Gemäß § 111 Satz 1 InsO kann der Erwerber eines durch den Insolvenzverwalter freihändig veräußerten Grundstücks die Mietverhältnisse, in deren Rechte und Pflichten er als neuer Eigentümer eintritt, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Sofern Mietverhältnisse über Wohnraum betroffen sind, bleibt die Notwendigkeit des Vorliegens eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 BGB jedoch unberührt. § 111 S. 2 InsO schränkt dieses Sonderkündigungsrecht dahingehend ein, dass die Kündigung nur für den ersten Termin erfolgen kann, für den sie zulässig ist. Dies meint den ersten, unter Einhaltung der jeweiligen gesetzlichen Frist erreichbaren Termin. Abzustellen ist für die Bestimmung dieses ersten Termins auf den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs – d.h. Eintragung des Erwerbers im Grundbuch – und den damit einhergehenden Eintritt in das Mietverhältnis gem. § 566 BGB (ggf. in Verbindung mit § 578 BGB). Hält der Erwerber diesen Termin nicht ein, so erlischt das Sonderkündigungsrecht.
Die Problematik dieses nach dem Wortlaut des § 111 S. 2 InsO sehr strikten Sonderkündigungsrechts zeigt sich in den Fällen, in denen eine Eigentumsumschreibung derart kurzfristig vor der „ersten“ Kündigungsmöglichkeit erfolgt, dass der Erwerber zu diesem Zeitpunkt entweder noch gar keine Kenntnis von seiner Eigentümerstellung hat, oder er aber zwar Kenntnis hat, die Zustellung der Kündigung aber nicht mehr rechtzeitig möglich ist . Bei exakter Subsumtion unter den Wortlaut der Vorschrift bliebe dem Erwerber das Sonderkündigungsrecht aus § 111 InsO in diesen Fällen faktisch versagt. Dasselbe Problem stellt sich darüber hinaus in den Fällen, in denen der Erwerber keine Kenntnis von dem bestehenden Mietverhältnis hatte und aus diesem Grund eine Kündigung zum ersten zulässigen Termin unterlässt. Auch hier wäre das Sonderkündigungsrecht nach dem Wortlaut des § 111 Satz 2 InsO erloschen.
Die Untersuchung dieser Probleme und die Entwicklung von Lösungsvorschlägen sind Gegenstand dieser Arbeit sein.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Die Kündigung durch den Erwerber
- I. Vermieterstellung des Erwerbers
- 1. Fortbestand des Mietvertrages in der Insolvenz
- 2. Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse
- 3. Kenntnis des Mietvertrages
- 4. Zwischenergebnis
- II. Ordentliche Kündigungsrechte
- 1. Voraussetzungen und Unterschiede
- a) Wohnungsmietvertrag
- b) Gewerbemietvertrag
- 2. Zeitpunkt der Ausübung
- 3. Zwischenergebnis
- III. Das Sonderkündigungsrecht gem. § 111 InsO
- 1. Normzweck
- 2. Voraussetzungen und Fristen
- a) Insolvenzschuldner als Vermieter
- b) Mietverhältnisse über Wohnraum
- c) Einzuhaltende Fristen
- 3. Der Wortlaut des § 111 S. 2 InsO
- 4. Die Bestimmung des ersten Termins
- a) Meinungsstand
- b) Betrachtung einzelner Fallgruppen
- aa) Kenntnis der Eigentümerstellung
- (1) Verfahren der Eigentumsumschreibung
- (2) Bekanntmachung der Eintragung
- (3) Zurechnung der Kenntnis des Notars?
- (4) Erkundigungspflicht
- bb) Kenntnis des Mietvertrages
- (1) Unschädlichkeit fehlender Kenntnis
- (2) Zeitliche Grenze
- cc) Überlegungsfrist
- dd) Täuschung durch den Mieter
- C. Ergebnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Sonderkündigungsrecht des Erwerbers gemäß § 111 InsO. Ziel ist es, die Voraussetzungen und die Auslegung dieser Regelung zu klären, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des ersten Kündigungstermins und die Rolle der Kenntnis des Erwerbers vom Mietvertrag. Die Arbeit analysiert die Rechtsprechung und Literatur zu diesem Thema und entwickelt eine eigene Position.
- Das Sonderkündigungsrecht des Erwerbers nach § 111 InsO
- Die Bedeutung der Kenntnis des Erwerbers vom Mietverhältnis
- Die Bestimmung des ersten Kündigungstermins
- Vergleich mit ähnlichen Regelungen in anderen Rechtsgebieten
- Auswirkungen auf die Rechte des Mieters
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Dieses Kapitel führt in die Thematik des Sonderkündigungsrechts des Erwerbers nach § 111 InsO ein und skizziert den Aufbau der Arbeit. Es erläutert die Bedeutung der Thematik und die Forschungsfrage, die im weiteren Verlauf beantwortet werden soll. Der Fokus liegt auf der Klärung offener Fragen und der systematischen Darstellung der Rechtslage. Es dient als Grundlage für das Verständnis der folgenden Kapitel, in denen die einzelnen Aspekte detailliert untersucht werden.
B. Die Kündigung durch den Erwerber: Dieses Kapitel bildet den Kern der Arbeit und analysiert verschiedene Aspekte der Kündigung durch den Erwerber eines Grundstücks, insbesondere im Kontext des Mietverhältnisses. Zunächst wird die Stellung des Erwerbers als Vermieter untersucht. Es werden sowohl die ordentlichen Kündigungsrechte als auch das Sonderkündigungsrecht nach § 111 InsO behandelt. Dabei wird insbesondere auf die Voraussetzungen, Fristen und die Auslegung des Gesetzestextes eingegangen. Der Vergleich verschiedener Rechtsprechungsentscheidungen und literaturwissenschaftlicher Interpretationen bildet den Schwerpunkt dieser Analyse. Das Kapitel strukturiert sich in drei Hauptabschnitte, die die Vermieterstellung des Erwerbers, die ordentlichen Kündigungsrechte und das Sonderkündigungsrecht nach § 111 InsO systematisch auseinandernehmen.
C. Ergebnisse: Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Es werden die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorhergehenden Kapiteln zusammengefasst und die zentralen Schlussfolgerungen der Arbeit dargestellt. Dabei werden die unterschiedlichen Positionen und Meinungen in der Rechtsprechung und Literatur kritisch gewürdigt und in einen größeren Kontext eingeordnet. Das Kapitel dient als abschließende Zusammenfassung und bietet eine synthetische Darstellung der erarbeiteten Ergebnisse.
Schlüsselwörter
§ 111 InsO, Sonderkündigungsrecht, Erwerber, Mietvertrag, Insolvenz, Kündigung, Vermieter, Mieter, Rechtsprechung, Literatur, Auslegung, Frist, Kenntnis, Eigentum, Wohnraum, Gewerbemietvertrag.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Kündigung durch den Erwerber nach § 111 InsO
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit befasst sich mit dem Sonderkündigungsrecht des Erwerbers gemäß § 111 InsO. Sie untersucht die Voraussetzungen und die Auslegung dieser Regelung, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des ersten Kündigungstermins und die Rolle der Kenntnis des Erwerbers vom Mietvertrag.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Das Sonderkündigungsrecht des Erwerbers nach § 111 InsO, die Bedeutung der Kenntnis des Erwerbers vom Mietverhältnis, die Bestimmung des ersten Kündigungstermins, einen Vergleich mit ähnlichen Regelungen in anderen Rechtsgebieten und die Auswirkungen auf die Rechte des Mieters. Sie analysiert die Rechtsprechung und Literatur zu diesem Thema und entwickelt eine eigene Position.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile: Einleitung (Einleitung in die Thematik und Forschungsfrage), Die Kündigung durch den Erwerber (Analyse der Vermieterstellung des Erwerbers, ordentlicher Kündigungsrechte und des Sonderkündigungsrechts nach § 111 InsO, inklusive detaillierter Untersuchung der Voraussetzungen, Fristen und Gesetzesauslegung) und Ergebnisse (Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick auf zukünftige Entwicklungen).
Was wird unter der Vermieterstellung des Erwerbers untersucht?
Dieser Abschnitt untersucht, unter welchen Bedingungen der Erwerber eines Grundstücks als Vermieter gilt, insbesondere im Kontext des Fortbestands des Mietvertrages in der Insolvenz, der Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse und der Kenntnis des Mietvertrages durch den Erwerber.
Wie werden die ordentlichen Kündigungsrechte behandelt?
Die Arbeit differenziert zwischen den ordentlichen Kündigungsrechten für Wohnungs- und Gewerbemietverträge, betrachtet die Voraussetzungen und Unterschiede sowie den Zeitpunkt der Ausübung dieser Rechte.
Welche Rolle spielt § 111 InsO?
§ 111 InsO bildet den Schwerpunkt der Arbeit. Die Analyse konzentriert sich auf den Normzweck, die Voraussetzungen und Fristen des Sonderkündigungsrechts, den Wortlaut des § 111 S. 2 InsO und die Bestimmung des ersten Kündigungstermins. Besondere Aufmerksamkeit wird der Frage der Kenntnis des Erwerbers vom Mietvertrag und den daraus resultierenden Konsequenzen gewidmet.
Wie wird die Bestimmung des ersten Kündigungstermins behandelt?
Die Bestimmung des ersten Kündigungstermins wird umfassend analysiert, inklusive einer Auseinandersetzung mit verschiedenen Meinungen in Rechtsprechung und Literatur. Die Arbeit betrachtet dabei verschiedene Fallgruppen, wie z.B. die Kenntnis der Eigentümerstellung (inkl. Verfahren der Eigentumsumschreibung, Bekanntmachung der Eintragung, Zurechnung der Kenntnis des Notars und Erkundigungspflicht), die Kenntnis des Mietvertrages und die Bedeutung einer möglichen Täuschung durch den Mieter.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: § 111 InsO, Sonderkündigungsrecht, Erwerber, Mietvertrag, Insolvenz, Kündigung, Vermieter, Mieter, Rechtsprechung, Literatur, Auslegung, Frist, Kenntnis, Eigentum, Wohnraum, Gewerbemietvertrag.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Das Kapitel "Ergebnisse" fasst die zentralen Schlussfolgerungen der Arbeit zusammen. Es bietet eine kritische Würdigung der unterschiedlichen Positionen in Rechtsprechung und Literatur und ordnet die Ergebnisse in einen größeren Kontext ein.
- Quote paper
- Jochen Neumann (Author), 2015, Das Sonderkündigungsrecht des Erwerbers gem. § 111 InsO, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335220