Wie unterscheiden sich die Bildungssysteme der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland? Gibt es überhaupt Unterschiede? Und wenn ja, welche?
Diese Fragen möchte ich im folgenden versuchen zu beantworten.
Zuerst stelle ich das Bildungssystem der Niederlande vor, gefolgt von einer Übersicht über das deutsche Bildungssystem.
Danach möchte ich aus den beiden Vorstellungen der Bildungssysteme Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen.
Zum Abschluss erfolgt der Versuch einer eigenen Bewertung dieser beiden Systeme.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Bildungssystem der Niederlande
Geschichte
Administrative Struktur
Bildungssystem
Schulformen
Hochschulwesen
Berufsbildung
3.Bildungssystem der BRD
Geschichte und Administrative Struktur
Bildungssystem
Schulformen
Hochschulwesen
Berufsbildung
Weiterbildung/ Quartärbereich
4.Vergleich der Schulsysteme
5.Eigene Bewertung
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
1.Einleitung
Wie unterscheiden sich die Bildungssysteme der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland? Gibt es überhaupt Unterschiede? Und wenn ja, welche?
Diese Fragen möchte ich im folgenden versuchen zu beantworten.
Zuerst stelle ich das Bildungssystem der Niederlande vor (2), gefolgt von einer Übersicht über das deutsche Bildungssystem (3).
Danach möchte ich aus den beiden Vorstellungen der Bildungssysteme Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen (4).
Zum Abschluss erfolgt der Versuch einer eigenen Bewertung dieser beiden Systeme (5).
2. Bildungssystem der Niederlande
Geschichte
Das Schulsystem der Niederlande ist geprägt durch vielfaltige Wandlungen und heftigen politischen Auseinandersetzungen (Bertelsmann Stiftung, 1996; S.41).
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch den sogenannten „Schulstreit“, in dem es um die Emanzipation von Katholiken und Protestanten im gesellschaftlichen Leben ging. Im Jahre 1917 wurde dieser Streit durch die „Befriedung“ (pacificatie) beigelegt und legte somit die Grundlage für das heutige niederländische Schulsystem (Bertelsmann Stiftung, 1996;).
Wichtigster Grund für die Beendigung des „Schulstreites“ war die grundlegende Änderung des Grundgesetzes.
Das neue Gesetz schrieb die Gleichwertigkeit von öffentlichen und privaten Schulen fest. Dadurch hatten auch private Schulen in ganz unterschiedlicher Trägerschaft ein verfassungsrechtlichen Anspruch auf 100prozentige staatliche Subvention.
Weiterhin erhielten diese Schulen weitgehende Freiheiten bei ihrer Gründung, der Gestaltung von Curriculums und Unterricht und bei der Einstellung von Lehrpersonal (Bertelmann Stiftung, 1996;).
Innerhalb dieser Freiheiten gab es nur drei Beschränkungen:
a) Die Schulen müssen an landesweiten Abschlußprüfungen am Ende des Sekundarunterrichts teilnehmen;
b) Eine staatlichen Schulinspektion, die alle fünf bis sechs Jahre im Auftrag des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft durchgeführt wird, muß akzeptiert werden und
c) bestimmte arbeitsrechtlichen Vereinbarungen müssen eingehalten werden. (Dörbert/Geiß,1997 S.117)
Diese Freiheiten von Unterricht und Schulwahl hat Verfassungsrang. Der Artikel 23 der niederländischen Verfassung garantiert unter anderem die Freheit von Schulgründungen auf der Grundlage religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen und die entsprechende Gestaltung des Unterrichts sowie die finanzielle Gleichbehandlung öffentlicher und privater Schulen ( Bertelmann Stiftung, 1996).
Das hat zur Folge, daß heute etwa 75 % aller Schulen Privatschulen sind, die sich alle selbst gestalten können.
Administrative Struktur
Die Verbindung einer zentralen Steuerung durch den Minister für Wissenschaft und Bildung mit einer dezentralen Verwaltung ist kennzeichnend für dieses Bildungssystem (Bertelmann Stiftung, 1996)
Dabei lassen sich direkte und indirekte Steuerungsinstrumente unterscheiden:
Direkte Steuerungsinstrumente sind qualitative und quantitative Anforderungen an den Unterricht, während indirekte Steuerungsinstrumente in Regelungen für die Zuweisung von finanziellen und anderen Mitteln bestehen (Bertelsmann Stiftung, 1996)
Die Schulaufsicht obliegt dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft als Zentralbehörde. Ausnahme ist der landwirtschaftliche Unterricht, der dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Fischerei unterstellt ist.
Des weiteren unterliegt dem Ministerium die Organisation der Schulen (z. B. Stundenzahl oder Pflichtfächer) und die Finanzierung.
Die Verwaltung der öffentlichen Schulen, (z.B. Reichsschulen), und die Durchführung der Prüfungen gehören ebenfalls zum Aufgabengebiet (Bertelsmann, 1996).
Auch die Qualifikation und Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte wird von dem Ministerium kontrolliert.
Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, werden den Schulen von der Schulaufsicht die Finanzmittel zugewiesen, wobei – wie schon beschrieben - private und öffentliche Schulen gleichgestellt sind (Tabelle 2.2.1).
Träger der privaten Schulen sind Stiftungen, Vereine oder kirchliche Organisationen, wo die Verwaltung der Schule dem Vorstand dieser Organisationen obliegt
Die Provinzen als Zwischenebene haben kaum Befugnisse im Bildungsbereich und sind demnach auch kein Schulträger.
Sie achten darauf, dass ein ausreichendes Angebot an öffentlichen Grund- und weiterführenden Schulen angeboten wird. Des weiteren sind sie Berufsorgan für Entscheidungen der einzelnen Kommunen. Sie sind also vorwiegend mit Kontroll- und Rechtsprechungsaufgaben betraut.
Die Gemeinden dagegen besitzen zwei Aufgaben:
Zum einen sind sie Schulträger der öffentlichen Schulen und zum anderen führen sie im Auftrag der Zentralregierung u.a. die Aufsicht über die Einhaltung der Schulpflicht und Verteilung der zugewiesenen Finanzmittel aus.
Innerhalb des Primarbereichs sind sie für die Schulentwicklungsplanung zuständig, d.h. sie wählen die Lehrmittel, arbeiten den Stundenplan aus oder entscheiden über die Zulassung von LehrerInnen (Kreienbaum, 1997).
Bildungssystem
„Die Niederlande verfügen über ein reich gegliedertes Schulsystem mit einer relativ spät einsetzenden Spezialisierung der Schüler und großer Durchlässigkeit“ (Bertelmann, 1996). Strukturell gesehen ist dieses System also vertikal gegliedert.
Eine kategorische Trennung zwischen den einzelnen Schularten erfolgt nicht direkt nach der Grundschule erfolgen, sondern es wird den Schülern die Möglichkeit gegeben werden sich möglichst lange in einer wenig selektiven Umgebung zu entwickeln und aufzuhalten.
Die Kinder in den Niederlanden werden mit Vollendung des fünften Lebensjahres schulpflichtig und nach 12 Jahren ist die Schulpflicht beendet. Besucht das Kind nach dem 16. Lebensjahr weiterhin eine Vollzeitschule, müssen die Eltern Schulgeld bezahlen (Kreienbaum, 1997).
Für die Schüler, die nach dem 16. Lebensjahres keine Vollzeitschule mehr besuchen, besteht eine zweijährige Teilzeitschulpflicht von ein bis zwei Tagen pro Woche.
Schulformen
Der Primarbereich integriert Kindergarten und Grundschule für Kinder von 4 bis 12 Jahren, die man Basisschule [basisschool] nennt und ist eine Ganztagsschule
Diese Form der Basisschule existiert erst seit 1985. Davor gab es eine sechsjährige Grundschule für sechs bis zwölfjährige und Kindergärten für vier bis sechsjährige Kinder. Die Schulpflicht galt damals erst ab sechs Jahren.
Am Ende der Primarschulzeit müssen die Schüler einen Test schreiben, der zusammen mit einer persönlcihen Beratung durch die Lehrer und dem Elternwunsch für die Entscheidung für eine weiterführenden Schule herangezogen wird (Kreienbaum, 1997).
Der Sekundarbereich gliedert sich in vier Schultypen mit allgemeinbildenden und berufsbildenden Unterricht für Schüler von 12 bis 18 Jahren.
Genauso wie der Primarbereich, befindet sich der Sekundarbereich seit 1993 im Umbruch.
Bislang wurde dieser Bereich seit 1968 von dem sogenannten “Mammutgesetz” [Mammoetwet] für weiterführenden Unterricht [Wet op het Voorgezet Onderwijs; WVO] geregelt, was den Handlungsspielraum und die Verantwortung der Schulen erweitern sollte (Kreienbaum, 1997).
Dieses Gesetz sieht im Sekundarbereich ein gegliedertes Schulsystem mit allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen vor.
Die wesentlichen Merkmale dieses Gesetzes sind:
a) ein pauschales Finanzierungssystem, welches den Schulen jedes Jahr nach bestimmten Kriterien (siehe oben) Geld zuteilt, das selbständig verwaltet werden kann;
b) eine eigenständige Personalplanung, womit die Schulen selbständig entscheiden, welche Lehrer eingestellt werden und
c) eine eigenständige Gestaltung von Curricula, in dem Schulen selbst entscheiden wie viel und was sie unterrichten (Kreienbaum, 1997).
Nach dem Erlass des Mammutgesetzes lebte die Kritik am Sekundarbereich wieder auf, da Kritiker es schon beim Entstehen bereits wieder Vergangenheit nannten, weil sich Struktur und Inhalt nicht veränderten.
Das kategorale Schulsystem mit den verschiedenen Schulformen blieb erhalten, genauso wie die einseitige Ausrichtung auf Vermittlung von kognitivem Wissen..
Es wurde eine mittlere Schule [middenschool] als vierjährige integrierte Gesamtschule für alle Schüler bis 15 oder 16 Jahren gefordert.
Von dieser Schulform versprach man sich mehr Demokratie und Chancengleichheit.
Weitere Ziele war der Aufschub der Berufswahl, die Individualisierung des Unterrichts und die Förderung von kreativen und sozialen Fähigkeiten und nicht nur die der kognitiven.
Mit einem Bericht Basisbildung im Unterricht [basisvorming in het onderwijs] empfahl der Wissenschaftliche Beirat für die Regierungspolitik 1986 für die erste Phase des Sekundarbereichs ein dreijähriges Kernprogramm für alle Schüler zwischen 12 und 15 Jahren als Basisbildung, d.h. gemeinsame und allgemeine Bildung in intellektueller und sozialer Hinsicht.
Das Gesetz über die Basisbildung [basisvorming] wurde 1991 verabschiedet und trat Anfang des Schuljahres 1993/94 flächendeckend in Kraft.
Die Basisbildung beinhaltet einen verpflichtenden Fächerkanon von 15 Fächern. Die Schulformen des gegliederten Schulsystems werden nicht aufgehoben, sie sollen aber in breiten Schulengemeinschaften, d.h. Schulengemeinschaften, die alle allgemeinbildenden Schulformen der Mittelstufe anbieten, zusammengefasst werden.
Die Fächer der Basisbildung umfassen 3 000 Unterrichtsstunden, das sind ca. 80% der Unterrichtszeit.
Die restlichen 20% (840 Stunden) können die Schulen für eigene Interessen oder Akzentuierungen nutzen.
Nach Abschluss der Basisbildung erhalten die Schüler ein Zeugnis. Am Ende des zweiten Jahres bekommen sie eine Empfehlung für den weiteren Bildungsweg.
Nach der dreijährigen Basisbildung soll dann zwischen weiterführenden allgemeinbildenden und beruflichen bzw. berufsvorbereitenden Bildungsgängen gewählt werden können.
Das erste Schuljahr der weiterführenden Schulen wird allgemein Brückenklasse [brugklas] genannt. Sie ist vergleichbar mit den einjährigen Förder- oder Orientierungsunterricht in Deutschland und existiert seit 1975.
Neben einer größeren Durchlässigkeit und des Hinausschiebens der definitiven Schulwahl hat das Brückenjahr noch die Funktion, dass sich der Schüler an die neue Schule anpassen soll. Außerdem schafft es eine gute Grundlage für den weiterführenden Unterricht und es besteht die Möglichkeit zur Korrektur durch Reorientierung (Bode, 1979).
Die Brückenklasse ist je nach Bedarf zu einer Brückenperiode [brugperiode] erweiterbar, d.h. wenn man die Klasse nicht schaffen sollte, kann man das Jahr nochmals wiederholen.
Der Sekundarbereich folgende Schulen:
- VWO (vorbereitender vorwissenschaftlicher Unterricht) [voorbereidend wetenschappelijk-onderwijs]
- HAVO (allgemeinbildender Sekundarunterricht der Oberstufe) [hoger algemeen voorgezet onderwijs]
- MAVO (allgemeinbildender Sekundarunterricht der Mittelstufe) [middelbaar algemeen voorgezet onderwijs]
- MBO (berufsbildender Sekundarunterricht) [middelbar beroepsonderwijs]
- LAVO (allgemeinbildender Unterricht) [lager algemeen voorgezet onderwijs] heute VBO (vorbereitender berufsbildender Unterricht) [voorbereidend beroepsonderwijs]
- IBO (individueller berufsbildenden Unterricht) [individueel beroepsonderwijs]
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- Quote paper
- Iris Vanclooster (Author), 2000, Vergleich der Schulsyteme der Niederlande und der BRD, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3318