„Im 19. und 20. Jahrhundert fand ein epochaler Wandel in der Menschheitsgeschichte statt: von der Paupertas zur Cupiditas, dem Entbehren zum Begehren, vom Mangel zum Überfluß, von Armut zu Wohlstand, von der Arbeit zur Freizeit, von der Produktion zum Konsum.“1 Voraussetzung für die Herausbildung des Massenkonsums war ein für breite Teile der Bevölkerung über die Deckung der Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnen, Kleidung) hinausgehendes verfügbares Einkommen sowie ausreichend arbeitsfreie Zeit. Beides war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur einigen wenigen Reichen vorbehalten. Gleichzeitig „ ... bildete und bildet ein hoch entwickeltes Produktionssystem eine notwendige – wenn auch keine hinreichende – Voraussetzung für eine Steigerung der Konsumbedürfnisse und ihre Erfüllung.“
Der Aufstieg der USA zur führenden Industrienation der Welt fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 1865) setzte ein starkes Bevölkerungswachstum ein, hervorgerufen durch eine hohe Geburtenrate und Masseneinwanderung. „Zwischen 1870 und 1890 schnellte die Einwohnerzahl der USA von 40 auf über 60 Mio. Einwohner empor, wobei knapp ein Drittel des Zuwachses auf das Konto der Immigration ging.“3 Vor allem die Einwanderer zeichneten sich durch eine hohe Mobilität aus und „brachten Kenntnisse, Fertigkeiten und Kapital mit sich – und den festen Willen, in der Neuen Welt durch harte Arbeit ihr Glück zu machen.“4 Gleichzeitig verfügten die USA über einen riesigen Binnenmarkt ohne politische Grenzen und Zollschranken, wo natürliche Ressourcen wie Land und Bodenschätze praktisch unb eschränkt zur Verfügung standen und der durch den rasant fortschreitenden Ausbau der Eisenbahnlinien immer besser erschlossen wurde.5 Die Märkte expandierten stärker als das Arbeitskräftereservoir6, was dazu führte, dass „die Löhne in den USA trotz der Masseinenwanderung relativ hoch blieben“. 7 Somit „ließ der Anreiz niemals nach, Arbeitskräfte durch Maschinen und neue Technologien einzusparen“8. Das rief einen Erfindergeist hervor, von dem die Zeitschrift Scientific American 1896 behauptete, dies sei „eine Epoche der Erfindungen und des Fortschrittes, wie sie in der Weltgeschichte einzigartig dasteht.“9
Inhaltsverzeichnis
1. Vom Mangel zum Überfluss
2. Es war einmal in Amerika
3. Taylorismus und Fordismus
4. Die „Goldenen Zwanziger Jahre“
4.1. Der Siegeszug des Automobils
4.2. Der Siegeszug neuer Medien
4.3. Liberalisierung, Doppelmoral und Antiamerikanismus
4.4. Die große Depression
5. Nach 1945: Der Siegeszug des „American Way of Life“ oder „Die unersättliche
Gesellschaft“
5.1. Die Automobile Gesellschaft
5.2. Die Technisierung der Haushalte
5.2.1. Das Beispiel „Waschmaschine“
5.2.2. Das Beispiel Fernsehen
5.3. Der umworbene Konsument
6. Die unabsehbaren Folgen der Konsumgesellschaft
Quellenverzeichnis
Anhang: Schaubilder und Tabellen
1. Vom Mangel zum Überfluss
„Im 19. und 20. Jahrhundert fand ein epochaler Wandel in der Menschheitsgeschichte statt: von der Paupertas zur Cupiditas, dem Entbehren zum Begehren, vom Mangel zum Überfluß, von Armut zu Wohlstand, von der Arbeit zur Freizeit, von der Produktion zum Konsum.“[1] Voraussetzung für die Herausbildung des Massenkonsums war ein für breite Teile der Bevölkerung über die Deckung der Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnen, Kleidung) hinausgehendes verfügbares Einkommen sowie ausreichend arbeitsfreie Zeit. Beides war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur einigen wenigen Reichen vorbehalten. Gleichzeitig „ ... bildete und bildet ein hochentwickeltes Produktionssystem eine notwendige – wenn auch keine hinreichende – Voraussetzung für eine Steigerung der Konsumbedürfnisse und ihre Erfüllung.“[2]
2. Es war einmal in Amerika
Der Aufstieg der USA zur führenden Industrienation der Welt fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 1865) setzte ein starkes Bevölkerungswachstum ein, hervorgerufen durch eine hohe Geburtenrate und Masseneinwanderung. „Zwischen 1870 und 1890 schnellte die Einwohnerzahl der USA von 40 auf über 60 Mio. Einwohner empor, wobei knapp ein Drittel des Zuwachses auf das Konto der Immigration ging.“[3] Vor allem die Einwanderer zeichneten sich durch eine hohe Mobilität aus und „brachten Kenntnisse, Fertigkeiten und Kapital mit sich – und den festen Willen, in der Neuen Welt durch harte Arbeit ihr Glück zu machen.“[4] Gleichzeitig verfügten die USA über einen riesigen Binnenmarkt ohne politische Grenzen und Zollschranken, wo natürliche Ressourcen wie Land und Bodenschätze praktisch unbeschränkt zur Verfügung standen und der durch den rasant fortschreitenden Ausbau der Eisenbahnlinien immer besser erschlossen wurde.[5] Die Märkte expandierten stärker als das Arbeitskräftereservoir[6], was dazu führte, dass „die Löhne in den USA trotz der Masseinenwanderung relativ hoch blieben“.[7] Somit „ließ der Anreiz niemals nach, Arbeitskräfte durch Maschinen und neue Technologien einzusparen“[8]. Das rief einen Erfindergeist hervor, von dem die Zeitschrift Scientific American 1896 behauptete, dies sei „eine Epoche der Erfindungen und des Fortschrittes, wie sie in der Weltgeschichte einzigartig dasteht.“[9]
Abbildung 1[10]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 zeigt den rasanten Anstieg der jährlich erteilten Patente in den USA im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. „Die Liste der bedeutenden Erfindungen (...) ist lang. Zu diesen Erfindungen gehören Bells Telefon, Edisons Glühlampe, sein Phonograph und das von ihm entwickelte kinematographische System sowie die Beiträge von William Stanley, Nikola Tesla und Elihu Thomson zur Entwicklung des Systems der elektrischen Stromleitungen. Die Brüder Wright bauten das erste Flugzeug mit einem Verbrennungsmotor, und Reginald Fessenden, Lee de Forest und Edwin Armstrong leisteten Pionierarbeit bei der Entwicklung der drahtlosen Telegraphie und des Sprechfunks oder Radios. (...) Das waren bedeutende Beiträge zur Zeit der rapiden Industrialisierung, die manchmal auch als ‚Zweite industrielle Revolution’ bezeichnet wird.“[11]
3. Taylorismus und Fordismus
„Massenproduktion ist eine besondere Form der Rationalisierung. Durch die Erzeugung großer Mengen gleichartiger Güter und Dienstleistungen zu günstigen Preisen ermöglicht sie deren Kauf durch breite Bevölkerungskreise und bildet damit eine wichtige Voraussetzung der Konsumgesellschaft.“[12] Das 1911 von Frederick W. Taylor verfasste Buch Principles of Scientific Management war Ausgangspunkt für das vielbewunderte und nachgeahmte amerikanische System des industriellen Managements und der Massenproduktion.[13] Taylor begann bereits in den 1880er-Jahren in einer Stahlfabrik jeden Handgriff mit der Stoppuhr zu messen und schaffte damit die Voraussetzungen für die moderne Fließband- und Akkordarbeit.[14] Die als „Taylorismus“ bezeichnete Form der wissenschaftlichen Betriebsführung wurde aber auch von Gewerkschaften als „Symbol eines verhassten Systems der Organisation und Ausbeutung von Arbeitskräften“[15] gesehen.
Das zweite Synonym für den amerikanischen Weg ist der Fordismus. „Auch sein System für die Produktion von Automobilen war gekennzeichnet durch den Fluß ineinandergreifender Arbeitsvorgänge, aber laufende Fließbänder, Förderbänder, Gefällezuführungen und Eisenbahnschienen, nicht aber Arbeiter und Vorarbeiter stellten das Netz dar, innerhalb dessen das Material bewegt und bearbeitet wurde. Ford und wenig gleichgesinnte Techniker und Ingenieure, die sich ihre Spezialkenntnisse als Autodidakten erworben hatten, schufen in seiner Fabrik in Highland Park ein System für die Massenproduktion, wie es die Welt bisher noch nicht gesehen hatte.“[16] Fords Credo war es, durch Rationalisierung das Automobil für den Massenkonsum erschwinglich zu machen und gleichzeitig „die Arbeiter durch höhere Löhne in die Lage zu versetzen, das, was sie produzierten, auch kaufen zu können. Als er im Jahre 1914 den Mindestlohn auf fünf Dollar pro Tag erhöhte (und damit mehr als das Doppelte des damaligen Durchschnittslohnes zahlte), erklärten ihn Leute seinesgleichen zum verachtenswerten Außenseiter, während die damals jungen Gewerkschaften nichts anderes darin sahen als eine Falle“[17] Tatsächlich konnte Ford den Preis des Grundmodells T seines Wagens von $ 990 im Jahre 1909 auf $ 440 im Jahre 1914 weit unter den Preis jedes anderen vergleichbaren Automobils senken. Der Marktanteil der Ford Company lag im Jahre 1921 bei 55 Prozent, die Produktionsziffern des Modells T erreichten 1923 mit zwei Millionen Personen- und Lastkraftwagen ihren Höhepunkt. Dauerte die Fertigstellung eines Wagens 1909 noch 12 ½ Stunden so rollten 1925 die Wagen in Abständen von je einer halben Minute vom Band.[18] Die Automobilindustrie entwickelte sich zur Hauptstütze der Konjunktur nach dem Ersten Weltkrieg und zog andere Wirtschaftszweige wie die Elektro-, Stahl, Mineralöl-, Chemie-, Gummi- und Glasindustrie sowie den Straßen- und Brückenbau mit.[19]
4. Die „Goldenen Zwanziger Jahre“
Zu Beginn der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die erste ‚Konsumgesellschaft’, die auf Massenproduktion, Massenverbrauch und Massenkommunikation gegründet war. Es bildete sich ein neues Wertebewusstsein heraus, das im individuellen Konsum die Erfüllung sah und ökonomischen Erfolg und Geld zum Maßstab aller Dinge machte.[20] „Schon 1920 verzeichneten amerikanische Zeitungen stolz, dass es in den USA inzwischen 20 000 Millionäre gab, darunter 162 mit einem Jahreseinkommen von mehr als einer Million Dollar.“[21]
4.1. Der Siegeszug des Automobils
Die Zahl der Autos stieg in den USA zwischen 1920 und 1930 von 8 auf 23 Millionen. 1929 besaß bereits jeder fünfte US-Amerikaner ein Automobil, und 80 Prozent aller Automobile fuhren auf amerikanischen Straßen. Das Massenkonsumgut Automobil kostete 1926 nur mehr 320 Dollar (Ford-Modell T) bei einem Jahreseinkommen von 1300 Dollar für Industriearbeiter.[22] „Hinzu kamen nun die Möglichkeiten der Ratenzahlung und die Vermarktung des Autos als des ‚ultimate symbol of social equality’.“[23]
4.2. Der Siegeszug neuer Medien
Der Wandel vom Verkäufermarkt des 19. Jahrhunderts hin zum Käufermarkt des 20. Jahrhunderts machte sich auch in der Bedeutung der Werbung bemerkbar. „Die Werbung bildete jetzt eine eigene, rasch expandierende Wirtschaftsbranche, die das Automobil nicht nur zum unerlässlichen Gebrauchsgegenstand, sondern auch zu einem Kultobjekt stilisierte.“[24] Die gesamten Werbeausgaben expandierten von 200 Millionen Dollar im Jahre 1880 auf 3 Milliarden im Jahre 1925.[25] Dazu kam der Siegeszug der neuen Medien: 1920 nahm die erste kommerzielle Radiostation in Philadelphia ihre Sendungen auf und bereits 1926 gab es ein landesweites Rundfunknetz. Der „American Way of Life“ wurde durch das Entstehen einer Unterhaltungsindustrie in Hollywood bei Los Angeles auf die Leinwand gebracht und beeinflusste Geschmack und Verhalten breiter Schichten. „Bei einer Gesamtbevölkerung von 120 Millionen besuchten 1930 durchschnittlich 100 Millionen Amerikaner pro Woche die Kinos, die damit den Kirchen (ca. 60 Millionen) den Rang abgelaufen hatten.“[26]
[...]
[1] König (2000), S. 7
[2] König (2000), S. 33
[3] Heideking (1999), S. 199
[4] König (2000), S. 35
[5] Vgl. Heideking (1999), S. 201 f.
[6] Vgl. König (2000), S. 35
[7] Heideking (1999), S. 202
[8] Heideking (1999), S. 202
[9] Zitiert nach Hughes (1991), S. 23
[10] Aus Hughes (1991), S. 24
[11] Hughes (1991), S. 25
[12] König (2000), S. 47
[13] Vgl. Hughes (1991), S. 194
[14] Vgl. Heideking (1999), S. 202
[15] Hughes (1991), S. 194
[16] Hughes (1991), S. 209
[17] Kronzucker/Emmerich (1996), S. 267
[18] Vgl. Hughes (1991), S. 214
[19] Vgl. Heideking (1999), S. 278
[20] Vgl. Heideking (1999), S. 276
[21] Heideking (1999), S. 276
[22] Vgl. Heideking (1999), S. 278
[23] Heideking (1999), S. 278
[24] Heideking (1999), S. 279
[25] Vgl. König (2000), S. 397
[26] Heideking (1999), S. 279
- Arbeit zitieren
- Mag. Thomas Driendl (Autor:in), 2001, Zur Entwicklung der Dimension des Massenkonsums in den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33911
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