Prophezeiungen – insbesondere in Bezug auf den Weltuntergang – haben während der Menschheitsgeschichte in vielen Religionen immer wieder eine grosse Rolle gespielt: Viele Kulturen der Antike, wie beispielsweise Ägypter und Mesopotamier, kannten schon Prophezeiungen über die „Endzeit“. Ein Blick in diverse Medien (z.B. Printmedien, Internet und Film) reicht aus, um die Relevanz dieses Themas auch für die Gegenwart zu bestätigen. Seit wir uns dem Jahr 2012 nähern – in diesem Jahr endet am 21. Dezember der Maya-Kalender, was Laien und Wissenschaftler dazu bewogen hat, dieses Datum mit dem Weltuntergang in Verbindung zu bringen – scheint diese Problematik sogar eine Hochkonjunktur zu erleben.
Gleichzeitig wird dieses Phänomen in der heutigen Zeit oft mit dem Thema „Sekten“ in Verbindung gebracht. Solche Artikel und Filme können verunsichern, und gleichzeitig wundert man sich, weshalb sich derartige „Prophezeiungen“ so hartnäckig seit mindestens dem 24. Jahrhundert v.Chr. (siehe z.B. das Gilgamesch-Epos, in der Übersetzung von Stefan Mauch, eine der ältesten überlieferten literarischen Dichtungen) bis heute halten. Gleichzeitig kann man sich fragen, weshalb religiöse Sondergemeinschaften, die solche Prophezeiungen verkünden, weiterhin bestehen bleiben, obwohl sich vom Vorhergesagten nichts bewahrheitet bzw. erfüllt hat.
Eine Möglichkeit, vor allem die zweite Frage zu beantworten, ist der Vergleich zweier religiöser Gruppierungen aus zwei verschiedenen Epochen, die bekannt dafür sind, dass sie von sich selbst behaupten, dank Buchstabentreue zum Alten bzw. Neuen Testament und weiterer Gründe als Einzige die „Wahrheit“ zu besitzen und deshalb die einzige von Gott akzeptierte Glaubensgemeinschaft zu sein. Parallel dazu haben diese Gemeinschaften immer wieder auf der Grundlage biblischer Prophezeiungen mit Bestimmtheit das genaue Jahr für das Ende der Welt prophezeit, obwohl sich ihre Berechnungen (aus emischer und etischer Sicht) regelmässig als „falsch“ erwiesen haben. Ihre Schriften, die sich einerseits mit dem „absoluten Wahrheitsanspruch“ der Gruppe und andererseits mit den „Falschinterpretationen“ beschäftigen, um den „Irrtum“ zu rechtfertigen, sind dabei eine äusserst fruchtbare Quelle.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Einleitung
2.1 Theorie
2.2 Methoden
2.3 Primärliteratur
2.4 Problembegriff „Religion“
2.5 Definitionen von Grundbegriffen
3 Zeugen Jehovas
3.1 Geschichte
3.2 Lehre
3.2.1 Selbstbezeichnung und Selbstverständnis
3.2.2 Organisation
3.2.3 Mitgliedschaft
3.2.4 Heilige Schriften
3.2.5 Gottesbild
3.2.6 Heilslehre
3.2.7 Verhältnis zu Menschen ausserhalb der Gemeinschaft
3.3 Eigene Schriften
3.4 Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch
3.4.1 Unterkategorie: Schrifttreue
3.4.2 Unterkategorie: „Selbstbeweihräucherung“
3.4.3 Unterkategorie: Vergleich mit Aussenstehenden
3.4.4 Unterkategorie: Absonderung
3.4.5 Unterkategorie: Auserwählte
3.4.6 Unterkategorie: Märtyrertum
3.4.7 Unterkategorie: „Verteufelung“ und Bestrafung
3.5 Vorhersagen auf Basis biblischer Prophezeiungen
3.5.1 Vorhersagen vor 1914
3.5.2 Vorhersagen nach 1914
3.6 Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwartungen
3.6.1 Unterkategorie: „Ablenkungsmanöver“
3.6.2 Unterkategorie: Verharmlosung
3.6.3 Unterkategorie: Verantwortungsdiffusion
3.6.4 Unterkategorie: Betonung der Exklusivität und des Erfolgs
3.6.5 Unterkategorie: Vergleich mit der Urzeit bzw. Zeit des Ursprungs
3.6.6 Unterkategorie: intensiveres Studium der Heiligen Schrift
3.6.7 Unterkategorie: „Angstmacherei“ und Warnung
4 Qumran-Gemeinschaft
4.1 Geschichte
4.2 Lehre
4.2.1 Selbstbezeichnung und Selbstverständnis
4.2.2 Organisation
4.2.3 Mitgliedschaft
4.2.4 Heilige Schriften
4.2.5 Gottesbild
4.2.6 Heilslehre
4.2.7 Verhältnis zu Menschen ausserhalb der Gemeinschaft
4.3 Eigene Schriften
4.3.1 Hymnen-Rolle (1QH)
4.3.2 Gemeinde-Ordnungen (1QS)
4.3.3 Damaskus-Schrift (CD)
4.3.4 Propheten-Kommentare (1Qp/4Qp)
4.4 Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch
4.4.1 Unterkategorie: Schrifttreue
4.4.2 Unterkategorie: „Selbstbeweihräucherung“
4.4.3 Unterkategorie: Vergleich mit Aussenstehenden
4.4.4 Unterkategorie: Absonderung
4.4.5 Unterkategorie: Auserwählte
4.4.6 Unterkategorie: Märtyrertum
4.4.7 Unterkategorie: „Verteufelung“ und Bestrafung
4.5 Vorhersagen auf Basis biblischer Prophezeiungen
4.5.1 Vorhersagen vor 70 v.Chr
4.5.2 Vorhersagen nach 70 v.Chr
4.6 Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwartungen
4.6.1 Unterkategorie: „Ablenkungsmanöver“
4.6.2 Unterkategorie: Verharmlosung
4.6.3 Unterkategorie: Verantwortungsdiffusion
4.6.4 Unterkategorie: Betonung der Exklusivität und des Erfolgs
4.6.5 Unterkategorie: Vergleich mit der Urzeit bzw. Zeit des Ursprungs
4.6.6 Unterkategorie: intensiveres Studium der Heiligen Schrift
4.6.7 Unterkategorie: „Angstmacherei“ und Warnung
5 Vergleich
5.1 Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch
5.1.1 Gemeinsamkeiten
5.1.2 Unterschiede
5.2 Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwartungen
5.2.1 Gemeinsamkeiten
5.2.2 Unterschiede
6 Zusammenfassung
6.1 Beantwortung der Fragestellung
6.2 Einordnung der Resultate
6.3 Erweiternde Forschungsfragen
7 Anhang
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Weiterführende Literatur
7.3 Definitionen von Grundbegriffen
7.3.1 Religiöse Sondergemeinschaft bzw. „Sekte“
7.3.2 Gott
7.3.3 Heilige Schriften
7.3.4 Eigene Schriften
7.3.5 Lehre
7.3.6 Eschatologie bzw. Endzeitprophezeiungen
7.3.7 Heil bzw. Erlösung
7.3.8 Religionsgründer
7.3.9 Elite bzw. Führungsgremium
7.3.10 Anhänger bzw. Mitglieder
7.3.11 Märtyrer
7.3.12 Ehemalige bzw. Abtrünnige
7.3.13 Aussenwelt, Andersgläubige und „das Böse“
7.4 Restliche Zitate
7.4.1 Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch (Zeugen Jehovas)
7.4.2 Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwartungen (Zeugen Jehovas)
7.4.3 Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch (Essener)
7.4.4 Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwartungen (Essener)
1 Vorwort
Im Herbstsemester 2008 habe ich im grossen Nebenfach „Bibelwissenschaften“ im Rahmen der Vorlesung von Prof. Samuel Vollenweider zur „Johannesapokalypse“ ein Essay mit dem Titel „Die Rezeption der Johannesapokalypse bei den Zeugen Jehovas anhand von zwei Beispielen: die 144'000 und die Hure Babylon“ geschrieben. Ein halbes Jahr später habe ich die Vorlesung von Prof. Konrad Schmid zum Thema „Die Schriftrollen von Qumran“ und die Vorlesung von Prof. Thomas Krüger zum apokalyptischen Bibelbuch „Daniel“ besucht.
Die Beschäftigung mit zwei Religionsgemeinschaften aus zwei verschiedenen Epochen mit gewissen Parallelen, was Prophetie bzw. das Voraussagen von Endterminen und die extensive Produktion von Schriften zu diesem Thema anbelangt, liess in mir die Idee entstehen, eine Arbeit zum Thema „Eschatologie“ zu schreiben, da es schien, dass dies sowohl für die Zeugen Jehovas als auch für die Qumran-Gemeinschaft von grosser Bedeutung war bzw. ist.
Da ich im kleinen Nebenfach zusätzlich Psychologie studiere, war für mich die sogenannte Sektenthematik, besonders im jüdisch-christlichen Bereich, ausserordentlich interessant, denn ich wollte mich einmal intensiver mit Schriften von religiösen Sondergemeinschaften beschäf- tigen, um zu sehen, wie sie ihre angeblich bevorzugte Sonderstellung begründen und gleichzei- tig bei Fehlern von Techniken Gebrauch machen, um sich salopp gesagt wieder aus der Affäre zu ziehen.1
Sehr gerne möchte ich mich an dieser Stelle bei Frau Prof. Dr. Daria Pezzoli-Olgiati und Frau Dr. Anna-Katharina Höpflinger für die fachkundige Betreuung meiner Bachelorarbeit bedanken. Ausserdem danke ich meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden herzlich für die moralische Unterstützung.
2 Einleitung
Prophezeiungen - insbesondere in Bezug auf den Weltuntergang - haben während der Menschheitsgeschichte in vielen Religionen immer wieder eine grosse Rolle gespielt: Viele Kulturen der Antike, wie beispielsweise Ägypter und Mesopotamier, kannten schon Prophe- zeiungen über die „Endzeit“.2 Ein Blick in diverse Medien (z.B. Printmedien, Internet und Film) reicht aus, um die Relevanz dieses Themas auch für die Gegenwart zu bestätigen.3 Seit wir uns dem Jahr 2012 nähern - in diesem Jahr endet am 21. Dezember der Maya-Kalender, was Laien und Wissenschaftler dazu bewogen hat, dieses Datum mit dem Weltuntergang in Verbindung zu bringen4 - scheint diese Problematik sogar eine Hochkonjunktur zu erleben.5 Gleichzeitig wird dieses Phänomen in der heutigen Zeit oft mit dem Thema „Sekten“6 in Verbindung ge- bracht.7
Solche Artikel und Filme können verunsichern, und gleichzeitig wundert man sich, weshalb sich derartige „Prophezeiungen“ so hartnäckig seit mindestens dem 24. Jahrhundert v.Chr. (siehe z.B. das Gilgamesch-Epos, in der Übersetzung von Stefan Mauch, eine der ältesten überlieferten literarischen Dichtungen8 ) bis heute halten.9 Gleichzeitig kann man sich fragen, weshalb religiöse Sondergemeinschaften, die solche Prophezeiungen verkünden, weiterhin bestehen bleiben, obwohl sich vom Vorhergesagten nichts bewahrheitet bzw. erfüllt hat.10
Eine Möglichkeit, vor allem die zweite Frage zu beantworten, ist der Vergleich zweier religiöser Gruppierungen aus zwei verschiedenen Epochen, die bekannt dafür sind, dass sie von sich selbst behaupten, dank Buchstabentreue zum Alten bzw. Neuen Testament und weiterer Gründe als Einzige die „Wahrheit“ zu besitzen und deshalb die einzige von Gott akzeptierte Glaubensgemeinschaft zu sein. Parallel dazu haben diese Gemeinschaften immer wieder auf der Grundlage biblischer Prophezeiungen mit Bestimmtheit das genaue Jahr für das Ende der Welt prophezeit, obwohl sich ihre Berechnungen (aus emischer und etischer Sicht) regelmässig als „falsch“ erwiesen haben. Ihre Schriften, die sich einerseits mit dem „absoluten Wahrheitsanspruch“ der Gruppe und andererseits mit den „Falschinterpretationen“ beschäftigen, um den „Irrtum“ zu rechtfertigen, sind dabei eine äusserst fruchtbare Quelle.
Die erste Gruppe entstand vor über 2‘000 Jahren im alten Israel. Es handelt sich dabei um die Qumran-Gemeinschaft, deren Schriften in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Höhlen in Form von Rollen gefunden wurden. (Von vielen anerkannten Experten werden sie mit den „Essenern“ gleichgesetzt, die zur Zeit Jesu eine von vier jüdischen Gruppie- rungen, neben den Sadduzäern, den Pharisäern und den Zeloten, waren. Dieser Ansicht werde ich in meiner Arbeit ebenfalls folgen.11 ) Die zweite Gruppe, die Zeugen Jehovas - sie nannten sich bis Mitte der 1930er Jahre „Ernste Bibelforscher“ - stammt aus unserer Zeit und formierte sich ab Ende des 19. Jahrhunderts in den USA, von wo aus sie sich auf der ganzen Welt verbrei- tete.12
Beide Gemeinschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie die absolute Wahrheit für sich beanspruchen, in einem religiösen Umfeld, in dem es genügend andere Gruppierungen gibt, die ebenfalls behaupten, sich auf dieselbe „Heilige Schrift“ zu beziehen. Es sind also keine relativ „einzigartigen“ Gruppierungen, die irgendeine Vorhersage treffen, sondern beide Gruppierungen existieren neben anderen jüdischen bzw. christlichen Gruppierungen, was meines Erachtens psychologisch betrachtet den Druck zur Abgrenzung, zum Hervorheben der eigenen Überlegenheit und zur Rechtfertigung im Falle eines „Irrtums“ erhöhen sollte.13
Aus dem Obengenannten ergeben sich folgende drei Fragen für meine Bachelorarbeit:
- Wie begründen beide Gruppierungen ihren Anspruch, „wahrhaftiger“ als andere zu sein, wenn es darum geht, im Sinne einer Schrift (auf die sich ja auch andere Glaubensgrup- pierungen beziehen) zu leben?
- Wie reagieren beide Sondergemeinschaften, die für sich selbst beanspruchen, als Einzi- ge die von Gott gegebenen heiligen Schriften richtig zu befolgen und zu verstehen und daher in einer Sonderstellung vor Gott im Vergleich zu anderen Gruppen zu stehen, wenn sie jedoch gleichzeitig immer wieder „Fehler“ bei der Interpretation dieser Schrif- ten machen? In anderen Worten: Wie prägt der Anspruch auf besondere Wahrheit, ge- rade in Abgrenzung von anderen Gruppierungen, die Reaktion auf einen „Irrtum“?
- Können anhand des Vergleichs zweier bezüglich gewisser Aspekte ähnlicher Gruppie- rungen, die in verschiedenen Epochen lebten, diachrone und überkulturelle Muster und Mechanismen in der Argumentation bzw. im Verhalten entdeckt werden?
2.1 Theorie
Von Beginn an 14 ist die Methode des Vergleichs - ein Import aus der Sprachwissenschaft - ein wichtiger Bestandteil der Religionswissenschaft. Durch genaue Definition des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes lassen sich Kategorien (z.B. „Heilige Schrift“, „Gottheit“, „Initia- tionsritus“ etc.) bestimmen, die es ermöglichen, verschiedene Religionsgemeinschaften de- skriptiv miteinander zu vergleichen und gleichzeitig eine Metasprache für einen fruchtbaren wissenschaftlichen Diskurs zu entwickeln, der wiederum Modelle, Begriffe und Theorien zum Thema „Religion“ hervorbringen kann, um so Religionen besser zu beschreiben und zu verste- hen.15
Dabei ist vor allem das sogenannte Tertium Comparationis (also das Dritte des Vergleichs; neben den beiden zu vergleichenden Elementen eines Vergleichs) äussert wichtig. Damit ist in der Vergleichswissenschaft der „Vergleichspunkt“ gemeint, d.h. die Frage danach, „woraufhin man zwei Gegenstände vergleicht“. Das kann also bedeuten, dass sich zwei Gegenstände im Hinblick auf einen bestimmten Aspekt ähnlich sind, sich aber in einem anderen überhaupt nicht ähneln.16
Ein früher Verfechter dieser Methode ist Joachim Wach. Dank seines Werks „Prolegome- na“ (1924) wurde der Gedanke einer so genannten systematischen Religionswissenschaft ent- wickelt, die auf dem Vergleich basiert. Dabei ging es ihm darum, „abstrakte, idealtypische Begriffe zu bilden und Regelmässigkeiten, Gesetzmässigkeiten der Entwicklung aufzuweisen“.17
Ein Problem dabei ist die Tatsache, dass man als Wissenschaftler davon ausgehen muss, dass Religionen grundsätzlich vergleichbar sind, also die „Einzigartigkeit in Frage gestellt“ wird. Dieser „Exklusivitätsanspruch“ muss folglich bei der Technik des Vergleichs „geopfert“ werden. Gleichzeitig werden dadurch die „traditionellen Postulate der Religionen“ kritisiert.18
Oft geht es bei Vergleichen vor allem um die Suche nach Ähnlichkeiten bzw. Gemeinsamkeiten. Dies wurde besonders vom amerikanischen Religionswissenschaftler Jonathan Z. Smith kriti- siert, da Unterschiede nicht berücksichtigt würden. Er ging sogar so weit zu sagen, dass Ge- meinsamkeiten nicht „entdeckt“, sondern „erfunden“ würden; sie seien „rein impressionisti- sche Assoziationen des Forschers“. Ähnliche Zweifel entstanden aus der „postmodernen Philo- sophie“, die sich vor allem in der „postkolonialen und postorientalistischen Kritik“ äusserten.19
Dieser so genannte radikale Kulturrelativismus, also das Betonen von Differenzen und die Kritik des Vergleichs, wurde aber in den letzten Jahren seinerseits kritisiert. Dabei wurde erkannt, wie wichtig es ist, beim Vergleich die „Perspektive des Forschenden in die Analyse einzubeziehen, die Bedeutung lokaler Kontexte und konkreter Machtverhältnisse zu berücksichtigen, sowie mögliche politische Auswirkungen der Forschung zu bedenken“. Dabei müssen Gemeinsamkeiten und Differenzen gleich stark berücksichtigt und reflektiert werden.20
Ein weiteres Problem, das beim Vergleich auftaucht, ist das der korrekten Kategorie, zu der je zwei religiöse Gegenstände, die miteinander verglichen werden, gehören. In anderen Worten: Man kann nur mit einer Kategorie vergleichen, die schon vorhanden ist. Dieses Vorwissen wiederum ist „assoziativ-subjektiv“ und im europäischen Kontext vor allem „judäo- christlich“ geprägt, was bei anderen Religionen Schwierigkeiten bereiten kann. Daher ist es umso wichtiger, metasprachliche Kategorien zu benutzen, die genau und möglichst neutral definiert worden sind. Das Problem ist dadurch zwar nicht vollständig gelöst, aber es ist eine Verbesserung hinsichtlich des Ideals, so wissenschaftlich wie möglich zu arbeiten.21
2.2 Methoden
In meiner Arbeit werde ich versuchen, die oben genannten Gedanken einfliessen zu lassen und eine fokussierte inhaltliche Textanalyse anhand zweier Hauptkategorien (mit je sieben Unter- kategorien) mit Hilfe des Buches „Textanalyse in den Wissenschaften“ (2009) von Dr. Georg Brun und Prof. Dr. Gertrude Hirsch durchzuführen. Dabei werde ich diese Unterkategorien in den Quellentexten suchen, identifizieren und auflisten, um auf diese Weise eine Gegenüber- stellung oder besser ein „In-Beziehung-Setzen der historischen Einzelerscheinungen zum über- greifenden Motiv“22, also der Hauptkategorie, und somit einen Vergleich auf „Mikroebene“23 zu ermöglichen (vgl. Paden (1988), S. 3-5)24:
1. Hauptkategorie: Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch
- Unterkategorie: Schrifttreue25
- Unterkategorie: „Selbstbeweihräucherung“26
- Unterkategorie: Vergleich mit Aussenstehenden27
- Unterkategorie: Absonderung28
- Unterkategorie: Auserwählte29
- Unterkategorie: Märtyrertum30
- Unterkategorie: „Verteufelung“ und Bestrafung31
2. Hauptkategorie: Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwartungen
- Unterkategorie: „Ablenkungsmanöver“32
- Unterkategorie: Verharmlosung33
- Unterkategorie: Verantwortungsdiffusion34
- Unterkategorie: Betonung der Exklusivität und des Erfolgs35
- Unterkategorie: Vergleich mit der Urzeit bzw. Zeit des Ursprungs36
- Unterkategorie: intensiveres Studium der Heiligen Schrift37
- Unterkategorie: „Angstmacherei“ und Warnung38
Diese Kategorien entstanden bei der ersten Durchsicht der Wachtturm-Publikationen der Zeugen Jehovas meinerseits und werden deshalb mit eigenen Worten möglichst klar, zirkelfrei und knapp disjunktiv definiert39, damit der Leser deren Bedeutung und Anwendung auf die Schriften der Zeugen Jehovas und der Qumran-Gemeinschaft besser nachvollziehen kann. Es sei schon jetzt darauf hingewiesen, dass die Kategorien nicht immer explizit im Text vorkommen müssen, sondern manchmal aufgrund eigener Interpretationen aus dem Text abgeleitet werden können. In solchen Fällen wird die Auswahl der Zitate zusätzlich begründet, um den Zusammenhang verständlich zu machen.
Die Kernidee, die beiden Hauptkategorien zugrunde liegt, ist, dass der Wahrheits- bzw. Exklusi- vitätsanspruch der jeweiligen Sondergemeinschaft Strategien des Umgangs mit nicht einge- troffenen Erwartungen überhaupt erst notwendig macht, sich also diese beiden Hauptkatego- rien gegenseitig bedingen, da ansonsten eine sogenannte kognitive Dissonanz produziert würde. Die Theorie der kognitiven Dissonanz, eine bedeutende sozialpsychologische Theorie, besagt, dass Menschen dazu tendieren, jene Dissonanz zu reduzieren, welche durch zwei sich widersprechende Kognitionen hervorgerufen wird. Der Anspruch exklusiver Wahrheit und das Nicht-Eintreffen eigener Vorhersagen stellen gewiss Kognitionen dar, die Dissonanz erzeugen sollten.40
Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass jede Hauptkategorie lediglich einen Oberbegriff für deren sieben Unterkategorien darstellt und dementsprechend jede Hauptkategorie anhand der sieben jeweiligen Unterkategorien definiert wird.
2.3 Primärliteratur
Als Haupttextbasis wähle ich folgende Primärliteratur (in deutscher Übersetzung)41: Für die Qumran-Gemeinschaft42:
- Hymnen-Rolle (1QH) 43
- Gemeinde-Ordnungen:
a) Gemeinschaftsordnung inkl. Zwei-Geister-Lehre (1QS I-IV)
b) Disziplinarordnung (1QS V-XI)
c)älteste Gemeindeordnung der Essener (1QSa)
d) Segensordnung (1QSb)
- Damaskus-Schrift (CD)
- Propheten-Kommentare:
a) Jesaja (4QpJes)
b) Micha (4QpMic)
c) Zefanja (4QpZef)
d) Psalmen (4QpPsa)
e) Hosea (4QpHos)
f) Nahum (4QpNah)
g) Habakuk (1QpHab)
Für die Zeugen Jehovas44:
„ Jehovas Zeugen - Verkündiger des Königreichs Gottes “ (JZVKG)
(Es handelt sich dabei um ein 750 Seiten umfassendes Werk aus dem Jahre 1993, das die gesamte Geschichte der Zeugen Jehovas von 1870 bis 1992 aufarbeitet und eigentlich vor allem für Anhänger bestimmt wäre.)
In beiden Fällen äussern sich führende Vertreter, also eine Art Elite, der beiden Glaubensgemeinschaften einerseits über die besondere Position der eigenen Gemeinschaft und den Anspruch, wahrhaftiger als andere zu sein, andererseits liefern diese Texte aus Sicht der Elite der jeweiligen Gruppierung Erklärungen für das Ausbleiben der eigenen Vorhersagen, die auf der Grundlage biblischer Prophezeiungen getroffen worden waren.
Zur Einordnung und zur Unterstützung der Interpretation der Primärliteratur sowie zur theoretischen und methodischen Untermauerung wird auch Sekundärliteratur herangezogen. Gleichzeitig werde ich für die Qumran-Zitate zusätzlich die Übersetzung der „Neuen Zürcher Bibel“45 verwenden, da es bei den Propheten-Kommentaren leider nicht immer vollständige oder einwandfreie Übersetzungen der Bibelzitate gibt. Wenn nicht anders vermerkt, werde ich bei den Zeugen Jehovas ihre eigene „Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift“46 verwenden, um, wenn nötig, Zitate zu erläutern bzw. zu kommentieren, da dies die Standard-Übersetzung ist, die von den Zeugen Jehovas in ihren Publikationen verwendet wird.
2.4 Problembegriff „Religion“
Da es sich bei dieser Arbeit um eine47 Bachelorarbeit im Hauptfach „ Religions wissenschaft“ handelt, die sich mit zwei religiösen Sondergemeinschaften befasst, muss unbedingt noch ein Aspekt berücksichtigt werden, nämlich die Definition des Begriffs „Religion“.
Es gibt Hunderte von Definitionsversuchen, aber bis heute liegt keine Definition vor, die von der gesamten Fachwelt anerkannt wird. Entweder ist die Definition zu weit oder zu eng gefasst, zu stark durch den jeweiligen kulturellen Hintergrund beeinflusst oder wird eher von der Aussenoder Innenperspektive geprägt. Manche Forscher gehen sogar soweit, dass sie ganz auf eine Definition verzichten. Dies aber ist nicht unproblematisch, da es der Willkür Tür und Tor öffnen und den Prinzipien der Wissenschaftlichkeit nicht genügen würde. Folgender Kompromiss wäre möglich: Man verzichtet auf die Universalität des Religionsbegriffs, versucht aber, sich empirisch und historisch so weit wie möglich dem Ideal anzunähern, dabei sollte man jedoch auf ältere Definitionsversuche zurückgreifen und diese integrieren.48
Der Nutzen einer allgemeinen Definition besteht darin, das, was untersucht werden soll, besser zu identifizieren und somit die „Problematik der religionswissenschaftlichen Gegenstandskonstituierung zu lösen“. Dies würde erstens das Fach „Religionswissenschaft“ autonomer machen, zweitens ermöglichen, dass man religionswissenschaftliche Gegenstände miteinander vergleichen kann, drittens die zum Teil stark zersplitternden Fachgebiete, die sich mit dem Thema „Religion“ befassen, veranlassen, das interdisziplinäre Gespräch zu suchen, und viertens die „Theorieabstinenz“, die man manchmal vorfindet, zu bekämpfen.49
Pollack (1995) unterscheidet vier Hauptmethoden, die bisher zu diesem Thema einen Beitrag geleistet haben:
1. Philosophische Methode50
2. Substanzielle Methode51
3. Hermeneutische Methoden
Die hermeneutischen Methoden werden in zwei Untermethoden unterteilt.
a) Methode der Intention oder Intentionsforschung52
b) Methode des Verstehens53
4. Methode des Erklärens
Zu den Methoden des Erklärens werden fünf Untermethoden gezählt.
a) historisch-philologische Methode54
b) Methode der Dimension oder Dimensionsforschung55
c) kontextuale Methode56
d) funktionale Methode57
e) genetische Methode58
Zusammenfassend kann gemäss Pollack (siehe Fussnoten 50-58) gesagt werden, dass folgende vier Punkte bei der Definition von Religion berücksichtigt werden müssten59:
1. Die Definition sollte weder zu eng noch zu weit gefasst sein.
2. Die Definition müsste sowohl die Aussen- als auch die Innenperspektive beachten.
3. Die Definition müsste möglichst neutral sein.
4. Die Definition müsste sowohl theoretische als auch empirische Aspekte miteinbeziehen.
Unter Berücksichtigung dieser vier Kriterien entschliesse mich für die historisch-philologische Definition von Kurt Rudolph (siehe Fussnote 54), da sie im Vergleich zu allen anderen Ansätzen weniger Angriffspunkte zu haben scheint und aus meiner Sicht die vier genannten Bedingungen am ehesten erfüllt. Ausserdem lässt sich dieser Begriff problemlos sowohl auf die QumranGemeinschaft als auch auf die Zeugen Jehovas anwenden.
2.5 Definitionen von Grundbegriffen
Aus Platzgründen werde ich dreizehn60 für meine Arbeit wichtige Begriffe bzw. Begriffsgruppen im Anhang (Seite 125ff.) möglichst anhand von Fachliteratur definieren, um wie beim Begriff „Religion“ eine stabile Grundlage für den Vergleich dieser beiden Gemeinschaften zu schaffen. Dabei werde ich vor allem das Standardlexikon für das Fach Religionswissenschaft „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“ (RGG) benutzen und, wo nötig und möglich, weitere Sekundärliteratur zu Rate ziehen. Ich werde dabei ähnliche Kriterien wie bei den 14 Unterkategorien weiter oben verwenden. Sämtliche Definitionen treffen sowohl auf die QumranGemeinschaft als auch auf die Zeugen Jehovas zu.
3 Zeugen Jehovas
Ich beginne mit der Gemeinschaft, die in unserer Gegenwart noch tätig ist, da hier die Quellen- lage sowohl der Primär- als auch der Sekundärliteratur verständlicherweise besser und um- fangreicher ist. Ausserdem sollte das Verständnis einer zeitgenössischen Gemeinschaft leichter fallen, obwohl diese Gemeinschaft eine Sprache benutzt, die dem Leser, der sich mit der The- matik nicht auskennt, sehr fremd vorkommen kann, und obwohl sie sich auf ein Weltbild stützt, das sich sehr von dem der Mehrheit in unserem Kulturkreis unterscheidet. Dennoch sollte diese Reihenfolge meines Erachtens den Übergang zur Qumran-Gemeinschaft, die in einer weit entfernten Epoche und in einem anderen Kulturkreis lebte, vereinfachen, da man somit die weshalb Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft verstanden wird. Religion wird demzufolge als „kulturspezifisches Deu- tungs- oder Symbolsystem“ (Pollack (1995), S. 177) gesehen, das man nur untersuchen kann, wenn man die Zeichen, die eine Kultur ausmacht, kennt. Das Problem bei diesem Ansatz ist die schwierige Abgrenzung von anderen Deutungs- und Symbolsystemen. (Pollack (1995), S. 177f.).
Gelegenheit hatte, sich mit den Themen „religiöse Sondergemeinschaft“ und „unerfüllte Endzeiterwartungen“ besser vertraut zu machen. Diese Reihenfolge trägt besonders der Tatsache Rechnung, dass man bei der Qumran-Gemeinschaft aufgrund der schlechteren Datenbasis leider oft nur Vermutungen anstellen kann.
Ich werde zuerst auf die Geschichte, das Lehrgebäude und die eigenen Schriften der Zeugen Jehovas eingehen, bevor ich anhand von Zitaten aus dem Buch „JZVKG“ (1993) den Wahrheitsanspruch der Zeugen illustriere. Darauf folgt eine Einführung zu den Endzeitprophezeiungen dieser Gemeinschaft und zum daraus folgenden Umgang mit der Nichterfüllung dieser Vorhersagen - wiederum mit Hilfe von Zitaten aus den Schriften der Gemeinschaft.
3.1 Geschichte
Die Gemeinschaft der61 Zeugen Jehovas wurde vom Amerikaner Charles T. Russell (1852-1916) gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA gegründet; in einer Zeit, in der sich die amerikani- sche Wirtschaft und Gesellschaft im Umbruch befanden. Der Wandel von einem „Agrar- zu einem Industrie- und Handelsstaat“62 führte zu einer Verstädterung mit fehlenden Sozialstruk- turen und daraus folgender Armut. Zusätzlich zu diesen Umwälzungen erschütterte Charles Darwins Evolutionstheorie und die historisch-kritische Bibelauslegung den Glauben vieler Amerikaner, die sich nach Sicherheit sehnten und diese in den neuen religiösen Bewegungen jener Zeit zu finden hofften. Damals handelte es sich vorwiegend um Nachkommen europäi- scher Auswanderer, die „reformierten Glaubensgemeinschaften“63 angehörten.64
Am Anfang waren die Zeugen Jehovas noch als „(Ernste) Bibelforscher“ (auf Englisch „Bible Students“) bekannt, da Russell als junger Mann mit einer Gruppe von Gleichgesinnten ange- fangen hatte, die Bibel (das Alte und das Neue Testament) trotz fehlender theologischer Aus- bildung mit Hilfe diverser Kommentare zu erforschen. Obwohl zu Beginn sehr skeptisch gegen- über der Eschatologie65, änderte Russell seine Meinung dazu, nachdem er Nelson H. Harbour getroffen hatte, der in Rochester, New York, eine kleine Kirchengemeinde von ehemaligen Second Adventists leitete. Harbour gab anfangs alleine für seine Kirche, später gemeinsam mit Russell, die Zeitschrift „Herald of the Morning“ heraus. Die heute als „Der Wachtturm“ bekann- te Zeitschrift hingegen erschien zum ersten Mal am 1. Juli 1879 unter dem Namen „Zions Wacht-Turm und Verkünder der Gegenwart Christi“, nachdem es zwischen Russell und Harbour zu einer heftigen Meinungsverschiedenheit gekommen war. Zwei Jahre später gründete Rus- sell in Pittsburgh, Pennsylvania, eine Verlagsgesellschaft, die heute unter dem Namen „Watch Tower Bible and Tract Society“66 bekannt ist und deren erster Präsident er selbst war. Diese Gesellschaft verlegte 1909 ihren Hauptsitz nach Brooklyn, New York, wo sich auch heute noch die Weltzentrale der Zeugen Jehovas befindet.67
Nach Russells Tod 1916 wurde trotz diverser Machtkämpfe innerhalb der Organisation der Richter Joseph F. Rutherford (1869-1942) sein Nachfolger. Daraus entstanden verschiedene Abspaltungen, die noch heute aktiv sind. Unter Rutherford nahm die von Russell demokratisch aufgebaute Organisation eine autoritäre und zentralistische Struktur an. Er war auch derjenige, der den damaligen Bibelforschern 1931 den Namen „Jehovas Zeugen“ oder „Zeugen Jeho- vas“ gab (gestützt auf Jesaja 43, 10), das Predigen von Haus zu Haus als Pflicht für jeden An- hänger machte, die Institution der alljährlichen Kongresse einführte und viele dogmatische Veränderungen vornahm. In seine Zeit fiel auch die schlimmste Verfolgungsperiode der Zeu- gen-Geschichte, während der sie in vielen Ländern verboten und verfolgt waren, allen voran in Nazi-Deutschland, wo Tausende Zeugen in Konzentrationslager deportiert, gefoltert und zum Teil ermordet wurden.68
Der dritte Präsident wurde nach Rutherfords Tod im Jahre 1942 Nathan H. Knorr (1905-1977). Während seiner Präsidentschaft wurde nach fast hundert Jahren in den 1970er Jahren die Organisation der Wachtturm-Gesellschaft neu strukturiert, indem dem Präsidenten die „fast uneingeschränkte Macht“69 entzogen und einer so genannten Leitenden Körperschaft be- stehend aus mehreren Männern übergeben wurde. Als Knorr 1977 starb, wurde Frederick W. Franz (1893-1992) pro forma zum vierten Präsidenten der Gesellschaft. Nachdem Knorr die Wachtturm-Gesellschaft bereits zu einem „erfolgreichen Geschäftsunternehmen“70 geformt hatte, mit besonderen Schulungen für Missionare, für Personen, die Stellen mit Verantwortung innehatten, und für die restlichen Mitglieder, verwandelte Franz sie in ein „gigantisches Multi- Media-Unternehmen“71, das zahlreiche Bücher, Zeitschriften, Kassetten, Übersetzungspro- gramme etc. für das weltweite Missionierungswerk produziert. Ausserdem war er derjenige, der nach Rutherford den grössten Einfluss auf die weiteren Änderungen in der Zeugen-Doktrin hatte.72
Nach Franz‘ Tod im Jahre 1992 wurden Milton G. Henschel (1920-2003) und im Jahre 2000 Don
A. Adams (*1925), der aber im Gegensatz zu den ersten fünf Präsidenten kein Mitglied der Leitenden Körperschaft ist, zum fünften bzw. sechsten Präsidenten gewählt. Unter diesen beiden Präsidenten „zeichnete sich eine gewisse Öffnung der Zeugen Jehovas“73 ab.74
3.2 Lehre
Seit ihren Anfängen haben sich die Lehren der Zeugen Jehovas immer wieder verändert. Aus Platzgründen werde ich mich deshalb auf Lehren, die aktuell Gültigkeit haben und für meine Arbeit von Bedeutung sind, beschränken.
3.2.1 Selbstbezeichnung und Selbstverständnis
Im Jahre 1931 änderten die „(Ernsten) Bibelforscher“ ihren Namen in „Jehovas Zeugen“ bzw. „Zeugen Jehovas“75 um. Dies taten sie, um zu betonen, dass sie vor allem Gottes bzw. Jehovas und nicht nur Jesu Christi Zeugen seien. Auf diese Weise soll Jesu Vorbild nachgeahmt werden, der im Neuen Testament mehrfach als Gottes Zeuge bezeichnet werde. Ihr Zeugnis bestehe darin, Gott und seine Pläne für die Menschheit, die „Gute Botschaft“, bekannt zu machen. Dies tun sie vor allem, indem sie von Tür zu Tür predigen gehen. Im Neuen Testament wird die christliche Lehre oft als „Wahrheit“ bezeichnet, demzufolge beanspruchen die Zeugen Jehovas diese Wahrheit für sich selbst, da sie überzeugt sind, die Einzigen zu sein, die die christliche Lehre seit dem Urchristentum in ihrem Leben richtig anwendeten und lebten. Somit seien sie die einzigen wahren Christen der Neuzeit, die nach einer fast 2‘000-jährigen Zeit des Abfalls vom wahren Christentum, die wahre Anbetung Gottes wiederhergestellt hätten. Eine der Hauptaufgaben sei es, Gott in seiner Streitfrage, die von Satan, dem Teufel, aufgeworfen wor- den sei, zu unterstützen (siehe Fussnote 170). Sie wollen mit ihrem Lebenswandel zeigen, dass Gott das Beste für die Menschen sei und er von ihnen aus Liebe und nicht aus Eigennutz ange- betet würde, denn diese beiden Punkte hätte Satan im Garten Eden und im Falle von Gottes Diener Hiob in Zweifel gezogen.76
3.2.2 Organisation
Die Organisation der Zeugen Jehovas ist „weltweit streng hierarchisch gegliedert“77. Die örtlichen Gemeinden nennt man „Versammlung“. Die Leiter und Aufseher der jeweiligen Versammlung sind die sogenannten Ältesten, die von „Dienstamtgehilfen“ unterstützt werden.78
Eine gewisse Anzahl von Versammlungen bildet einen „Kreis“ und mehrere Kreise einen „Bezirk“, die jeweils von einem Kreis- bzw. Bezirksaufseher geleitet werden. Die Bezirke wiederum sind einem „Zweigbüro“ unterstellt. In der Regel hat fast jedes Land sein eigenes Zweigbüro, in dem Bücher, Zeitschriften etc. gedruckt werden. Die bekannteste und wichtigste Zeitschrift ist „Der Wachtturm“. Alle Zweigbüros unterstehen der direkten Führung durch die Weltzentrale. Die Welt ist in mehrere Zonen aufgeteilt, die wiederum von einem „Zonenaufseher“ durch regelmässige Besuche der Zweigbüros beaufsichtigt werden.79
Das oberste Gremium der Zeugen Jehovas nennt sich „Leitende Körperschaft“ und besteht aus ca. einem Dutzend Männer. Es ist sozusagen das Sprachrohr und der Stellvertreter des „treuen und verständigen Sklaven“ aus Matthäus 24, 45-47, d.h. der Männer und Frauen, die gemäss Zeugen-Lehre zu den 144‘000 gehören, also zu denjenigen, die in den Himmel kommen werden (siehe auch 3.2.6), aber zurzeit noch auf der Erde leben. Diese Männer müssen somit auch zu den 144‘000 gehören und sind für die Auslegung der Bibel, für den Aufbau der Organisation und für die rechtlichen Instanzen innerhalb der Organisation zuständig. Ausserdem müssen alle Führungspositionen von ihnen genehmigt werden.80
Mehrmals die Woche treffen sich die Zeugen Jehovas im „Königreichssaal“, wo man die Litera- tur der Wachtturm-Gesellschaft gemeinsam studiert, biblische Vorträge hört, Techniken für die Mission lernt, gemeinsam betet und singt. Einmal im Jahr wird das „Abendmahl“ gefeiert, um an Jesu Tod zu gedenken. Bei diesem Anlass werden Brot und Wein gereicht, die aber nur von den 144‘00081, den sogenannten Gesalbten gegessen bzw. getrunken werden dürfen, da es dabei um den Bund gehe, den Jesus angeblich nur mit diesen Auserwählten abgeschlossen habe. Die restlichen Mitglieder, die sogenannte grosse Volksmenge, haben lediglich eine Beob- achtungsfunktion. Ausserdem gibt es mehrmals im Jahr sogenannte Kongresse, an denen sich Mitglieder eines Kreises oder Bezirks für mehrere Tage treffen. Manchmal sind auch grössere bzw. internationale Kongresse möglich.82
3.2.3 Mitgliedschaft
Um ein Zeuge Jehovas zu werden, muss man zuerst die Bibel mit den Zeugen anhand ihrer Literatur studieren, sein eigenes Leben ihren Lehren anpassen und es Gott durch die Wasser- taufe hingeben. Um zur Taufe zugelassen zu werden, die normalerweise an Kongressen in einem Wasserbecken durchgeführt wird, muss man eine Art Prüfung bei den Ältesten absolvie- ren. Bevor man getauft wird, gibt es eine Ansprache vor Publikum und es werden zwei Fragen gestellt, die man laut und deutlich mit „Ja“ beantworten muss. Damit zeigt man öffentlich, dass man ein Zeuge Jehovas sein will. Die Wassertaufe wird durch ein „völliges, rückwärtiges Ein- und Untertauchen vollzogen“83. Gründe für einen Ausschluss sind unter anderem Hurerei, Ehebruch, Homosexualität, Drogen- und Tabakkonsum, Alkoholmissbrauch, Diebstahl, Mord, Spiritismus und Abtrünnigkeit. Für einen Ausschluss entscheidend ist, dass der Betreffende keine Reue zeigt. Falls der Ausgeschlossene nach einiger Zeit seine „Sünden“ bereut, kann er anhand eines schriftlichen Antrages wieder aufgenommen werden. Ausgeschlossene und auch solche, die die Gemeinschaft selbst verlassen haben, dürfen weder gegrüsst werden, noch darf man mit ihnen privaten Kontakt pflegen. Der Ausschluss wird von einem sogenannten Rechts- komitee bestehend aus Ältesten vorgenommen, das darüber eine Akte anlegen muss.84
3.2.4 Heilige Schriften
Das Alte und das Neue Testament, kurz Bibel genannt, sind für die Zeugen Jehovas das voll- ständig und wörtlich inspirierte Wort Gottes für die Menschheit. Konkret glauben sie, dass die Bibel von ca. 40 Männern in 1‘600 Jahren geschrieben wurde, wobei der erste Schreiber Mose im Jahr 1513 v.Chr. war. Aus diesem Grund sei die Bibel fehler- und widerspruchslos. Die Bibel sei Gottes Anleitung für die Menschen, die zeige, wie man das Ende der Welt entweder auf der Erde oder im Himmel überleben könne. Die Einzigen, die die Bibel richtig auslegen könnten, seien die Mitglieder der Leitenden Körperschaft, des höchsten Gremiums der Zeugen Jehovas, auch wenn sich diese Auslegungen wegen der angeblich fortschreitenden Offenbarungen Gottes (siehe Sprüche 4, 18) immer wieder ändern könnten. 1961 wurde sogar eine eigene engli- sche Bibel-Übersetzung herausgegeben: die „Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift“. Diese Übersetzung wurde mehrmals revidiert und gleichzeitig in mehrere Sprachen herausge- bracht. Ein besonderes Merkmal dieser Übersetzung ist, dass der Gottesname „Jehova“ analog zum althebräischen Text des Alten Testaments auch in den altgriechischen Text des Neuen Testaments eingefügt wurde.85
3.2.5 Gottesbild
Die Zeugen Jehovas glauben nicht an die Trinität bzw. Dreifaltigkeit86 Gottes. Für sie sei nur „Jehova87 “ Gott. Der Heilige Geist sei Gottes Kraft, die ihn dazu befähige, seinen Willen in die Tat umzusetzen. Dabei sei Jesus Christus das einzige Geschöpf, das direkt von Gott selbst er- schaffen worden sei. Durch Jesus habe Gott alles andere erschaffen, was Jesus somit nach Gott zum zweitgrössten Wesen im Universum mache. Dieses Wesen habe Gott auf die Erde ge- schickt, damit es als Sühneopfer oder Lösegeld für die Sünden der Menschheit sterbe, die sich seit dem Sündenfall Adams und Evas als deren Nachkommenschaft in einem sündigen Zustand vor Gott befinde und somit den Tod verdiene. Alle, die an dieses Opfer Jesu glauben würden, könnten auf ein ewiges Leben hoffen. Da Jesus sein Leben an einem Pfahl - und nicht an einem Kreuz, das die Zeugen Jehovas für ein heidnisches und verabscheuungswürdiges Symbol halten - geopfert habe, würde Gott ihn zur Belohnung als König seines Reiches einsetzen. Gemäss den Zeugen fand diese Inthronisation im Jahre 1914 statt. Bald würde Jesus in dieser Funktion alles Böse vernichten. Neben Gott, Jesus Christus und dem Heiligen Geist, gäbe es auch noch Engel, Dämonen (gefallene Engel) und Satan (einen hochrangigen gefallenen Engel), den Hauptführer der Dämonen. Letzterer versuche zusammen mit seinen Dämonen, mit allen Mitteln die wahren Christen von ihrem Glauben abzubringen.88
3.2.6 Heilslehre
Die Zeugen Jehovas glauben, die Menschheit lebe seit 1914 in den letzten Tagen, und erwarten bald das Ende der Welt, das sie „Harmagedon“ nennen, ein Begriff, der vom biblischen Buch Offenbarung (Kapitel 16, Vers 16) abgeleitet ist und auf Hebräisch „Berg Megiddo“ bedeutet. Darunter verstehen sie die „apokalyptische Endschlacht“89 zwischen Gott, der durch Jesus Christus vertreten werden würde, auf der einen und den bösen Menschen und Dämonen (in- klusive Satan) auf der anderen Seite. Zu den bösen Menschen zählen gemäss der Zeugen Jeho- vas auch alle menschlichen Regierungen und Institutionen inklusive der Religionen, die sie „Hure Babylon“90 nennen.91
Die Einzigen, die diese Schlacht überleben würden, seien die Zeugen Jehovas selbst. Nach dieser Schlacht würde die Erde innerhalb eines Millenniums in ein Paradies umgewandelt, in dem die Überlebenden als Gottes Untertanen nach weiteren Prüfungen schliesslich ewig leben könnten. Dabei würde eine kleine Anzahl Zeugen Jehovas, 144‘000 Personen, im Himmel zusammen mit Jesus Christus als Könige und Priester eine himmlische Regierung, das sogenannte Königreich Gottes, bilden und ewig leben. Zu den Erdbewohnern würden auch diejenigen gehören, die in Gottes Augen der Auferstehung würdig seien. Auch diese müssten sich während der tausend Jahre beweisen, damit sie am Ende das Geschenk des ewigen Lebens erhalten könnten. Zeugen Jehovas glauben zudem weder an eine unsterbliche Seele noch an eine Hölle, in der böse Men- schen bestraft würden. Den Tod vergleichen sie mit einem tiefen Schlaf. Erst durch die Auf- erstehung könne man wieder zum Leben erweckt werden, entweder mit einem geistigen oder fleischlichen Körper, abhängig davon, wo man leben würde - im Himmel oder auf der Erde.92
3.2.7 Verhältnis zu Menschen ausserhalb der Gemeinschaft
Zeugen Jehovas leben nach dem Prinzip aus dem Bibelbuch Matthäus, Kapitel 22, Vers 21, in dem es heisst, man solle dem Kaiser das geben, was dem Kaiser gehöre, und Gott das, was Gott seinerseits gehöre. Das bedeutet für die Zeugen Jehovas, dass man die Gesetze des jeweiligen Landes, in dem man lebt, einhalten solle, solange sie nicht gegen Gottes Gesetze verstossen würden. Dies wäre ihrer Meinung nach zum Beispiel beim Wehrdienst und bei politischen Wahlen der Fall. Diese beiden Punkte haben immer wieder zu Problemen mit Regierungen der jeweiligen Länder geführt. Im religiösen Bereich halten sie sich von allem fern, was einen heidnischen Ursprung hat, wie zum Beispiel Weihnachten, Ostern oder Geburtstag. Zu Ehemaligen, anderen Christen und Mitgliedern anderer Religionen gehen sie auf Abstand, da sie glauben, als Einzige die wahren Anbeter Gottes zu sein, was ihrer Meinung nach auch die Grundlage ist, um Harmagedon zu überleben. Der einzige Grund, um mit Andersgläubigen zu verkehren, sei neben alltäglichen Geschäften deren Missionierung.93
3.3 Eigene Schriften
94 Das von mir verwendete Buch „Jehovas Zeugen - Verkündiger des Königreiches Gottes“ wurde 1993 während der Präsidentschaft von Milton G. Henschel im eigenen Wachtturm-Verlag in New York auf Englisch veröffentlicht. Gleichzeitig ist es in unzählige weitere Sprachen, unter anderem auch ins Deutsche, übersetzt worden.95 Die Wachtturm-Gesellschaft verwendet es als Standard-Geschichtswerk, wobei es vor allem für die eigenen Mitglieder geschrieben wurde und in der Regel der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wird.96 Das Buch umfasst ca. 750 Seiten, ist sehr ausführlich und mit vielen Illustrationen und Abdrucken von Originaldokumen- ten versehen.97
Die Autoren des Werkes sind unbekannt. Aber wie üblich bei der Wachtturm-Literatur, wurde das Buch vom Schreibkomitee verfasst; dieses ist eines von sechs Komitees bestehend aus einer Gruppe von Männern in Führungspositionen und mit langjähriger Erfahrung als Zeugen, die direkt der Leitenden Körperschaft unterstellt sind.98 Fast alle Werke kommen aus dieser Abtei- lung und müssen vor dem Druck von der Leitenden Körperschaft genehmigt werden.99
Das Buch ist in sieben Abschnitte aufgeteilt und befasst sich in insgesamt 33 Kapiteln mit Themen wie dem Urchristentum, den Anfängen der Ernsten Bibelforscher ab 1870 und den fünf Präsidentschaften bis 1992. Dabei werden immer wieder die Änderungen in der Lehre und in den Endzeiterwartungen aufgezeigt. Es folgen Kapitel, welche die weltweiten Erfolge und Errungenschaften der Zeugen darstellen. Gleichzeitig wird auch auf die Geschichte der Verfol- gungen eingegangen, deren Opfer die Zeugen Jehovas während der letzten hundert Jahre regelmässig wurden. Einen prominenten Platz findet hier die Verfolgung durch den deutschen Nationalsozialismus. Das Buch ist gespickt mit Bibelzitaten, welche die Texte untermauern sollen.
Im Folgenden werde ich nun das Buch „Jehovas Zeugen - Verkündiger des Königreichs Gottes“ anhand von sieben Unterkategorien, die zur Hauptkategorie „Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch“ gehören, analysieren. Da ich bei einzelnen Kategorien sehr viele passende Zitate finden konnte, werde ich mich aus Platzgründen auf maximal zehn Zitate pro Unterkategorie beschränken, wobei ich wichtige Begriffe bzw. Textteile durch Fettdruck hervorheben werde. Die restlichen Zitate können im Anhang zur weiteren Untermauerung nachgelesen werden. Manchmal kommt es vor, dass ein Zitat für mehrere Unterkategorien geeignet ist, aber unter anderen Gesichtspunkten ausgewählt wurde.
Nachdem ich auf die eigentlichen Prophezeiungen der Zeugen Jehovas, die sich sowohl aus emischer als auch aus etischer Sicht nicht erfüllt haben, eingegangen bin, werde ich dasselbe Prozedere für die Hauptkategorie „Strategien des Umgangs mit nicht eingetroffenen Erwar- tungen“ anwenden.
3.4 Wahrheits- bzw. Exklusivitätsanspruch
Bevor ich mich den Zitaten aus den Schriften der Zeugen Jehovas zuwende, möchte ich mein Vorgehen, das ich auf das Buch „Textanalyse in den Wissenschaften“ (2009) von Brun & Hirsch stützt, beschreiben.100
1. Am Anfang wiederhole ich jeweils die Definition jeder Unterkategorie, bevor ich die ein- zelnen Zitate aufliste und nach bestimmten Kriterien gruppiere, um so eine bessere Übersicht zu ermöglichen.
2. Zu jedem Zitat werde ich ergänzende Bemerkungen und Erklärungen anhand des nähe- ren Kontextes, der Bibel, der Sekundärliteratur, weiterer „eigener Schriften“ oder Aus- steiger-Literatur101 abgeben, damit man die Hintergründe der Zitate besser versteht und allfällige Unklarheiten und Verständnisschwierigkeiten minimiert werden können. (Aus Platzgründen stehen diese Erläuterungen in den entsprechenden Fussnoten!)
3. Schliesslich werde ich für jede Unterkategorie jeweils das für den Wahrheits- bzw. Ex- klusivitätsanspruch Wesentliche zusammenfassen und zusätzlich kommentieren.
3.4.1 Unterkategorie: Schrifttreue
Definition: „ Die Heiligen Schriften der Gemeinschaft werden möglichst wörtlich ausgelegt und angewandt, weil man davon ausgeht, dass der Inhalt des Textes verpflichtend sei, da er direkt von Gott komme und für die Menschheit als Anleitung bzw. Gesetz gedacht sei. “
Zu dieser Kategorie habe ich acht gute Belege gefunden, die entweder eher am Anfang oder eher am Ende des Buches „JZVKG“ (1993) vorkommen.
Vier Belege weisen u.a. darauf hin, dass die Gemeinschaft die Heiligen Schriften als Grundlage und Massstab für alles verwendet:
a) JZVKG (1993), S. 120:
Jehovas Zeugen haben nicht vorgehabt, neue Lehren, eine neue Form der Anbetung oder eine neue Religion einzuführen. Stattdessen zeugt ihre neuzeitliche Geschichte von gewissenhaften Bemühungen, das zu leh- ren, was in der Bibel, dem inspirierten Wort Gottes, steht. Sie verweisen darauf als Grundlage aller ihrer Glaubensansichten und ihrer Lebensweise. Statt Anschauungen zu entwickeln, die den liberalen Trend der heutigen Welt widerspiegeln, versuchen sie, sich immer enger an die Lehren der Bibel und die Handlungs- weise des Urchristentums zu halten. Anfang der 1870er Jahre begannen Charles Taze Russell und seine Ge- fährten ein ernsthaftes Studium der Bibel. Es fiel ihnen auf, dass die Christenheit von den Lehren und Bräu- chen des Urchristentums weit abgekommen war.102
b) JZVKG (1993), S. 133:
C. T. Russell schrieb 1882: „Die Bibel ist unser einziger Massstab, und ihre Lehren sind unser einziges Glau- bensbekenntnis, und da wir verstehen, dass sich die biblischen Wahrheiten fortschreitend entfalten, sind wir bereit und darauf eingestellt, unser Glaubensbekenntnisse (Glaube - Lehre) zu ergänzen beziehungsweise zu ändern, wenn wir von unserem Massstab mehr Licht erhalten“ (Der Wacht-Turm, April 1882, [...] S. 7).103
c) JZVKG (1993), S. 241:
Bruder Russell legte allen ans Herz, sich an den Gesprächen über das Studienmaterial rege und freimütig zu beteiligen. Gleichzeitig schrieb er mahnend: „Lasst uns nie vergessen, dass die Bibel unser Massstab ist und dass, wie Gott-gegeben unsere Hilfsmittel auch sein mögen, sie doch nur ‚Hilfsmittel‘ und kein Ersatz für die Bibel sind.“104
d) JZVKG (1993), S. 713:
Als weltumspannende Versammlung haben sie „die volle Gewissheit ihres Verständnisses“ (Kolosser 2:2). Das heisst nicht, dass sie der Meinung sind, sie würden jede Einzelheit der Vorsätze Jehovas verstehen. Sie durch- forschen die Bibel weiterhin aufmerksam und lernen immer hinzu. Das, was sie lernen, ändert an ihrer Grundeinstellung zu den fundamentalen Wahrheiten des Wortes Gottes jedoch nichts. Sie haben, was diese Grundwahrheiten betrifft, „volle Gewissheit“; sie haben sie erkannt und haben nun schon jahrzehntelang daran festgehalten. Doch durch das, was sie lernen, verstehen sie immer besser, wie gewisse Schrifttexte in das Gesamtbild der biblischen Wahrheit hineinpassen und wie sie den Rat aus Gottes Wort in ihrem Leben noch vollständiger anwenden können. Jehovas Zeugen haben auch volle „Gewissheit“, was Gottes Verheis- sungen betrifft. Sie vertrauen darauf, dass sie sich alle bis in die kleinste Einzelheit erfüllen werden, und zwar zu der von Gott bestimmten Zeit. Sie haben gesehen und erlebt, wie sich biblische Prophezeiungen erfüllt haben, und das gibt ihnen die volle Gewissheit, dass für die gegenwärtige Welt die „Zeit des Endes“ angebro- chen ist und dass sich Gottes Verheissung einer gerechten neuen Welt bald erfüllen wird (Daniel 12:4, 9; Of- fenbarung 21:1-5).105
Zwei Belege betonen u.a. die Wichtigkeit des Studiums der Heiligen Schriften:
e) JZVKG (1993), S. 603:
Jehovas Zeugen selbst studieren Gottes Wort fleissig. Um den genauen Sinn des Urtextes der inspirierten Schriften herauszufinden, haben sie im Laufe der Jahre Dutzende von verschiedenen Bibelübersetzungen verwendet. Sie werden ermuntert, für das tägliche Bibellesen ein eigenes Programm zu haben. Abgesehen davon, dass sie Gottes Wort thematisch studieren, lesen und besprechen sie die Bibel in den Zusammenkünf- ten ihrer Versammlungen fortlaufend. Dabei geht es ihnen nicht darum, Texte herauszufinden, die ihre An- sichten stützen. Für sie ist die Bibel Gottes inspiriertes Wort. Sie wissen genau, dass es nützlich ist zum Zu- rechtweisen und zur Erziehung, und sie bemühen sich ernstlich, ihr Denken und Handeln danach auszurich- ten (2. Timotheus 3:16, 17; vergleiche 1. Thessalonicher 2:13). Da Jehovas Zeugen davon überzeugt sind, dass die Bibel Gottes heiliges Wort ist, und da sie die darin enthaltene herrliche gute Botschaft kennen, sind sie eifrig bemüht, Bibeln herauszugeben und zu verbreiten.106
f) JZVKG (1993), S. 295:
„Zuerst das Königreich und Gottes Gerechtigkeit zu suchen“ bedeutet, wie Jehovas Zeugen erkannt haben, Prioritäten zu setzen. Dazu zählt unter anderem, dem persönlichen Studium des Wortes Gottes und dem re- gelmässigen Besuch der Zusammenkünfte den rechten Platz im Leben einzuräumen und nicht zuzulassen, dass andere Aktivitäten den Vorzug erhalten. Es bedeutet, Entscheidungen zu treffen, die den aufrichtigen Wunsch erkennen lassen, die in der Bibel enthaltenen Forderungen des Königreiches Gottes zu erfüllen. Das schliesst ein, Entscheidungen, die das Familienleben, die Freizeitgestaltung, die Ausbildung, den Beruf, Ge- schäftspraktiken und das Verhältnis zum Nächsten betreffen, auf biblische Grundsätze zu stützen. Zuerst das Königreich zu suchen heisst nicht nur, jeden Monat einen gewissen Anteil daran zu haben, anderen etwas über Gottes Vorsatz zu erzählen. Es bedeutet, den Königreichsinteressen im ganzen Leben den ersten Platz einzuräumen und andere biblische Verpflichtungen angemessen zu erfüllen.107
Die restlichen zwei Belege machen schliesslich u.a. darauf aufmerksam, dass man den Heiligen Schriften dieselbe grosse Aufmerksamkeit schenken solle wie einst die ersten Christen:
g) JZVKG (1993), S. 143:
Wenn im ersten Jahrhundert Fragen über eine Lehre oder Verfahrensweise auftauchten, wandte man sich damit an eine zentrale leitende Körperschaft, die aus in geistiger Hinsicht älteren Männern bestand. Ent- scheidungen wurden gefällt, nachdem man die Aussagen der inspirierten Schriften untersucht hatte sowie die Ergebnisse der Tätigkeiten, die im Einklang mit diesen Schriften waren und aufgrund der Wirksamkeit des Heiligen Geistes gediehen. Die Versammlungen wurden von den Entscheidungen schriftlich unterrichtet (Apostelgeschichte 15:1 bis 16:5). Das wird unter Jehovas Zeugen heute genauso gehandhabt.108
h) JZVKG (1993), S. 677:
„Jehovas Zeugen nehmen ihren Glauben weit ernster als die grosse Mehrheit der Menschen. Ihre Grundsätze erinnern uns an die ersten Christen, die bei den Römern unbeliebt waren und von diesen grausam verfolgt wurden“ („Akron Beacon Journal“, Akron (Ohio), 4. September 1951).109
Aus den obengenannten Zitaten geht somit hervor, dass Zeugen Jehovas die Bibel als Gottes Wort betrachten, da es von ihm inspiriert und somit heilig sei. Die Bibel bilde die Grundlage ihrer Glaubensansichten und ihrer Lebensweise und sie sei der einzige Massstab und das einzi- ge Glaubensbekenntnis. Immer wieder wird in Bezug auf den Inhalt und das Studium der Bibel betont, dass Zeugen Jehovas sich gewissenhaft und ernsthaft darum bemühen würden, sich enger daran zu halten, genauso wie die ersten Christen aus dem 1. Jahrhundert, die sie als Vorbild betrachten, um im Einklang mit der Bibel zu leben und alle biblischen Forderungen zu erfüllen. Damit sie das erreichen könnten, würden sie die Bibel täglich gemäss einem festgeleg- ten persönlichen Programm lesen und sie in den wöchentlichen Zusammenkünften der jewei- ligen Versammlungen der Zeugen Jehovas studieren, lesen und besprechen und dabei immer den genauen Sinn des Urtextes beachten. Auf diese Weise würden sie ihren Glauben weit ernster nehmen als die grosse Mehrheit der Menschen. Gleichzeitig würden sie sich an den fundamentalen Wahrheiten bzw. Grundwahrheiten der Bibel mit Gewissheit festhalten und darauf vertrauen, dass sich alle biblischen Prophezeiungen bis in die kleinste Einzelheit erfüllen.
Die Basis vieler Religionen ist eine Heilige Schrift. Bei den Christen ist es die Bibel, das Alte und das Neue Testament. Auf diese Tradition stützen auch die Zeugen Jehovas ihren Wahrheitsan-
spruch, da sie davon ausgehen, dass die Bibel als Gottes Wort die Wahrheit enthalte und man somit nicht falsch liegen könne, wenn man sich eng an dieses Buch halte. Dies versuchen sie anhand von Hilfsmitteln, die vom Führungsgremium, der Leitenden Körperschaft herausgegeben werden, welche den Sinn des biblischen Textes interpretieren und erklären sollen. Sich an die Bibel halten, heisst also bei den Zeugen Jehovas, sich an die Vorgaben der WachtturmGesellschaft zu halten. Würde man dies nicht tun, würde man in Ungnade fallen und zum Abtrünnigen oder Ungläubigen werden.110
Was dies im Alltag bedeuten kann, wird von Bergman (1994) am Beispiel des Wochenpro- gramms eines Durschnittszeugen veranschaulicht: Er oder sie müsse neben alltäglichen Ver- pflichtungen mehrmals die Woche die Zusammenkünfte besuchen, sich darauf vorbereiten, in den Predigtdienst gehen, Interessierte rückbesuchen, um mit ihnen die Publikationen des Führungsgremiums zu studieren, und schliesslich die Bibel anhand der Wachtturm-Hilfsmittel persönlich erforschen und auswendig lernen. Tue er dies nicht, müsse er jederzeit mit dem Besuch eines Ältesten rechnen.111
3.4.2 Unterkategorie: „Selbstbeweihräucherung“
Definition: „ Die Gemeinschaft lobt sich entweder selbst wegen ihrer besonderen Errungenschaften oder Qualitäten oder nennt Aussenstehende, die sie wegen ihrer guten Eigenschaften schätzen, um die eigene Ü berlegenheit und Exklusivität zu betonen, ohne aber einen Vergleich mit anderen direkt anzusprechen. “
Zu dieser Kategorie habe ich ziemlich viele treffende Belege gefunden, die ebenfalls vor allem am Anfang und am Schluss des Buches „JZVKG“ (1993) auftauchen.
Bei vier Belegen werden Aussenstehende zitiert, die sich positiv über die Gemeinschaft oder ihre Mitglieder äussern:
a) JZVKG (1993), S. 179:
Was andere bei Jehovas Zeugen beobachten: Die Zeitung „Münchner Merkur“ berichtete über Jehovas Zeu- gen: „Sie gelten als die ehrlichsten und pünktlichsten Steuerzahler der Bundesrepublik, ihre Gesetzestreue fällt im Strassenverkehr und in der Verbrechensstatistik auf [...]; sie zollen der Obrigkeit (Eltern, Lehrern, dem Staat) Gehorsam. [...] Die Bibel, Grundlage all ihrer Handlungen, ist ihre Stütze.“ Der Bürgermeister von Lens (Frankreich) sagte zu den Zeugen, nachdem sie im dortigen Stadion einen Kongress abgehalten hatten: „Was mir an Ihnen gefällt, ist, dass Sie Ihre Versprechen und Abmachungen halten, und darüber hinaus sind Sie sauber, diszipliniert und ordentlich. Diese Gesellschaft ist mir sympathisch. Ich bin gegen Unordnung und habe etwas gegen Leute, die alles schmutzig und kaputt hinterlassen.“ Das Buch „Voices From the Holocaust“ enthält die Erinnerungen einer Polin, die die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück überlebt hat. Sie schrieb: „Ich habe Leute gesehen, die sehr, sehr gute Menschen wurden, und Leute, die absolut nieder- trächtig wurden. Die freundlichste Gruppe waren Jehovas Zeugen. Ich ziehe den Hut vor diesen Menschen. [...] Sie haben für andere Erstaunliches getan. Sie halfen den Kranken, teilten ihr Brot und gaben jedem, der in ihrer Nähe war, durch ihren Glauben Trost. Die Deutschen hassten sie und hatten gleichzeitig Achtung vor ihnen. Sie gaben ihnen die schlimmste Arbeit, aber die Zeugen Jehovas nahmen das mit erhobenem Kopf hin.“112
b) JZVKG (1993), S. 195:
Keine Bedrohung für irgendeine Regierung: [...] Die italienische Zeitung „Il Corriere di Trieste“ erklärte: „Jeho- vas Zeugen sind wegen ihrer Standhaftigkeit und ihres Zusammenhalts zu bewundern. Im Gegensatz zu an- deren Religionen bewahrt sie ihre Einheit als Volk davor, im Namen Christi denselben Gott zu bitten, die bei- den gegnerischen Seiten eines Konfliktes zu segnen, oder Politik mit Religion zu vermischen, um den Interes-
sen von Staatsoberhäuptern oder politischen Parteien zu dienen. Und nicht zuletzt sind sie bereit, eher den Tod auf sich zu nehmen, als gegen [...] das Gebot zu verstossen: Du sollst nicht töten!“113
c) JZVKG (1993), S. 281f.:
Die Brüderlichkeit unter Jehovas Zeugen, die auf ihren Kongressen offenbar wird, fällt Beobachtern ins Auge. Man kann erkennen, dass es unter ihnen keine Parteilichkeit gibt und dass sogar unter denen, die sich zum ersten Mal begegnen, echte Herzlichkeit herrscht. Als 1958 in New York der internationale Kongress „Göttli- cher Wille“ stattfand, berichtete die New Yorker Zeitschrift „Amsterdam News“ vom 2. August: „Neger, Weis- se und Orientalen aller Stände und Länder freuten sich gemeinsam und verkehrten ungezwungen miteinan- der. [...] Die Zeugen aus 120 Ländern haben friedlich und in Einheit Gott angebetet und den Amerikanern ge- zeigt, wie leicht es ist. [...] Der Kongress ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass die Menschen einträchtig le- ben und arbeiten können.“ Als Jehovas Zeugen 1985 in Durban und in Johannesburg (Südafrika) gleichzeitig einen Kongress hatten, waren unter den Delegierten alle Hauptrassen und -sprachen Südafrikas vertreten, und es kamen Besucher aus 23 anderen Ländern. Die herzliche Verbundenheit unter den 77‘830 Anwesenden war auffallend. „Das ist wunderbar“, sagte eine junge Inderin. „Mischlinge, Inder, Weisse und Schwarze zu- sammen zu sehen hat meine Lebensauffassung von Grund auf geändert.“114
d) JZVKG (1993), S. 309:
Als die Nachbarn einer Zeugin im vom Krieg zerrissenen Libanon sahen, wie Zeugen freiwillig das stark be- schädigte Haus der Schwester wieder völlig herrichteten, fühlten sie sich gedrängt zu fragen: „Wie ist so eine Liebe möglich? Was seid ihr für Leute?“ Und eine muslimische Frau, die beobachtete, dass das Haus einer Zeugin gereinigt und repariert wurde, sagte: „Unter euch herrscht wirklich Liebe. Ihr habt die wahre Reli- gion.“115
Drei Belege verweisen u.a. auf die besondere Liebe, die in der Gemeinschaft unter den Mitgliedern herrsche:
e) JZVKG (1993), S. 275:
Der gesamte Ablauf dieser Kongresse zeugte von mehr als nur guter Organisation. Es war deutlich zu erken- nen, wie Gottes Geist unter seinem Volk wirkt. Überall war brüderliche Liebe zu beobachten, deren Grundla- ge die Liebe zu Gott ist. Es gab keine hochbezahlten Organisatoren. In allen Abteilungen waren unbezahlte Freiwillige tätig. Christliche Brüder und Schwestern - oft ganze Familien - gaben an Ständen Imbisse und Ge- tränke aus.116
f) JZVKG (1993), S. 709:
Warum sind sich Jehovas Zeugen so sicher, dass sie die wahre Religion haben? Weil sie das, was die Bibel über die Erkennungsmerkmale wahrer Anbeter sagt, glauben und annehmen. Ihre neuzeitliche Geschichte, die in vorhergehenden Kapiteln der vorliegenden Veröffentlichung behandelt wurde, zeigt, dass sie nicht le- diglich als Einzelne, sondern als Organisation die Erfordernisse erfüllen: Sie treten für die Bibel als Gottes hei- liges Wort der Wahrheit ein (Johannes 17:17), sie halten sich völlig von weltlichen Angelegenheiten getrennt (Jakobus 1:27; 4:4), sie legen für den göttlichen Namen Jehova Zeugnis ab und verkündigen Gottes Königreich als die einzige Hoffnung der Menschheit (Matthäus 6:9; 24:14; Johannes 17:26), und sie haben echte Liebe zu- einander (Johannes 13:34, 35).117
g) JZVKG (1993), S. 711:
Sie sind weder für eine besondere Kleidung noch für ungewöhnliche Bräuche bekannt, sondern für ein star- kes und herzliches Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie haben sich den Ruf erworben, dass ihre Liebe Rassen- unterschiede und Landesgrenzen überwindet. Man weiss von ihnen, dass sie sich weigern, gegeneinander zu kämpfen, selbst wenn sich die Staaten, in denen sie leben, an Kriegen beteiligen. Aussenstehende sind beein- druckt, wie sehr sie sich in Notzeiten füreinander einsetzen, zum Beispiel bei Naturkatastrophen oder wenn einige ihrer Glaubensbrüder verfolgt werden, weil sie Gott gegenüber die Lauterkeit bewahren möchten. Sie sind bereit, Härten zu ertragen und Gefahren auf sich zu nehmen, um ihren Brüdern und Schwestern beizu- stehen, für die Christus sein Leben niedergelegt hat. Ja, sie sind bereit, füreinander zu sterben. Die Liebe, die sie an den Tag legen, ist unvergleichlich in einer Welt zunehmender Selbstsucht. Es handelt sich um Jehovas Zeugen.118
Die drei übrigen Belege nennen weitere gute Eigenschaften der Gemeinschaft und deren Mit- glieder:
h) JZVKG (1993), S. 187:
Jehovas Zeugen behaupten nicht von sich, dass ihr Lebenswandel makellos ist. Aber sie strengen sich sehr an, Christus nachzuahmen, während sie sich nach den hohen Verhaltensnormen der Bibel richten. Sie leugnen nicht, dass es auch andere Einzelpersonen gibt, die nach hohen moralischen Grundsätzen leben. Doch Jehovas Zeugen sind nicht nur als Einzelne, sondern als internationale Organisation leicht an ihrem Lebenswandel zu erkennen, der sich nach biblischen Massstäben ausrichtet.119
i) JZVKG (1993), S. 295:
Für ergebene Zeugen Jehovas gibt es viele Möglichkeiten, die Königreichsinteressen zu fördern. Einige dienen als Mitglieder der weltweiten Bethelfamilie. Dabei handelt es sich um Vollzeitdiener, die sich freiwillig bereit erklärt haben, jede Aufgabe zu erfüllen, die ihnen in Verbindung mit dem Verfassen und dem Veröffentlichen biblischer Literatur, dem Erledigen notwendiger Büroarbeiten und der Unterstützung dieser Tätigkeiten zu- geteilt wird. Dadurch erlangen sie weder Berühmtheit noch materiellen Besitz. Sie möchten Jehova ehren und sind mit Nahrung und Unterkunft sowie ihrem bescheidenen Taschengeld zufrieden. Aufgrund der Le- bensweise der Bethelfamilie betrachten zum Beispiel die staatlichen Behörden in den Vereinigten Staaten sie als Mitglieder eines religiösen Ordens, die ein Armutsgelübde abgelegt haben. Diejenigen, die im Bethel die- nen, freuen sich, ihr Leben völlig in den Dienst Jehovas stellen zu können und eine Aufgabe zu erfüllen, die einer Vielzahl ihrer christlichen Brüder und neu interessierter Personen zugutekommt - mitunter auch in an- deren Ländern.120
j) JZVKG (1993), S. 315:
Während des NS-Regimes ging die deutsche Regierung aufs Schärfste gegen Jehovas Zeugen vor. Damals gab es in Deutschland nur etwa 20‘000 Zeugen, eine relativ kleine Gruppe, die von Hitler verachtet wurde. Es musste geschlossen gehandelt werden. Am 7. Oktober 1934 versammelten sich in ganz Deutschland heimlich die einzelnen Versammlungen der Zeugen Jehovas, um gemeinsam zu beten und einen Brief an die Regie- rung zu senden, der ihre Entschlossenheit ausdrückte, Jehova weiterhin zu dienen. Danach gingen viele An- wesende furchtlos zu ihren Nachbarn, um ihnen über Jehovas Namen und sein Königreich Zeugnis zu geben. Am selben Tag versammelten sich zudem alle übrigen Versammlungen der Zeugen Jehovas weltweit und dass man sich nicht mit der Aussenwelt beflecken bzw. anfreunden solle, um die eigene Neutralität in politischen und weiteren Fragen zu rechtfertigen. Oder Matthäus 6, 9 und 24, 14 und Johannes 17, 26, wo steht, dass man Gottes Namen (Jehova) heiligen, auf der ganzen Welt missionieren und Gottes Name (Jehova) bekannt machen solle, um die eigene Exklusivität zu unterstreichen. Schliesslich auch Johannes 13, 34f., eine Stelle, in der Liebe gefordert wird, um zu zeigen, dass es nur unter den Zeugen Jehovas wahre Liebe gäbe.
sandten nach einem gemeinsamen Gebet Telegramme an die Hitler-Regierung, um für ihre christlichen Brüder Fürsprache einzulegen.121
Zeugen Jehovas loben sich entweder selbst oder lassen Beobachter für sie sprechen. Sie werden als die ehrlichsten und pünktlichsten Steuerzahler bezeichnet. Ihre Gesetzestreue im Strassen- verkehr und in der Verbrechensstatistik wird gelobt. Sie sind angeblich gehorsam gegenüber Eltern, Lehrer und dem Staat, halten sich an Versprechen und Abmachungen und sind sauber, diszipliniert, ordentlich, sympathisch, herzlich und freundlich. Sogar von ehemaligen KZ- Inhaftierten werden sie als vorbildliche und gute Menschen beschrieben. Ausserdem werden sie für ihre Standhaftigkeit in Glaubensfragen, ihren Zusammenhalt und ihre Einheit in Kriegen geschätzt, die bis zur Bereitschaft, ihr eigenes Leben zu opfern, gehen würde. Aber auch das Eigenlob kommt nicht zu kurz: Sie bezeichnen sich selber als eine Organisation mit hohen Verhaltensnormen, die sich an biblische Massstäbe halte, gut organisiert sei und brüderliche Liebe zeige, wo es keinen Platz für Parteilichkeit gäbe. Sie halten sich für die wahren Christen, die als Einzige die wahre Religion hätten, in der die Erfordernisse der Bibel eingehalten würden und echte Liebe untereinander herrschen würde. Sie reden oft von einem starken und herzli- chen Zusammengehörigkeitsgefühl, das Rassenunterschiede und Ländergrenzen überwinde, um in Kriegs- und Notzeiten zu helfen und sogar füreinander zu sterben.
Da es offenbar nicht ausreicht zu sagen, man besitze die „Wahrheit“, muss man auch „Bewei- se“ für die eigene Sonderrolle erbringen und braucht ein gutes Fundament, um die eigenen Wahrheitsansprüche zu untermauern. Dies kann man entweder tun, indem man aussenste- hende „Zeugen“ aufführt, die bereit sind, einen zu loben, oder selbst auf die eigenen positiven Seiten aufmerksam macht, oder aber das vorbildliche Handeln einzelner Personen auf die Gemeinschaft insgesamt projiziert. Diese positiven Aussagen werden dabei manchmal mit Bibel-Zitaten verknüpft, um die besondere Position der eigenen Gemeinschaft zu illustrieren. Interessanterweise werden negative Stimmen nicht erwähnt und es wird auf Kritik von Aus- senstehenden bzw. Ehemaligen nicht eingegangen. Wenn man jedoch die Aussteiger-Literatur berücksichtigt, dann erscheint ein ganz anderes Bild der Gemeinschaft.122
Hassan (1993) macht diesbezüglich darauf aufmerksam, dass man als neues Mitglied einer „Sekte“ anfangs sehr euphorisch sei, weil man alles wie durch eine rosarote Brille sehe. Erst mit der Zeit bemerke man die Schwächen der Gemeinschaft, die oft eine schockierende Wirkung haben könnten.123
3.4.3 Unterkategorie: Vergleich mit Aussenstehenden
Definition: „ Die Gemeinschaft nennt Gründe, weshalb es ihr im Vergleich zu Aussenstehenden bzw. Andersgläubigen besser gehe bzw. weshalb sie besser als andere Gemeinschaften sei. Hier geht es also vor allem um einen Vergleich im Gegensatz zur Unterkategorie „ Selbstbeweihräuche- rung “ . “
Zu dieser Kategorie habe ich neun passende Belege gefunden, die wie bei den beiden bereits genannten Kategorien vor allem am Anfang und am Ende des Buches „JZVKG“ (1993) zu lesen sind.
In vier Belegen vergleichen sich die Zeugen Jehovas u.a. mit anderen Christen:
a) JZVKG (1993), S. 120f.:
Doch welche Gruppe würde sich mit der Hilfe des Geistes Gottes allmählich wieder das ganze „Muster ge- sunder Worte“ aneignen, an dem die Christen des ersten Jahrhunderts festgehalten hatten? (2. Timotheus 1:13). Wessen Pfad wäre „wie das glänzende Licht, das heller und heller wird, bis es voller Tag wird?“ (Sprüche 4:18). Wer würde wirklich das Werk tun, das Jesus mit den Worten gebot: „Ihr werden Zeugen von mir sein [...] bis zum entferntesten Teil der Erde.“? Wer würde nicht nur Jünger machen, sondern sie auch „lehren, alles zu halten“, was Jesus geboten hatte? (Apostelgeschichte 1:8; Matthäus 28:19, 20). War tatsächlich die Zeit ge- kommen, wo der Herr deutlich die wahren Christen, die er mit Weizen verglich, von den Scheinchristen unter- schied, die er als Unkraut bezeichnete [...]? (Matthäus 13:24-30, 36-43). Wer würde sich als der „treue und ver- ständige Sklave“ erweisen, den der Herr, Jesus Christus, bei seiner Gegenwart in Königreichsmacht mit mehr Verantwortung für das Werk betrauen würde, das für den Abschluss des Systems der Dinge vorhergesagt wurde? (Matthäus 24:3, 45-47).124
b) JZVKG (1993), S. 172:
Wir leben in einer Zeit, in der sittliche Normen, die man lange achtete, in weiten Kreisen der Bevölkerung als überholt angesehen werden. Die meisten Kirchen der Christenheit haben sich diesem Trend angeschlossen - entweder im Namen der Toleranz oder mit dem Argument, die Zeiten hätten sich geändert und die Tabus früherer Generationen seien nicht mehr gültig. [...] Das wirkt sich auf Menschen, die in diesen Kirchen nach Anleitung suchen, verheerend aus. Das Wochenblatt der katholischen Erzdiözese von Montreal (Kanada), L’Eglise de Montréal, schrieb dagegen in einem Bericht über Jehovas Zeugen: „Sie haben bemerkenswerte Moralbegriffe.“ Dem pflichten viele Lehrer, Arbeitgeber und Regierungsvertreter bei. Ein Zeuge Jehovas zu sein schliesst weit mehr ein, als nur an einem Gerüst von Glaubenslehren festzuhalten und über diese Lehren Zeugnis abzulegen. Das Urchristentum war als der „WEG“ bekannt, und Jehovas Zeugen sind sich darüber im Klaren, dass die wahre Religion auch heute ein Lebensweg sein muss (Apostelgeschichte 9:2).125
c) JZVKG (1993), S. 705f.:
Nach dem ersten Jahrhundert breitete sich der vorhergesagte Abfall ungehindert aus (Apostelgeschichte 20:29, 30; 2. Thessalonicher 2:7-12). Viele Jahrhunderte lang leuchtete die Lampe des wahren Christentums nur spärlich. (Vergleiche Matthäus 5:14-16.) In einem Gleichnis wies Jesus jedoch darauf, dass sich beim „Ab- schluss des Systems der Dinge“ der „Weizen“ (wahre Christen) deutlich vom „Unkraut“ (Scheinchristen) unterscheiden würde. Der Weizen, das heisst die „Auserwählten“, würden wie im ersten Jahrhundert in eine wahre Christenversammlung eingesammelt werden (Matthäus 13:24-30, 36-43; 24:31). Jesus bezeichnete die gesalbten Glieder dieser Versammlung auch als den „treuen und verständigen Sklaven“ und wies darauf hin, dass sie in der Zeit des Endes geistige Speise austeilen würden (Matthäus 24:3, 45-47). Dem treuen Sklaven würde sich „eine grosse Volksmenge“ wahrer Anbeter aus allen Nationen anschliessen (Offenbarung 7:9, 10; vergleiche Micha 4:1-4).126
d) JZVKG (1993), S. 706f.:
Welche Gruppe erwies sich als die eine wahre christliche Organisation, als die Welt 1914 in die letzten Tage eintrat? [...] Als 1914 die Zeit des Endes begann, wurde offensichtlich keine der Kirchen der Christenheit den biblischen Massstäben für die eine wahre Christenversammlung gerecht. Wie stand es jedoch mit den da- mals als Bibelforscher bekannten Zeugen Jehovas? Als junger Mann kam C. T. Russell zu der Überzeugung, dass die Lehren der Bibel in der Christenheit in grossem Masse entstellt wurden. Er glaubte fest, dass die Zeit gekommen war, wo Gottes Wort verstanden werden sollte, und dass Menschen, die die Bibel aufrichtig studierten und sie in ihrem Leben anwandten, Verständnis erhalten würden.127
Zwei Belege stellen ebenfalls Vergleiche zu anderen Christen her, zeichnen sich aber dadurch aus, dass auf Aspekte aufmerksam gemacht wird, die bei anderen Kirchen oft ein Problem darstellen:
e) JZVKG (1993), S. 253:
Die Zahl der Anwesenden bei den Versammlungszusammenkünften der Zeugen Jehovas beweist, dass sie ihre Zusammenkünfte ernst nehmen. 1989 waren in Italien, wo es etwa 172‘000 tätige Zeugen gibt, wöchent- lich durchschnittlich 220‘458 Personen bei den Zusammenkünften im Königreichsaal anwesend. Im Gegen- satz dazu meldete eine katholische Presseagentur, dass 80 Prozent der Italiener zwar behaupten, katholisch zu sein, dass aber bloss etwa 30 Prozent den Gottesdienst einigermassen regelmässig besuchen.128
f) JZVKG (1993), S. 548:
Jehovas Zeugen bilden die einzige religiöse Organisation der Welt, in der jeder Einzelne Aussenstehenden Zeugnis gibt, sich bemüht, ihre Fragen mit der Bibel zu beantworten, und sie anspornt, an Gottes Wort zu glauben. Andere Religionsorganisationen erkennen an, dass das alle Christen tun sollten. Einige haben versucht, ihre Kirchenmitglieder dazu zu ermuntern. Aber nur Jehovas Zeugen tun es ausnahmslos. Wer leitet sie an, wer gibt ihnen Rat, wer sichert ihnen liebevolle Unterstützung zu, und wer gibt ihnen Verheissungen, die sie motivieren, das Werk zu tun, dem die anderen aus dem Weg gehen? Man frage sie selbst. In welchem Land sie auch leben, sie werden antworten: „Jehova.“129
In drei Belegen stellt man u.a. einen Vergleich mit Aussenstehenden im Allgemeinen auf:
g) JZVKG (1993), S. 120:
Jehovas Zeugen haben nicht vorgehabt, neue Lehren, eine neue Form der Anbetung oder eine neue Religion einzuführen. Stattdessen zeugt ihre neuzeitliche Geschichte von gewissenhaften Bemühungen, das zu leh- ren, was in der Bibel, dem inspirierten Wort Gottes, steht. Sie verweisen darauf als Grundlage aller ihrer Glaubensansichten und ihrer Lebensweise. Statt Anschauungen zu entwickeln, die den liberalen Trend der heutigen Welt widerspiegeln, versuchen sie, sich immer enger an die Lehren der Bibel und die Handlungs- weise des Urchristentums zu halten. Anfang der 1870er Jahre begannen Charles Taze Russell und seine Ge- fährten ein ernsthaftes Studium der Bibel. Es fiel ihnen auf, dass die Christenheit von den Lehren und Bräu- chen des Urchristentums weit abgekommen war.130
h) JZVKG (1993), S. 139:
In der Broschüre hiess es unter anderem: „Die gegenwärtigen ungerechten Regierungen der Welt können dem Volke keinerlei Hoffnung bieten. Gottes Urteil über sie erklärt, dass sie untergehen müssen. Somit ist die einzige Hoffnung der Welt das gerechte Königreich oder die Regierung Gottes mit Christus Jesus als ihrem unsichtbaren Herrscher.“ Man erkannte, dass dieses Königreich der Menschheit wahren Frieden und echte Si- cherheit bringen wird. Unter seiner Herrschaft wird die Erde ein richtiges Paradies werden, und Krankheit und Tod wird es nicht mehr geben (Offenbarung 21:4, 5). Die gute Botschaft von Gottes Königreich bildet auch weiterhin den Kern der Glaubensansichten der Zeugen Jehovas. Seit der Ausgabe vom 1. März 1939 [...] trägt ihre wichtigste Zeitschrift, die heute in über 110 Sprachen erscheint, den Titel „Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich“.131
i) JZVKG (1993), S. 188:
Die Religion ist heute überwiegend ein Teil der Welt, und das sehr ausgeprägt; sie beteiligt sich an ihren Feiern und spiegelt ihren Nationalismus wider. Geistliche geben das oft zu, und vielen ist es auch ganz recht so. In krassem Gegensatz dazu sagte Jesus von seinen wahren Nachfolgern: „Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin“ (Johannes 17:16).132
Im Gegensatz zur 2. Unterkategorie geht es hier nicht generell um die guten Eigenschaften der Zeugen Jehovas, sondern um den Vergleich mit anderen Glaubensgemeinschaften, insbeson- dere den christlichen. Gerne heben Zeugen Jehovas hervor, welche Gründe es gäbe, weshalb man besser sei bzw. weshalb man es besser habe als andere. Die Vorteile der Zeugen Jehovas im Vergleich zu anderen seien, dass sie sich an die Lehren und Bräuche des Urchristentums hielten, hohe sittliche Normen und Moralvorstellungen hätten und somit wahre Christen seien. Ausserdem würden sie auf Gottes Regierung hoffen, die ihnen Frieden, Sicherheit und Unsterb- lichkeit auf einer paradiesischen Erde geben könne. Die Zeugen Jehovas sehen sich ausserdem nicht als einen Teil der Welt an und seien somit neutral im Krieg und in der Politik. Sie würden regelmässig die Gottesdienste bzw. „Zusammenkünfte“ besuchen und als Einzelne missionie- ren gehen. Schliesslich hätten sie sich von falschen Lehren und Praktiken abgewandt und das ursprüngliche Christentum wiederhergestellt und sich somit als von Gott Auserwählte erwie- sen.
Anders als die Zeugen Jehovas würden Aussenstehende und Ehemalige den liberalen und unsittlichen Trends der Welt nacheifern und dürften keine Hoffnung für eine bessere Zukunft aufgrund ungerechter Regierungen haben. Ausserdem müssten sie sich, falls sie Mitglieder in einer christlichen Kirche wären, aus sechs Gründen schämen: Erstens, weil sich ihre Gemein- schaften an unchristlichen Feiern beteiligten, zweitens, weil sie sich im Nationalismus, in der Politik und in Kriegen einmischten, und drittens, weil sie unregelmässige Besucherzahlen bei den Gottesdiensten aufweisen würden; viertens, weil sie beinahe keine Mitglieder hätten, die missionieren gingen, fünftens, weil sie Opfer des vorausgesagten Abfalls geworden und sechs- tens, weil sie unmoralisch und Scheinchristen seien. Sechs Dinge, die in den Augen der Zeugen Jehovas ein Zeichen des mangelnden Glaubens und der Gottesferne darstellen.
Um den eigenen Wahrheitsanspruch zu unterstreichen, ist es also nützlich, wenn man sich mit anderen vergleicht, um noch besser dazustehen. Oft werden Pauschalurteile abgegeben und Halbwahrheiten oder Übertreibungen verwendet, die andere diskreditieren und in ein negati- ves Licht rücken sollen. Da man nicht an Ökumene interessiert ist, muss man unweigerlich auf die Schwächen der anderen und die eigenen Stärken hinweisen, damit man die eigenen Mit- glieder noch stärker an sich binden und für Neue Werbung machen kann.133 Gleicher Meinung ist auch Kiraga (2009), der diese Sichtweise der Zeugen Jehovas bestätigt, indem er aufzeigt, wie Zeugen in ihren Schriften zwischen sich selbst und Aussenstehenden dichotomisch differenzieren: Zeugen Jehovas würden immer positiv bewertet, alle Nicht-Zeugen würden fast immer negativ gesehen.134
In den Zitaten werden auch Trends beschrieben, die man mit der Modernisierung der Gesell- schaften in Verbindung bringen kann. Diese Veränderungen stellen eine Herausforderung für Religionsgemeinschaften dar. Hier jedoch grenzen sich die Zeugen Jehovas deutlich von jeder anderen Kirche ab, indem sie diesen vorwerfen, weltlich geworden zu sein. Eine in gewisser Hinsicht durchaus berechtigte Kritik an einer Verbindung von Kirche und Staat wird zum Aus- gangspunkt von einem klaren Schwarz-Weiss-Denken, gestützt auf biblische Bilder (Wei- zen/Unkraut). Es wird jedoch an keiner Stelle eingeräumt, dass die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Kontext durchaus auch für die eigene Gemeinschaft eine Herausforde- rung darstellen kann.
3.4.4 Unterkategorie: Absonderung
Definition: „ Von den Mitgliedern der Gemeinschaft wird verlangt, dass sie sich von Aussenstehenden oder von Ehemaligen in religiösen Dingen soweit wie möglich fernhalten, damit sie selbst ihre Sonderposition, die sie vor Gott innehaben, nicht gefährden und nicht Gefahr laufen, selbst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. “
Zu dieser Kategorie habe ich nur fünf brauchbare Belege gefunden, die ebenfalls nur im ersten und im letzten Teil des Buches „JZVKG“ (1993) stehen.
Vier Belege unterstreichen u.a. die Trennung zwischen der eigenen Gemeinschaft und der restlichen Welt:
a) JZVKG (1993), S. 188:
Die Religion ist heute überwiegend ein Teil der Welt, und das sehr ausgeprägt; sie beteiligt sich an ihren Feiern und spiegelt ihren Nationalismus wider. Geistliche geben das oft zu, und vielen ist es auch ganz recht so. In krassem Gegensatz dazu sagte Jesus von seinen wahren Nachfolgern: „Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin“ (Johannes 17:16).135
b) JZVKG (1993), S. 201:
Wesentlich für ihren Glauben ist das Bewusstsein, dass „die Welt vergeht“, dass Gott bald eingreift, um das gegenwärtige böse System zu beseitigen, und dass denen, die sich von der Welt getrennt halten und die fest an das Königreich Gottes glauben, eine herrliche Zukunft in Aussicht steht (1. Johannes 2:17).136
c) JZVKG (1993), S. 677:
Jesus Christus erklärte, dass es, bevor er als himmlischer König Satan und seine böse Organisation vernichten würde, eine Trennung der Menschen aller Nationen geben werde, so als trennte ein Hirte im Nahen Osten Schafe von Ziegen. Die Menschen würden die Gelegenheit erhalten, von Gottes Königreich zu hören und auf dessen Seite Stellung zu beziehen.137
d) JZVKG (1993), S. 709:
Warum sind sich Jehovas Zeugen so sicher, dass sie die wahre Religion haben? Weil sie das, was die Bibel über die Erkennungsmerkmale wahrer Anbeter sagt, glauben und annehmen. Ihre neuzeitliche Geschichte, die in vorhergehenden Kapiteln der vorliegenden Veröffentlichung behandelt wurde, zeigt, dass sie nicht lediglich als Einzelne, sondern als Organisation die Erfordernisse erfüllen: Sie treten für die Bibel als Gottes heiliges Wort der Wahrheit ein (Johannes 17:17), sie halten sich völlig von weltlichen Angelegenheiten getrennt (Jako- bus 1:27; 4:4), sie legen für den göttlichen Namen Jehova Zeugnis ab und verkündigen Gottes Königreich als die einzige Hoffnung der Menschheit (Matthäus 6:9; 24:14; Johannes 17:26), und sie haben echte Liebe zuei- nander (Johannes 13:34, 35).138
Ein Beleg betont vor allem die Trennung zwischen aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Gemeinschaft:
e) JZVKG (1993), S. 629:
Natürlich hatten diese Personen die Freiheit, sich auszusuchen, was sie glauben wollten. Aber wer öffentlich oder privat für Ansichten eintritt, die von dem abweichen, was in den Publikationen einer Organisation steht, die er zu vertreten behauptet, verursacht Spaltungen. Wie gingen Jehovas Zeugen in solchen Situationen vor? Sie leiteten keine Verfolgungskampagne gegen solche Leute ein (obwohl die Unruhestifter ihre ehemaligen Glaubensbrüder oftmals beschimpften), noch suchten sie ihnen körperlichen Schaden zuzufügen (wie das die katholische Kirche zur Zeit der Inquisition tat). Vielmehr folgten sie dem inspirierten Rat des Apostel Paulus, der schrieb: „Behaltet die im Auge [...], die Spaltungen hervorrufen und Ursachen zum Straucheln geben ent- gegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und meidet sie. Denn Menschen von dieser Art sind Sklaven, nicht unse- res Herrn Christus, [...] durch glatte Worte und schmeichelhafte Reden verführen sie das Herz der Arglosen“ (Römer 16:17, 18).139
In den Schriften der Zeugen Jehovas wird immer wieder ermahnt, man solle „kein Teil der Welt“ sein, weil auch Jesus dies von sich selbst behauptet habe. Darunter verstehen sie eine Art absolute Neutralität, die verbiete bei Kriegen, Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen. Das beinhalte aber auch patriotische Feiern, Nationalfeiertage und den Militärdienst. Die Welt wird als etwas Böses angesehen, da sie unter dem Einfluss Satans stehe und bald von Gott zerstört werden würde. Noch eine stärkere Trennung wird von ehemaligen Zeugen Jehovas verlangt, weil diese angeblich Spaltungen hervorrufen würden, Unruhestifter und Ursachen zum „Strau- cheln“ seien. Dabei stützen sich die Zeugen Jehovas auf die Worte des Apostel Paulus im Rö- merbrief, der gebot, solche Menschen zu „meiden“. In diesem Zusammenhang seien auch die Worte Jesu von Bedeutung, der von einer Trennung der Menschen in Schafen und Ziegen spre- che, um zu zeigen, dass seine Nachfolge Trennung von anderen Menschen bedeute und dass man sich für eine Seite entscheiden müsse. Deshalb halten Zeugen Jehovas diese Einstellung für ein wichtiges Merkmal des wahren Christentums und benutzen diese Eigenschaft als Be- weis für ihren Exklusivitätsanspruch.
Ein bekanntes Merkmal von religiösen Sondergemeinschaften oder „Sekten“ ist, dass sie sich vor allem ihrer eigenen Gruppe widmen und den Kontakt nach aussen aufs Nötigste minimie- ren. Die Zeugen Jehovas tun dies also offensichtlich sowohl gegenüber sogenannten Weltmen- schen, also Personen, die nicht der Gemeinschaft angehören, als auch gegenüber ehemaligen Mitbrüdern und Mitschwestern, die die Zeugen Jehovas verlassen haben oder ausgeschlossen wurden, weil sie sich nicht mehr an die Regeln der Gemeinschaft gehalten hatten. Bei Ehemali- selbst ein Mitglied der Zeugen Jehovas werde und sich den Regeln und Gesetzen des Führungsgremiums in Brooklyn, New York, unterwerfe. (Franz (2005), S. 165-187, 515-530).
gen sind sie dabei besonders streng. Dies gilt auch für Verwandte und enge Freunde. Dieses Getrenntsein stützt das Gefühl der Exklusivität der Zeugen: Man gehört einer auserwählten Gruppe an, welche die Wahrheit besitzt und man möchte diese Sonderstellung nicht verlieren, indem man sich mit „weltlichen“ Dingen, wie zum Beispiel Politik oder anderen Religionen, abgibt.140 Der Effekt dieser Isolation wird auch von einem Bericht der Geschäftsprüfungskom- mission (GPK) des Nationalrats (01.07.1999) beschrieben, wo es heisst, dass durch übermässige Bindung die Mitglieder einer „Sekte“ abhängig gemacht und diese dadurch den Kontakt zur Aussenwelt nach und nach abrechen und in eine Art Isolation geraten würden.141
Bereits beim Vergleich mit anderen Religionsgemeinschaften wurde die „Weltlichkeit“ als Makel der anderen Gemeinschaften beschrieben. Dabei wurde deutlich, dass diese „Weltver- meidung“ mit einer Vermeidung von Komplexität einhergeht. Gesellschaftliche Herausforde- rungen und die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen werden ausgeblendet. Doch auch innerhalb der eigenen Gemeinschaft wird durch das Ausgrenzen von Abtrünnigen die Komplexität reduziert, die ansonsten durch kritische Stimmen, Zweifel oder Widerspruch „aus- gehalten“ werden müsste.
3.4.5 Unterkategorie: Auserwählte
Definition: „ Ein Gremium, bestehend aus einem oder mehreren Männern, die eine Führungsposi- tion innerhalb der Gemeinschaftübernehmen, wird als von Gott „ auserwählt “ angesehen, die Heiligen Schriften der Gemeinschaft richtig zu deuten und dieses Wissen den Anhängern weiter- zugeben. “
Zu dieser Kategorie habe ich wie bei der 2. Kategorie recht viele überzeugende Belege gefunden, die jedoch über das ganze Buch „JZVKG“ (1993) verstreut sind.
Vier Belege beziehen sich auf die Anfänge der Gemeinschaft:
a) JZVKG (1993), S. 42:
„Die folgende Geschichte zeichne ich nicht bloss deshalb auf, weil ich gedrängt worden bin, einen Überblick über die Führungen Gottes auf dem Pfade des Lichts zu geben, sondern besonders, weil ich glaube, dass es notwendig ist, dass die Wahrheit mit Bescheidenheit gesagt werde, damit falsche Auffassungen und vor- urteilsvolle irrige Behauptungen entkräftet werden und damit unsre Leser sehen können, wie der Herr bis hierher geholfen und geführt hat“ (Wacht-Turm, April 1907, Seite 65). Im Anschluss an diese Worte beschrieb Charles Taze Russell die Entwicklungen, die dazu führten, dass er das Werk „Millennium-Tagesanbruch“ (spä- ter „Schriftstudien“ genannt) und die Zeitschrift „Zions Wacht-Turm und Verkünder der Gegenwart Christi“ (heute „Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich“) veröffentlichte. Diese Geschichte ist für Jehovas Zeugen von besonderem Interesse. Warum? Weil sich ihr gegenwärtiges Verständnis biblischer Wahrheiten und ihre Tätigkeiten bis in die 1870er Jahre zurückverfolgen lassen, zum Werk C. T. Russels und seiner Ge- fährten - und von da aus bis zur Bibel und zum Urchristentum.142
b) JZVKG (1993), S. 134:
Die Erkenntnis über die unsichtbare Gegenwart Christi sollte als wichtige Grundlage zum Verständnis vieler biblischer Prophezeiungen dienen. Den damaligen Bibelforschern wurde klar, dass die Gegenwart des Herrn für alle wahren Christen von allergrösster Wichtigkeit sein sollte (Markus 13:33-37). Sie waren an der Wiederkunft des Herrn brennend interessiert und waren sich ihrer Verpflichtung bewusst, sie zu verkünden, nur verstanden sie noch nicht alle Einzelheiten. Dennoch ist es äusserst bemerkenswert, zu wie viel Verständnis ihnen der Geist Gottes schon so früh verhalf.143
c) JZVKG (1993), S. 211:
Gegen Ende seines irdischen Lebens schrieb Charles Taze Russell: „Zu oft vergisst Gottes Volk, dass der Herr als Haupt selbst seinem Werk vorsteht. Zu oft denkt man: Wir verrichten ein Werk und machen Gott zum Mitarbeiter in unserem Werk. Wir sollten in dieser Sache zu der richtigen Ansicht gelangen und erfassen, dass sich Gott ein grosses Werk vorgenommen hat und es ausführt; dass es völlig unabhängig von uns und unse- ren Anstrengungen erfolgreich getan wird; dass Gottes Volk das grossartige Vorrecht gewährt worden ist, mit seinem Erschaffer zusammenzuarbeiten, während er seine Pläne, Vorsätze und Verheissungen auf seine Weise verwirklicht. Wenn wir die Angelegenheit von diesem Standpunkt aus betrachten, sollten sich unsere Gebete und Beobachtungen darum drehen, den Willen des Herrn zu erkennen und zu tun, zufrieden mit jeg- licher Rolle, die uns übertragen wird, denn geleitet werden wir von unserem Gott. Die Watch Tower Bible and Tract Society ist bestrebt, sich an diese Ordnung zu halten“ („Der Wacht-Turm“, 1. Mai 1915).144
d) JZVKG (1993), S. 621f.:
Wenn Jehovas Zeugen heute auf die Tätigkeit Russells, auf das, was er lehrte, wie er es begründete, und auf das Ergebnis zurückblicken, haben sie keinen Zweifel, dass Charles Taze Russell wirklich von Gott zu einer be- deutsamen Zeit auf besondere Weise gebraucht wurde. Diese Überzeugung beruht nicht nur darauf, dass Bruder Russell entschieden für das Lösegeld eintrat. Sie rührt auch daher, dass er Glaubensbekenntnisse, die einige grundlegende Glaubensansichten der Christenheit beinhalten, unerschrocken verwarf, weil sie mit den inspirierten Schriften nicht harmonisierten. Da war zum Beispiel die Dreieinigkeitslehre (die aus dem alten Babylon stammt und erst lange nach Vollendung der Niederschrift der Bibel von sogenannten Christen über- nommen wurde) und die Lehre, dass die menschliche Seele von Natur aus unsterblich sei (diese Lehre wurde von Menschen übernommen, die von der Philosophie Platons fasziniert waren und dadurch für Vorstellungen wie die, dass die Seelen im Höllenfeuer ewig gequält würden empfänglich wurden).145
Drei Belege erwähnen auf verschiedene Weise das heutige Führungsgremium der Gemein- schaft:
e) JZVKG (1993), S. 142:
Jesus Christus hatte vorhergesagt, dass er nach seiner Rückkehr in den Himmel seinen Jüngern den Heiligen Geist senden würde. Dieser würde als ein Helfer dienen, der sie „in die ganze Wahrheit leiten“ würde (Johan- nes 14:26; 16:7, 13). Jesus sagte auch, er habe als Herr der wahren Christen einen „treuen und verständigen Sklaven“, einen „treuen Verwalter“, der an die Hausknechte, das heisst die Arbeiter im Haushalt des Glau- bens, geistige „Speise zur rechten Zeit“ austeilen werde (Matthäus 24:45-47; Lukas 12:42). Wer ist dieser treue und verständige Sklave?146
f) JZVKG (1993), S. 351:
Alle, die im Sondervollzeitdienst in der Weltzentrale der Zeugen Jehovas stehen, legen ein Armutsgelübde ab, wie es sowohl alle Mitglieder der leitenden Körperschaft als auch alle anderen Mitglieder der Bethelfamilie dort getan haben. [...] Somit führt die Organisation ihr Werk in vollständiger Abhängigkeit von Gottes Hilfe durch. Als eine echte geistige Bruderschaft, die sich über die ganze Erde erstreckt, verwenden Jehovas Zeugen anderem gäbe Gott diesen Geist gewissen Menschen, um sie für besondere Aufgaben auszuwählen. (Unterredungen (1985), S. 174- 178) Zeugen Jehovas gehen ausserdem davon aus, dass Jesus Christus seit 1914 unsichtbar gegenwärtig sei, in dem Sinne, dass er als König im Himmel inthronisiert worden sei und darauf warte, dass Harmagedon komme, damit er zusammen mit den 144‘000 auch über die Erde regieren könne. 1914 sei nämlich gemäss Zeugen-Lehre ein Krieg im Himmel ausgebrochen, der dazu geführt habe, dass Satan und seine Dämonen auf die Erde verbannt worden seien. Aus diesem Grunde glauben sie auch, dass den Menschen in den letzten Tagen leben würden, die in Matthäus 24 mit vielen Katastrophen (Kriege, Erdbeben etc.) in Verbindung gebracht werden, die eben erst durch die Verbannung Satans entstehen konnten. (Unterredungen (1985), S. 192-196, 255-263, 279-288, 428- 433).
- ohne Zwang - gern ihre Mittel, um das Werk zu vollbringen, das Jehova, ihr grosser himmlischer Vater, ihnen aufgetragen hat.147
g) JZVKG (1993), S. 550:
Anfangs hatte nur eine „kleine Herde“ echte Wertschätzung für Gottes Königreich und war bereit, dessen In- teressen zu dienen. Das entspricht dem, was in der Bibel vorhergesagt worden ist. Jetzt hat sich ihr eine schnell wachsende „grosse Volksmenge“ angeschlossen, die in die Millionen geht und aus allen Nationen stammt. Auch das wurde in Gottes Wort vorhergesagt (Lukas 12:32; Johannes 10:16, Offenbarung 7:9, 10). Es handelt sich nicht um Leute, die einfach behaupten, derselben Religion anzugehören, aber in Wirklichkeit untereinander gespalten sind wegen der Ansichten und Philosophien, durch die die Welt um sie herum zer- splittert wird. Man kann auch nicht von ihnen sagen, dass sie bloss über Gottes Königreich reden, dabei aber in Wirklichkeit auf menschliche Regierungen vertrauen. Sie gehorchen Gott als Herrscher sogar, wenn ihr Le- ben auf dem Spiel steht. In der Bibel wird deutlich erklärt, dass das Einsammeln solcher Menschen, die „Gott fürchten und ihm die Ehre geben“, unter der Leitung der Engel durchgeführt wird (Offenbarung 14:6, 7; Mat- thäus 25:31-46). Die Zeugen Jehovas sind fest davon überzeugt, dass genau das tatsächlich geschehen ist. Während ihres Predigtdienstes haben sie bei zahllosen Gelegenheiten überzeugende Beweise für himmlische Leitung gesehen.148
Drei Belege beziehen sich auf die gesamte Gemeinschaft in unseren Tagen:
h) JZVKG (1993), S. 235:
Jehovas Zeugen sind in erster Linie an dem Werk interessiert, das Jehova ihnen für die letzten Tage der alten Welt aufgetragen hat, und sie sind gut organisiert, es zu verrichten. Für sie gibt es unmissverständliche Be- weise dafür, dass es sich bei der Organisation nicht um eine menschliche, sondern um Gottes Organisation handelt und dass sie von Gottes Sohn, Jesus Christus, geleitet wird. Als herrschender König wird Jesus seine treuen Untertanen in der bevorstehenden grossen Drangsal bewahren und dafür sorgen, dass sie wirkungs- voll organisiert sind, damit sie im kommenden Millennium den Willen Gottes ausführen können.149
i) JZVKG (1993), S. 547:
Trotz weltweiter Gegnerschaft haben sich Jehovas Zeugen tatkräftig dem Werk gewidmet, das Jesus vorher- gesagt hat. Das Ausmass, in dem das Zeugnis bereits gegeben worden ist, ist verbürgt, und es ist wirklich sensationell. Aber wodurch wurde das möglich? Durch menschliche Kraft oder Genialität? Oder durch die Wirksamkeit des Geistes Gottes? [...] Jehovas Zeugen sagen ganz offen, dass genau das auf das Predigen der Königreichsbotschaft heute zutrifft - es geschieht nicht mithilfe einer Streitmacht noch durch die persönli- che Kraft oder den Einfluss irgendeiner führenden Gruppe von Menschen, sondern durch die Wirksamkeit des Geistes Jehovas.150
[...]
1 Um die Arbeit leserfreundlicher zu gestalten, habe ich die jeweiligen Zitate, die aus den Schriften der beiden Gemeinschaften stammen und die ich im Folgenden analysieren werde, nicht in den Anhang verschoben, sondern in den eigentlichen Text platziert. Auf diese Weise erhöht sich der Umfang der Arbeit um einiges, bleibt aber noch im Rahmen, wenn man diese Zitate dabei nicht berücksichtigt.
2 Cohn (1997), S. 15, 57 / Linke (2003), S. 10.
3 Bsp. 1: 20Minuten (Gratis-Pendlerzeitung), 07.04.2011, S. 12-14, Artikel: „Esoteriker und der Maya-Kalender“; Bsp. 2: Polykum (Zeitung des Verbands der Studierenden an der ETH), 18.05.2011, S. 10, Artikel: „Geht die Welt 2012 unter?“; Bsp. 3: Tages-Anzeiger (Online-Version), 23.05.2011, Artikel: „Geschäftsmodell Weltuntergang“ (Die Leserkommentare zeigen u.a., wie das Thema Weltuntergang mit „Sekten“ in Verbindung gebracht wird.); Bsp. 4: Tages-Anzeiger (Online-Version), 19.10.2011, Artikel: „US-Prediger Camping: Am Freitag soll die Welt untergehen - Ganz sicher“; Bsp. 5: Hollywood-Film „2012“ (Regie Roland Emmerich, 2009); Bsp. 6: Dokumentarfilm „2012: Startling New Secrets“ (SyFy-Produktion, 2009).
4 Gutberlet (2009), Klappentext.
5 Wenn man z.B. auf Amazon Deutschland „Maya-Kalender“ als Suchbegriff eingibt, erscheinen Hunderte von Büchern, DVD, CD etc., die sowohl von Laien, also von Personen ohne akademische Ausbildung, als auch von Wissenschaftlern (z.B. Archäologen etc.) hinsichtlich des Themas „Weltuntergang“ veröffentlicht wurden.
6 Ich werde in meiner Arbeit diesen Begriff vermeiden und stattdessen den neutraleren Begriff „religiöse Sondergemeinschaft“ verwenden. Was ich genau darunter verstehe, wird im Anhang detailliert erläutert. Wenn der Begriff „Sekte“ benutzt wird, dann nur in Anführungszeichen.
7 Sauter (1995), S. IX.
8 Wilcke (2002), S. 67 / Das Gilgamesch-Epos, München: C. H. Beck, 2008, S. 144f.
9 Drössler (1999), S. 9 / Linke (2003), S. 67f., 71 / Obst (2000), S. 231 / Sauter (1995), S. 227f. / Schmid & Schmid (2003), S. 24.
10 Beinert (1994), S. 15-24 / Kohle (1994), S. 25-28 / Curry (1992), S. 151 / Flammer & Mettner (2000), S. 12-14 / Obst (2000), S. 13.
11 Stegemann (2007), S. 9-15, 194-204.
12 Schmid & Schmid (2003), S. 168-170.
13 Stegemann (2007), S. 9-15, 227-231 / Schmid & Schmid (2003), S. 168-170. 5
14 Siehe auch Figl (2003), S. 23f., 41f. / Smith (2000), S. 237-241 / Gladigow (1997), S. 113-130 / Berner (1983), S. 97-116 / Wach (2001), S. 165-192 / Kippenberg (1992), S. 103-114.
15 Freiberger (2011), S. 201, 203f.
16 Freiberger (2011), S. 200.
17 Freiberger (2011), S. 203.
18 Freiberger (2011), S. 204.
19 Freiberger (2011), S. 204f.; vgl. Smith (2000), S. 237-241.
20 Freiberger (2011), S. 206.
21 Freiberger (2011), S. 206f.
22 Freiberger (2011), S. 210.
23 Freiberger (2011), S. 213-215: Definition: Konzentration „auf - meist nur zwei - sehr spezifische und eng definierte Kontexte“ (vgl. Paden (1988), S. 4).
24 Freiberger (2011), S. 210f., 213f.
25 Definition: Die Heiligen Schriften der Gemeinschaft werden möglichst wörtlich ausgelegt und angewandt, weil man davon ausgeht, dass der Inhalt des Textes verpflichtend sei, da er direkt von Gott komme und für die Menschheit als Anleitung bzw. Gesetz gedacht sei.
26 Definition: Die Gemeinschaft lobt sich entweder selbst wegen ihrer besonderen Errungenschaften oder Qualitäten oder nennt Aussenstehende, die sie wegen ihrer guten Eigenschaften schätzen, um die eigene Überlegenheit und Exklusivität zu betonen, ohne aber einen Vergleich mit anderen direkt anzusprechen.
27 Definition: Die Gemeinschaft nennt Gründe, weshalb es ihr im Vergleich zu Aussenstehenden bzw. Andersgläubigen besser gehe bzw. weshalb sie besser als andere Gemeinschaften sei. Hier geht es also vor allem um einen Vergleich im Gegensatz zur Unterkategorie „Selbstbeweihräucherung“.
28 Definition: Von den Mitgliedern der Gemeinschaft wird verlangt, dass sie sich von Aussenstehenden oder von Ehemaligen in religiösen Dingen soweit wie möglich fernhalten, damit sie selbst ihre Sonderposition, die sie vor Gott innehaben, nicht gefährden und nicht Gefahr laufen, selbst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.
29 Definition: Ein Gremium, bestehend aus einem oder mehreren Männern, die eine Führungsposition innerhalb der Gemeinschaft übernehmen, wird als von Gott „auserwählt“ angesehen, die Heiligen Schriften der Gemeinschaft richtig zu deuten und dieses Wissen den Anhängern weiterzugeben.
30 Definition: Mitglieder der Gemeinschaft werden wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft verfolgt, gefoltert und getötet. Dies wird als „Beweis“ für den Wahrheitsanspruch angesehen, da man davon ausgeht, dass dies das Schicksal wahrer Gottesanbeter sei, weil sie wegen ihrer Sonderstellung von der bösen Aussenwelt gehasst würden.
31 Definition: Aussenstehende, Gegner oder ehemalige Mitglieder der Gemeinschaft, die entweder ausgeschlossen wurden oder die Gemeinschaft selbst verlassen haben, werden verunglimpft und als schlecht dargestellt. Ausserdem wird in der Regel mit Gottes Strafe für ihr Verhalten, d.h. ihre Ablehnung der wahren Gemeinschaft Gottes, gedroht.
32 Definition: Um vom eigentlichen Irrtum abzulenken, lenkt man die Aufmerksamkeit der Mitglieder entweder auf Errungenschaften, die als ebenso wichtig erachtet werden wie die Voraussagen der Gemeinschaft selbst, oder aber auf die negativen Seiten Aussenstehender bzw. Andersgläubiger.
33 Definition: Man betrachtet den Fehler im Kontext des „stabilen“ Fundamentes der Gemeinschaft bzw. spielt den Schweregrad des Fehlers herunter, indem man in manchen Fällen den Fehler zwar zugibt, aber die fundamentalen „Wahrheiten“ der Gemeinschaft betont, bzw. den Fehler als unbedeutend darstellt.
34 Definition: Die Ursache für den Fehler wird bei Gott, der z.B. seine Pläne geändert habe, bei den Mitgliedern, die z.B. wegen menschlicher Schwäche zu viel erwartet hätten, oder bei Dritten gesucht.
35 Definition: Obwohl die Gemeinschaft den Fehler bezüglich der Interpretation von biblischen Prophezeiungen direkt oder indirekt zugibt, ist sie der Überzeugung, dass sie in anderen Bereichen weiterhin erfolgreich und exklusiv im Sinne der eigenen Lehre sei.
36 Definition: Die Gemeinschaft verweist auf Parallelen zu den Religionsgründern oder anderen wichtigen Figuren der Vergangenheit, die ähnlich gehandelt bzw. ähnliche Fehler gemacht hätten, um zu zeigen, dass derartige Fehlinterpretationen von Anfang an ein Merkmal der wahren Gottesanbeter seien.
37 Definition: Die Gemeinschaft erstellt neue Hilfsmittel, in der Regel Texte, um die Heilige Schrift besser zu verstehen und um die Gründe für die Fehlinterpretation der biblischen Prophezeiungen zu erklären.
38 Definition: Die Gemeinschaft betont direkt oder indirekt, dass sie selbst die einzige Quelle der Rettung sei, oder warnt die eigenen Mitglieder vor Gegnern oder Ehemaligen, die selbst die Gemeinschaft verlassen haben oder wegen Missachtung der Regeln aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden.
39 Brun & Hirsch (2009), S. 157, 168, 172, 184: „Zirkelfrei“ bedeutet, dass das „Definiendum“, d.h. der Begriff, der definiert wird, weder direkt noch indirekt im „Definiens“, d.h. in der Bedeutung des Definiendums, vorkommen darf. „Disjunktiv“ meint, dass es ausreicht, wenn eine von mehreren Bedingungen der Definition erfüllt ist, damit man einen Begriff zuordnen kann.
40 Jonas & Stroebe & Hewstone (2007), S. 255 / Köppl (1985), S. 60-63 / Mooney (2005), S. 103.
41 Zitate werden ohne textkritische Zeichen wiedergegeben, um die Leserfreundlichkeit zu gewährleisten und den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen. Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich alle Zitate aus Qumran auf Dupont (1960).
42 DUPONT, André: Die essenischen Schriften vom Toten Meer (Übersetzung: Walter Müller), Tübingen: J. C. B. Mohr, 1960; vgl. LOHSE, Eduard: Die Texte aus Qumran - hebräisch und deutsch - mit masoretischer Punktation, Übersetzung, Einführung und Anmerkungen, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1964; vgl. MAIER, Johann: Die Qumran-Essener - Die Texte vom Toten Meer, Band I-II, München: Ernst Reinhardt Verlag, 1995.
43 Der jeweilige Kürzel in Klammern bezeichnet die in der Fachwelt übliche Abkürzung für die betreffende Qumran-Schriftrolle. 9
44 Jehovas Zeugen - Verkündiger des Königreichs Gottes, Selters/Taunus: Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, 1993.
45 Neue Zürcher Bibel, Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2007.
46 Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift, Selters/Taunus: Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, 1986.
47 Siehe auch Figl (2003), S. 62-80 / Geertz (1997), S. 44-95 / Seiwert (1981), S. 57-99 / Kippenberg & von Stuckrad (2003), S. 11-16.
48 Pollack (1995), S. 163-165.
49 Pollack (1995), S. 164-167.
50 Traditionsgemäss ist es Aufgabe der Philosophie den Begriff „Religion“ zu definieren, wobei dies nicht empirisch, sondern nur „apriorisch, analytisch und begriffslogisch“ geschieht, was die Aussagekraft der Definition empfindlich beschränkt. Deshalb muss theoretisches und empirisches Wissen diesbezüglich verbunden werden. (Pollack (1995), S. 167).
51 Bei dieser Methode konzentriert man sich auf den sogenannten Bezugsgegenstand der Religion, meistens auf einen oder mehre- re Götter, die im Mittelpunkt des Glaubens stehen. Problematisch wird es bei Religionen, die keine Gottheit kennen. Deshalb haben Rudolf Otto und Nathan Söderblom vor ca. hundert Jahren die Zentralkategorie „das Heilige“ eingeführt, die den Gottesbegriff ersetzen soll. Aber auch dieser Vorschlag birgt zwei Schwierigkeiten in sich: Das „Heilige“ ist vom „Selbstverständnis des jeweiligen Religionsangehörigen“ (Pollack (1995), S. 169) abhängig und man kann es nur funktional bestimmen, weil es kontextabhängig ist. Dieses Problem hat man zu lösen versucht, indem man den Bezugsgegenstand noch weiter gefasst hat und nur noch von Über- sinnlichem spricht. Dies andererseits könnte wiederum zu ungenau sein. Das Hauptproblem dieser Methode ist somit, einen Weg zu finden, bei dem der Religionsbegriff weder zu offen noch zu eng definiert wird. (Pollack (1995), S. 168-171).
52 Anstatt das Objekt der Religion zu bestimmen, wie bei der substanziellen Methode, gibt es die Möglichkeit, sich auf die Intention, also die „Art und Weise“ (Pollack (1995), S. 171), wie sich die Religion auf ihren Bezugsgegenstand bezieht, zu konzentrieren. In anderen Worten: Nicht das, worauf sich der Gläubige richtet, ist ausschlaggebend für den Religionsbegriff, sondern wie der Gläubige diesen Gegenstand versteht. Auch hier ist der Nachteil, dass die Definition zu weit gefasst sein kann und daher eingeschränkt werden muss. (Pollack (1995), S. 171f.).
53 Diese Methode wurde in der sogenannten Religionsphänomenologie entwickelt, die besagt, dass man als Wissenschaftler Religionen nur verstehen kann, wenn man sich darin einfühlt, und dies sei nur möglich, wenn man selbst religiös ist. Religion kann man nach dieser Methode also „nicht objektiv erklären, sondern nur subjektiv erfühlen“ (Pollack (1995), S. 173). Gemäss der Reli- gionsphänomenologie sollte dies möglich sein, da jeder Mensch einen gemeinsamen Kern in sich trägt, der kulturunabhängig ist. Dabei wird aber vor allem das Gemeinsame als wesentlich erachtet und nicht das Unterscheidende berücksichtigt. Das Problem bei dieser Methode ist die Tatsache, dass sie den wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen kann, da es an Objektivität und Nachvoll- ziehbarkeit fehlt, was eine wichtige Voraussetzung für eine akzeptable Definition wäre. (Pollack (1995), S. 172-174).
54 Bei dieser Methode wird die Religion als historischer Gegenstand betrachtet, der mit den Methoden der Geschichtswissenschaf- ten erforscht wird. Dabei kann diese objektive Distanz zum Forschungsgegenstand von Religionsanhängern als „religionskri- tisch“ interpretiert werden. Eine mögliche neutrale Definition von Religion aus historisch-philologischer Sicht könnte gemäss Kurt Rudolph folgendermassen formuliert werden: „ Religion ist der von der Tradition bestimmte Glaube einer Gemeinschaft oder eines Individuums an die mehr oder weniger starke Abhängigkeit des natürlichen und gesellschaftlichen Geschehens vonübermenschlich oderüberirdisch wirkenden persönlichen Mächten und die daraus resultierende Verehrung derselben durch bestimmte kultisch geprägte Handlungen, die von der Gemeinschaft in festen Formenüberliefert werden “. (Pollack (1995), S. 175).
55 Die Dimensionsforschung versucht Merkmale der Religion auf eine systematische Art und Weise zu erfassen, indem sie eine bestimmte Anzahl von Dimensionen festlegt, die bei einer Religion erfüllt sein müssen. Dabei gab es Autoren, die von drei, fünf oder auch mehr Dimensionen ausgingen. Auch diese Methode wurde kritisiert, da man daran zweifelt, dass Religion als „multidimensionale Variable“ (Pollack (1995), S. 176) angesehen werden darf. Zusätzlich ist zu sagen, dass Ergebnisse der Dimensionsforschung oft widersprüchlich sind, sodass immer noch nicht klar ist, wie viele und vor allem welche Dimensionen überhaupt nötig wären, um Religion klar zu definieren. (Pollack (1995), S. 176f.).
56 Bei dieser Methode wird vor allem auf den historischen Kontext der jeweiligen Religion geachtet, die man untersuchen will. Man will sozusagen „religiöse Phänomene in ihrer kulturellen Einbindung [...] erschliessen“ (Pollack (1995), S. 177). Dies ist auch der Grund,
57 Diese Methode wird hauptsächlich in der Religionspsychologie und -soziologie angewandt. Dabei wird Religion als Lösung für ein bestimmtes Problem angesehen, also hauptsächlich auf seine Funktion reduziert. In anderen Worten: Es geht nicht darum, was Religion ist, sondern was sie leistet. Auch hier kann eingewandt werden, dass die Definition sehr weit gefasst ist, denn auch andere menschliche Phänomene könnten anstelle der Religion vergleichbar definiert werden. Ausserdem wird die „religiöse Eigenperspektive“ (Pollack (1995), S. 180) des Gläubigen vernachlässigt, indem man das „Selbstverständnis der Religionsangehörigen“ (Pollack (1995), S. 180) unbeachtet lässt. (Pollack (1995), S. 178-181).
58 Die letzte Methode, die auf dem Erklären basiert, sucht nach „gesellschaftlichen und psychischen Ursachen“ (Pollack (1995), S. 181) für das Phänomen „Religion“. Das heisst, es handelt sich um eine Art „Entlarvung von Religion“ (Pollack (1995), S. 182), die Religion als eine Art Täuschung ansieht. (Pollack (1995), S. 181f.).
59 Pollack (1995), S. 182f.
60 1. Religiöse Sondergemeinschaft bzw. „Sekte“; 2. Gott; 3. Heilige Schriften; 4. Eigene Schriften; 5. Lehre; 6. Eschatologie bzw. Endzeitprophezeiungen; 7. Heil bzw. Erlösung; 8. Religionsgründer; 9. Elite bzw. Führungsgremium; 10. Anhänger bzw. Mitglieder; 11. Märtyrer; 12. Ehemalige bzw. Abtrünnige; 13. Aussenwelt, Andersgläubige und „das Böse“.
61 Siehe auch: Bayerl (2000), S. 9-46 / Gassmann (1996), S. 15-78 / Twisselmann (1995), S. 25-265 / Weber & Valentin (1994), S. 15-36.
62 Bayerl (2000), S. 9.
63 Weber & Valentin (1994), S. 15.
64 Bayerl (2000), S. 9 / Deckert (2007), S. 103 / Krech & Kleiminger (2006), S. 388 / Schmid & Schmid (2003), S. 168 / Weber & Valentin (1994), S. 15.
65 Russell war im presbyterianischen Glauben in einer wohlhabenden Textilkaufmannsfamilie „schottisch-irischer Her- kunft“ (Twisselmann (1995), S. 27) aufgewachsen, als Jugendlicher bei der kongregationalistischen Kirche und später bei einer adventistischen „Splittergruppe“ (Gassmann (1996), S. 17), den Second Adventists, Mitglied. (Twisselmann (1995), S. 27 / Gassmann (1996), S. 17).
66 Auf Deutsch: Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft.
67 Deckert (2007), S. 104 / Krech & Kleiminger (2006), S. 388 / Schmid & Schmid (2003), S. 168. 13
68 Deckert (2007), S. 104-110 / Krech & Kleiminger (2006), S. 389 / Schmid & Schmid (2003), S. 168.
69 Schmid & Schmid (2003), S. 168.
70 Schmid & Schmid (2003), S. 168.
71 Schmid & Schmid (2003), S. 168.
72 Deckert (2007), S. 110-116 / Krech & Kleiminger (2006), S. 389f. / Schmid & Schmid (2003), S. 168.
73 Schmid & Schmid (2003), S. 168.
74 Deckert (2007), S. 116f. / Krech & Kleiminger (2006), S. 390 / Schmid & Schmid (2003), S. 168f.
75 Auf Englisch heissen sie Jehovah’s Witnesses, auf Deutsch sind beide erwähnten Varianten möglich und üblich. 14
76 Krech & Kleiminger (2006), S. 393 / Doering (2008), S. 15 / Ankerberg & Weldon (2004), S. 13-16.
77 Krech & Kleiminger (2006), S. 403.
78 Krech & Kleiminger (2006), S. 399, 402-404 / Penton (2010), S. 246-252, 283-289, 300-303, 305-324, 332-329, 341-346 / Deckert (2007), S. 131-139.
79 Krech & Kleiminger (2006), S. 399, 402-404 / Penton (2010), S. 246-252, 283-289, 300-303, 305-324, 332-329, 341-346 / Deckert (2007), S. 131-139.
80 Krech & Kleiminger (2006), S. 399, 402-404 / Penton (2010), S. 246-252, 283-289, 300-303, 305-324, 332-329, 341-346 / Deckert (2007), S. 131-139.
81 Die Anzahl der Teilnehmer, die essen und trinken durften, betrug im Jahr 2010 ca. 11‘000 von rund 19 Mio. Anwesenden (Jahrbuch 2011, S. 81).
82 Krech & Kleiminger (2006), S. 399, 402-404 / Penton (2010), S. 246-252, 283-289, 300-303, 305-324, 332-329, 341-346 / Deckert (2007), S. 131-139.
83 Krech & Kleiminger (2006), S. 401.
84 Krech & Kleiminger (2006), S. 399, 401 / Penton (2010), S. 356-367 / Weber & Valentin (1994), S. 69-73.
85 Krech & Kleiminger (2006), S. 394 / Penton (2010), S. 252 / Bayerl (2000), S. 76, 94-114 / Weber & Valentin (1994), S. 49-53 / Deckert (2007), S. 118-120.
86 Siehe Fussnote 143.
87 Mölle (2008), S. 8: „Jehova“ halten viele Theologen für nicht korrekt; „Jahwe“ für die Aussprache des hebräischen Gottesnamens „JHWH“ - der nur mit Konsonanten, jedoch ohne Vokale geschrieben wird - wird von ihnen als richtig angesehen.
88 Krech & Kleiminger (2006), S. 394f. / Penton (2010), S. 275-278, 281-283 / Bayerl (2000), S. 89-92 / Weber & Valentin (1994), S. 55-57.
89 Krech & Kleiminger (2006), S. 395.
90 Krech & Kleiminger (2006), S. 395.
91 Krech & Kleiminger (2006), S. 395f. / Penton (2010), S. 294-296 / Bayerl (2000), S. 82-86 / Weber & Valentin (1994), S. 60f., 65-68 / Deckert (2007), S. 120-122.
92 Krech & Kleiminger (2006), S. 395f. / Penton (2010), S. 294-296 / Bayerl (2000), S. 82-86 / Weber & Valentin (1994), S. 60f., 65-68 / Deckert (2007), S. 120-122.
93 Krech & Kleiminger (2006), S. 398-400 / Penton (2010), S. 209-212, 221-224, 226-230 / Weber & Valentin (1994), 75-78 / Deckert (2007), S. 122-125.
94 Vgl. Brun & Hirsch (2009), S. 17-19: Grundinformationen eines Textes.
95 Krech & Kleiminger (2006), S. 406.
96 Ich habe das Buch über ein Antiquariat erworben.
97 Gassmann (1996), S. 15.
98 Penton (2010), S. 307.
99 Franz (1991), S. 27.
100 Brun & Hirsch (2009), S. 6-8, 102-105.
101 Darunter verstehe ich Bücher, die von ehemaligen Zeugen Jehovas geschrieben wurden. Sie sind in diesem Zusammenhang sehr nützlich, weil sie zu gewissen Dingen in der Organisation mehr Informationen liefern können als wissenschaftliche Literatur, die wegen der „Geheimnistuerei“ der Organisation nur über allgemeine Informationen verfügt und keinen Zugang zu Interna hat.
102 Unter Inspiration versteht man hier, was RGG folgendermassen definiert: Das Wort stammt vom Lateinischen „inspiratio“ (Einhauchung) und „wird in Bezug auf Menschen und auf heilige Schriften [...] verwendet“; es „bezeichnet eine Form der Offenba- rung, der letztlich die Vorstellung einer substanziellen Übertragung göttlichen Geistes zugrunde liegt“; „als unmittelbare göttliche Einwirkung äussert (sie) sich in Erkenntnis und Mitteilung übernatürlicher Einsichten“. (LANCZKOWSKI, G.: Art. Inspiration, in: RGG III (1959), S. 773 / vgl. Unterredungen (1985), S. 67) Zu Russells Gefährten zählten unter anderem sein Vater, Joseph L. Russell, und weitere Bekannte aus Pittsburgh und Allegheny. Mit ihnen gründete er 1870 einen Kreis, um die Bibel zu erforschen, wo man anhand von persönlichen Fragen Antworten in den Schriften suchte, die man dann aufschrieb. (JZVGK S. 43f.).
103 Unter Bibel verstehen Zeugen Jehovas heute das Alte Testament (39 Bücher gemäss Biblia Hebraica von Rudolf Kittel und Biblia Hebraica Stuttgartensia) und das Neue Testament (27 Bücher gemäss Standardtext von Westcott und Hort) so wie sie in der eigenen Bibelübersetzung „Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift“ (1986 für die deutsche Version, die aus dem Englischen übersetzt wurde) verwendet werden. Damals bediente man sich jedoch „fremder“ Übersetzungen anderer Kirchen, die im Vergleich mit der jetzigen Übersetzung wichtige Unterschiede aufweisen. (Unterredungen (1985), S. 311-314).
104 Mit Hilfsmittel waren zu Russells Zeit vor allem seine eigenen Schriften gemeint, die dazu genutzt wurden, um die Bibel zu ergründen. Russell schrieb neben den meisten Wachtturm-Artikeln u.a. auch sieben Bände, die sogenannten Schriftstudien, wobei der letzte Band erst nach seinem Tod veröffentlich wurde. In der Anfangszeit der Bibelforscher waren diese Schriften sehr wichtig. Heute kennt sie kaum ein Zeuge mehr, da sie von der Wachtturm-Gesellschaft seit Jahrzehnten nicht mehr publiziert werden. (Stuhlhofer (1990), S. 35-53).
105 Hier haben wir es mit einem typischen Zirkelschluss zu tun, den man bei den Argumentationen der Zeugen Jehovas immer wieder begegnet. Man begründet die Inspiration der Bibel mit der Tatsache, dass sie das Jahr 1914 voraussage, das einzige Jahr, das gemäss Führungsgremium noch gültig sei, obwohl diese Berechnung auf Spekulationen der Leitenden Körperschaft basiert und genauso wie andere Prophezeiungen, die man zu anderen Jahren aufgestellt hat, wieder revidiert werden könnte. (Franz (2005), S. 135-190).
106 Hier wird 2. Timotheus 3, 16f. zitiert, um auch das Neue Testament als heiliges Wort Gottes zu bezeichnen, obwohl in diesem Brief nur von der jüdischen Bibel die Rede ist. Ausserdem wird an dieser Stelle nicht darauf aufmerksam gemacht, dass die Wachtturm-Gesellschaft heutzutage vor allem die eigene Bibelübersetzung publiziert, die „Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift“, die mittlerweile in mehreren Sprachen erscheint. (Unterredungen (1985), S. 311-314) Um die Bibel zu „studieren“, wie die Zeugen Jehovas es nennen, hat das Führungsgremium ein aufwendiges Studienprogramm konzipiert, an das sich alle Zeugen Jehovas halten sollten. Dabei wird für jede Woche festgelegt, welche Bibelbücher und welche Wachtturm-Publikationen gelesen und bearbeitet werden müssen. Gleichzeitig wird erwartet, dass man zu allen wöchentlichen Zusammenkünften erscheint und regelmässig missioniert. (Franz (2005), S. 165-187, 188-214, 353-388).
107 Die ersten Worte zitieren Matthäus 6, 33, d.h. die Worte Jesu an seine Jünger, nachdem er ihnen das „Vaterunser“ gelehrt hatte. Zeugen Jehovas verstehen unter dem Königreich Gottes eine echte Regierung, die bald vom Himmel aus über die Menschheit regieren werde. Mit ihrem Lebenswandel wollen sie der Welt zeigen, dass sie Bürger dieser neuen Regierung sein wollen. Dabei wird ihr ganzes Leben anhand der Gesetze reglementiert, die das Führungsgremium herausgibt und als „biblische Gesetze“ deklariert, die auch unter Gottes Regierung gültig sein werden. (Unterredungen (1985), S. 255-263 / Franz (2005), S. 215-258).
108 Zeugen Jehovas vergleichen sich immer wieder mit Urchristen, nach ihrem Verständnis die Christen aus dem ersten Jahrhundert. (Unterredungen (1985), S. JZVGK S. 26-32) Die Erzählung aus Apostelgeschichte 15 und 16, wo von einer Gruppe von Männern in Jerusalem bestehend aus Aposteln und Ältesten, d.h. aus Männern mit langer Erfahrung in Glaubensdingen, die zu bestimmten Problempunkten in der christlichen Gemeinschaft Stellung nahmen, die Rede ist, dient als Vorbild für das eigene Führungsgremium, das in Brooklyn, New York, heute die Zeugen Jehovas als Organisation leitet. Dabei versteht man unter „Versammlungen“ die damaligen christlichen Gruppen, die sich in Dörfern oder Städten regelmässig trafen, deren Beispiel Jehovas Zeugen heute nachzuahmen versuchen. (Franz (2005), S. 19-35, 36-62, 584-617).
109 Hier finden wir einen weiteren Beleg dafür, dass sich Zeugen Jehovas gerne mit den ersten Christen im 1. Jahrhundert gleichsetzen, die in ihrer Zeit verfolgt wurden, um damit zu zeigen, dass sie ihre Lehren auf dieselben Prinzipien stützen und diese dementsprechend die einzig richtigen sind. (JZVKG (1993), S. 26-32).
110 Penton (2010), S. 246-274.
111 Bergmann (1994), S. 38.
112 In den Schriften der Zeugen Jehovas fällt auf, dass man gerne Aussenstehende zitiert, die die Zeugen Jehovas einzeln oder als Organisation loben. Hier als Beispiel eine deutsche Zeitung, ein französischer Bürgermeister oder ein Buch über den jüdischen Holocaust, welche die Zeugen Jehovas entweder als gute Bürger, gute Vertragspartner oder gute Menschen an sich darstellen.
113 In diesem Fall wird eine italienische Zeitung zitiert, welche die Neutralität im Krieg und die Wehrdienstverweigerung der Zeugen Jehovas lobt, die so weit gehen kann, dass man bereit ist zu sterben, wie das bei Zeugen in Nazi-Deutschland der Fall war.
114 Hier wird vor allem auf die Liebe untereinander, die Internationalität und die Rassengleichheit aufmerksam gemacht, die unter den Zeugen Jehovas herrscht. Interessanterweise gab es unter der Apartheid in Südafrika keine Trennung zwischen Rassen an den alljährlichen Kongressen, die dort stattfanden, oder in den wöchentlichen Zusammenkünften, die in den einzelnen Gemeinden bzw. „Versammlungen“ gehalten wurden. (Unterredungen (1985), S. 301-306).
115 Hier haben wir es mit einem sogenannten Zeugenbericht zu tun, in dem eine aussenstehende Frau zitiert wird, die sich löblich über die Zeugen Jehovas geäussert haben soll, weil sie ihren Mitbrüdern in Notzeiten Hilfe geleistet hätten. Dies ist auch eine Berichtsform, die von der Wachtturm-Gesellschaft in ihren Publikationen sehr gerne angewandt wird. Gleichzeitig will man damit indirekt betonen, dass es nur bei den Zeugen Jehovas solche Liebesbeweise gäbe.
116 Zeugen Jehovas veranstalten dreimal jährlich sogenannte Kongresse. Im Frühling findet der Tagessonderkongress, im Sommer der Bezirkskongress und im Herbst/Winter der Kreiskongress statt. Der wichtigste Kongress ist der Bezirkskongress, weil es die grössten Kongresse in den jeweiligen Ländern sind und die Veranstaltungen, an denen neue Publikationen bzw. neue Wahrheiten veröffentlicht bzw. bekannt gegeben werden. Die Kongresse sind auch die Anlässe, an denen neue Mitglieder getauft werden, indem sie in einem Wasserbecken untergetaucht werden. In regelmässigen Abständen gibt es auch internationale Kongresse, an denen Delegationen aus mehreren Ländern teilnehmen. (JZVKG (1993), S. 254-282).
117 Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Führungsgremium bemüht ist, alle guten Eigenschaften der eigenen Organisation mit Bibelangaben zu untermauern. So wird hier zum Beispiel Johannes 17, 17 erwähnt, wo es heisst, dass Gottes Wort Wahrheit sei, um zu betonen, dass die Zeugen Jehovas als Einzige die „Wahrheit“ hätten. Oder Jakobus 1, 27 und 4, 4, weil dort geschrieben steht,
118 Dieses Zitat könnte man als „Ode des Eigenlobs“ titulieren, weil hier mit Superlativen zusammenfassend auf alle guten Eigenschaften aufmerksam gemacht wird, welche die Zeugen Jehovas angeblich im Unterschied zu allen anderen christlichen Kirchen bzw. Religionen hätten.
119 Immer wieder wird in den Schriften der Wachtturm-Gesellschaft auf die Organisation der Zeugen Jehovas als solche aufmerksam gemacht und weniger auf die einzelnen Zeugen, die unvollkommen seien. Das Argument ist also nicht, dass es nicht auch andere Menschen gibt, die Gutes tun würden, sondern dass es keine Organisation auf der Welt gäbe, die so herausragend viele gute Eigenschaften hätte wie die der Zeugen Jehovas. (Franz (2005), S. 496-548).
120 Gerne weist man auf die zahlreichen Zeugen Jehovas hin, die ihr Leben dem Werk der Zeugen Jehovas widmen, indem sie quasi ein monastisches Leben führen, um Gott besser dienen und ihm ihre Liebe zeigen zu können. Viele dieser Zeugen sind in den sogenannten Bethel (Hebräisch für „Gottes Haus“) tätig. Es handelt sich um die Zweigniederlassungen in den jeweiligen Ländern, die von der Zentrale in Brooklyn, New York, ebenfalls als „Bethel“ bezeichnet, geleitet werden. In diesen „Bethel“ befinden sich meistens die Druckereien der Wachtturm-Gesellschaft und die Führungsgremien der einzelnen Länder bzw. Gebiete. (JZVKG (1993), S. 576-602).
121 Eines der „Lieblingsmotive“, um sich in ein „besseres Licht“ zu stellen, sind die Erlebnisse der Zeugen Jehovas während des Zweiten Weltkrieges in Nazi-Deutschland, als die Zeugen Jehovas brutalen Verfolgungen ausgesetzt waren und die Mehrheit bereit war, für den eigenen Glauben in den Tod zu gehen. Zeugen Jehovas betonen gerne, dass sie sozusagen als Einzige als Gruppe wegen ihres Glaubens und nicht wegen einer Volkszugehörigkeit oder anderen Gründen verfolgt worden seien. (JZVKG (1993), S. 642-677).
122 Penton (2010), S. 196-208.
123 Hassan (1993), S. 88-91.
124 Bezug nehmend auf Matthäus 13, 24-30 und 36-43 bezeichnen sich Zeugen Jehovas selbst als den Weizen, der als Symbol für wahre Nachfolger Christi stehe, im Gegensatz zu Scheinchristen oder falschen Christen, die in dieser Parabel Jesu als Unkraut bezeichnet werden. Dies, weil sie nach ihrer Auffassung als Einzige den Urchristen folgen, die biblische Wahrheit immer besser verstehen und gemäss Jesu Gebot in Matthäus 28, 19f. missionieren gehen. Mit dem „treuen und verständigen Sklaven“ ist der Überrest der 144‘000 gemeint, deren Stellvertreter die „Leitende Körperschaft“, das Führungsgremium in Brooklyn, New York, ist. (Franz (2005), S. 117-164).
125 Hier wird eine kanadische Zeitung zitiert, welche die Zeugen Jehovas im Gegensatz zu anderen Kirchen für ihre Moral lobt. Gemäss Zeugen würde in allen anderen Kirchen Unsittlichkeit und Unmoral herrschen. Darunter verstehen sie Dinge wie vor- und ausserehelicher Geschlechtsverkehr, Abtreibung, Homosexualität, Tabak- und Drogenkonsum, Alkoholmissbrauch etc. Hervorzuhe- ben ist, dass die Zeugen Jehovas erneut mit den Urchristen verglichen werden, was den Zeugen ein sehr wichtiges Anliegen ist.
126 Zeugen Jehovas glauben, dass nach dem Tod der Apostel Jesu der sogenannte „Abfall“ im Christentum eingetreten sei, der das Christentum in Christenheit verwandelt hätte, weil sie sich von den Lehren Jesu und seiner Aposteln entfernt hätte. Die Zeugen Jehovas sehen sich selbst daher als diejenigen, die das wahre Christentum wiederhergestellt hätten, und zwar - wie von Jesus vorausgesagt - am „Ende der Zeit“ oder „Ende der Welt“, wie es die meisten Bibelübersetzungen wiedergeben, oder am „Ende des Systems der Dinge“, wie sich die Zeugen Jehovas ausdrücken. Diese Zeit hätte gemäss Zeugen Jehovas im Jahre 1914 begonnen. (JZVKG (1993), S. 33-41, 42-60) Die „Gesalbten“ bezeichnen die 144‘000, die in den Himmel kommen und noch auf der Erde leben werden. Bei der grossen Volksmenge handelt es sich um die Menschen, die sich den Gesalbten anschliessen und auf der paradiesi- schen Erde für immer leben werden, falls sie dank ihrer Treue Harmagedon überlebten. (Unterredung S. 129-133, 206-213).
127 Der Christenheit wird vor allem angelastet, dass sie die Lehren der Bibel entstellt und unbiblische Doktrinen wie die der Trinität, der unsterblichen Seele, der Hölle und des Kreuzes sowie heidnische Festtage wie Weihnachten und Ostern eingeführt hätte. (Unterredungen (1985), S. 90-111, 153-159, 213-220, 263-267, 386-390).
128 Bei den Zeugen Jehovas gibt es keinen Gottesdienst, wie man ihn üblicherweise in christlichen Kirchen und Gemeinden sieht. In den Zusammenkünften, die an zwei Tagen in der Woche stattfinden, wird zwar kurz gebetet und gemeinsam gesungen und es gibt am Wochenende eine 45-minütige Ansprache zu einem biblischen Thema, aber in der restlichen Zeit werden vor allem Publikatio- nen der Wachtturm-Gesellschaft besprochen und auswendig gelernt. Einzige Ausnahme ist das sogenannte Gedächtnismahl, das nach dem jüdischen Kalender immer am 14. Nisan stattfindet und an Jesu letztes Abendmahl erinnern soll und eine gewisse Ähnlichkeit mit der christlichen Messe hat. (Franz (2005), S. 584-617 / Unterredungen (1985), S. 170-173, 306-311).
129 Hauptkennzeichen der Zeugen Jehovas, die sie von vielen Religionen unterscheidet, ist ihre Missionierung, die von allen Mitglie- dern vor allem von Haus zu Haus oder auf der Strasse ausgeführt wird. Sie wollen damit dem Gebot Jesu in Matthäus 24, 14 und 28, 19 folgen, der seinen Jünger sagte, sie sollten die gute Botschaft des Königreiches Gottes predigen. (Unterredungen (1985), S. 235f.).
130 Unter liberale Trends verstehen Zeugen Jehovas Dinge wie vor- und ausserehelicher Verkehr, Abtreibung, Homosexualität, Tabak- und Drogenkonsum, Alkoholmissbrauch etc. (Unterredungen (1985), S. 28-32, 111-117, 390-395) Mit Lehren und Bräuche der Christenheit meinen sie zum Beispiel die Lehre der Dreieinigkeit, der unsterblichen Seele, der Hölle und des Kreuzes, sowie religiöse Feste wie Weihnachten und Ostern. Alles Dinge, die Zeugen Jehovas als unbiblisch und deshalb als verurteilungswürdig erachten. (Unterredungen (1985), S. 90-111, 153-159, 213-220, 263-267, 386-390) Zur Christenheit zählen alle christlichen Kirchen ausser ihrer eigenen, die sie als Christentum bezeichnen. (JZVKG (1993), S. 149-158).
131 Es handelt sich um die Broschüre „Das Königreich - die Hoffnung der Welt“, das 1931 vom 2. Präsidenten der WachtturmGesellschaft, Joseph F. Rutherford, in vielen Sprachen veröffentlicht wurde. Darin wird auf Harmagedon hingewiesen - gemäss Zeugen Jehovas die grosse Schlacht des Endes zwischen Gott und seinen Anhängern und Satan und seinem Gefolge. Zu Satans Gefolge zählen die Zeugen Jehovas auch alle menschlichen Regierungen und diejenigen, die sie unterstützen. (Unterredungen (1985), S. 192-196) Der zweite Teil des Zitates bezieht die Worte aus Offenbarung 21, 4f., wo es heisst, dass der Tod und das Leiden der Menschen verschwinden werden, auf Gottes Königreich, von dem Jesus in den Evangelien spricht. Gemäss Zeugen Jehovas würde dieses Königreich die Erde in ein Paradies verwandeln, was Gottes ursprünglicher Plan gewesen sei, als er Adam und Eva erschaffen und sie im Garten Eden leben gelassen hätte, bis sie gegen Gottes Gesetze verstossen hätten und mit dem Tod für sich selbst und ihre Nachkommen bestraft worden seien. (Unterredungen (1985), S. 255-263, 326-329).
132 Johannes 17, 16 wird im Buch JZVKG (1993) sehr oft zitiert. Zeugen Jehovas verstehen den Begriff „Welt“ negativ, denn es heisst in
1. Johannes 5, 19, dass „die ganze Welt [...] in der Macht dessen [liegt], der böse ist“ (Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift 1986). Damit ist gemeint, dass Satan der aktuelle Herrscher der Welt sei und sich somit „wahre“ Christen von allem, was mit der Welt zu tun hat, fernhalten müssten. Darunter verstehen sie vor allem ihre Neutralität bei „Pflichten“ des Staatsbürgers: Wehrdienst, Wahlen, Abstimmungen, Nationalfeiertage etc. (Unterredungen (1985), S. 315-321, 421-424).
133 Penton (2010), S. 209-212.
134 Kiraga (2009), S. 86f.
135 Zeugen Jehovas weigern sich im Gegensatz zu anderen Religionen, an Kriegen, politischen Wahlen und Abstimmungen sowie an Nationalfeiertagen und patriotischen Zeremonien teilzunehmen, um sich von der restlichen Welt abzusondern, die sie als böse, weil unter der Herrschaft Satans erachten. Zeugen Jehovas, die sich nicht an diese Richtlinien halten, werden ausgeschlossen und als Abtrünnige betrachtet. Begründet wird es mit dem Vorbild Jesu, der sich weigerte, als König der Juden eingesetzt zu werden. (Unterredungen (1985), S. 25-28, 315-321 / Franz (2005), S. 315-352).
136 Die Welt wird von den Zeugen nicht nur als böse betrachtet, sondern auch als zerstörungswürdig angesehen. Sie glauben, dass Gott diese böse Welt (nicht den Planeten Erde) bald zerstören und nur diejenigen retten würde, die sich von der Welt getrennt halten und die Regeln der Zeugen Jehovas beachten würden. (Unterredungen (1985), S. 192-196).
137 Hier werden Jesu Worte erwähnt, als er von der Trennung zwischen seinen Jüngern und dem Rest der Menschheit sprach, die er mit Schafen bzw. Ziegen verglich (siehe Matthäus 25, 31-33). Wiederum wird in diesem Zitat betont, dass man sich vom Rest der Menschheit soweit wie möglich fernhalten sollte. Dies bedeutet, dass man mit Menschen, die nicht zu den Zeugen Jehovas gehören, nur Kontakt pflegen soll, wenn es im Alltag (Arbeit, Einkaufen, Nachbarn etc.) nötig sei und wenn man Menschen beim Missionieren aufsuche, um mit ihnen die Bibel zu studieren. Hingegen ergreife man für Gottes Königreich Position, indem man
138 Mit „weltlichen Angelegenheiten“ sind, wie schon mehrmals weiter oben angedeutet, vor allem die Politik und die falsche Religion gemeint, also alles, was sich den Regeln der Zeugen Jehovas, so wie sie sie in der Bibel interpretieren, entgegenstellt.
139 Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es in der Weltzentrale in Brooklyn, New York, einen kleinen Aufstand langjähriger Mitarbeiter in führenden Positionen bezüglich einiger Lehren der Leitenden Körperschaft, unter anderem von Ray- mond Franz, einem Mitglied der Leitenden Körperschaft und Neffen von Frederick W. Franz, der von 1977 bis 1992 Präsident der Wachtturm-Gesellschaft war und die „Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift“ und viele Lehren der Zeugen Jehovas massge- blich beeinflusst hat. Dies wirkte für die Zeugen Jehovas wie eine kleine Revolution, und man warnte in den Schriften der Wacht- turm-Gesellschaft, wie in diesem Zitat, vor den Abtrünnigen, von denen man sich fernhalten müsse. Selbst Familienmitglieder oder enge Freunde, die die Organisation der Zeugen Jehovas verlassen haben, dürften nicht mehr gegrüsst werden. (Franz (2005), S. 315- 352 / Franz (1991), S. 215-275, 276-322).
140 Stamm (1995) S. 113-116.
141 GPK NR (2000), S. 265f.
142 Zeugen Jehovas gehen vom Konzept der „gegenwärtigen Wahrheit“ aus. D.h.: Je länger sie die Bibel studieren, desto besser werden sie diese verstehen. Das bedeutet aber auch, dass sie ihre Lehren immer wieder anpassen müssen. Sie gehen nämlich davon aus, dass sie nach einer langen Zeit der Abtrünnigkeit durch die Christenheit die wahren Nachfolger der Urchristen seien. (Unterredungen (1985), S. 228-238).
143 Der Geist Gottes ist für die Zeugen Jehovas der „Heilige Geist“. Dieser sei aber nicht wie bei den meisten christlichen Kirchen eine Person und ein Teil der Dreifaltigkeit zusammen mit Gott, dem Vater, und Jesus Christus, dem Sohn, sondern es handle sich dabei um Gottes unsichtbare Kraft, mit der er alles erschaffen hätte und mit der er alles vollbringen könne, was er sich vornehme. Unter
144 Mit Werk ist hier das Predigt- bzw. Missionierungswerk der Zeugen Jehovas gemeint. Sie glauben, dass es ihre Pflicht sei, alle Menschen zu warnen, dass die Menschen in den letzten Tagen leben würden und dass bald Harmagedon kommen würde - analog zu den Tagen Noahs, als er die Menschen vor der Sintflut gewarnt habe und nur die Arche eine Rettung hätte sein können. Die heutige Rettung finde man heute gemäss Zeugen-Lehre in der „Arche“ oder Organisation der Zeugen Jehovas. Denn sie würden als Einzige Harmagedon überleben, um auf einer paradiesischen Erde unter der Regierung Gottes für immer zu leben. (Unterredungen (1985), S. 321-325, 326-329).
145 Obwohl Russells Schriften heute kaum noch eine Bedeutung haben, da sich praktisch alle Lehren seit seiner Zeit verändert haben, betont man hier einzelne Lehren der christlichen Kirchen, die tatsächlich bei den Zeugen Jehovas heute noch abgelehnt werden: Dreieinigkeit, Unsterblichkeit der Seele und Hölle. Diese drei fundamentalen Lehren vieler Christen werden als unbiblisch und heidnisch deklariert. (Stuhlhofer (1990), S. 31-62).
146 Diejenigen, die unter den Zeugen Jehovas Gottes Geist erhalten würden, werden „Gesalbte“ genannt und werden automatisch zu den 144‘000 aus der Offenbarung des Johannes gezählt, die nach ihrer Ansicht zusammen mit Jesus als Könige und Priester über die Erde ewig regieren würden. Diese sind, solange sie noch auf der Erde seien, für die „geistige Speise“ aller Zeugen Jehovas auf der Erde zuständig. Konkret heisst das, dass die Leitende Körperschaft für alle Mitglieder die Bibel interpretiert und sämtliche Regeln aufstellt. (Franz (2005), S. 117-164).
147 Zeugen Jehovas sind überzeugt, dass sie von Gott einen Auftrag erhalten haben. Vor allem die Leitende Körperschaft, also das Führungsgremium in Brooklyn, New York, betont dies. Als Stellvertreter des „treuen und verständigen Sklaven“ aus Matthäus fordern sie andere Menschen dazu auf, mit ihnen dieses Missionierungswerk durchzuführen, indem sie möglichst ihre ganze Zeit und alle ihre Mittel für dieses Werk aufwenden und auf Gottes Hilfe vertrauen. Das führt dazu, dass es etliche Zeugen gibt, die unentgeltlich als Freiwillige in den Druckereien (in den sogenannten Bethel) rund um die Welt arbeiten. (Franz (2005), S. 19-62).
148 Die „kleine Herde“ aus Lukas 12, 32 wird von den Zeugen Jehovas auf die 144‘000 aus Offenbarung 7, 4 gemünzt. Unter der „grossen Volksmenge“ aus Offenbarung 7, 9f. verstehen sie diejenigen, die als Untertanen unter Gottes Königreich, stellvertreten durch Jesus Christus und den 144‘000, für immer auf der paradiesischen Erde leben werden. Zeugen Jehovas sind ausserdem der Ansicht, dass die Engel Geistwesen sind, die zusammen mit Gott und Jesus Christus, ebenfalls Geistwesen, im Himmel leben und Gottes menschliche Anbeter in Gottes Auftrag bei ihrem Werk des Missionierens unterstützen. (Unterredungen (1985), S. 185-192, 238-249, 368-374).
149 Mit „grosser Drangsal“ ist Harmagedon, der grosse Krieg zwischen Gut und Böse bzw. zwischen Gott (inklusive seiner Organisa- tion) und Satan (inklusive seiner Organisation) gemeint. Auf diesen Krieg wird nach Lehre der Zeugen Jehovas das „Tausendjährige- Reich“ oder „Millennium“ folgen, also Gottes Königreich, von dem die Evangelien bzw. die Offenbarung sprechen. Gemäss der Lehre der Zeugen würden am Anfang nur diejenigen auf der Erde leben, die Harmagedon überlebt hätten, nach und nach würden sowohl Gerechte, also treue Anbeter Gottes, und Ungerechte, das heisst Menschen, die keine Chance gehabt hätten, Gott und die wahre Religion in ihrem Leben kennenzulernen, von den Toten auferstehen. Die letzten Mitglieder der 144‘000, die vor Harmagedon noch auf der Erde leben würden, bekämen einen Geistkörper und würden somit in den Himmel „entrückt“, damit sie während Harmage- don zusammen mit Jesus und den anderen der 144‘000 gegen Satan kämpfen könnten. Während dieser tausend Jahre würde die Erde in ein Paradies verwandelt und die Menschen würden Vollkommenheit erlangen. Am Schluss des Millenniums würden Satan und seine Dämonen, die seit Harmagedon in einer Art Gefängnis seien, wieder befreit, um nochmals kurze Zeit die vollkommene Menschheit - wie damals Adam und Eva - in Versuchung zu bringen. Erst wer auch diese Prüfung bestehe, dürfe auf ewiges Leben hoffen. Diese Prüfung bleibe den 144‘000, die im Himmel seien, erspart, da sie schon auf der Erde ihre Treue bewiesen hätten. (Unterredungen (1985), S. 44-51, 80-84, 123-128, 192-196, 255-263, 267-272, 326-329, 368-374).
150 Die Gesalbten, also diejenigen, die gemäss Zeugen Jehovas zum Überrest der 144‘000 gehören, der noch auf der Erde lebt, sind der Überzeugung, dass Gott sie durch seinen Heiligen Geist auserwählt hätte, um das Predigtwerk voranzutreiben, das Jesus in Matthäus 24 seinen Jünger auftrug. Ausserdem müssten sie die „grosse Volksmenge“, d.h. diejenigen, die keine himmlische Hoffnung hätten, aber trotzdem zu den Zeugen Jehovas gehörten, ermuntern, dasselbe zu tun. (Franz (2005), S. 117-164).
- Quote paper
- Christian Rossi (Author), 2011, Zeugen Jehovas und Qumran-Gemeinschaft: Wahrheit und Irrtum?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338700
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