Der Lebensmittelonlinehandel (LOH) befindet sich derzeit in einer Entstehungs- und Entwicklungsphase und bedeutet neben dem klassischen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) einen weiteren Bezugskanal für deutsche Konsumenten. Da 98,8 % der Verbraucher ihre Lebensmittel gegenwärtig im stationären Einzelhandel beziehen, gestaltet sich der Onlinehandel in diesem Segment jedoch noch schwierig.
In anderen Ländern, wie beispielsweise England oder den USA, ist der LOH bereits etabliert. Auch deutsche Verbraucher kaufen diverse Artikel gerne online ein, allerdings keine Lebensmittel. Dies wirft die Frage auf, welche Hürden hierzulande zu überwinden sind, um den LOH erfolgreich zu implementieren.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungen
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2. Konsumentenverhalten
2.1 Marketingforschung
2.2 Konsumentenverhalten
2.2.1 Bedürfnisse
2.2.2 Involvement
2.3 Modelle des Neo-Behaviorismus
2.3.1 Das S-R-Modell
2.3.2 Das S-O-R-Modell
2.4 Prozess der Kaufentscheidung
3. Status Quo des deutschen LEH
3.1 Struktur
3.2 Konsumausgaben
3.3 Kostengestaltung
3.4 Reflektion
4. Das Internet als Vertriebskanal
4.1 Vertriebsmöglichkeiten
4.2 Digitale Wertschöpfungskette
4.3 Online vs. Offline
4.4 Bedeutung des Internets für den LEH
4.4.1 Aktueller Online-Konsum
4.4.2 Grenzen im E-Commerce
4.4.3 Diffusion und Adoptionsprozesse
4.5 Referenzbeispiele
4.5.1 Allyouneedfresh
4.5.2 MyTime
4.5.3 Rewe
4.5.4 Food
4.6 Zusammenfassung
5. Potenzialanalyse
5.1 Analyse aktueller Fachbeiträge
5.2 Expertenbefragung
5.2.1 Aufbau und Methodik
5.2.2 Ergebnisse
5.2.3 Interpretation
5.3 Konsumentenbefragung
5.3.1 Aufbau und Methodik
5.3.2 Ergebnisse
5.3.3 Interpretation
5.4 Fazit - Tendenzen und Prognosen
6. Empfehlungen
7. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Bedürfnispyramide nach Maslow
Abb. 2 Das S-R-Modell
Abb. 3 Das S-O-R-Modell
Abb. 4 Der Prozess des Konsumentenverhaltens
Abb. 5 Konsumausgaben in Deutschland
Abb. 6 Digitale Wertschöpfungskette
Abb. 7 Onlineanteil nach Warengruppen
Abb. 8 Prozess der Adoption
Abb. 9 Diffusionsmodell
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Geschäftstypen des deutschen LEH
Tab. 2: Handelsgruppen des LEH
Tab. 3: Möglichkeiten des Internet-Vertriebs
Tab. 4: Traditioneller Handel und EC
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Seit Jahren nehmen der allgemeine Internetkonsum sowie das damit einhergehende Online-Shopping zu. Immer mehr Geschäftsmodelle weiten sich auf den Online-Markt aus - so auch das Lebensmittelgeschäft. Im Jahr 2016 gibt es kaum noch Unternehmen, die nicht über den Online-Vertrieb ihrer Produkte nachdenken oder bereits die ersten Maßnahmen umgesetzt haben. Einige Lebensmittelhändler bieten ihre Artikel bereits online an. Dennoch hebt sich das Online-Angebot in dieser Branche deutlich von dem des stationären Handels ab. So ist der klassische Einkauf im Supermarkt weitaus geläufiger und das OnlineGeschäft gestaltet sich noch schwierig. Bei Lebensmitteln handelt es sich schließlich um sensible Güter, die der Konsument gern selbst in die Hand nimmt, bevor er die Kaufentscheidung fällt.
Aufgrund der heutigen Schnelllebigkeit, anspruchsvollen Jobs und zahlreichen Freizeitaktivitäten wäre anzunehmen, dass die Möglichkeit, auch den alltäglichen Einkauf online erledigen zu können, Zuspruch findet. Der Trend Convenience[1] und auch das große Interesse daran, sich zubereitetes Essen liefern zu lassen, würde diesen Gedanken des Zeitmangels unterstützen. Sich durch den Kauf von schnell zubereiteten Nahrungsmitteln Zeit zu sparen, ist zu einem weit verbreiteten Phänomen in der Gesellschaft geworden. Es zeugt von einer Neigung zur Bequemlichkeit und der Suche nach Effizienz in diesem Segment. Viele Menschen sehen den Einkauf von Lebensmitteln schlicht als Verpflichtung an, die kaum Zeit im Tagesablauf findet. Anzunehmen ist also die Nachfrage in der Bevölkerung, den Zeitaufwand für den Einkauf täglicher Produkte zu reduzieren. Dennoch hat sich der Lebensmittelonlinehandel (LOH) in Deutschland bisher noch nicht spürbar als Trend entwickelt. Somit stehen der Idee des LOH offenbar schwerwiegende Vorteile des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) gegenüber. Gerade für die ältere Generation gilt der Supermarkt als sozialer Treffpunkt. Ein weiterer unklarer Faktor ist das Vertrauen, welches Konsumenten bei dem Online Versand ihres Einkaufs in die Branche haben müssen. Die diversen Aspekte ermöglichen eine kontroverse Sichtweise des Themas. Aus welchen Gründen sich das Lebensmittelgeschäft deutlich von anderen Geschäften im E-Commerce differenziert, ist zu erforschen. Fraglich ist, welche Faktoren das Konsumentenverhalten so modellieren, dass der LOH in Deutschland noch nicht erfolgreich ist. In diesem Kontext ist explizit die Bereitschaft der Konsumenten zu untersuchen, das Angebot des Lebensmittelonlinehandels zu akzeptieren. Daher befasst sich diese Arbeit mit dem Marktgeschehen der Lebensmittelbranche und soll Tendenzen und Prognosen zum LOH herausarbeiten.
1.2 Zielsetzung
Durch die geschilderte Problematik wird ersichtlich, dass das Potenzial des Onlinehandels mit Lebensmitteln nur durch gründliche Recherche und Analyse erarbeitet werden kann. Welche Faktoren es sind, die offensichtlich Barrieren bilden und inwiefern sich die Akzeptanz deutscher Verbraucher gegenüber diesem Vertriebskanal gestaltet, bedarf einer Analyse. Diverse Einflussfaktoren sollen vor diesem Hintergrund beleuchtet werden. Herauszufinden ist in diesem Kontext, welche Faktoren Einfluss auf das Konsumentenverhalten von Käufern nehmen und welche Bedürfnisse sie haben. Die Erkenntnis dieser Faktoren kann dem Lebensmittelhandel wichtige Hinweise liefern und Chancen innerhalb des LOH aufzeigen. Diese können wiederum genutzt werden, um den Geschäftszweig auszubauen. Vorrangig beschäftigt sich diese Arbeit mit der leitenden Forschungsfrage:
Welches Potenzial besteht für den Lebensmittelonlinehandel in Deutschland?
Um die Antwort darauf sukzessive zu erarbeiten, bedarf es zunächst das Konsumentenverhalten zu beleuchten. Forschungsfrage zwei lautet somit wie folgt:
Wie gestaltet sich das Konsumentenverhalten beim (Online-)Bezug von Lebensmitteln?
Letztendlich soll daraus Forschungsfrage drei abgeleitet werden:
Welche Aspekte bieten Lebensmittelhändlern im LOH die Chance, diesen erfolgreicher zu gestalten?
Da sich der LOH aktuell in der Entwicklungsphase befindet, ist das Thema von Lebhaftigkeit geprägt. Gerade in Anbetracht dessen, dass der LOH sich in anderen Ländern bereits etabliert hat, ist die Befassung mit dieser Thematik spannend. Setzt sich der Onlinehandel in Deutschland zunehmend durch, verändert dies die gesamte Lebensmittelbranche in Hinblick auf die Absatzkanäle und die Erreichbarkeit für den Kunden. Angebot und Akzeptanz müssen eine Symbiose bilden, um Erfolg zu erzielen.
1.3 Vorgehensweise
Zunächst soll ein theoretisches Fundament die Basis für eine anschließende analytische Auseinandersetzung mit den Forschungsfragen bilden. Bestandteile des theoretischen Teils der Arbeit sollen in Bezug auf die Thematik das Konsumentenverhalten sowie menschliche Bedürfnisse sein. Die Grundlagen zum Thema der Verhaltensweisen deutscher Konsumenten sollen ein fundiertes Verständnis diverser Zusammenhänge bilden. Auch wird die aktuelle Struktur des Lebensmitteleinzelhandels abgebildet, um das Konsumentenverhalten im entsprechenden Kontext einzubetten. Um letztendlich Antworten auf die Forschungsfragen zu erhalten, wird in einem weiteren Kapitel betrachtet, wie sich allgemeiner OnlineKonsum sowie das aktuelle LOH-Angebot hierzulande gestalten.
Im Analyseteil ist zum einen zu erforschen, wie sich der LOH in Deutschland entwickelt. Hierfür werden Fachbeiträge, aktuelle Presse wie Tageszeitungen und Internetartikel ausgewertet. Zudem sollen in Experteninterviews Prognosen diesbezüglich abgegeben werden. Zum anderen ist eine Konsumentenbefragung unerlässlich, um Aussagen bezüglich der voraussichtlichen Akzeptanz des LOH treffen zu können und gleichzeitig Barrieren aufzuzeigen.
Da es sich um eine aktuelle Thematik handelt, sind innerhalb der Literaturrecherche Grenzen gesetzt. Zwar stellen Modelle und Theorien für den theoretischen Teil eine solide Grundlage dar, für den Analyseteil ist jedoch aufgrund der stetigen Entwicklung und Fortschritte innerhalb des Themengebietes vorwiegend auf Internetquellen sowie aktuelle Fachmagazine zurückzugreifen.
2. Konsumentenverhalten
Dieses Kapitel bildet ein theoretisches Fundament, um den Kaufmechanismus in der Lebensmittelbranche zu verstehen. Es dient dazu, Einblicke in menschliches Handeln in diesem Segment zu bekommen und dieses zu erklären. Die folgenden Unterkapitel zeigen, welche Faktoren Konsumenten bei ihrem Lebensmitteleinkauf beeinflussen und welche Rolle eine entsprechende Marketingforschung bei der Angebotsgestaltung der Branche spielt. Dieser Abschnitt ist somit Teil der Ausgangsbasis für den Analyseteil und legt theoretische Grundlagen im Hinblick auf das Konstrukt des Onlinevertriebs von Lebensmitteln. Kapitel 2 bezieht sich vorrangig auf die folgenden Aspekte.
- Bedürfnisse von Konsumenten
- Informationsverhalten vor einer Kaufentscheidung (Involvement)
- Einflussfaktoren wie kognitive Prozesse
- Entscheidungskriterien beim Kauf
2.1 Marketingforschung
Grundvoraussetzung für einen Markt ist das Verständnis der Bedürfnisse seiner Käufer. Nur mit diesem Wissen ist es einer Branche, wie der Lebensmittelbranche, möglich, ein erfolgversprechendes Angebot zu schaffen. Die Marketingforschung hilft Bedarf erkennen und bedienen zu können.[2] Mit ihrer Hilfe können Unternehmen sämtliche Informationen über interne und externe Gegebenheiten erforschen und so die Aktivitäten ihres Marketingmanagements möglichst zielgenau ausrichten.[3] Im Fokus betrieblicher Überlegungen muss das Konsumentenverhalten stehen und die damit einhergehende Frage, welche Erwartungen Menschen an die Lebensmittelbranche haben. In Bezug auf den Lebensmittelonlinehandel beschäftigen sich Anbieter der Branche aktuell mit der Frage, inwiefern Verbraucher einen Wandel innerhalb bestehender Vertriebsstrukturen akzeptieren. Daher gilt es für betroffene Unternehmen, das Konsumentenverhalten in diesem Zusammenhang zu erfassen.
Die Marketingforschung ist ein zentrales Element des Marketingmanagements, um sich konzeptionell dem Konsumentenverhalten zu nähern, es zu erforschen und letztendlich auf ein zielgenaues Angebot hinarbeiten zu können. Im Wesentlichen umfasst es die folgenden Bestandteile.
- Die Marktentwicklung betrachtet Einflussfaktoren der Makroumwelt. Hier werden Potenzial und Volumen des Marktes analysiert.
- Die Analyse des Marktteilnehmerverhaltens ist eines der wichtigsten Felder im Rahmen der Marketingforschung. Alle Marktteilnehmer beeinflussen das Marktgeschehen. Die Analyse von Stakeholdern und deren Transaktionen sollte daher in Entscheidungen von Unternehmen mit einfließen. Die Erfolgsanalyse für den Einsatz der Marketinginstrumente eines Betriebes ist ausschlaggebend für die stetige Aufwandsoptimierung einer Marketingab teilung. Diese erfolgt mithilfe von Marktreaktionsfunktionen für Marke tinginstrumente.
- Als weiterer Bestandteil der Marketingforschung sind die unternehmensbe zogenen Marketingfaktoren zu betrachten. Kennzahlen wie Marktanteil und Absatzvolumen sind maßgeblich für Betriebe und geben Aufschluss darüber, ob Strategien zielführend sind.[4]
Mit diesen Aspekten besteht Marketingforschung sowohl aus unternehmensinternen Informationen, als auch aus externer Forschung, wie der Absatzmarktforschung[5]. Die ausschließliche Anwendung dieses Instruments bedeutet jedoch nicht automatisch, treffende Entscheidungen bezüglich einer Geschäftsidee, wie dem Lebensmittelonlinehandel, fällen zu können.
Zusammenfassend kann die Marketingforschung als dienliches Instrument für Unternehmen beschrieben werden, um die aktuelle Marketingsituation zu erfassen und Marktpotenziale zu erkennen. Aufgrund der hohen Komplexität einer Marketingforschung ist der Aufwand allerdings nicht zu unterschätzen. Wie die Aufzählung in diesem Kapitel zeigt, erarbeiten Betriebe sich mit Hilfe der Marketingforschung einen umfassenden Einblick in die aktuelle Marketingsituation und erfassen zugleich Chancen und Risiken des Marktes. Eine sinnvolle Verwendung der Ergebnisse ist jedoch nur gegeben, wenn diese zusammenhängend analysiert und ausgewertet werden. Es genügt nicht die gewonnenen Daten separat zu betrachten. Vielmehr ist eine Zusammenführung der Forschungsresultate effektiv, um daraus Trends für Marketingentscheidungen ableiten zu können. Betriebe, die sich aktuell mit der Thematik des LOH auseinandersetzen, müssen zum einen die internen Strukturen und Prozesse prüfen, zum anderen jedoch zwingend die Marktgegebenheiten wie Markteintrittsbarrieren analysieren. Wird anschließend die Betrachtung des Konsumentenverhaltens hinzugezogen, kann dies Aufschluss über Möglichkeiten und Chancen in diesem Segment geben.
2.2 Konsumentenverhalten
Marketingentscheidungen und Konsumentenverhalten beleben und beeinflussen sich gegenseitig. Vor diesem Hintergrund ist ein ganzheitlicher Einblick in die Köpfe und das Denken der Konsumenten hilfreich, um die passenden Marketinginstrumente einzusetzen. Gerade die Überlegung einen neuen Vertriebskanal zu erschließen und hergestellte Lebensmittel online anzubieten, erfordert die Kenntnis über die Bereitschaft der Käufer, das Angebot anzunehmen. Durch das Internet und die zunehmende Digitalisierung jeglicher Geschäftsvorgänge müssen Unternehmen sich mit neuen Rahmenbedingungen befassen. Es bestehen online beispielsweise zahlreiche Konsumenten-Communities[6], in denen Konsumenten sich gegenseitig über Produkte austauschen und es so zu einer flächendeckenden Meinungsbildung kommen kann. Derartige Communities, Blogs oder YouTube Channel können sowohl zur Chance als auch zur Gefahr für Geschäftsideen werden, so ggf. auch für den Onlinehandel mit Lebensmitteln. Es gilt zu bedenken, dass Konsumenten gerne in Gruppen entscheiden, denn Anerkennung spielt in der Gesellschaft eine große Rolle und wirkt sich als Einflussfaktor auf Kaufentscheidungen aus. Was die einen machen, weckt einen Bedarf bei anderen. Im Umkehrschluss kann eine solche Gruppendynamik auch für Ablehnung bestimmter Produkte sorgen.[7]
Konsumentenverhalten richtig erfassen bedeutet, sich als Unternehmen mit unterschiedlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen, die in folgendem „Paradigma des Kaufverhaltens“[8] zusammengefasst sind.
1. Wer sind die Käufer?
2. Was wird gekauft?
3. Wieso wird etwas gekauft?
4. Wie wird eingekauft (Entscheidungsprozess)?
5. Welche Menge wird gekauft?
6. Wann ist der Kaufzeitpunkt?
7. Wo wird gekauft?[9]
Die Fragestellungen sollen die notwendige Informationsbasis schaffen, mit welcher eine effektive Beeinflussung des Konsumentenverhaltens ermöglicht wird. Auch lassen die Erkenntnisse Einschätzungen hinsichtlich bestehender Chancen der Geschäftsidee zu. Das Durchleuchten des Käufers gestattet den Unternehmen eine zielgerichtete Gestaltung ihres Angebotes. Je nachdem, auf welche Art und Weise das forschende Unternehmen die Käufer gruppiert (beispielsweise demografisch) und Märkte differenziert[10] voneinander betrachtet, ist Aufwand zu betreiben, um konkrete Ergebnisse zu gewinnen. Aussagekräftige Antworten zu erhalten, erfordert demnach einen Komplexitätsgrad in variabler Höhe.
Vor dem Hintergrund der Forschungsfragen (siehe Kapitel 1), beschäftigt sich diese Arbeit mit der empirischen Analyse einer Käuferakzeptanz für eine andere Art - nämlich online - Lebensmittel einzukaufen. Da sich der LOH in Deutschland noch nicht durchgesetzt hat, ist die Analyse in diesem Fall nicht exakt an die Fragestellungen des Paradigmas des Kaufverhaltens zu knüpfen. Die Fragestellungen, die zum Zeitpunkt der Erhebung bereits beantwortet werden können, dienen jedoch einer umfassenden Erforschung in Bezug auf die Bereitschaft der Konsumenten, einen neuen Markt zu nutzen.
Eine kritische Betrachtung des Paradigmas zeigt, dass alle zentralen Determinanten eines Kaufaktes abgedeckt sind. Die Erforschung aller Fragen zeugt von einer gründlichen und gewissenhaften Auseinandersetzung mit dem Käuferverhalten an sich. Dennoch besteht die Gefahr, dass die gewonnenen Erkenntnisse zu allgemeingehalten werden. Schließlich werden bei diesem Paradigma recht pragmatische, weil allgemeingültige, Aussagen getroffen. Kognitive und emotionale Hintergründe der Handlungen kommen zu kurz. Beispielsweise können die zahlreichen Möglichkeiten für das „Wieso“ nicht im Rahmen einer allgemeinen Aussage enthalten sein. Dies kann zu einer verzerrten Auswertung der Ergebnisse führen, was wiederum bedeutet, dass Marketingmaßnahmen das Ziel verfehlen können. Prinzipiell sind allgemeine Aussagen in Bezug auf das Käuferverhalten hilfreich und weisen Marketingakteuren den generellen Weg, das Marktgeschehen in ihrem Vorhaben zu berücksichtigen. Dennoch gilt: Je tiefgründiger die Analyse, also je detaillierter die getroffenen Aussagen formuliert werden, desto exakter kann eine Strategie ausgelegt werden und hohe Erfolge erzielen.
2.2.1 Bedürfnisse
Wie in der Einleitung beschrieben unterliegt jeder Markt, so auch der Lebensmittelmarkt, ständigem Wandel. Unternehmen müssen den Gegebenheiten der Globalisierung und Digitalisierung standhalten und ihr Geschäftsmodell mit entsprechender Flexibilität anpassen. Im Zuge der Veränderung der Umwelt hat sich vor allem das Konsumentenverhalten geändert.[11] Betriebe müssen entsprechend reagieren, um Kunden zu halten und zu gewinnen. Veränderungen im Markt bedeuten zugleich veränderte oder gar neue Bedürfnisse seitens der Käufer.
Um mit dem Lebensmittelvertrieb auch online Erfolge zu erzielen, gilt es, einen Bedarf beim Konsumenten zu erzeugen. Nur dann wird das Angebot genutzt, denn der Ausgangspunkt für jeden Kauf eines Gutes ist in den meisten Fällen das Bedürfnis und das Streben nach etwas.[12] Konsumenten bzw. solche, die es werden sollen, müssen für die Akzeptanz und Nutzung des LOH das Gefühl eines Mangels und zeitgleichem Wunsch, diesen zu beseitigen, entwickeln.[13] Der wohl populärste Ansatz, Bedürfnisse von Menschen zusammenfassend darzustellen, ist die Bedürfnispyramide nach Maslow.[14] Dieser Ansatz wird in der folgenden Abbildung gezeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Niermeyer/ Postall (2013): S. 120.
Abb. 1: Bedürfnispyramide nach Maslow
Maslow unterteilt die menschlichen Bedürfnisse in zwei Stufen - die Mangel- und die Wachstumsbedürfnisse. Die Mangelbedürfnisse umfassen physiologische Bedürfnisse wie Schlaf und Nahrung, sowie das Bedürfnis nach Sicherheit und sozialem Anschluss.[15] Die Wachstumsbedürfnisse wie Anerkennung und Selbstverwirklichung zielen auf Prestige sowie Selbsterfüllung ab und bilden als Spitze der Pyramide einen eher ergänzenden Teil des Bedarfs. Typischerweise bewegt sich dieser entlang der Pyramide aufwärts.[16] Das bedeutet, dass Lebensmittel zu dem größten Bedarfsgut des Menschen zählen und somit als absolutes Defizitbedürfnis gelten. Diese wichtige Erkenntnis für die Lebensmittelbranche stellt theoretisch sicher, dass jeder Konsument erreicht werden kann. Dennoch sind auch die weiteren Stufen der Pyramide zu beachten. Diese ergänzen sich dank der zunehmenden Digitalisierung teilweise von allein.[17] Die Internetnutzung kann somit beispielsweise die Ebenen der sozialen Bedürfnisse, der Anerkennung sowie der Selbstverwirklichung zugleich befriedigen. In Hinblick auf die Forschungsfragen dieser Arbeit ist zu klären, ob ein Bedarf für den Lebensmittelonlinehandel bei den Konsumenten geschaffen werden kann. Bestenfalls lässt sich ein Bedarf und das darauf zugeschnittene Angebot auf alle Ebenen der Bedürfnispyramide beziehen. So kann gezielte Werbung die Konsumenten erreichen und zum Kauf animieren.
Unternehmen können sich, im Rahmen einer strategischen Entscheidung, fundamentale Erkenntnisse anhand der Klassifikation der menschlichen Motivtheorie nach Maslow[18], erklären. Prämisse für die Verwendung der Bedürfnispyramide ist jedoch eine gewisse Dynamik in Bezug auf die einzelnen Ebenen. Diese können durch verschiedene Faktoren, wie beispielsweise kulturelle Hintergründe[19], beeinflusst sein und somit eine modifizierte Betrachtung des Modells erfordern.
Eine kritische Interpretation des Modells ergibt zunächst, dass die Einordnung des entsprechenden Produktes, wie in diesem Fall Lebensmittel im Allgemeinen, einen hilfreichen Aspekt zur Erfassung von Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten aufzeigt. Wie oben beschrieben, handelt es sich bei der Bedürfnispyramide nach Maslow um ein oft zitiertes und sehr bekanntes Modell, mit Hilfe dessen menschliche Bedürfnisse kategorisiert werden. Da die Bedürfnispyramide allerdings nicht empirisch belegt ist[20], sollte das Modell in Relation zur gesamten Konsumentenforschung nicht als einzig relevantes Modell betrachtet werden. Als weiterer Kritikpunkt kann angeführt werden, dass keinerlei Umwelteinflüsse auf bestehende Bedürfnisse mit einbezogen bzw. erkennbar sind. Wieso ein Bedürfnis entstanden ist und welche Hintergründe die einzelnen Ebenen haben, bleibt außer Acht.
Da sich das Pyramiden-Modell rein auf die bestehenden Bedürfnisse von Menschen bezieht, kann es als unterstützender Analyseteil hilfreiche Ergebnisse liefern. In der Realität sollte es jedoch nicht ohne Zusammenhang mit anderen Modellen als Grundlage für strategische Marketingentscheidungen genutzt werden. Lebensmittelkonsumenten können ihr Bedürfnis aktuell ganz einfach befriedigen, indem sie den nächsten Supermarkt aufsuchen. In Bezug auf das OnlineShopping in diesem Segment müssen Anbieter daher Bedarf an der richtigen Stelle schaffen und Konsumenten den Weg weisen. Voraussetzung hierfür ist ein entsprechendes Involvement der Kunden, wie der nächste Abschnitt darstellt.
2.2.2 Involvement
Bei dem Involvement eines Käufers handelt es sich um die persönliche Beteiligung an einem Kauf, also an der Intensität, sich mit der Kaufentscheidung und dem Produkt an sich zu befassen.[21] Unterschieden wird zwischen LowInvolvement, also einer geringen Bereitschaft Informationen zu beziehen und High-Involvement, welches eine hohe Bereitschaft zur Informationsbeschaffung zu Produkten bedeutet.[22]
Wünschenswert für das Marketing und das Unternehmen an sich ist stets ein High-Involvement der Konsumenten mit einem Produkt oder einer Geschäftsidee. Schließlich bedeutet dies das Befassen mit einem Angebot und dessen Verbindung mit der eigenen Persönlichkeit.[23] Bezüglich der Intensität der Aktivierungsstärke[24] eines Käufers herrschen allerdings große Unterschiede. Je nach Kaufobjekt und weiteren Aspekten, wie den Einflüssen der Zielperson oder der Produktart[25], variiert das Involvement der Interessenten bezüglich des Produktes oder einer Produktgruppe.
In der Realität handelt es sich bei Interessenten überwiegend um ein LowInvolvement,[26] vor allem, wenn es ihren Lebensmitteleinkauf betrifft. Hier bedeutet die Informationsbeschaffung zu den zahlreichen Produkten für viele Konsumenten nichts weiter als einen unnötigen Zeitaufwand. Eine umfassende Informationsaufnahme und ein hohes Interesse an Daten zu bestimmten Produkten ist nur bei einem High-Involvement zu erwarten,[27] welches beispielsweise bei Immobilien- oder Autokäufen auftritt. Was jedoch die Lebensmittelbranche betrifft, kennt der Konsument die meisten Produkte und tätigt den Lebensmitteleinkauf, weil er sein muss. Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen des Marketing-Mix entsprechend sensibel auszulegen. Laut Alfred Kuß ist eine deutliche Abhängigkeit der Marktanteile von der Werbeintensität abzuleiten, auch wenn das Interesse der Konsumenten an Werbung generell kaum vorhanden ist.[28]
Diese Information betont, wie wichtig und bedeutsam gezielte Werbung im Rahmen der Produktbeschaffung ist, welche von einem Low-Involvement gezeichnet ist. Zudem wird deutlich, welch bedeutsame Rolle die Aufmerksamkeit der Konsumenten für den Kauf eines Produktes spielt.[29]
Zusammenfassend kann das Involvement als Schlüsselfaktor einige Einflüsse auf das Konsumentenverhalten erklären. Doch auch wenn Konsumenten im Allgemeinen in Bezug auf Lebensmittel ein geringes Involvement mit sich bringen, sollte dies Unternehmen nicht davon abhalten, innerhalb der Branche gezielt Werbung zu betreiben, um Käufer zu aktivieren. Denn wie die Bedürfnispyramide in Abb. 1 zeigt, gehören Lebensmittel zu den wichtigsten Bedürfnissen eines Menschen. Der Bedarf an sich ist also gegeben. Betriebe sollten daher motiviert sein, mit Werbung zu penetrieren, denn im Weiteren ist es genau diese, bzw. die Summe der Marketingaktivitäten, wodurch der Konsument aktiviert[30] wird. Die Steuerung des Involvements bezüglich eines Online-Absatzkanals für Lebensmittel kann entsprechend hoch ausfallen, wenn Betriebe den richtigen Weg der Kommunikation finden und Konsumenten überzeugen, sich intensiv mit diesem Angebot zu befassen.
2.3 Modelle des Neo-Behaviorismus
In diesem Kapitel werden zwei Modelle angeführt, mit Hilfe derer sich das Verhalten von Konsumenten kategorisierend nachvollziehen lässt: Ein auf Behaviorismus bezogenes sowie ein auf Neobehaviorismus[31] bezogenes Modell. Generell werden Verhaltensweisen von Käufern aus ökonomischer Sicht häufig auf den homo oeconomicus[32] zurückgeführt. Doch ist das Verhalten von Käufern mit diversen Aspekten zu begründen. Festzuhalten ist, dass es kein pauschales Modell gibt, welches Konsumentenverhalten ganzheitlich treffend begründen kann, wie bereits die Theorie in Kapitel 2.2 verdeutlicht. Grund hierfür ist, dass verschiedene Faktoren, wie verhaltenswissenschaftliche und psychologische Theorien, mit einfließen und diese je Konsument unterschiedliche Ursachen haben.[33]
Um weitere Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten theoretisch zu erfassen, werden im folgenden Kapitel zwei Modelle beleuchtet. Die Abkürzungen „SR“ sowie „S-O-R“ stehen dabei für Stimulus-Response und Stimulus-OrganismResponse. Die Modelle beschreiben den Zusammenhang zwischen Reizen und Reaktionen.[34]
2.3.1 Das S-R-Modell
Das S-R-Modell erklärt das Verhalten eines Konsumenten im Rahmen des Behaviorismus.[35] Es stellt den Zusammenhang zwischen einem Reiz, dem Stimulus und einer Reaktion, der Response, dar. Zwischen den beiden Komponenten geschieht etwas, was weder sichtbar noch beobachtbar ist. Dies sind die inneren Prozesse der Konsumenten, also das, was in deren Psyche vor sich geht. Das Modell wird auch „Black-Box-Modell“[36] genannt, da der Teil der nicht beobachtbaren Prozesse als schwarze Box dargestellt wird. Im Fokus des S-R-Modells stehen lediglich Auslöser und Reaktion.[37] Der eigentliche Vorgang im Inneren der Konsumenten, wie Beweggründe einer Kaufentscheidung, bleibt im Rahmen der Black-Box unerforscht. Die folgende Abbildung veranschaulicht das Konstrukt des Stimulus-Response-Modells im Behaviorismus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Musiol/ Kühling (2009): S. 31, Foscht/ Swoboda (2011): S. 29.
Abb. 2: Das S-R-Modell
Das S-R-Modell skizziert den Vorgang des Reagierens aufgrund eines Auslösers bzw. eines Reizes von außen. So kann beispielsweise das Gestalten einer weihnachtlichen Produktverpackung zur entsprechenden Jahreszeit eine erfolgreiche Marketingaktivität eines Lebensmittelherstellers sein, die die Absatzmenge dieses Produktes positiv beeinflusst. Auch Wettbewerb und Umwelteinflüsse stellen Einflussfaktoren auf Konsumenten dar und ergeben eine Reaktion des Käufers. Die Information, was genau Konsumenten dazu führt, eine Reaktion zu äußern, klammert das Modell allerdings bewusst aus.[38] Da genau dieser Bestandteil wichtige Erkenntnisse bei der Erforschung des Konsumentenverhaltens ergeben kann, wird das Modell in einem weiteren Schritt um die Komponente des inneren Verhaltens, also des Organismus an sich, ergänzt.[39]
2.3.2 Das S-O-R-Modell
Das S-O-R-Modell ersetzt die im S-R-Modell enthaltene Black-Box durch den Faktor „O“, den Organismus, und konkretisiert somit den Vorgang der ReaktionsProzesse. Wie die folgende Abbildung verdeutlicht rückt der Organismus mit intervenierenden Variablen in den Fokus des Prinzips. Zwar gesteht das Modell ebenso ein, dass innere Prozesse nicht direkt beobachtbar sind, betont jedoch, dass die Betrachtung einer Vielzahl von beeinflussenden Merkmalen das Konsumentenverhalten begründen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Musiol, Kühling (2009): S. 31, Foscht, Swoboda (2011): S. 30.
Abb. 3: Das S-O-R-Modell
Die neobehavioristische Form des Modells befasst sich mit Einflussfaktoren, die aufgrund eines Stimulus hervorgerufen werden und die Response begründen. Folgende Komponenten werden (teilweise in Ergänzung) zum S-R-Modell berücksichtigt.
1. Beobachtbare Variablen wie der Stimulus (z. B. Werbung)
2. Intervenierende Variablen (z. B. das Involvement)
3. Aktivierende Prozesse (z. B. Emotionen)
4. Kognitive Prozesse (z. B. das Lernen und Erinnern)[40]
5. Hintergründige Einflüsse (z. B. kulturelle Aspekte)
Auf die Lebensmittelbranche angewandt bedeutet die Erweiterung des S-RModells, dass das Verhalten der Käufer sukzessive anhand variabler Daten erforscht werden kann. Diese Möglichkeit bietet das S-R-Modell nicht. Das S-O-RPrinzip bietet Unternehmen die Möglichkeit, nachvollziehen zu können, weshalb die Response des einen Kunden anders als die eines anderen Kunden ausfällt, obwohl beide den gleichen Stimuli ausgesetzt waren. Diese Erklärungsgrundlage bringt einen hohen Nutzen mit sich, da Marketingaktivitäten zielgenauer auf das Konsumentenverhalten ausgerichtet werden können. Wie in Kapitel 2.2.2 beschrieben, ist es im Lebensmittelmarkt ohnehin von zentraler Wichtigkeit, die Kunden gezielt anzusprechen und zu aktivieren, um dem Nachteil des LowInvolvements entgegenzuwirken. Somit ist es Aufgabe der Unternehmen, Kunden durch zielbewusste Kommunikation (Stimuli) zu motivieren.
Eine kritische Interpretation des S-R-Modells zeigt, dass die Nutzung recht schnell an Grenzen führt, da dem Modell aufgrund der enthaltenen Black-Box nur wenige Informationen zu entnehmen sind. Die Aussage des Prinzips ist in einem Satz zusammenzufassen: Nachdem die Zielgruppe einen Reiz empfangen hat, kommt es zu einer Reaktion. Die Verwendung dieses Konstruktes genügt daher offensichtlich nicht, um Kaufprozesse plausibel zu erklären. Vielmehr ist es als Grundgerüst für eine Erweiterung des Modells anzusehen. Eine Präzisierung des S-R-Modells ist Prämisse für die Modell-Verwendung innerhalb der Verhaltensforschung.
Das S-O-R-Modell betrachtet zusätzlich explizit den Organismus an sich und stellt so dar, welche Prozesse zwischen Reizen und Reaktionen stattfinden. Das Bewusstsein über diverse Einflussfaktoren, die eine Reaktion zustande bringen, verhilft, Konsumentenverhalten auf begründete Gegebenheiten zurückführen zu können. Bei den gewonnenen Erkenntnissen über Einflussfaktoren auf die Response ist unbedingt zu beachten, dass diese keinerlei Aussagen über tatsächliches Geschehen zulassen. Voraussetzung für die Verwendung des S-O-RModells ist demnach eine empirische Untersuchung der intervenierenden Variablen je Konsument. Nur eine Befragung von Konsumenten kann die Merkmale des Modells erschließen und bewahrheiten.
2.4 Prozess der Kaufentscheidung
Das Konsumentenverhalten an sich beinhaltet mehrere Phasen. Zunächst spielt die Aktiviertheit, gefolgt von Emotionen und Gefühlen eine wichtige Rolle, um den Menschen zum Interessenten zu machen. Sind Konsumenten bezüglich ihres Kaufvorhabens informiert, haben sie sich also Wissen angeeignet, entsteht das Bedürfnis. Bestimmte Einstellungen, Werte und Normen bezüglich eines Produktes oder einer Produktidee sind die Folge. Die Verarbeitung von Informationen führt letztendlich zu einer Entscheidung. Insgesamt wird der Prozess der Kaufentscheidung vom eigenen Lebensstil und der eigenen Persönlichkeit geprägt. Allein dies bietet eine Erklärung dafür, dass Kaufentscheidungen unterschiedlich ausfallen, wie es auch im Rahmen des S-O-R-Modells beschrieben wurde (siehe Kapitel 2.3). Die folgende Abbildung zeigt die Abfolge eines Entscheidungsprozesses.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Trommsdorff/ Teichert (2011): S. 41.
Abb. 4: Der Prozess des Konsumentenverhaltens
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Prozess der Entscheidung für oder gegen ein Produkt. Eine Entscheidung ist auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Nach Trommsdorff und Teichert gibt es folgende Hauptmerkmale, die als Art Entscheidungsträger in Frage kommen:
- der Nutzen, den sich ein Verbraucher von einem Produkt verspricht
-der Wille, etwas zu besitzen
- das Gefallen eines Produktes oder einer Geschäftsidee
-die Prägung durch das Umfeld
- eine Präferenzbildung durch das Vergleichen ähnlicher Produkte
- subjektives Erwarten und Bewerten[41]
- mentale Buchführung, die Aufschluss über Kosten und Nutzen bringt[42]
Auch hier ist eine Suggestion durch das eigene Umfeld als eines der Elemente angegeben, welche Entscheidungen beeinflussen können. Wie bereits in Kapitel 2.2 angeführt, beeinflussen Verbraucher sich gegenseitig häufig im Rahmen einer Gruppendynamik. Auch der Gedanke einer Mode-Erscheinung oder eines Trends fließt hier mit ein und modelliert Entscheidungen erheblich. Durch die genannten Faktoren, die Kaufentscheidungen begründen können, bestehen diverse Ansatzpunkte für die Lebensmittelbranche, durch gezielte Forschung am Endverbraucher „Wenn-Dann-Aussagen“[43] zu formulieren. Anhand dieser Aussagen können Marketingstrategien ausgerichtet und zielgenau innerhalb erarbeiteter Rahmenbedingungen („wenn“) eingesetzt werden. So wird der größtmögliche Nutzen des eingesetzten Budgets für Aktivitäten angestrebt. Die Aspekte nach Trommsdorff können im engeren Sinne auf einzelne Lebensmittel bezogen werden und zeigen, welche Beweggründe einen Konsumenten vor und während des Kaufaktes beschäftigen. Ebenso können sie einem steigenden Bekanntheitsgrad des LOH dienen, da sich immer mehr Verbraucher eine Meinung dazu bilden.
Abschließend bewertet kann mit Hilfe einer Analyse nach den genannten Punkten in Interaktion mit den zuvor erklärten Modellen ein allumfassendes Bild des Konsumenten erarbeitet werden. Die in diesem Kapitel erläuterten Einflussfaktoren untersuchen schließlich die Psyche der Käufer genauer. Die intervenierenden Variablen werden fokussiert und geben Aufschluss über den Organismus und seine Beweggründe für dessen Entscheidung.
3. Status Quo des deutschen LEH
Um sich sukzessive der Potenzialanalyse des LOH zu nähern, wird innerhalb dieses Kapitels zunächst die aktuelle Struktur des LEH beleuchtet. Das Verständnis des Status Quo in Deutschland ist wichtig, um resultierendes Konsumentenverhalten in korrekter Relation zum Marktgeschehen einzubetten. Mit dem Wissen über aktuelle Gegebenheiten sowie Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten (siehe Kapitel 2) können Prognosen und Einschätzungen für den Markt formuliert werden.
3.1 Struktur
Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel umfasst im Wesentlichen drei verschiedene Geschäftstypen: Verbrauchermärkte, Discounter und Supermärkte.[44] Die folgende Tabelle verdeutlicht die Unterschiede und stellt Merkmale der einzelnen Geschäftstypen dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an www.nielsen.com (Stand 23.04.2016 a).
Tab. 1: Geschäftstypen des deutschen LEH
Die Möglichkeiten, die dem Konsumenten in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt geboten werden, sind von zentraler Wichtigkeit in Bezug auf die Forschungsfragen (siehe Kapitel 1). Wie dem Paradigma des Kaufverhaltens (siehe Kapitel 2.2) zu entnehmen ist, ist die Lage des Supermarktes für die Käufer als einer der maßgeblichen Einflussfaktoren auf den Einkauf zu berücksichtigen. Die bevorzugte Lage von Supermärkten und Discountern ist vorwiegend im Nachbarschaftsbereich oder in Stadtteilzentren. In Kleinstädten befinden sie sich teilweise direkt in der Innenstadt, in mittelgroßen Städten hingegen oft im Rand bereich.[45] Verbrauchermärkte, die eine deutlich größere Verkaufsfläche charakterisiert, befinden sich meistens in verkehrsorientierter Lage, Stadtteil- und Einkaufszentren.[46] Neben der Lage des Marktes können Käufer nach der Beschaffenheit, wie der Größe und der Preisgestaltung des Angebotes entscheiden, wo sie einkaufen möchten. So kann eine individuelle Präferenzbildung, kombiniert mit gewohnheitsbedingten Faktoren,[47] ausschlaggebend dafür sein, welche Einkaufsstätte aufgesucht wird. Die Entwicklung des Lebensmittelhandels ist im Allgemeinen positiv.[48] Bezogen auf die Bedürfnispyramide von Maslow (siehe Kapitel 2.2.1) ist dies nicht überraschend, da Lebensmittel als Mangelbedürfnis ganz oben auf der Liste der zu befriedigenden Verlange stehen. Ein Rückgang des Konsums in diesem Segment wäre daher überraschend und unerwartet. Allerdings ist hier der zusätzliche Absatzkanal des LOH hinzuzuziehen und zu prognostizieren.
Um den LEH im Status Quo weiter zu klassifizieren, werden mit Hilfe der folgenden Tabelle einzelne Gruppierungen innerhalb der Branche näher betrachtet. Neben der Aufteilung in unterschiedliche Markt-Typen (siehe Tab. 1), umfasst die Branche die folgenden Handelsgruppen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten [49] [50]
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an www.nielsen.com (Stand 23.04.2016 a).
Tab. 2: Handelsgruppen des LEH
Die Filialisierung der Märkte lässt erahnen, welch hochkomplexes Konstrukt sich bis heute in der Lebensmittelbranche etabliert hat. Im Jahr 2011 lag die Gesamtzahl an Filialen im Bereich LEH bei 46.425 Einkaufsstätten.[51]
3.2 Konsumausgaben
Das große Netzwerk der Einkaufsstätten zeugt von der allgemein hohen Relevanz dieses Marktes innerhalb Deutschlands. Immerhin ist die Ernährungsindustrie hierzulande der drittgrößte Industriezweig.[52] Auch Studien über die Konsumausgaben für den Lebensmitteleinzelhandel zeigen, dass die Wichtigkeit dieses Segments für Konsumenten nicht zu unterschätzen ist.
Die folgende Abbildung zeigt eine Statistik über Verwendungszwecke für Konsumausgaben deutscher Haushalte. Die Statistik bezieht sich auf das Jahr 2013. Der durchschnittliche Gesamtbetrag der Konsumausgaben je Haushalt lag hier bei 2.448 Euro im Monat.[53] Davon wurden 337 Euro für Nahrungsmittel ausgegeben. In Relation zu den weiteren Verwendungszwecken für Konsumausgaben verdeutlicht die Abbildung die Relevanz von Nahrungsmitteln in deutschen Haushalten.
[...]
[1] Hinweis: Mit Convenience sind Lebensmittel-Produkte gemeint, die eine einfache und schnelle Zubereitung bieten. So wird Zeit und Aufwand gespart. Im Laufe der letzten Jahre hat der Trend der vorbereiteten Lebensmittel immer mehr Interessenten gewonnen.
[2] Anmerkung: Laut Meffert et al. (2015) beschäftigt Marketingforschung sich mit Informationen rund um die aktuelle sowie künftige Marketingsituation eines Unternehmens und analysiert diese in Hinblick auf dessen Entscheidungen. Marketingforschung ist zu unterscheiden von Marktforschung, die sich nach Meffert mit den Absatz- und Beschaffungsmärkten eines Unternehmens beschäftigt. Vgl. Meffert et al (2015): S. 91-92.
[3] Vgl. ebenda: S. 91.
[4] Vgl. Meffert et al. (2015): S. 91-92.
[5] Vgl. www.wirtschaftslexikon24.com (Stand: 30.04.2016 a).
[6] Vgl. Solomon (2013): S. 21.
[7] Vgl. ebenda.
[8] Meffert (1992): S. 22. Anmerkung: Laut Meffert sind im Rahmen der Kaufverhaltensforschung allgemeine Aussagen zu jeder der Fragestellungen zu erarbeiten. Unter der Annahme bestimmter Rahmenbedingun gen sollen so „Wenn-Dann-Aussagen“ getroffen werden, um Entscheidungen sukzessive optimieren zu können. Vgl. ebenda.
[9] Vgl. ebenda.
[10] Anmerkung: Meffert verweist auf die Differenzierung der Märkte nach Kotler. Dieser unterteilt in den K-Markt, den P-Markt, den W-Markt sowie den Ö-Markt. Unter dem K-Markt wird der Markt für Produkte verstanden, der Einzelpersonen und Haushalte erreicht. Auf diesen Markt bezieht sich diese Arbeit vorrangig, mit Bezug auf die Lebensmittelbranche. Der P-Markt hingegen dient der Kaufabsicht, mit einem Gut ein weiterführen des Gut herzustellen. Der W-Markt dient Interessenten Objekte zur Weiterveräußerung zu erwerben und der Ö-Markt widmet sich öffentlichen Aufgaben (Bund, Länder). Vgl. ebenda, S. 23.
[11] Vgl. Dämon, in: www.wiwo.de (Stand: 20.04.2016).
[12] Vgl. www.konversionskraft.de (Stand: 20.04.2016).
[13] Vgl. www.rechnungswesen-verstehen.de (Stand: 21.04.2016).
[14] Vgl. www.abraham-maslow.de (Stand: 16.04.2016).
[15] Vgl. Solomon (2013): S. 143-144.
[16] Vgl. ebenda: S. 145.
[17] Anmerkung: Solomon (2013) weist darauf hin, dass die Internetnutzung verschiedenen Nutzen für Unterneh men bietet. Beispielsweise können Internetkonsumenten das soziale Bedürfnis befriedigen, indem sie mit Gleichgesinnten die Meinung teilen, anderweitig jedoch auch via Blogs, oder Communities Anerkennung ernten und sich somit als Individuum darstellen. Vgl. Solomon (2013): S. 146. Wieder wird erkennbar, dass die Beachtung des Geschehens im Internet von zentraler Bedeutung für Unternehmen in Hinblick auf deren Geschäftsmodelle ist. Das schnelllebige Internet kann sowohl als Sprungbrett für die positive Verbreitung einer Geschäftsidee dienen, als auch negative Meinungen verbreiten und so den Markteinstieg erschweren.
[18] Vgl. Foscht/ Swoboda (2011): S. 57.
[19] Vgl. Solomon (2013): S. 145.
[20] Vgl. www.bidmon.de (Stand: 17.04.2016).
[21] Vgl. www.teialehrbuch.de (Stand: 17.04.2016).
[22] Vgl. http://marketinglexikon.marketingberatung.de (Stand: 17.04.0216).
[23] Vgl. ebenda.
[24] Vgl. Trommsdorff/ Teichert (2011): S. 49.
[25] Anmerkung: Nach Trommsdorff und Teichert ist es besonders wichtig für das Marketing, sich über Invol vementfaktoren bewusst zu sein. Der Aufschluss über die verschiedenen Einflüsse, durch die Zielgruppen erreicht werden können, kann neue Chancen für einen Markt darstellen. Vgl. ebenda: S. 50.
[26] Anmerkung: Trommsdorff und Teichert unterscheiden Low- und High-Involvement in Realität und Theorie. Ein High-Involvement ist somit eher theoretisches Fundament, gerade wenn es um den Einkauf im LEH geht. Low-Involvement trifft in der Realität öfter auf Konsumentenverhalten zu, da für die Beschaffung von Le bensmitteln kein allzu großer Aufwand betrieben wird. Die Informationsbeschaffung passiert in den meisten Fällen nebenbei durch Werbung, die unbewusst zu einem anderen Zeitpunkt zu einem Kauf Akt führt, oder durch Werbepenetration im Supermarkt selbst. Vgl. Trommsdorff/ Teichert (2011): S. 49.
[27] Vgl. Kuß (1987): S. 149.
[28] Vgl. ebenda: S. 21-22.
[29] Vgl. Neumann (2009): S. 50-51.
[30] Anmerkung: Nach Trommsdorff und Teichert ist die Aktiviertheit eines Konsumenten Grundvoraussetzung für einen Kaufakt. Sie begründen dies mit der Aktions-Abfolge „Marketingstimulus Aktiviertheit Impuls kauf“ und bezeichnen die Aktiviertheit der Konsumenten daher als „Grundbaustein für komplexere Vorgän ge wie Motive und Einstellungen“. Trommsdorff/ Teichert (2011): S. 42.
[31] Anmerkung: Der Neobehaviorismus stellt eine Erweiterung des Behaviorismus dar. Die Erklärungsansätze für Konsumentenverhalten werden um eine Ebene erweitert, die Verbrauchern eine eigene Meinungsbildung und Präferenzbildung aufgrund von unterschiedlichen inneren Prozessen zugesteht. Vgl. www.spektrum.de (Stand: 16.04.2016).
[32] Anmerkung: Der homo oeconomicus wird als Individuum beschrieben, welches stets nach Gewinnmaximie rung strebt. Dieses Modell trifft nach Musiol und Kühling jedoch nicht auf den realistischen Konsumenten zu und stellt nur eine der zahlreichen Perspektiven bezüglich Konsumentenverhaltens dar. Vgl. Musiol/ Kühling (2009): S. 30.
[33] Vgl. ebenda: S. 30-31.
[34] Vgl. Foscht/ Swoboda (2011): S. 28.
[35] Anmerkung: Behaviorismus ist die Vorstufe des Neo-Behaviorismus und lässt die inneren Prozesse als Kom ponente bei Entscheidungsprozessen außen vor. Vgl. Musiol/ Kühling (2009): S. 32.
[36] Vgl. www.wirtschaftslexikon24.com (Stand: 17.04.2016 b).
[37] Vgl. Foscht/ Swoboda (2011): S. 28-29.
[38] Vgl. ebenda: S. 28-29.
[39] Vgl. ebenda: S. 29.
[40] Vgl. ebenda.
[41] Trommsdorff und Teichert verweisen auf die empirisch fundierte „Prospect-Theorie“ von Kahneman und Tversky (1979). Die Theorie beschreibt den Kaufprozess in zwei Phasen; die Editierphase führt zunächst zu einer vereinfachten Auswahl, indem Alternativen an einer Referenz gemessen werden und so die Komplexi tät der Entscheidung reduziert wird. In der Evaluationsphase entscheidet der Konsument sich danach für die Alternative mit dem höchsten Wert / Nutzen. Vgl. Trommsdorff/ Teichert (2011): S. 278-279.
[42] Vgl. ebenda: S. 272-287.
[43] Vgl. ebenda: S. 270.
[44] Vgl. www.nielsen.com (Stand: 23.04.216 a).
[45] Vgl. Pfeiffer, in: www.stalys.de (Stand: 23.04.2016).
[46] Vgl. ebenda.
[47] Hinweis: Mit gewohnheitsbedingten Faktoren sind beispielsweise Arbeitswege gemeint, auf denen sich der Einkauf aufgrund der praktischen Lage der Einkaufsstätte anbietet. Ein anderes Beispiel ist die Gewohnheit, im Supermarkt „nebenan“ einkaufen zu gehen, weil kein anderer sich in der Nähe befindet. Diese Faktoren setzen keine Marktpräferenz voraus.
[48] Vgl. www.nielsen.com (Stand: 23.04.2016 c).
[49] Hinweis: Da die Lebensmittelbranche ein immenses Konstrukt von zahlreichen Gruppierungen, Filialisten und Märkten bildet, werden in der Tabelle lediglich vereinzelte Stellvertreter genannt. Die Tabelle soll mehr der Übersicht dienen und einen Einblick in das Konstrukt des Marktes geben. Dies gilt ebenso für die anderen genannten Gruppierungen REWE, MARKANT und Restliche.
[50] Vgl. www.nielsen.com (Stand: 23.04.2016 a).
[51] Vgl. www.s-ge.com (Stand: 24.04.2016).
[52] Vgl. www.bve-online.de (Stand: 24.04.2016).
[53] Vgl. http://de.statista.com (Stand: 03.05.2016).
- Arbeit zitieren
- B. A. Marina Schunk (Autor:in), 2016, Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten von Onlinekäufern. Eine empirische Potenzialanalyse für den Lebensmittelonlinehandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339176
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