Die „Donaueschinger Musiktage“ – für die sich in Fachkreisen das Schlagwort „Donaueschingen“ eingebürgert hat – gelten heute als eines der international renommiertesten Aufführungspodien für Neue Musik. Donaueschingen war und ist musikhistorisch wegweisend dadurch, dass an diesem Ort eine Vielfalt von Strömungen der Neuen Musik seit den 1920er Jahren exemplarisch repräsentiert wurde. Größtenteils ahnten die Programmgestalter neue Entwicklungen sogar voraus, indem sie den Komponisten für ihre Beiträge inhaltliche Schwerpunkte als jeweiliges Festivalmotto vorgaben. Im Donaueschingen der 20er Jahre wurden außerdem die ersten Schritte der Verbindung von Musik und Massenmedien in Deutschland präsentiert. Josef Häusler bezeichnet Donaueschingen schlechthin als „Spiegel der Neuen Musik“ (vgl. Häu).
Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Darstellung der 1920er Jahre, d.h. auf den Zeitraum von der Gründung der Musiktage 1921 bis in das Jahr 1930. Dieses Jahr markiert in der Geschichte der Musiktage eine Zäsur. In den Jahren danach wurde das Festival aus finanziellen und ideologischen Gründen eingestellt, erlebte dann von 1934 bis kurz vor Kriegsende eine Phase der Instrumentalisierung durch die nationalsozialistische Kunstideologie und wurde – nach einem fehlgeschlagenen, konservativen, Wiederbelebungsversuch nach dem Krieg – im Jahr 1950 als dasjenige Festival für Neue Musik (neu)begründet, als das es noch heute internationale Reputation genießt.
Bei der Beschäftigung mit dem ersten Jahrzehnt in Donaueschingen zeigt sich, dass die hier stattfindende Entwicklung engstens verknüpft ist mit dem künstlerischen Werdegang Paul Hindemiths (1895-1963). Die Person Hindemiths ist in dreifacher Weise mit den „Donaueschinger“ zwanziger Jahren verbunden. Erstens beteiligte er sich bis 1926 als einer der Aktivsten an den musikalischen Darbietungen. Zweitens war Hindemith der am meisten aufgeführte Komponist. Und drittens gehörte er seit 1923 dem dreiköpfigen „Arbeitsausschuss“ an, der das jährliche Programm zusammenstellte. Sein energischer Einsatz für zeitgenössische Komponisten und bestimmte ästhetische Richtli-nien prägte das Festival maßgeblich. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Hindemith in ideeller Hinsicht der Hauptverantwortliche für Donaueschingens Weltruf ist. Zudem ist erwiesen, dass Hindemith selber durch Aufführungen seiner Werke in Donaueschingen international bekannt wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Thema
- These und Ziel
- Vorgehensweise
- Programmschwerpunkte und Entwicklungstendenzen
- Erste Phase: Kammermusikaufführungen
- Chronologie
- Die Bedeutung von Hindemiths Streichquartetten opp. 16 und 22
- Zweite Phase: Spielarten der Musik der Neuen Sachlichkeit
- Chronologie
- Von der Bildenden Kunst zur Musik
- Musikhistorische Situation
- Ein neues ästhetisches Paradigma
- Entstehung des Begriffs „Gebrauchsmusik“
- Mechanische Musik
- Gemeinschaftsmusik
- „Lindberghflug“ und „Lehrstück“ als Synthesen neusachlicher Tendenzen
- Zusammenfassung
- Erste Phase: Kammermusikaufführungen
- Bemerkungen zu Adornos Abrechnung mit Hindemith und der Musik der zwanziger Jahre
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Donaueschinger Musiktage der 1920er Jahre, mit besonderem Fokus auf die Rolle von Paul Hindemith. Sie untersucht, wie Hindemiths Wirken die musikalischen und ästhetischen Entwicklungen des Festivals prägte und wie er selbst in Donaueschingen seine eigenen künstlerischen Entwicklungsschritte vollzog. Die Arbeit zeigt auf, wie Hindemiths Bedeutung für die Musikgeschichte durch die Donaueschinger Aktivitäten neu bewertet werden kann.
- Die Donaueschinger Musiktage als Plattform für Neue Musik und Hindemiths Einfluss auf deren Entwicklung
- Hindemiths kompositorische Entwicklung in den 1920er Jahren, dargestellt am Beispiel seiner Werke in Donaueschingen
- Die Rolle der Musik der Neuen Sachlichkeit und die Einordnung Hindemiths in diese Strömung
- Die Auseinandersetzung mit Adornos Kritik an Hindemith und deren Auswirkungen auf die Rezeption des Komponisten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und definiert die These, die belegt werden soll. Sie beschreibt Hindemiths enge Verbindung zu Donaueschingen und setzt sich kritisch mit der gängigen Rezeption seiner Musik in der Musikgeschichtsschreibung auseinander. Anschließend wird die Vorgehensweise der Arbeit erläutert, die in zwei Phasen gegliedert ist: Die erste Phase behandelt die Kammermusikaufführungen in Donaueschingen (1921-1924), die zweite Phase analysiert die Spielarten der Musik der Neuen Sachlichkeit (1925-1930).
Das zweite Kapitel beleuchtet die Entwicklung der Donaueschinger Musiktage in zwei Phasen. Die erste Phase zeichnet ein Bild der Kammermusikaufführungen in Donaueschingen und beleuchtet die Bedeutung von Hindemiths Streichquartetten. Die zweite Phase analysiert die Rolle der Musik der Neuen Sachlichkeit im Kontext der Donaueschinger Musiktage und untersucht, wie Hindemith in diese Strömung einzuordnen ist.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit Adornos Kritik an Hindemith und analysiert die ideologiekritischen Argumente, die Adorno zur Begründung seiner Rezeption Hindemiths anführt.
Schlüsselwörter
Donaueschinger Musiktage, Paul Hindemith, Neue Musik, Neue Sachlichkeit, Gebrauchsmusik, Kammermusik, Adorno, Musikgeschichtsschreibung, 1920er Jahre.
- Arbeit zitieren
- Andreas Jakubczik (Autor:in), 2004, Donaueschingen und Paul Hindemith. Stationen einer Doppelkarriere 1921-1930, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33520