Haben Menschenrechte einen Ursprung? Lässt sich diese Frage überhaupt mit deren grundsätzlichen Ideen vereinbaren? Menschenrechte werden als angeboren und unverlierbar beschrieben, sie gelten als vorstaatlich, egalitär, moralisch, universell, unteilbar und individuell. All diese Eigenschaften lassen den Schluss zu, dass Menschenrechte weder eine Geschichte noch einen Ursprung haben, dass sie für jeden gleich gelten und schon immer gegolten haben. Aber ist das wirklich so? Haben die Menschenrechte tatsächlich keine Historie?
Anders als sich anhand der Charakteristika vermuten lassen würde, hat die Idee menschlicher Rechte mehrere Geschichten und unterschiedliche Ursprünge. Sie umfassen eine Zeitspanne vom antiken Griechenland bis ins späte 20. Jahrhundert und werden verschieden begründet und erklärt. Diesen sogenannten „Genealogien der Menschenrechte“ gehen schon Generationen von Philosophen, Rechtswissenschaftler und Historiker nach und sie sind auch heute noch heftigst umstritten.
Eine dieser Genealogien ist das Naturrecht, das durch Philosophen wie Hugo Grotius oder John Locke geprägt wurde. Dieses lässt sich mit den oben genannten Eigenschaften der Menschenrechte leicht vereinbaren: „Natural rights are moral rights“ (Mäkinen 2015: 67). Aber gibt es tatsächlich Rechte, die wir nur haben, weil wir Menschen sind? Oder ist es nicht eher so, wie Jeremy Bentham bereits 1843 gesagt hat: „Natural rights is simple nonsense; natural and imprescriptible rights, rhetorical nonsense, – nonsense upon stilts“?
Einen anderen, fast schon entgegengesetzten Ursprung sehen die Vertreter der sozialen Konstruktion von Menschenrechten. Sie verfolgen die Ansicht, dass Menschen nicht alleine durch ihre Gattung und die Natur Rechte haben, sondern diese erst durch Unterdrückungs- und Leiderfahrungen entstehen. Ein Individuum kommt hiernach also nicht durch das Menschsein zu seinen Rechten, sondern bekommt diese erst von Menschen durch und mit der Geschichte verliehen. Erst durch die Missachtung von Menschenrechten können diese entstehen und sich entwickeln: „Am Anfang der Entwicklung von Menschenrechten stehen Mord und Folter, Sklaverei und Knechtschaft, also die noch nicht begrenzten Möglichkeiten, Menschen zu erniedrigen und zu unterdrücken“ (Fritzsche 2009: 24). Kann das aber sein? Wie ist es möglich, dass Menschenrechte erst nach deren Verletzung deklariert werden können?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Worte
- Theoretische und philosophische Grundlagen der Menschenrechte
- Menschenrechte als Naturrecht
- Menschenrechte als soziale Konstruktion
- Unrechtserfahrungen als Ursprung der Menschenrechte
- Exkurs: Der Nationalsozialismus
- Das Menschenbild des Nationalsozialismus
- Menschen- und Bürgerrechte im Nationalsozialismus
- Die Entstehungsgeschichte der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
- Der Einfluss der NS-Zeit auf die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
- Exkurs: Der Nationalsozialismus
- Fazit: Erfahrungen von Leid – Der Ursprung der Menschenrechte?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob Menschenrechte ihren Ursprung im Naturrecht oder in der sozialen Konstruktion finden. Insbesondere soll untersucht werden, inwieweit die Erfahrungen des Nationalsozialismus die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 beeinflusst haben. Die Arbeit befasst sich mit den verschiedenen Argumenten und Theorien, die die Entstehung von Menschenrechten erklären. Dabei werden die zentralen Begriffe wie Naturrecht, soziale Konstruktion und Unrechtserfahrungen im Kontext des Nationalsozialismus beleuchtet.
- Die verschiedenen Genealogien der Menschenrechte
- Der Einfluss des Naturrechts auf die Menschenrechte
- Die Bedeutung von Unterdrückungs- und Leiderfahrungen für die Entstehung von Menschenrechten
- Der Nationalsozialismus und sein Einfluss auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“
- Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ als Produkt von Naturrecht und sozialer Konstruktion
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine Einleitung in die Thematik und stellt die Forschungsfrage vor: Inwieweit lässt sich die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 auf das Naturrecht und die Unterdrückungserfahrungen des Nationalsozialismus zurückführen? Das zweite Kapitel betrachtet die theoretischen Grundlagen der Menschenrechte, indem es sowohl das Naturrecht als auch die soziale Konstruktion von Menschenrechten beleuchtet. Im dritten Kapitel wird der Nationalsozialismus als historisches Beispiel für Unrechtserfahrungen analysiert, die die Entstehung von Menschenrechten beeinflusst haben. Dabei werden das Menschenbild des Nationalsozialismus sowie dessen Einfluss auf die Menschen- und Bürgerrechte untersucht. Das Kapitel beleuchtet auch die Entstehungsgeschichte der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ und den Einfluss der NS-Zeit auf diese.
Schlüsselwörter
Menschenrechte, Naturrecht, soziale Konstruktion, Nationalsozialismus, „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, Unrechtserfahrungen, Unterdrückung, Geschichte der Menschenrechte, Genealogien der Menschenrechte.
- Quote paper
- Lena Griebel (Author), 2016, Der Einfluss des Naturrechts und des Nationalsozialismus auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335988