Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über das deutsche Bildungssystem aus der Perspektive der Inklusion und betrachtet zum Vergleich die Schulsysteme von Skandinavien und Kanada.
In Deutschland gibt es kein einheitliches Bildungssystem. Grund dafür sind die Bundesländer, da diese weitgehend die Handhabe über die Bildungspolitik besitzen und ihnen die Entscheidungsmacht übertragen wurde, wie sie ihr Bildungssystem auf Landesebene präzisieren und ausgestalten. Jedes Bundesland hat andere Vorstellungen und Ideen, wie dies bestmöglich aussehen kann. Ein Beispiel für die Unterschiedlichkeit stellen die Gesamtschulen dar, welche in Süd-Deutschland kaum verbreitet, im Nordosten Deutschlands jedoch sehr stark vertreten sind.
Grund dafür ist die SPD, welche in Bundesländern wie Hamburg oder Niedersachen längere Zeit an der Regierungsspitze waren. Ziel im Bildungsbereich war ein einheitliches Schulsystem zu verfolgen und die Einführung und Verbreitung von integrierten Gesamtschulen. In Baden-Württemberg und Bayern waren mehrere Jahre CDU/CSU an der Regierungsspitze und stärkten vermehrt das dreigliedrige Schulsystem (Hauptschule, Realschule und Gymnasium) weshalb nur wenige Gesamtschulen entstanden sind. Aufgrund der Kulturhoheit der Landesregierungen, sind sich die Bundesländer in ihren Bildungssystemen nicht identisch, eine gemeinsame Grundstruktur des Bildungssystems ist jedoch vorhanden. Es herrscht in den wesentlichen Bereichen eine gesetzlich verankerte Deckungsgleichheit.
Inhaltsverzeichnis
Das deutsche Bildungssystem
Bildungsbereiche
Aufgaben Schule
Die Schule – Ort von Inklusion und Exklusion
Das Schulsystem skandinavischer Länder
Schulsystem Kanada
Analyse des Bildungssystems
Literaturverzeichnis und weiterführende Literatur
Das deutsche Bildungssystem
In Deutschland gibt es kein einheitliches Bildungssystem. Grund dafür sind die Bundesländer, da diese weitgehend die Handhabe über die Bildungspolitik besitzen und ihnen die Entscheidungsmacht übertragen wurde, wie sie ihr Bildungssystem auf Landesebene präzisieren und ausgestalten. Jedes Bundesland hat andere Vorstellungen und Ideen, wie dies bestmöglich aussehen kann. Ein Beispiel für die Unterschiedlichkeit stellen die Gesamtschulen dar, welche in Süd-Deutschland kaum verbreitet, im Nordosten Deutschlands jedoch sehr stark vertreten sind. Grund dafür ist die SPD, welche in Bundesländern wie Hamburg oder Niedersachen längere Zeit an der Regierungsspitze waren. Ziel im Bildungsbereich war ein einheitliches Schulsystem zu verfolgen und die Einführung und Verbreitung von integrierten Gesamtschulen. In Baden-Württemberg und Bayern waren mehrere Jahre CDU/CSU an der Regierungsspitze und stärkten vermehrt das dreigliedrige Schulsystem (Hauptschule, Realschule und Gymnasium) weshalb nur wenige Gesamtschulen entstanden sind (vgl. TILLMANN et. al 2008, S.273). Aufgrund der Kulturhoheit der Landesregierungen, sind sich die Bundesländer in ihren Bildungssystemen nicht identisch, eine gemeinsame Grundstruktur des Bildungssystems ist jedoch vorhanden. Es herrscht in den wesentlichen Bereichen eine gesetzlich verankerte Deckungsgleichheit (vgl. ebd.).
Bildungsbereiche
Im diesem Abschnitt geht es um die fünf unterschiedlichen Bereiche im deutschen Bildungssystem. Auch wenn für diese Arbeit nicht alle fünf Bereiche relevant sind, werden diese in einem kurzen Absatz zusammengefasst, um einen Gesamtüberblick über das Bildungssystem zu vermitteln.
Der erste der fünf Bildungsbereiche ist der Elementarbereich. Dieser umfasst alle Betreuungs- und Bildungsangebote im frühkindlichen Alter. Dies wiederum umfasst das Alter von wenigen Monaten bis hin zum Einschulalter. Dazu zählen Kindergrippen, Kindergärten und Kindertagespflege sowie Vorschulklasse an Grundschulen. Diese Angebote sind in Deutschland nicht verpflichtend, sondern die endgültige Entscheidungsgewalt geht von den Eltern aus. In Deutschland nutzen über 90 Prozent der Eltern das Angebot, ihre Kinder im Kindergartenalter in einer Kindertageseinrichtung zu platzieren. Bei Kindern unter drei Jahren besuchen knapp über 20 Prozent eine der möglichen Betreuungsangebote. Kinder haben mit der Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz (vgl. BPB 2016).
Der zweite Bildungsbereich ist der Primarbereich und beginnt mit der Einschulung in die Grundschule. Diese besteht in der Regel aus vier Schuljahren. Für Kinder ist der Besuch der Grundschule in Deutschland verpflichtend (vgl. ebd.)
Im nächsten Schritt erfolgt der Übergang vom Primar- in den Sekundarbereich I. Eine verbindliche Schulempfehlung gibt es in Deutschland nicht mehr. Mit einer Gesetzesänderung wurden den Eltern die Entscheidungsfreiheit sowie die Verantwortung übertragen, die weiterführende Schulart ihres Kindes weitestgehend selbst auszuwählen. Dennoch finden Beratungsgespräche zwischen Eltern und Lehrern statt, die ihnen helfen sollen, die richtige Auswahl der Schulart für ihr Kind zu treffen. Weiterhin können seitens der Schule Empfehlungen ausgesprochen werden, welche jedoch nicht verbindlich sind. Dieser Bildungsbereich umfasst alle weiterführenden Bildungsgänge wie Hauptschulen bzw. Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien. Alle Schulformen der Sekundarstufe I werden mit einem allgemeinbildenden Schulabschluss abgeschlossen und qualifiziert je nach Bildungsgang für die weiterführenden Bildungseinrichtungen der Sekundarstufe II. Zu diesem Bildungsbereich zählen allgemeinbildende und berufliche Schulen, als auch der Blockunterricht, welcher meist in Verbindung mit einer Ausbildung einhergeht (vgl. ebd.).
Ein weiterer Zweig im Bildungssystem wird durch die Förderschulen verkörpert. Diese gibt es im Primarbereich und im Sekundarbereich I und II. Es gibt verschiedene Typen von Förderschulen, z.B. Förderschulen für gehörlose Kinder, für jene mit einer körperlichen und motorischen Entwicklungsverzögerung oder für emotional und sozial eingeschränkte Kinder. Auch diese unterscheiden sich aufgrund der Kulturhoheit je nach Bundesland (vgl. ebd.).
Aufgaben Schule
Das Bildungssystem trägt mit drei Funktionen zur Erhaltung und Reproduktion der aktuellen Gesellschaft bei. Die erste ist die Qualifikationsfunktion. Die Schule führt zur Reproduktionkultureller Systeme, indem Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die zurAusübung eines Berufes vorausgesetzt werden und die für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlich sind. Zweitens ist die Selektionsfunktion zu nennen. Dabei führt die Schule zur Reproduktion der Positionsverteilung der Gesellschaft, indem sie aufgrund der von den Schülern aufgezeigten individuellen Leistungen Berechtigungen und Zertifikate verleiht, die über den Platz in der Sozialstruktur der Gesellschaft entscheiden. Die Selektionsfunktion steht damit als Vermittler zwischen den Leistungen der Schüler und ihrer beruflichen Laufbahn. Und drittens die Integrations- und Legitimationsfunktion. DieSchule führt zur gesellschaftlichen Integration durch die Reproduktion von Normen undWerten und damit zur Stabilisierung und Legitimation der bestehenden gesellschaftlichenOrdnung (vgl. KELLER 2014, S.27f)
Diese Funktionen sind nicht Vollständig da, beispielsweise die Funktion die das Bildungssystem für die kulturelle Ordnung einer Gesellschaft übernimmt fehlt. Das Bildungssystem hat die Aufgabe, grundlegende Fertigkeiten wie Sprache und Schrift zu lehren, die nicht nur Voraussetzung für eine ökonomische und politische Teilhabe an der Gesellschaft sind. Sie sind ebenfalls notwendig um die kulturelle Symbole vor allem in dem jeweiligen Land und ggf. auch in andern Ländern zu verstehen. Zudem vermittelt das Bildungssystem die Wertvorstellungen der Gesellschaft, die Weltanschauung und das Menschenbild (vgl. KELLER 2014, S.28). Die Schule sorgt dafür, dass nahezu alle Gesellschaftsmitglieder auf der Stufe der praktischen Beherrschung die wichtigsten allgemeinen Kompetenzen –Lesen, Rechnen, Schreiben- erwerben können. (vgl. LIEBAU 1987, S.88f).
Die Schule – Ort von Inklusion und Exklusion
In diesem Abschnitt wird es um die Schule als Medium der Inklusion und Exklusion gehen. Die Frage nach Inklusionsarbeit, welche durch die Schulen bereits geleistet wird, Unterstützungsarbeit von benachteiligten Schülern, aber auch Einflussfaktoren und Bedingungen, welche Exklusion im Bildungssystem hervorrufen werden genauer betrachtet . Zuerst wird der Primare Bildungsbereich unter dem Aspekt betrachtet, welche Inklusions- und Exklusionsprozesse dort zu erkennen sind und anschließend was extrinsische und intrinsische Einflussfaktoren sind, die sich exklusionsfördernd auf Schüler auswirken.
Durch die Primarstufe kommen Kinder – meist ähnlichen Alters – aus allen sozialen Schichten und unterschiedlichen Nationalitäten zusammen. Die Kinder haben die Gleichen, wenn auch vorgegebene Ziele wie z.B. den Erwerb der Grundkompetenzen, den Übertritt in die Sekundarstufe I und viele weitere Zwischenziele. „Ein klarer Kandidat für einen Mechanismus mit breiten sozialen Inklusionswirkungen ist Bildung. Die besondere soziale Bedeutung von Bildung ergibt sich aus ihrer engen Verknüpfung von individuellen und kollektiven Konsequenzen. Für den Einzelnen geht es zunächst um den Erwerb von (Grund-)Kompetenzen, welche in vielen Bereichen des Lebens zum Einsatz kommen“(HILLMERT 2009, S.85). Die Schule ist nach der Betrachtungsweise welche durch Hillmertdarlegt wurde ein inklusionsfördernder Sozialraum. Grundschulklassen mit einer Dimension von 15 bis 25 Schülern würden in dieser Konstellation ohne den Besuch der Schule nicht existieren, vor allem nicht mit einem gemeinsamen Ziel und über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Betrachtet man die Schule unter diesem Aspekt, kann man sie als ein auf Kinder spezialisiertes Medium für den Zusammenschluss unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, Nationalitäten und Schichten oder als inklusiv bezeichnen.
Eine weitere Art Inklusion wird durch die Schulsozialarbeit wahrgenommen. Im Jahre 1993 entstanden vorrangig an sog. Brennpunktschulen die ersten Projekte der Schulsozialarbeit. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde von den meisten Bundesländern die Schulsozialarbeit auch auf nicht Brennpunktschulen ausgedehnt, da nicht nur an brennpunktschulen ein Bedarf an Schulsozialarbeitern besteht. Dadurch wurde dem bestehenden Exklusionsrisiko entgegengewirkt (vgl. SCHULSOZIALARBEIT SACHSEN 2016). Durch die Schulsozialarbeit werden Jugendliche in ihrer sozialen Verantwortung und Kompetenz unterstützt. Weitere Aufgaben sind Angebote für Schüler und Erziehungsberechtigte in Form von professioneller Beratung und Unterstützung bei schulischen, persönlichen und familiären Problemen. Für die Lehrerschaft bietet sie die Möglichkeit der kollegialen Beratung an (vgl. SCHULSOZIALAREBEIT 2016). Die Schulsozialarbeit umfasst noch weit mehr Aufgaben, sowohl präventiver als auch interventiver Art. „Sie umfasst alle Formen kontinuierlicher Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule, die eine Tätigkeit von sozialpädagogischen Fachkräften am Ort Schule und die Zusammenarbeit mit Lehrkräften dort zur Wahrnehmung von Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe für die Schülerinnen und Schüler zum Ziel haben (RADEMACKER 2009, S.13). Angebote richten sich z.B. an Kinder und Jugendliche, die an den Anforderungen der Schule zu scheitern drohen. Darüber hinaus benötigen viele Jugendliche aufgrund der erschwerten Arbeitsmarktverhältnisse professionelle Unterstützung beim Übergang in die Berufswelt. (vgl. RADEMACKER 2009, S.34).
Durch die Förderung von bildungsschwächeren Schülern sinkt das Gefälle zwischen den leistungsstarken und leistungsschwachen. Durch die Individuelle Betreuung, nicht nur schulischer, sondern auch privater ggf. familiäre Probleme kann Kindern mit geringen Bildungschancen – aufgrund von z.B. niedrigem Kapital der Eltern – eine größere Chance gegeben werden schulisch erfolgreich zu sein. Die Schulsozialarbeit ermöglicht „Schülernüber das schulische Angebot hinaus ihre Fähigkeiten entfalten, Anerkennung erfahren und soziale Prozesse gestalten [zu] können. Dabei berücksichtigen sie die unterschiedlichen Lebenslagen der Schüler“ (RADEMACKER 2009, S.35). Die Schule, die Schulsozialarbeit,sowie die Jugendhilfe arbeiten vernetzt um den Ungleichheiten des Bildungssystems entgegenzuwirken. Somit ist die Schulsozialarbeit anders als die Schule nicht als ein direktes Inklusionsmedium zu betrachten, sondern als Teileines Trias. Durch die Verminderung der Chancenungleichheit wird die Exklusion während und nach der Primaren Beschulung und der Sekundarstufe I verringert und Inklusion gefördert.
Das schulische Bildungssystem ist in Deutschland je nach Bundesland unterschiedlich ausgeprägt. Somit können keine pauschalen Aussagen bezüglich des Bildungssystems gemacht werden, allerdings ist in den meisten Bundesländern das drei- bzw. viergliedrige Schulsystem vorherrschend. Die Förderung von Kindern mit einer Behinderung, auffälligem Verhalten oder lernschwächen finden in jeweils unterschiedlichen Bildungsinstitutionen statt. Auf diesen Schulen wird der Lernstoff der kindlichen Entwicklung angepasst. Diese Einrichtungen – Hilfs-, Sonder- und Förderschulen – können als separierende Inklusion verstanden werden. Demnach sind Förderschüler zwar in das Bildungssystem inkludiert, allerdings in Spezialorganisationen, welche sich auf Sonderpädagogische Förderungen festgelegt haben. (vgl. DB 2014 S.225) In Deutschland erfolgt die zentraleSchulentscheidung nicht als Auswahl der ‚besten‘ Schule, sondern als Zuweisung der ‚richtigen‘ Schulform und somit der bestmöglichen Förderung für das Kind. Durch das dreigliedrigen Schulsystem kann dies gewährleistet werden (vgl. KÖPPE 2012, S.206).
Die separierte Inklusion stellt sich als ein zweischneidiges Schwert da, betrachtet man es unter dem Aspekt des Ausschlusses von leistungsschwachen Schülern. Durch eine sehr frühe leistungsmäßige Aufteilung der Schülerschaft etablieren sich Schulformen, in denen sich eine homogene Gruppe von leistungsschwachen Schülern sammelt, wie es an den Sonderschulen, Förderschulen und auch den Hauptschulen der Fall ist (vgl. HURRELMANN/QUENZEL 2010, S.29 zit. nach HURRELMANN et al. 2006, S.66), dann sind schlechte Bildungserfolge bei diesen Schülergruppen zu erwarten, so dass z.B. in Hauptschulen die Chancenungleichheit für bildungsferne Kinder verstärkt und das Gesamtniveau von Bildungsqualität statistisch abnimmt (vgl. HURRELMANN/QUENZEL 2010, S.29). Nach Auernheimer (2013) hat die Trennung in unterschiedliche Schulformen negative Effekte auf das Lernverhalten. Vor allem am unteren Ende der Hierarchie, weil Lehrererwartungen nachweislich Auswirkungen auf die Schülerleistungen haben[1]. Bei dieser Art von äußerer Differenzierung mit der eindeutigen Abwertung der Hauptschulenoder Sonderschulen, spielt nicht nur die Einstellung des Lehrers eine entscheidende Rolle, sondern die gesellschaftliche Erwartung insgesamt müsste sich neu ausrichten. Hauptschüler sind mit einem negativen Image behaftet, sei es in Bezug auf ihr Sozialverhalten, die Motivation oder ihre Leistungen. Auernheimer (2013) bezeichnet die Hauptschule als „Bildungssackgasse“ (vgl. AUERNHEIMER 2012, S.11)
Problematiken treten nicht nur durch das Besuchen einer bestimmten Schulform auf, sondern auch innerhalb der jeweiligen Schulform. Das deutsche Schulwesen mit seiner Ausrichtung auf überprüfbare Einzelleistungen erzeugt und fördert zwangsläufig Prozesse der Auslese bzw. der Selektion. Kinder werden so unterscheidbar sowie darin eingeübt sich in Bildungsfragen selbstzentriert, tendenziell und egoistisch zu verhalten, weil sie als Einzelkämpfer behandelt, geprüft und zensiert werden. Des Weiteren kommt enormer Druck auf die Schüler zu, in Form von permanenten Rankings ihres eigenen Wissens, Könnens und Versagens im Schüler- und Schulnotenvergleich (vgl. RAUSCHENBACH 2009, S.169). Rauschenbach macht eine Anschaulichen vergleich bezüglich einerAbwärtsspirale der Leistungen von Kindern: „Und wie gute oder schlechte Platzierungen in einem Dauerleistungsvergleich wirken können, kann man anschaulich jedes Wochenende im Sport studieren, wenn das Abstiegsgespenst, also die Versagensangst, eine Mannschaft zusätzlich lähmt, während die aktuelle Tabellenführung einer Mannschaft zusätzlichesSelbstbewusstsein, „Flügel“ verleiht“ (RAUSCHENBACH 2009, S.169). Durch die mehrgliedrige Sekundarbeschulung öffnet sich die Kluft zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Schülern am weitesten (vgl. GEIßLER/WEBER-MENGES 2010,S.559). „In Ländern, die ihre Schüler in verschiedene Schulformen aufteilen, nimmt die relative Ungleichheit systematisch zu, während sie in Ländern, die ihre Schüler nicht selektieren, systematisch abnimmt“ (GEIßLER/WEBER-MENGES 2010, S.559 zit. nach SCHÜTZ/WÖßMANN 2005, S.22). Das deutsche Bildungssystem setzt bislang auf die frühe selektive Trennung der Schüler und ihre Verteilung auf die verschiedenen Ebenen des hierarchisch gestuften Bildungssystems, und dies schon im frühen Alter. Das Schulsystem in Kanada zeigt das sich Inklusion und gleichzeitig leistungsstarkes Lernen nicht nur miteinander vereinbaren lassen, sondern sich gegenseitig sogar bedingen. Eine neun bis zehn Jahre lange gemeinsame Beschulung fördert die Entwicklung aller Schüler z.B. durch gemeinsames Lernen (vgl. GEIßLER/WEBER-MENGES 2010, S.580f).
Hillmert zählt zu den gesellschaftlichen Funktionen von Bildung die kollektive Vermittlung von Wissen und Kompetenzen, die normative Sozialisation nachwachsender Generationen und die Selektion[2] sowie die Allokation[3] von gesellschaftlich notwendigen Positionen (vgl. HILLMERT 2009, S.85). Er macht in seinen weiteren Ausführungen auf die Funktion von Bildung in Bezug auf die Gesellschaft deutlich, dass Selektion nicht erst gegen Ende der schulischen Laufbahn stattfindet, sondern nach vier Jahren bei der Empfehlung der zu besuchenden Sekundarschulart. Lehrer selektieren oft schon früher, da die Kinder in den Klassen unterschiedliche Kompetenzen, aber auch belastende Faktoren durch nicht zuletzt ihr Elternhaus mit sich bringen (vgl. HILLMERT 2009, S.96f zit. nach JACOB/HILLMERT 2008, o.S.) Ein weiteres Problem stellt die qualitative Verschiebung der Bildung, hin zu einer „Massenbildung“ dar. Bildung wird dadurch zu einem Inklusionsmedium, gleichzeitig bedeutet dies auch eine besondere Exklusionsgefahr für diejenigen, welche die qualifikatorischen Mindestanforderungen von Bildungseinrichtungen nicht erfüllen (vgl. STICHWEH/WINDOLF 2009, S.86).
Das Bildungssystem eröffnet Inklusionschancen, sowohl in der Primaren Beschulung als auch in den Sekundarstufen. Die vorangegangenen Expertenaussagen haben jedoch auch aufgezeigt, dass die Bildungsprozess nicht nur zu sozialer Inklusion, sondern Selektionsprozesse und letztendlich auch Exklusionsprozesse bedingen können. Bildung kann eine mehrdimensionale Inklusion in verschiedenen Lebensbereichen leisten, da sieals soziale Querschnittsvariable Kinder verschiedenster gesellschaftlicher Schichten und Milieus zusammenbringt und diese in den Bildungseinrichtungen gemeinsam sozialisiert. Grade aufgrund dieser zentralen Bedeutung für die kindliche sekundäre Sozialisation und nicht zuletzt die Bedeutung dessen für deren Eltern[4] besteht erhöhte Exklusionsgefahr. Vor allem besteht die Gefahr für Kinder mit absoluten oder relativen Bildungsdefiziten. Diese Bildungsdefizite können auf die soziale Herkunft, das gesellschaftliche Prestige oder die zur Verfügung stehenden materiellen Ressourcen zurückzuführen sein. Abhängig von der Ausprägung, deren Zusammenspiel und ihrer Stabilität können sie sich zu Phänomenen ausgeprägter sozialer Exklusion verdichten (vgl. STICHWEH/WINDOLF 2009, S.86).
[...]
[1] Als Beleg dafür dient der Rosenthal Effekt. Im Jahre 1965 führten die Psychologen Robert Rosenthal und Leonore Jacobsen an zwei amerikanischen Grundschulen dazu eine Studie durch und konnten nachweisen das die Einstellung der Lehrer nachweislich Einfluss auf die Bewertung der Schüler hat (vgl. PSYCHOLOGIE IM ALLTAG 2011)
[2] Selektion meint die Auswahl oder Auslese von etwas oder jemandem. Durch das Bildungssystem findet somit eine Auslese von den Bildungsteilnehmern statt. In Deutschland findet diese Auslese nach dem Primarbildungsbereich statt.
[3] Allokation bezeichnet die Zuordnung zu einer gesellschaftlichen Gruppe oder Position.
[4] Durch die primäre Sozialisation oder Prägung durch die Eltern sind Kinder, wenn sie Bildungseinrichtungen besuchen, in gewissem Maße vorgeprägt, da die Einstellung der Eltern in Form der Erziehung das Kind geprägt hat. Diese Adaption der elterlichen Haltung bedingt noch vor dem Kennenlernen der Bildungseinrichtung und den dort Lernenden den Exklusionsprozess.
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- Manuel Lemke (Author), 2016, Inklusion und Exklusion im deutschen Schulsystem. Ein Überblick, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337908
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