Anhand der Tatsache, dass innerhalb der Literatur der Moderne eine intensive Auseinandersetzung mit den religiösen Texten der Bibel erfolgt, ja indem die Religion in den modernen Texten hochgradig präsent ist, wird der Bezug zur Tradition aufrechterhalten. Für die moderne Lyrik trifft dies ganz besonders zu, gilt doch die Lyrik als diejenige Gattung, in der erhabenes, das heißt ursprünglich göttlich inspiriertes Sprechen seinen Platz hat.
Die These des Traditionsbezugs soll im Rahmen dieser Seminararbeit exemplifiziert werden, indem der jeweils differenzierte Umgang mit Psalmen seitens zweier herausragender deutschsprachiger Lyriker des 20. Jahrhunderts, Bertolt Brecht und Peter Huchel, untersucht wird. Der Analyse unterzogen werden hierfür auf der einen Seite Brechts Gedicht „Gesang vom Sommer. 14. Psalm“, auf der anderen Seite Huchels „Winterpsalm“. Die Auswahl der Texte begründet sich zunächst durch den spannungsreichen rezeptionsästhetischen Gegensatz der beiden Gedichte; denn so unter-schiedliche Assoziationen, Gefühle und Empfindungen mit den Jahreszeiten Sommer und Winter einhergehen, so differenziert erscheint auch die von den beiden Gedichten ausgehende Wirkung auf den Leser. Vor allem aber erfolgte die Auswahl der Texte in Hinblick auf den biblischen Psalter. Analog zu den dort überlieferten 150 Psalmen, bei denen als wichtigste Klassifikationsmöglichkeit meist die Einteilung in die vier Großgattungen der Bitt- und Danklieder einerseits, der Klage- und Loblieder andererseits erfolgt, tendiert Brechts „Gesang vom Sommer“ zur Gattung des Lobpsalms, während sich das Gedicht von Huchel der Kategorie der Klagepsalmen zuordnen lässt.
Die Arbeit konzentriert sich dabei insbesondere auf die Beantwortung zweier Fragestellungen. Zum einen soll im Rahmen einer genauen Textanalyse untersucht werden, wie sich die beiden Autoren auf die biblische Tradition rückbeziehen, zum anderen soll der Frage nachgegangen werden, warum Brecht bzw. Huchel für ihren dichterischen Ausdruck die biblischen Psalmen als Prätext heranziehen. Folglich wird hier versucht, einen spezifischen Blickwinkel auf zwei moderne Psalmen zu richten, dem in der bisherigen Forschung relativ wenig Raum geschenkt worden ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bertolt Brechts „Gesang vom Sommer. 14. Psalm“
- Gesamtaussage und Überblick
- Brechts formaler Rückgriff auf die biblische Psalmentradition
- Inhaltliche Auseinandersetzung
- Der Gedichttitel als Hinweis auf die Voraussetzung einer Jahreszeit für das Erleben im Psalm
- Zur Himmel-Erde-Vertikale als raumstrukturierendes Element
- Einforderung von sozialer Gerechtigkeit
- Darstellung der Erde als keine problemlos zu bewohnende Immanenz
- Die Bejahung des Kreatürlichen
- Eine Möglichkeit der Distanzierung: Brechts Auflehnung gegen die unreflektierte Übernahme christlicher Dogmatik
- Die Kraft der reinen Adressierung
- Brecht und das Christentum
- Peter Huchels „Winterpsalm“
- Gesamtaussage und Überblick
- Zum formalen Aufbau des Psalms: der Rhythmus als strukturierendes Element
- Inhaltliche Auseinandersetzung
- Titel und Widmung
- Die Bedeutung des Vertikalen im „,Winterpsalm“
- Resignation des lyrischen Ichs
- Die Öffnung hin zu einer anderen Welt
- Was bleibt, ist die Hoffnung
- Die lyrische Sprechweise in „,Winterpsalm“
- Zur Transzendenz bei Huchel
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht den Bezug der modernen Lyrik zur biblischen Psalmentradition am Beispiel von Bertolt Brechts „Gesang vom Sommer. 14. Psalm“ und Peter Huchels „Winterpsalm“. Ziel ist es, die spezifischen Formen des Rückbezugs auf die biblische Tradition bei beiden Autoren herauszuarbeiten und zu analysieren, warum sie für ihren dichterischen Ausdruck die Psalmen als Prätext heranziehen.
- Die Rolle der Psalmen als literarisches und religiöses Motiv in der modernen Lyrik
- Der spezifische Umgang mit der biblischen Tradition in den Psalmen von Brecht und Huchel
- Die Verbindung von religiösen und gesellschaftlichen Themen in den Gedichten
- Die Bedeutung von Form und Sprache für die Interpretation der Psalmen
- Die Frage nach der Relevanz der Psalmen für die moderne Welt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die vielschichtige Beziehung des Menschen zur Religion in der Moderne und stellt die These auf, dass die Religion in der Literatur des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielt. Die Arbeit konzentriert sich auf die Psalmen von Bertolt Brecht und Peter Huchel, um die spezifischen Formen des Rückbezugs auf die biblische Tradition zu untersuchen.
Das Kapitel über Brechts „Gesang vom Sommer. 14. Psalm“ analysiert die formale Struktur des Gedichts, seinen Rückbezug auf die Psalmentradition sowie die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen wie Natur, Arbeit, Gerechtigkeit und Religion. Es wird die Rolle der Himmel-Erde-Vertikale als raumstrukturierendes Element untersucht und Brechts kritische Auseinandersetzung mit christlicher Dogmatik beleuchtet.
Das Kapitel über Huchels „Winterpsalm“ widmet sich dem formalen Aufbau, der Rolle des Rhythmus und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Themen wie Resignation, Hoffnung und Transzendenz. Die Bedeutung des Vertikalen im Gedicht und die lyrische Sprechweise werden im Kontext der Transzendenz bei Huchel analysiert.
Schlüsselwörter
Moderne Lyrik, Psalmen, Bertolt Brecht, Peter Huchel, biblische Tradition, Rückbezug, Form, Inhalt, Sprache, Religion, Transzendenz, Gesellschaft, Natur, Gerechtigkeit, Hoffnung, Resignation.
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- Verena Fendl (Autor), 2010, Biblische Psalmentradition bei Brecht und Huchel. „Gesang vom Sommer“ und „Winterpsalm“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339474