Eine der Hauptschwierigkeiten bei einer grammatischen Beschreibung deutscher Tempora liegt darin, den Unterschied zwischen den beiden Vergangenheitstempora Präteritum und Präsensperfekt angemessen zu erfassen. In der Literatur werden die beiden Tempora Präteritum und Präsensperfekt in ihrer Beziehung zueinander unterschiedlich betrachtet. Die Spannweite bewegt sich zwischen einem absoluten Bedeutungsunterschied und einer synonymen Verwendung der beiden Tempora. Tatsächlich können die beiden Tempora oft gegeneinander ausgetauscht werden, ohne dass sich die Bedeutung des Satzes signifikant ändert. Dies heißt jedoch nicht, dass Präteritum und Präsensperfekt in ihrer Funktion identisch sind.
Das Perfekt und Präteritum spielen nicht nur im Deutschen, sondern auch im Singhalesen (Sri-Lanka) eine Rolle zur Bezeichnung eines vergangenen Geschehens. Im Unterschied zum singhalesischen Präteritum wird das singhalesische Perfekt als ein Teiltempus angesehen, denn es wird nicht als Haupttempus in der singhalesischen Grammatik beschrieben. Trotzdem kommt das singhalesische Perfekt in der Schriftlichkeit und Mündlichkeit vor. Damit ist es das Ziel dieser Arbeit zu überprüfen, signifikante Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede im Perfekt- und Präteritumgebrauch der beiden Sprachen aufzudecken und zu beschreiben. Daraus ergibt sich die entscheidende Frage, die leitend für diese Hausarbeit sein wird: Wie unterscheidet sich der Gebrauch des Perfekts und Präteritums im Deutschen und Singhalesen? Somit werden in den ersten beiden Teilen der Arbeit die Formbildung und die Funktion dieser Vergangenheitstempora (Präteritum und Perfekt) der deutschen und singhalesischen Sprache vorgestellt.
Hennig bemerkt, dass die geschriebene und gesprochene Sprache gleichermaßen im Vergleich der vergangenen Tempora berücksichtigt werden sollen, denn der Tempusgebrauch ist in gesprochener und geschriebener Sprache ebenfalls unterschiedlich und der Gebrauch des deutschen Perfekts und Präteritums sei textsortenspezifisch. Die Textsorte entscheidet, ob entweder die Verben im Präteritum stehen oder die Verben im Perfekt gebraucht werden. Auch standardsprachlich bleibt eine wesentliche Affinität zwischen Perfekt und Mündlichkeit einerseits und Präteritum und Schriftlichkeit andererseits.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Der Gebrauch des Perfekt-Präteritumparadigmas im Deutschen
1.1 Das Präteritum in der deutschen Sprache
1.1.1 Formbildung des Präteritums
1.1.2 Die Funktion und der Gebrauch des deutschen Präteritums
1.2 Das Perfekt in der deutschen Sprache
1.2.1 Die Darstellung und die Formbildung
1.2.2 Die Funktion des deutschen Perfekts
1.3 Der Vergleich des deutschen Präteritums und Perfekts
2 Der Gebrauch des Perfekt-Präteritumparadigmas im Singhalesen
2.1 Das Präteritum in der singhalesischen Sprache
2.1.1 Verwendung der gesprochenen Sprache ..
2.1.2 Funktion des Präteritums
2.2 Formbildung und Funktion des Perfekts der singhalesischen Sprache
3 Die Analyse des Gebrauchs von Perfekt und Präteritum
3.1 Ergebnisse aus der geschriebenen Sprache
3.1.1 Rezension auf Deutsch
3.1.2 Rezension auf Singhalesisch
3.2 Ergebnisse aus der gesprochenen Sprache
3.2.1 Vergleich des Gebrauchs der deutschen und singhalesischen Vergangenheitstempora: Präteritum und Perfekt
3.2.2 Grafikbeschreibung der Tempora der Interviews
3.2.3 Diagramm 3: Interview auf Deutsch
3.2.3 Diagramm 4: Interview auf Singhalesisch
4 Fazit und Ausblick 43
Anhang: Abbildungsverzeichnis.
Rezension auf Deutsch
Rezension auf Singhalesisch
Transkriptionen: Interview auf Deutsch
Interview auf Singhalesisch
Literaturverzeichnis
Printmedien
Elektronische Medien
Einleitung
Eine der Hauptschwierigkeiten bei einer grammatischen Beschreibung deutscher Tempora liegt darin, den Unterschied zwischen den beiden Vergangenheitstempora Präteritum und Präsensperfekt angemessen zu erfassen. In der Literatur werden die beiden Tempora Präteritum und Präsensperfekt in ihrer Beziehung zueinander unterschiedlich betrachtet. Die Spannweite bewegt sich zwischen einem absoluten Bedeutungsunterschied und einer synonymen Verwendung der beiden Tempora. Tatsächlich können die beiden Tempora oft gegeneinander ausgetauscht werden, ohne dass sich die Bedeutung des Satzes signifikant ändert. Dies heißt jedoch nicht, dass Präteritum und Präsensperfekt in ihrer Funktion identisch sind.
Das Perfekt und Präteritum spielen nicht nur im Deutschen, sondern auch im Singhalesen (Sri-Lanka) eine Rolle zur Bezeichnung eines vergangenen Geschehens. Im Unterschied zum singhalesischen Präteritum wird das singhalesische Perfekt als ein Teiltempus angesehen, denn es wird nicht als Haupttempus in der singhalesischen Grammatik beschrieben (Gamlath 2010: 23). Trotzdem kommt das singhalesische Perfekt in der Schriftlichkeit und Mündlichkeit vor. Damit ist es das Ziel dieser Arbeit zu überprüfen, signifikante Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede im Perfekt- und Präteritumgebrauch der beiden Sprachen aufzudecken und zu beschreiben. Daraus ergibt sich die entscheidende Frage, die leitend für diese Hausarbeit sein wird: Wie unterscheidet sich der Gebrauch des Perfekts und Präteritums im Deutschen und Singhalesen? Somit werden in den ersten beiden Teilen der Arbeit die Formbildung und die Funktion dieser Vergangenheitstempora (Präteritum und Perfekt) der deutschen und singhalesischen Sprache vorgestellt.
Hennig (vgl. 2000: 49) bemerkt, dass die geschriebene und gesprochene Sprache gleichermaßen im Vergleich der vergangenen Tempora berücksichtigt werden sollen, denn der Tempusgebrauch ist in gesprochener und geschriebener Sprache ebenfalls unterschiedlich und der Gebrauch des deutschen Perfekts und Präteritums sei textsortenspezifisch. Die Textsorte entscheidet, ob entweder die Verben im Präteritum stehen oder die Verben im Perfekt gebraucht werden (vgl. Jäger 2007: 2). Auch standardsprachlich bleibt eine wesentliche Affinität zwischen Perfekt und Mündlichkeit einerseits und Präteritum und Schriftlichkeit andererseits (vgl. Klaus 2005: 306). Diese Aspekte, Mündlichkeit und Schriftlichkeit, werden im dritten Kapitel eingehender betrachtet. Deshalb wurde auf die Zusammenstellung der Korpora besonderen Wert gelegt.
Zur Dokumentation des Gebrauchs von Perfekt- und Präteritumstrukturen der Mündlichkeit werden zwei Interviews, ein deutsches und ein singhalesisches durchgeführt und transkribiert. Um die Schriftlichkeit des Gebrauchs von Präteritum- und Perfektstrukturen zu analysieren, werden zwei Rezensionen, eine deutsche und eine singhalesische, betrachtet. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden im dritten Kapitel ausführlich beschrieben. Schließlich werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Perfekt- und Präteritumgebrauch im Deutschen und Singhalesen auswertet, um eine sprachvergleichende Analyse durchzuführen.
1. Der Gebrauch des Perfekt-Präteritum-Paradigmas im Deutschen
Das deutsche Präteritum oder Imperfekt bezeichnet die Handlungen oder die Zustände, die in der Vergangenheit abgeschlossen sind. Außerdem wird durch das deutsche Perfekt wie im Englischen für die Ereignisse und Zustände, die in der Vergangenheit begonnen wurden und bis in die Gegenwart andauern, ausgedrückt.
1.1 Das Präteritum in der deutschen Sprache
Hoffmann (2013: 259) schreibt, dass das deutsche Präteritum heute eher im schriftlichen bzw. im Standarddeutsch vorkommt. Zudem enthält das Präteritum keine Vermutung. Außerdem können nicht nur dem Perfekt, sondern auch dem Präteritum fakultative Temporalangabe (gestern, im vorigen Jahr, neulich u.a.) angefügt werden.
Zur näheren Kennzeichnung können drei zeitverweisende Merkmale beschrieben werden: Sprechzeit, Aktzeit und Betrachtzeit (Eichler/Büntig 1994: 102). Erstere ist der Moment, in dem sich der Sprecher oder Schreiber äußert und sie ist vom Sprecher abhängig. Die Aktzeit meint die objektiv-reale Zeit der ausgesagten Handlung des Aktes. Das heißt die Zeit, in der etwas geschieht und diese Zeit ist vom sprechenden oder schreibenden Menschen unabhängig. Die Betrachtzeit kann als die zeitliche Perspektive, die der Sprecher einnimmt und von der aus er den Akt (sprachlich) beschreibt, also die Zeit der Betrachtung des Geschehens, die vom Sprecher abhängig ist. Im Präteritum sind Aktzeit und Betrachtzeit gleich (Eichler/Büntig 1994: 105), denn die Betrachtzeit fällt im Präteritumssatz mit der Aktzeit zusammen.
(1.1) Gestern ging Helena ins Kino.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der Interpretation des Beispielsatzes 1.1 muss die Betrachtzeit gemäß der Festlegung für das Präteritum vor der Sprechzeit liegen und wird außerdem durch gestern spezifiziert. Heinold (2015: 92) bezeichnet diese Betrachtzeit als die Ereigniszeit und von Hoffman (2013: 259) wird sie als Sachverhaltszeit bezeichnet.
(1.2) Morgen war Weihnachten: Hatte er eigentlich viele Geschenke von seinen Verwandten bekommen? oder konventionalisierte Verwendungen wie in: Was gab es morgen im Theater?
Laut Eichler/Büntig (1994: 105) muss die Betrachtzeit für das Präteritum vor der Sprechzeit liegen, woraus sich ein Widerspruch mit der Interpretation von morgen (1.2) ergäbe.
Laut Hoffmann (2013: 259) ist das deutsche Präteritum temporal zu verstehen und drückt deiktisch Ferne aus. Unter seinem Begriff werden drei Zeitformen als die Sachverhaltszeit, Äußerungszeit und Rezeptionszeit verstanden. Der fragliche Sachverhalt liegt von der Äußerungszeit zeitlich entfernt. Diese Distanz lässt in erster Linie auf Vergangenes schließen, denn Menschen leben aus ihrer persönlichen, sozialen und kollektiven Geschichte heraus, in der auch ihre Erfahrungen verankert sind. Der Sachverhalt, der vorzeitlich wird, ist also nur im Rückblick zugänglich, etwa wenn der Sprecher ihn aus dem Gedächtnis abruft, ihn vom Hörensagen oder aus der Lektüre usw. weitergibt. Im Rahmen einer Wissensvermittlung, wird er dem Hörer neu sein; der Hörer muss dann allein aus dem Gesagten mithilfe seines Sprachwissens und Weltwissens eine Vorstellung aufbauen.
(1.3) Der Ball war im Tor.
In diesem Falle ist ein Sachverhalt (Der Ball ist im Tor) vergangen und der Hörer (H) baut eine entsprechende Vorstellung auf.1 Im Vergleich zum Begriff von Eichler und Büntig (1994: 102) werden diese Begriffe die Sprechzeit als Äußerungszeit, die Betrachtzeit als die Sachverhaltszeit und die Rezeptionzeit als die Aktzeit verstanden.
1.1.1 Formbildung des Präteritums
Das Präteritum kann für alle Bereiche der Vergangenheit (vgl. Herbert 1995: 115)
verwendet werden und bezeichnet vergangene Sachverhalte (vgl. Eichler/Büntig 1994: 105). Der Indikativ des Präteritums wird bei den regelmäßigen Verben gebildet, indem zwischen Stamm und Personalendung ein -t eingefügt wird (Helbig/Buscha 1998: 27). In der 2. Pers. Sing. und Pl. wird nicht nur ein -t, sondern -te eingefügt. In der 3. Pers. Sing. schon im Präsens auf -t ausgeht und wird im Präteritum der regelmäßigen Verben ein zusätzliches -e angefügt.
(1.4) ich sag-te wir sag-t-en
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der 2. Pers. Sing., 3. Pers. Sing. und 2. Pers. Pl. wird zwischen dem Stamm einerseits und dem Präteritumskennzeichnen -t und der Personalendung andererseits ein -e eingefügt, wenn der Stamm auf -d oder -t endet (vgl. Helbig/Buscha 1998: 27).
(1.5) du red-e-t-est du arbeit-e-t-est
Wenn der Stamm auf -m oder-n endet und diesem -m oder -n ein anderer Konsonant vorausgeht (Helbig/Buscha 1998: 27).
(1.6) du atm-e-t-est du rechn-e-t-est Aber: du lern-t-est2
Laut Herbert (1995: 106) wird das deutsche Präteritum fast nur in der Schriftsprache verwendet. In der gesprochenen Sprache wird das deutsche Perfekt benutzt, um Vergangenes zu bezeichnen. Von Herbert wird in seinem Werk ´Deutsche Grammatik´ allerdingst erwähnt, dass das Präteritum der Hilfsverben sein, haben, werden im gesprochenen und geschriebenen Deutschen häufig gebraucht wird.
(1.7) „Ich war im letzten Jahr in New York.“ statt
ÄIch bin im letzten Jahr in New York gewesen.“
Mariam hatte im Jahre 2006 ein BMW Auto. statt Mariam hat im Jahre 2006 ein BMW Auto gehabt.
1.1.2 Die Funktion und der Gebrauch des deutschen Präteritums
Das Präteritum ist das Tempus, welches unter Fremdsprachenlernen oft sehr stiefmütterlich behandelt wird, da seine Bildung aufgrund der Formenvielfalt als eher schwierig empfunden wird (vgl. Heinold 2015: 90). Obgleich die Funktion des deutschen Präteritums als kein kontroverser Begriff in der Grammatik diskutiert wird, wird sie in den vielen Grammatiken verschieden beschrieben. Demzufolge ist es zu Beginn der Arbeit erforderlich, die verschiedenen Funktionen des Präteritums zu klären.
Dieses Teiltempus der deutschen Grammatik wird stets gebraucht, um eine Handlung (ein Geschehen) mitzuteilen, die zum Sprechzeitpunkt vergangen oder abgeschlossen ist (Lutz/Ernest/Lüttich 1999: 100).
(1.8) An diesem Tag ging er nicht zur Arbeit und blieb den ganzen Tag im Bett.
Griesbach (1986: 90) erwähnt, dass die deutsche Präteritumform als die epische Erzählform darstellt. Mit dem Präteritum werden, vom Zeitpunkt der Äußerung gerechnet, vergangene, zeitlich zurückliegende Sachverhalte beschrieben, zu denen der Sprecher innerlich Abstand gewonnen hat.
(1.9) Als es ihn umdrehte, sprang die Türe auf, und da saß in einer kleinen Stube eine alte Frau mit einer Spindel und spann flink ihren Flachs. (Brüder Grimm: Dornröschen)
Diese Funktion wird von Lutz/Ernest/Lüttich ebenfalls als ein episches Präteritum beschrieben und als charakteristisches Erzähltempus in der geschriebenen Sprache verstanden (1999: 100). Die Theorie des epischen Präteritums wurde zuerst von Käte Hamburger in ihrem Buch Die Logik der Dichtung im Jahr 1957 entwickelt. Dabei geht es in erster Linie darum, Kriterien für die Fiktionalität eines Textes aus seiner eigenen Logik heraus zu entwickeln. Das epische Präteritum wird nicht als Tempus der Vergangenheitsdarstellung, sondern als Basistempus der epischen Fiktion begriffen. Umstritten ist, ob diese Besonderheit des epischen Präteritums auf alle Fiktionen bzw. nur für bestimmte Typen epischer Fiktion, wie die personale Erzählsituation, zutrifft.
Während der Gebrauch des Präteritums in einem Wirklichkeitsbericht das Erzählte als etwas Vergangenes qualifiziert, bewirkt das epische Präteritum in einem fiktionalen Text durchaus keine zeitliche Distanzierung (Hamburger 1968: 61). Deshalb lassen sich mit dem epischen Präteritum (z. B. 1.9) in eigentlich kontextwidriger Weise auch Zeitadverbien der Gegenwart und Zukunft verbinden.
Hoffmann (2013: 260) erläutert außerdem, dass das Präteritum eine gewisse Distanzierung leisten kann und daher auch für situationsferne Sachverhalte geeignet ist.
(1.10) Nun also versteckte sich Professor Gauß im Bett. Als Minna ihn aufforderte, aufzustehen, die Kutsche warte und der Weg sei weit, klammerte er sich ans Kissen und versuchte seine Frau zum Verschwinden zu bringen, indem er die Augen schloss. (Kehlmann 2005: 7)
An dieser Stelle erkennt man, dass das Erzählte zeitlich entfernt ist und in einem fiktiven Raum spielt, der für den Leser in der Vorstellung zugänglich ist (Abb. 2).3 Der Fortgang wird im Präteritum als Erzählzeit dargestellt.
Zudem kann das Präteritum in der gesprochenen Sprache laut Lutz/Ernest/Lüttich (1999: 100) verwendet werden, um eine besondere lebhafte Erinnerung oder eine intensive Frage auszudrücken.
(1.11) Wie hieß nun denn dein Vater? Wo spielte doch gleich das Drama „Woyzeck“?
In der 5. Auflage des Buches der ´Deutschen Grammatik´ von Eichler und Bünting (1988: 104) werden zwei Besonderheiten des Präteritums besprochen. Eine davon wird als Stilmittel der erlebten Rede vorgestellt.
(1.12) Sein Magen knurrte laut und vernehmlich. War er so hungrig?
Die zweite Besonderheit wird in wenigen Redewiedergaben in der Alltagsprache vorgestellt, als das Präteritum, das statt des Präsens auftreten kann. Nämlich dann, wenn auf etwas Gegenwärtiges Bezug genommen wird (vgl. Eichler/Bünting 1988: 104).
(1.13) Peter behauptete, "Ich war noch nicht zu Hause." statt Peter behauptet, dass er noch nicht zu Hause ist.
Wenn das Präteritum mit Adverbialangaben der Gegenwart und Zukunft kombiniert wird, bezieht sich der Erzähler in der Erinnerung auf einen vergangenen Zeitpunkt (vgl. Jung 1988: 215).
(1.14) Erinnerst du dich noch, wie wir oft nachmittags in dem Garten saßen, wie es recht schön war, wie die Bienen um uns summten… (STIFTER)
Wie in die Grammatik der deutschen Sprache von Lutz/Ernest/Lüttich (1999: 100) erwähnt, wird das Präteritum in der ´erlebten Rede´ benutzt. In erlebter Rede bleiben zwar der Wortlaut und die Ausdrucksqualität des von der Figur Gesagten weitgehend erhalten, werden aber mitunter in fließenden Übergängen in den Erzählerbericht samt dessen Tempus und Syntax eingebettet. Erlebte Rede ist somit zwar weniger narrativ als indirekte Rede, auch sie bleibt aber letztlich formal dem Erzähler zugeordnet und steht zwischen direkter und indirekter Rede, zwischen Rede und Bericht: Gedanken werden im Indikativ statt im Konjunktiv (Rede) und meist im Präteritum ausgedrückt.
(1.15)Mein Bruder fragte mich: „Gibt es wirklich keine Rettung mehr?“ (= direkte Rede)
(1.16)Mein Bruder fragte mich, ob es wirklich keine Rettung mehr gebe. (= indirekte Rede)
(1.17)Gab es wirklich keine Rettung mehr? (= erlebte Rede)
Auffällig dominiert das Präteritum bei den Hilfsverben und (Götze/ Lüttisch 1999: 102).
(1.18) Viele Pensionierte wollten nach Spanien umziehen. (Viele Pensionierte hatten die Absicht/den Willen, nach Spanien umzuziehen.)
(1.19) Leider durften wir nicht im diesen Garten grillen oder feiern. (Wir hatten keine Erlaubnis, im diesen Garten zu grillen oder feiern. Das ist verboten.)
Allerdings können die Hilfsverben sein, haben und werden und die Modalverben auch wie im Präsens ebenfalls im Präteritum wie Vollverben auftreten.
(1.20) Ich war doch kein Polizist.
(1.21) Hatte sie Heimweh?
(1.22) Sebastian wurde Automechaniker.
(1.23) Die Praktikantin wollte seine Unterschrift, weil seine Unterschrift für ihr Zeugnis sehr wichtig war.
(1.24) Ich musste heute in die Stadt, denn ich hatte einen Termin.
1.2 Das Perfekt in der deutschen Sprache
Das deutsche Perfekt wird von Ludger als Präsensperfekt bezeichnet (2013: 262). Es ist zweifelsohne angemessen, das Perfekt als Haupttempus der Vergangenheit in der deutschen Grammatik zu bezeichnen (vgl. Lutz/Ernest/Lüttich 1999: 101). Das Perfekt bildet eine Gruppe von Zeitformen, die verschiedene Funktionen übernehmen. So werden dadurch vor allem Sachverhalte und Handlungen ausgedrückt, die zum Zeitpunkt des Sprechens bereits abgeschlossen sind und in der Vergangenheit liegen.
1.2.1 Die Darstellung und Formbildung
Das Perfekt ist eine analytische, d.h. zusammengesetzte Zeitform (Heinold 2015: 87). Weinrich (1993: 223) merkt an, dass Äman sich mit dem Perfekt in weitaus den meisten Fällen auf Vergangenes bezieht. Dadurch kommt es zu einer gewissen Überlappung und Konkurrenz mit dem Präteritum, insofern dieses Tempus [..] ebenfalls Vergangenes zum Gegenstand hat“. Im Unterschied zum Präteritum ist die Betrachzeit dann nicht gleich der Aktzeit, sondern gleich der Sprechzeit, was einen aktionsartähnlichen Aspektunterschied der Vollendung ausdrückt; was allerdings nicht überall empfunden werden muss (vgl. Eichler/Büntig 1994: 106).
(1.25) Das Schiff hat den Hafen ( um 18 Uhr) verlassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Noch eine andere Variante wird laut Eichler/Büntig (1994: 106) erwähnt, in welcher das Perfekt sogar mit futurischer Bedeutung gebracht werden kann. Mit dieser Bedeutungsvariante des Perfekts wird Zukünftiges als zu einer bestimmten Zeit Vergangenes, Abgeschlossenes dargestellt; die Aktzeit liegt also zwischen der Sprechzeit und der Betrachtzeit in der Zukunft.
(1.26) Bis Mittwoch hat er das Buch ausgeliehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In diesem Falle ist die Sprechzeit heute, die Betrachtzeit Mittwoch, die Aktzeit liegt zwischen heute und Mittwoch.
Das Perfekt wird durch das Präsens des Hilfsverbs haben oder sein und Partizip II gebildet (Helbig/Buscha 1998: 28), wobei diese die Satzklammer bilden.
(1.27) Wir haben gestern den Kuchen gegessen. Wir sind nach Japan geflogen.
Die meisten Verben bilden ihr Perfekt mit dem Hilfsverb haben. bzw. mit allen transitiven Verben, allen reflexiven Verben, vielen intransitiven Verben (vor allem mit durativer Aktionsart z.B. sitzen, stehen, schlafen und denken usw.), mit allen Modalverben und den unpersönlichen Verben (Es hat geregnet, es hat geschneit usw.) (Eichler/Büntig 1994: 100).
Bei intransitiven Verben dagegen (z.B. einschlafen, sterben, aufwachen, verschwinden usw.), die eine Zustandsänderung beschreiben oder eine Ortsveränderung angeben, wird das Perfekt mit dem Hilfsverb sein gebildet (Eichler/Büntig 1994: 100).
(1.28) Wir sind die auf die Insel Sri Lanka geflogen. (Bewegung) Sein Onkel ist im jungen Alter gestorben. (Zustandsveränderung)
Das Verb ´fahren´ kann mit sein und haben benutzt werden. Dadurch verändert sich die Bedeutung des Satzes. Im Satz (1.22 a.) steht das direkte Objekt, den BMW, der Fokus ist auf die Handhabung des Wagens gerichtet, während in (1.22 b.) die präpositionale Ergänzung mit dem BMW den Blickpunkt auf die Fahrt lenkt.
(1.29) a. Miriam hat den BMW durch Eden gefahren. (den BMW: direktes Objekt)
b. Miriam ist mit dem BMW durch Eden gefahren.
In der Standardsprache wird mit den Verben stehen, sitzen, liegen immer das Hilfsverb haben benutzt. Wie von Herbert beschrieben wird, können diese Verben jedoch auch in Österreich oder den südlichen Regionen Deutschlands oft mit sein realisiert werden (Herbert 1995: 109).
(1.30) I bi do gsessa. (Bayrisch)
I bin da gesessen statt Ich habe da gesessen. (Standarddeutsch)
Außerdem werden die Verben, die sowohl intransitiv als auch transitiv und dann entweder handlungsorientiert oder vorgangsorientiert gebraucht werden, als transitives Verb das Perfekt mit haben, als intransitives mit sein gebildet. Das gilt auch für Verben der Fortbewegung.
(1.31) Die Hitze hat das Eisen geschmolzen.
Das Eisen ist geschmolzen. (in der deutschen Grammatik: Zugangspassiv)
1.2.2 Die Funktion des deutschen Perfekts
Wie im vorherigen Unterkapitel deutlich wurde, gibt es durchaus Unregelmäßigkeiten: sowohl bei der Bildung von Perfektformen als auch bei der Verwendung dieser Zeitform. Daher ruft die vereinfachte Darstellung der Perfektverwendung als Hauptfunktion des Perfekts die Vergangenheitsdarstellung in der wörtlichen Rede bzw. der gesprochenen Sprache speziell in DaF- Grammatiker Diskussionsbedarf hervor (Dreyer/Smitt 2000: 325).
Das Perfekt ist eine klammerbildende Tempusform (vgl. Weinrich 1993: 222). Laut Weinrich besteht das Vorverb der Tempus-Klammer aus einer Präsensform der Hilfsverben haben oder sein, das Nachverb aus dem Rück-Partizip des betreffenden Verbs.
(1.32) Marie hat ihrer Mutter viel geholfen.
Vorverb (Hilfsverb) Nachverb (Partizip II)
Von Herbert wurde die deutsche Perfektform mit den Beispielen aus der Duden Grammatik folgendermaßen dargestellt. ÄÄhnlich wie im Englischen gilt auch in der traditionellen Grammatik des Deutschen die Regel, eine Handlung, die in der Vergangenheit begonnen wurde und bis in die Gegenwart andauert, sei durch das Perfekt auszudrücken“ (Herbert 1999: 107).
(1.33) Ich habe meine Arbeit gestern angefangen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
gestern angefangen die Arbeit dauert bis… heute/ morgen oder weiter
In diesem Falle ist die Ausdruksfunktion von Perfekt laut Jung (1988: 216) zu verstehen, dass im Perfekt die Vorgänge dargestellt werden, die noch in die Gegenwart hineinwirken, auf deren Folge oder Ergebnissen die gegenwärtige Lage oder Handlung beruht.
(1.34) Wir haben Ihren Brief erhalten.
Der Satz ´Wir haben Ihren Brief erhalten´ statt ´wir erhielten Ihren Brief´´ wird
darauf mitgeteilt, denn diese Handlung hat ein Bezug auf die Gegenwart (Jung 1988: 216).
Auf der Bedeutungsebene der Perfektform wird von Heinold eine kontextuelle Ebene postuliert (Heinold 2015: 104). Das bedeutet, dass die kontextuelle Ebene vom Sprecher manipuliert werden könnte und damit der Gegenwartsbezug, den das Äreine“ Perfekt normalerweise (im Gegensatz zum Präteritum) aufweist, annulliert werden könnte.
Die Beispiele (1.35) lassen durch ihren Kontext (gestern, heute, in diesem Monat) die Handlung als eine vergangene, gegenwärtige oder zukünftige erscheinen. Weinrich erwähnt, dass am bloßen Tempus diese chronologischen Informationen nicht abgelesen werden kann (vgl. Weinrich 1993: 223).
(1.35) Gestern hat mein Vater sein Auto repariert.
Morgen habe ich die Prüfung bestanden. (Götze/Lüttich 1999: 101) Ich rechne allerdings nicht damit, dass der Professor die Arbeit noch in diesem Monat gelesen hat. (Weinrich 1993: 223).
Das Ereignis kann zeitlich in die Gegenwart hineinreichen oder auch für die Gegenwart relevant sein (vgl. Ludger 2013: 262). Wenn nichts Anderes gesagt ist, orientiert sich der Sprecher am Jetzt. Aber ein Adverbial kann eine bestimmte Betrachzeit in der Vergangenheit oder sogar in der Zukunft festlegen.
(1.36) Jetzt habe ich die Prüfung bestanden.
Darüber hinaus spielt das Perfekt eine große Rolle als vorherrschendes Erzähltempus in der gesprochenen Sprache. Von Jung wird diese Funktion so erklärt: ÄObwohl wegen seines resultativen Charakters eigentlich nicht geeignet, wird das Perfekt im Oberdeutschen oft als Erzähltempus gebraucht“ (1998: 217).
(1.37) Und dann sind wir in Bonn angekommen und gleich zum Bundestag
gefahren. Dort sind wir vom Präsidenten empfangen worden, der hat uns alles gezeigt.
In verschiedenen Überschriften kann das Perfekt als Abschluss einer Erzählung in der geschriebenen Sprache vorkommen. Ebenso kann es in Fragesätzen, die Vergangenes bezeichnen, dominieren (Götze/ Hess-Lüttich 1999: 102).
(1.38) Zernagt vom Zahn der Zeit (Überschrift)
Bist du nun Ärztin geworden? (Fragesatz)
In der Textgrammatik der deutschen Sprache behauptet Weinrich (1993: 227), dass das Perfekt als Tempus der (okkasionellen) Rückschau recht häufig zu finden ist. Besonders gern verbindet sich dieses Tempus mit den Tempus-Adverbien noch und schon, die eine vorgegebene Erwartung korrigieren, wie sie auch mit anderen Tempus ausgedrückt werden, die von ihrer Bedeutung auf einen Rückgriff auf das Gedächtnis und eine raffende Zusammenfassung des Geschehenen nahelegen.
(1.39) Seid ihr schon einmal nach Delhi geflogen?
Ich habe noch keine Rückmeldung von ihr bekommen?
Hier wird Vergangenes nicht erzählt, sondern ein gegenwärtiges Problem im erinnernden Rückgriff auf Vergangenes besprochen. Diese Form kommt in mündlichen Gesprächen der Alltagsprache und in der Schriftsprache bzw. in Briefen und Zeitungsreportagen sehr oft vor.
Als letzte Funktion wird das Perfekt als Tempus verwendet, um die Zusammenfassung nach oder vor Ausführungen im Präteritum zu erläutern.
(1.40) Vom Kohlhaas aber haben noch im vergangenen Jahrhundert im Mecklenburgischen einige frohe und rüstige Nachkommen gelebt. (Jung 1988: 217)
[...]
1 Siehe Abb 1. S.44
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