Nach der Uraufführung seines größten Welterfolgs, der „Drei-Groschen Oper“, stellte die Berliner Zeitschrift „Die Dame“ 1928 Berthold Brecht die Frage, welches Buch auf Ihn den tiefsten Eindruck gemacht habe. Brecht antwortet: „Sie werden lachen: Die Bibel.“ Diese Aussage wird zunächst ironisch kabarettistisch gedeutet, letztendlich aber bleibt sie eine ehrliche Antwort Brechts, der von der Bibel und ihren Geschichten schlechtweg fasziniert ist.
Als er seine Theorie des epischen Theaters bereits mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt hat, möchte er dies nun auch auf die Kunstform der Oper anwenden. Deshalb und auf Grund der unmittelbaren, rücksichtslosen Gesellschaftskritik erlebt „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ 1929 bei der Uraufführung in Leipzig einen perfekten Theaterskandal. Auch hier spielt Brecht mit biblischen Bezügen, die neben dem vermeintlichen Hauptanliegen der Kapitalismuskritik anfangs allerdings kaum Beachtung finden. Diese erste Lebenshälfte Bertolt Brechts soll im Folgenden den Hintergrund der vorliegenden Arbeit bilden.
Entgegen der Kapitalismuskritik, die man in Brechts Werken häufig finden kann, soll in dieser Arbeit die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ auf einen anderen Interpretationsansatz hin kritisch überprüft werden: Kann der „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ mit einem Aufstieg und Fall des Christentums gleichgesetzt werden?
In einem ersten Teil der Arbeit sollen hierfür die Parallelen in Motivik, Sprache und gesellschaftlicher Ordnung zwischen biblischen Texten und dem Brechtschen Theaterstück dargestellt werden. Daraufhin werden in einem zweiten Teil dem Leser verschiedene Standpunkte aus Forschungsliteratur, der damaligen Theaterkritiken und Brechts eigene Aussagen zur Funktion dieser religiösen Momente sowie generelle Gedanken zu Religion und damit verbundenen Themen vorgestellt, um abschließend die im Titel dieser Arbeit aufgestellte These günstigstenfalls verifizieren zu können.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Sie werden lachen: Die Bibel.
- 2 Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny - Aufstieg und Fall des Christentums?
- 2.1 Biblische Bezüge in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
- 2.1.1 Biblische Motive in der Brechtschen Oper
- 2.1.1.1 Erste Szene: Der Exodus
- 2.1.1.2 Zweite und neunte Szene: Biblische Nummerologie
- 2.1.1.3 Achte Szene: Der freie Mensch und seine Transzendenz
- 2.1.1.4 Zehnte Szene: Die Sintflut
- 2.1.1.5 Elfte Szene: Soddom und Gomorrah, der zweite Bund und die Zehn Gebote
- 2.1.1.6 Zwölfte Szene: Der zweite Bund oder: Der freie Wille des Menschen
- 2.1.1.7 Dreizehnte Szene: Das Goldene Kalb und die Hure Babylon
- 2.1.1.8 16. Szene: Messiaserscheinung und die Frage nach dem Himmel
- 2.1.1.9 17. Szene: Das Gebet Jesu im Garten Gethsemane
- 2.1.1.10 18. Szene: Die Passion Christi
- 2.1.1.11 19. Szene: Der Judaskuss und das Spiel im Spiel: Gott in Mahagonny
- 2.1.1.12 20. Szene: Hilflosigkeit
- 2.1.2 Die Luther-Sprache und biblischen Zitate in Brechts Mahagonny
- 2.1.2.1 Erste Szene: Der Exodus und der Name Mahagonny
- 2.1.2.2 Neunte und elfte Szene: Die Zehn Gebote und der Untergang Babylons
- 2.1.2.3 19. Szene: Abschiedsreden und Kreuzigung Jesu
- 2.1.2.4 20. Szene: Tod Jesu
- 2.1.3 Bezüge zur christlichen Ordnung in Mahagonny
- 2.1.3.1 Alter Bund zwischen Menschen und Gott
- 2.1.3.2 Neuer Bund zwischen Menschen und Gott
- 2.2 Aufstieg und Fall des Christentums?
- 2.2.1 Einführung
- 2.2.1.1 Brecht und die Soziologie
- 2.2.1.2 Brechts Verständnis von Humanität
- 2.2.2 Das goldene Kalb
- 2.2.2.1 Das Werk und die Aufführung der Salzburger Festspiele 1998
- 2.2.2.2 Brechts Ansichten über Religion
- 2.2.2.3 Theaterstücke Brechts ähnlicher Thematik im Vergleich
- 2.2.3 Der schnöde Mammon
- 2.2.3.1 Theaterkritiken von 1929-32
- 2.2.3.2 Hauptargumente für eine reine Kapitalismuskritik
- 2.3 Daraus folgende mögliche Funktionen der biblischen Bezüge
- 2.3.1 Verfremdungseffekt im epischen Theater
- 2.3.2 Kritik am Kapitalismus
- 2.3.3 Kritik am Christentum
- 3 Aufstieg und Fall des Christentums!
- Biblische Bezüge in Brechts Oper
- Parallelen zwischen Motiven, Sprache und gesellschaftlicher Ordnung in der Bibel und Brechts Werk
- Brechts kritische Haltung gegenüber Religion und seine Sicht auf Humanität
- Mögliche Funktionen der biblischen Bezüge in Brechts Oper, wie der Verfremdungseffekt und Kritik am Kapitalismus und Christentum
- Die Verbindung von religiösen und gesellschaftlichen Aspekten in Brechts Werk
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Bertolt Brechts Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" auf eine besondere Weise. Im Fokus steht die Frage, ob der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny metaphorisch als Aufstieg und Fall des Christentums interpretiert werden kann.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt den Kontext von Brechts Auseinandersetzung mit der Bibel und seinem eigenen Werdegang als Autor vor. Das zweite Kapitel untersucht die biblischen Bezüge in "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und analysiert die Parallelen zu biblischen Motiven, Sprache und der christlichen Ordnung. Das dritte Kapitel beleuchtet Brechts allgemeine Ansichten über Religion, analysiert die Funktion der biblischen Bezüge in seiner Oper und erörtert die Frage, ob sich der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny als Metapher für den Aufstieg und Fall des Christentums interpretieren lässt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen des christlichen Glaubens, dem Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Brechts Theatertheorie, dem Verfremdungseffekt, der Kapitalismuskritik, biblischen Motiven und der Luther-Sprache. Es werden insbesondere die Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und Brechts Werke im Kontext der Religions- und Gesellschaftskritik analysiert.
- Quote paper
- Eva Bartkowski (Author), 2010, Brechts "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny". Aufstieg und Fall des Christentums?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339755