dieses Denkmal wie eines unter hunderten anderer Denkmäler in der heutigen Bundesrepublik den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet zu sein. Mangels einer noch fehlenden wichtigen geschichtlichen Hinweistafel, auf welcher die ideologische Motivation und die eigentlich beabsichtigte sozial-psychologische sowie auch sozialistisch-propagandistische Wirkung des Mahnmals auf Besucher und Bewohner der Stadt Potsdam deutlich herausgearbeitet und verschriftlicht steht, wird sich an diesem Umstand wenig ändern. Am interessantesten bleibt natürlich in erster Linie der exemplarische Schriftzug. Eine sprachliche Analyse desselben zusammen mit dem heutigen Wissen über das zu DDR-Zeiten sinnstiftende „Staatsideologem Antifaschismus“ lassen viele Beobachtungen über die Erinnerungspolitik der DDR zu NS-Verbrechen und zur NS-Zeit zu.
Ein noch laufendes Projekt zur Sammlung und zur Studie der in Brandenburg befindlichen DDR-Denkmäler in Kooperation mit der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, stellt fest:
„Opfer, Kampf, Mahnung, Verpflichtung - die Stereotypen der Gedenkinschriften waren nun nicht mehr aufgeladen mit authentischer Erinnerung wie bei den frühen Gedenkzeichen aus der Nachkriegszeit, deren Inschriften vielleicht ähnlich klangen, aber noch vorstellbaren Personen und Vorgängen galten. An Plätzen wie diesem wurden Feierstunden und Kranzniederlegungen abgehalten. Sie dienten nicht dem Gedenken, sondern der Darstellung von Gedenken, der Repräsentation. (hervorgehoben im Original : M.Mattes)“
Der folgende Essay will als Grundlage für die spätere Diskussion über einen zukünftigen adequateren öffentlichen Umgang mit ehemaligen DDR-Denkmälern zum Nationalsozialismus zunächst auf den in der DDR-Staatsdoktrin tief verwurzelten Antifaschismus eingehen. Daran anhängend soll die ideologisch ausgerichtete, teils undifferenzierte und teils einseitige DDR-Erinnerungspolitik zu den Verbrechen des Nationalsozialismus im Zentrum stehen. Innerhalb dieser DDR-Erinnerungspolitik soll zudem gezeigt werden, welche gesellschafts-psychologischen und pseudo-identitätsstiftenden Auswirkungen der DDR-Denk-und Mahnmäler auf die Bevölkerung des „Arbeiter- und Bauernstaates“ staatlich beabsichtigt waren; im Modus eines kollektiven Erinnerns an die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Die Aufarbeitung der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit verlief in den sich formenden politischen Systemen Westdeutschlands, der BRD, und Ostdeutschlands, der DDR, in der Nachkriegszeit unterschiedlich. Während die BRD bei ihrem Aufbau einer demokratischen Gesellschaft in der Ära Adenauer auf eine kollektive Amnesie und auf eine dominierende Schlussstrichmentalität setzte und damit Erfolg hatte, diente gerade diese Art der Vergangenheitsbewältigung der DDR als „Rechtfertigung dafür, die ideologische Indoktrinierung der Bevölkerung als ihre 'weltanschauliche Erziehung' in den Mittelpunkt eines 'geistigen Aufbauprogramms' der sozialistischen Gesellschaft zu stellen. Damit wurde die individuelle Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus durch ein kollektives [verordnetes] ideologisches Erziehungsprogramm der Verknüpfung von Antifaschismus und Sozialismus ersetzt.“
Daran gekoppelt waren auch die Konzepte eines „schlechten Täter-Deutschlands“, der BRD, das aus DDR-ideologischer Sichtweise mit seinem kapitalistischen Wirtschaftssystem und der stockenden Entnazifizierung zukünftig als „potentiell faschistisch“ galt – Der Faschismus wurde übergeneralisiert zu einem Merkmal des Kapitalismus. Dagegen wollte die DDR sich ihrer Opferrolle und ihrer Rolle als das „bessere Deutschland“ bewusst werden durch den staatlich verordneten antifaschistischen Grundkonsens in der Bevölkerung. „Es war diese funktionale Eignung des Antifaschismus, die weltanschauliche Kontinuität eines politischen Selbstverständnisses zu generieren, das ohne dieses fokussierende Gerüst eines glaubensartigen Bekenntnisses so nicht aufrechtzuerhalten gewesen wäre.“
Im Dienste des ideologischen antifaschistischen Erziehungsprogramms standen die Denk- und Mahnmal-Anlagen, wie beispielsweise das eingangs beschriebene „Mahnmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer“ auf dem Platz der Einheit in Potsdam. Eines der wohl eindrücklichsten dokumentierten politischen Bekenntnisse zur antifaschistischen Erinnerungskultur der DDR zu NS-Verbrechen und der politischen Instrumentalisierung des Antifaschismus, ist eine Rede Ulbrichts am 23. April 1961 anlässlich der Einweihung des Sachsenhausener Denkmals für die Opfer des Faschismus. In dieser Rede wurde im plural den „unzähligen Märtyrern und Helden des antifaschistischen Widerstandskampfes“ gedacht.
Es war eine Rede die mehrheitlich den kommunistischen Kämpfern, weniger den Opfern und speziellen Opfergruppen galt. Ulbricht erwähnte an keiner Stelle, dass in Sachsenhausen tausende jüdischer Gefangener ermordet wurden, noch nahm er Bezug zum Genozid an den Juden im ehemaligen NS-Regime. Der Fokus der Rede lag auf der Erinnerung an die ermordeten „(kommunistischen) Märtyrer und Helden“. Bewusst rückte Ulbricht in seiner „Mahnrede“ zwei Gründe ins Zentrum der Sichtweise, als es um die Frage der Ermordung so vieler Menschen, der Frage des wieso überhaupt, ging:
Zum Einen, waren es die vom dominierenden nationalsozialistischen Weltbild abweichenden politischen Überzeugungen und Aktivitäten der kommunistischen „Widerstandskämpfer“ und Sozialdemokraten. Zum anderen, und das hatte Ulbricht besonders hervorgehoben, waren es die (zunächst) gescheiterten Versuche, im (sozialistischen) „Kampf“ über den Faschismus zu siegen. An keiner Stelle nimmt Ulbricht jedoch Bezug auf die unzähligen Juden, die in Sachsenhausen ermordet wurden, und das in erster Linie nicht wegen ihrer politischen Einstellung oder Aktivitäten gegen das NS-Regime, sondern lediglich schon weil sie Juden waren oder zu solchen in der nationalsozialistischen oftmals willkürlichen Fremdbezeichnung zu „Juden“ gemacht worden waren.
Gedacht wurde damals bei der feierlichen Einweihungszeremonie im ehemaligen KZ Sachsenhausen bis zum Ende der DDR-Zeit also sehr einseitig und in stark ideologischer Weise. Um das beschriebene politische Statement zur von oben herab dirigierten DDR-Erinnerungspolitik noch besser nachvollziehen zu können, lohnt es sich den besonderen geschichtlichen Bezugsrahmen einzufangen:
„Bei der Feier 1961 ging es kaum um die Opfer des Konzentrationslagers, sagt Günter Morsch, der Direktor der Gedenkstättenstiftung. Sie seien stark in den Hintergrund gerückt, weil die Eröffnung auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges stattfand und politisch von der DDR, aber indirekt auch vom Westen instrumentalisiert wurde. Kurz vor der Zeremonie hatte in Jerusalem der Prozess gegen den Organisator der Juden-Deportationen Adolf Eichmann begonnen, den die DDR zur Abrechnung mit der vermeintlich „neofaschistischen“ Regierung Adenauer umzumünzen versuchte (…).“
Die zur Gedenkstätte zugehörige museale Einrichtung thematisierte in einer dreigliedrigen Ausstellung den Lageralltag, den Widerstand und die Befreiung. Auch hier wurde wert auf die ideologisch gesehen „richtige“ Auseinandersetzung mit den geschehenen Verbrechen im ehemaligen KZ gelegt.
„Die Kommentare [auf den Ausstellungstafeln] erklärten den NS-Terror primär als Folge des Widerstandes und die Zwangsarbeit der KZ-Häftlinge lediglich als Mittel zur Profitmaximierung der Industrie. Letztlich wurde der Genozid an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma aus den Verwertungsinteressen der kapitalistischen Konzerne erklärt, während die Geschichte des Rassismus und des Antisemitismus ausgeblendet blieb.(hervorgehoben im Original: Maximilian Mattes)“
In dieser Tradition der staatlich verordneten antifaschistischen Erinnerungskultur entstanden bis in die späten 80er Jahre hinein vielerorts in der DDR Gedenkorte, die größtenteils, wie beispielsweise das eingangs genannte „Mahnmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer“ in Potsdam, nach der Wende unverändert ihren festen Platz im städtischen Bild einnahmen und es bis heute tun. Folglich stellt sich die Frage wie mit ihnen in Zukunft umgegangen werden soll. Eine Auswahl von mehr als der drei folgenden stünden vielleicht zur Auswahl:
- Man belässt alles beim Alten und im unveränderten Zustand
- Man ersetzt das komplette Denkmal durch beispielsweise eine moderne Skulptur oder eine weitläufige Grünanlage
- Man belässt alles beim Alten, jedoch mit einer Hinweistafel, die über den Entstehungszeitpunkt und die wahre „Absicht des ideologisierten Gedenkens“, das vom Denkmal ausgeht, ausführlich aufklärt. Zudem ist die Möglichkeit gegeben, Wanderausstellungen, die schon an anderen ähnlichen DDR-Gedenkstätten waren, auch in Potsdam zu präsentieren. Für eine höhere Kostenersparnis der Umgestaltung, jedoch unter Umständen zulasten der generationsübergreifenden Benutzerfreundlichkeit, könnte das Anbringen eines großen QR-Codes dienen, der Interessierte direkt zur Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung oder zu anderen Seiten die vom Thema handeln, lotst.
Der Verfasser des Essays plädiert stark für die Umsetzung der dritten Variante. Er ist der Ansicht, dass dieses und andere solcher DDR-Gedenkstätten zum Nationalsozialismus bis heute kaum etwas von ihrer Wirkungsmacht des ideologisierten Gedenkens (Stichwort: „Widerstandskämpfer gegen den Faschismus“) eingebüßt haben. Überwiegend linksradikale Gruppierungen nutzen den historischen Gedenkort als Forum für ihre Kundgebungen und zu anderen Zwecken. Wenn man die Argumentationsmuster und die Sprache der politischen Rhetorik auf der verwiesenen Seite, http://aalp.blogsport.de/, des Artikels „Lasst uns einstehen für eine neue, bessere Gesellschaft“ analysiert, so verbleibt sie in einer tradierten antifaschistischen Erinnerungskultur der DDR.
Beispiel 1:
„Doch diese Menschen legten Zeugnis über den Massenmord in Auschwitz ab. Zeugnis über die ca. 1,5 Millionen Toten, die in Auschwitz vor allem vergast, aber auch erschlagen, verhungert oder an Krankheit gestorben sind. Ebenso wurde bekannt, dass an Erwachsenen und Kindern unmenschliche und sinnlose medizinische Experimente durchgeführt wurde, die den Betroffenen maßlose Qualen, oftmals aber sogar den Tod brachten. Trotz allem formierte sich auch hier Widerstand. (hervorgehoben im Original: Maximilian Mattes)“
Beispiel 2:
„Die Schuld betraf eine ganze Generation. Und sie betrifft uns heute. Als Verantwortung. (hervorgehoben im Original: Maximilian Mattes) “
Beispiel 3:
„Lasst uns auch gemeinsam kämpfen gegen die nazistische Bedrohung, gegen jede Verklärung oder Verharmlosung des Geschehenen. Lasst uns einstehen für eine neue, bessere Gesellschaft ohne Krieg und Faschismus.(hervorgehoben im Original: Maximilian Mattes)“
Bild einer linksradikalen Kundgebung am „Mahnmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer“ im Potsdam.
[Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen für die Veröffentlichung entfernt]
Der Verfasser ist der Ansicht das ein modifiziertes Denkmal in Potsdam und andernorts solche und ähnliche Kundgebungen zwar nicht verhindern könnte. Jedoch könnten diese modifizierten oder sogar gänzlich umgestalteten Gedenkorte der ideologisierten antifaschistischen Erinnerungskultur, die die Wende (leider) überstand, Einhalt gebieten.
Je mehr Denkmäler auf ehemaligem DDR-Staatsgebiet einem solchen Umgestaltungs- oder Modifizierungsprozess folgten, desto schneller könnte der Prozess voranschreiten eine gesamtdeutsche Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland zum Nationalsozialismus zu etablieren. Für ehemalige DDR-Bürger, die ein „kollektives ideologisches Erziehungsprogramm“ hin zum Antifaschismus durchlaufen hatten/mussten, könnte es ein Anreiz sein, die Denkmalanlagen aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.
[...]
- Quote paper
- Maximilian Mattes (Author), 2012, Antifaschismus als sinnstiftendes Staatsideologem. Erinnerungspolitik in der DDR an die NS-Verbrechen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340250
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