Auf der Kinoleinwand begegnen wir Blinden häufiger als im Alltag. Erstmals in dieser Breite widmet sich Jens Hinrichsen dem Phänomen blinder Menschen im Spielfilm: Figuren in einem Spiel, aus dem sie weitgehend ausgeschlossen sind – schließlich wird Kino für Sehende produziert. Was lässt blinde Kinofiguren so attraktiv für Drehbuchautoren und Regisseure erscheinen? Geht es um Blindheit als Metapher oder soll der Zuschauer etwas über den Alltag dieser Menschen erfahren?
Anhand verschiedener Filmbeispiele fragt der Autor, warum das Kino so häufig ganz andere Blindengeschichten erzählt, als das Leben sie schreibt. Warum finden sich fast nie Schurken unter den blinden Kinofiguren? Warum müssen Blinde im Film häufig für Passionsgeschichten herhalten? Mainstream-Produktionen erreichen ein großes Publikum und haben starken Einfluss auf die Bilder, die sich eine Gesellschaft von Behinderten macht. Ein Actionstreifen wie "Daredevil" illustriert idealtypisch das positive Klischee des "Supercrip", des omnipotenten Krüppels.
An einer Hand abzuzählen sind Filme, die sich um einen tieferen Einblick in den Blindenalltag bemühen. Die Perspektive eines Blinden einzunehmen, erweist sich geradezu als Quadratur des Kreises. Dennoch setzen Filmemacher Sehbehinderung und Blindheit immer wieder mit optischen oder akustischen Mitteln ins Bild.
Behandelt werden nicht nur blinde Kinofiguren im Mainstream, auch "besondere Filme", die wirklich etwas über das Leben der blinden oder sehbehinderten Charaktere erzählen, sind Teil der Untersuchung. Dazu gehört Arthur Penns herausragender Helen-Keller-Film „Licht im Dunkel“ ebenso wie „Dancer in the Dark“ von Lars von Trier, in dem die Sängerin Björk eine erblindende Frau spielt. Sind diese Filme mehr als nur "Feelgood-Movies"? Der Autor gibt differenzierte Antworten.
Zu bedenken bleibt: Blinde und Sehbehinderte sind im Alltag Beschränkungen unterworfen, die sich Nichtbehinderte kaum vorstellen können. Diese Menschen sind auf finanzielle, praktische und emotionale Unterstützung in besonderem Maß angewiesen. Die Sensibilisierung des sehenden Publikums mag ein Schritt auf dem Weg zu mehr Verantwortungsgefühl gegenüber Sehbehinderten sein. Doch: wenn ein Zuschauer über das Schicksal eines Blinden zu Tränen gerührt ist, stellt das noch keinen Beitrag zur Emanzipation von Behinderten dar. Ob Spielfilme auf solche Ziele hinwirken können? Das Buch versucht darauf eine Antwort zu geben.
Inhaltsverzeichnis
- Von Bildern und Bildstörungen - Einleitung
- Dorn im Auge - Blendung als filmischer Schock
- Statisten mit Stock – Blinde in Nebenrollen
- Im Rampenlicht - Blinde in Hauptrollen, ein historischer Überblick
- Die Supercrips
- Ich sehe was, was Du nicht siehst
- Opfergang mit Augenbinde
- Schwarze Pädagogik
- Der Sonne fern
- Der korrigierte Blick
- Ausblick ohne rosa Brille - Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese filmwissenschaftliche Untersuchung analysiert die Darstellung von Blinden in Spielfilmen. Der Text beleuchtet die Häufigkeit und die Stereotypisierung von Blindenfiguren im Film und untersucht, wie diese Figuren im Kontext der jeweiligen Filmgenres wahrgenommen werden. Die Studie fragt, warum Blinde im Film so oft als Opfer dargestellt werden, und wie ihre Darstellung mit filmischen Konventionen und narrativen Strukturen zusammenhängt.
- Darstellung von Blinden in Spielfilmen
- Häufigkeit von Blindheit als Film-Handicap
- Stereotypisierung von Blindenfiguren in Filmgenres
- Funktion von Blindenfiguren in der filmischen Dramaturgie
- Kritik der Darstellung von Blinden im Film
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel untersucht die Darstellung von Blinden in Spielfilmen im Allgemeinen und stellt die statistische Häufigkeit von Blindheit als Handicap im Film fest. Kapitel zwei beleuchtet die Funktion von Blendung als filmischem Schockeffekt. Kapitel drei analysiert die Darstellung von Blinden in Nebenrollen, während Kapitel vier sich mit den verschiedenen Darstellungsformen von Blinden in Hauptrollen beschäftigt. Kapitel vier umfasst einen historischen Überblick über die Darstellung von Blinden im Film und analysiert verschiedene Filmgenres, darunter Actionfilme, Thriller und Biopics. Schließlich bietet das Kapitel einen Ausblick auf die zukünftige Darstellung von Blinden im Film.
Schlüsselwörter
Die Untersuchung fokussiert auf folgende Schlüsselbegriffe: Blinde und Sehbehinderte im Film, Stereotypen in Spielfilmen, Filmgenres, narrative Strukturen, filmische Dramaturgie, Behinderten-Darstellung, Filmgeschichte.
- Quote paper
- Jens Hinrichsen (Author), 2004, Blinde im Kino, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33737