Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 übernahmen die alliierten Großmächte Frankreich, Amerika, Großbritannien und die Sowjetunion die politische Führung Deutschlands. Auch die politische Bildung wurde ab 1945 durch die Umerziehungspolitik der Alliierten geprägt. Besonders die Amerikaner engagierten sich für die Erziehung beziehungsweise für die Umerziehung der Deutschen. Aber auch die übrigen Besatzungsmächte hatten eigene Vorstellungen und Positionen zur Politischen Bildung. Im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 wurden die Ziele der Besatzungspolitik von den Alliierten festgelegt. Man war sich einig, dass die Abrüstung und Entmilitarisierung, die Entnazifizierung, die Verurteilung von Kriegsverbrechern sowie die Entfernung von Nazis aus öffentlichen Ämtern und aus der Wirtschaft, besonders wichtig seien. Außerdem sollte, durch die Umgestaltung des deutschen politischen Lebens, die Demokratisierung durchgesetzt werden. Das deutsche Erziehungswesen sollte von nazistischen und militaristischen Lehren befreit werden, damit die junge Generation gegenüber dem Nationalsozialismus unempfindlich wird.
Da allerdings nicht der alliierte Kontrollrat, sondern Militärgouverneure der jeweiligen Besatzungsmacht, die Beschlüsse ausführte, drifteten, bedingt durch unterschiedliche Traditionen sowie das politisch-kulturelle Selbstverständnis der Besatzungsmächte, besonders die östlichen und die westlichen Bestatzungszonen auseinander. Alle Besatzungszonen bildeten ihr eigenes Programm für die Umerziehung der Deutschen und für die Veränderung des deutschen Schulwesens. Während der ersten Phase der Umerziehungspolitik bis 1947 lag der Schwerpunkt der westlichen Alliierten, neben der Erneuerung der Lehrpläne, auf dem Verlangen das Bildungssystem im Sinne des amerikanischen Demokratiebegriffs zu reformieren. Nach 1947, also mit der Zuspitzung des Kalten Krieges, trat der sozialpsychologische und kulturanthropologische Aspekt der Re-education in den Vordergrund. Es wurde deutlich auf einen institutionellen Wandel verzichtet, da nicht das Erziehungswesen sondern die Charakterbildung Mittel der gesellschaftlichen Umerziehung seien. Für Westdeutschland begann die Politik der Westintegration und damit verbunden der Aufbau eines stabilen, marktorientierten Wirtschaftssystems.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Umerziehungspolitik der Alliierten
1.1. Die Re-education der Amerikaner
1.1.1. Die Phasen der Re-education
1.1.2. Das neue Unterrichtsfach
1.2. Die sowjetische Umerziehung
1.3. Die britische Erziehungspolitik
1.4. Das französische Umerziehungskonzept
2. Nachkriegsvorstellungen und Widerstände der Deutschen
2.1. Das konservative Lager
2.2. Das reformwillige Lager
3. Die Anfänge der Bundesrepublik
3.1. Konzeptionen zur politischen Bildung in den 50er Jahren
4. Die politische Weiterentwicklung nach 1955
5. Literaturverzeichnis
1. Die Umerziehungspolitik der Alliierten
Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 übernahmen die alliierten Großmächte Frankreich, Amerika, Großbritannien und die Sowjetunion die politische Führung Deutschlands. Auch die politische Bildung wurde ab 1945 durch die Umerziehungspolitik der Alliierten geprägt. Besonders die Amerikaner engagierten sich für die Erziehung beziehungsweise für die Umerziehung der Deutschen. Aber auch die übrigen Besatzungsmächte hatten eigene Vorstellungen und Positionen zur Politischen Bildung.
Im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 wurden die Ziele der Besatzungspolitik von den Alliierten festgelegt. Man war sich einig, dass die Abrüstung und Entmilitarisierung, die Entnazifizierung, die Verurteilung von Kriegsverbrechern sowie die Entfernung von Nazis aus öffentlichen Ämtern und aus der Wirtschaft, besonders wichtig seien. Außerdem sollte, durch die Umgestaltung des deutschen politischen Lebens, die Demokratisierung durchgesetzt werden. Das deutsche Erziehungswesen sollte von nazistischen und militaristischen Lehren befreit werden, damit die junge Generation gegenüber dem Nationalsozialismus unempfindlich wird.
Da allerdings nicht der alliierte Kontrollrat, sondern Militärgouverneure der jeweiligen Besatzungsmacht, die Beschlüsse ausführte, drifteten, bedingt durch unterschiedliche Traditionen sowie das politisch-kulturelle Selbstverständnis der Besatzungsmächte, besonders die östlichen und die westlichen Bestatzungszonen auseinander. Alle Besatzungszonen bildeten ihr eigenes Programm für die Umerziehung der Deutschen und für die Veränderung des deutschen Schulwesens.
Während der ersten Phase der Umerziehungspolitik bis 1947 lag der Schwerpunkt der westlichen Alliierten, neben der Erneuerung der Lehrpläne, auf dem Verlangen das Bildungssystem im Sinne des amerikanischen Demokratiebegriffs zu reformieren. Nach 1947, also mit der Zuspitzung des Kalten Krieges, trat der sozialpsychologische und kulturanthropologische Aspekt der Re-education in den Vordergrund. Es wurde deutlich auf einen institutionellen Wandel verzichtet, da nicht das Erziehungswesen sondern die Charakterbildung Mittel der gesellschaftlichen Umerziehung seien.
Für Westdeutschland begann die Politik der Westintegration und damit verbunden der Aufbau eines stabilen, marktorientierten Wirtschaftssystems. Um dies zu erreichen arbeiteten die westlichen Alliierten verstärkt mit den Unionsparteien (CDU/CSU) zusammen und mussten deshalb auf die Schulreform weitgehend verzichten, da diese nur mit Hilfe der SPD umsetzbar war.
Die Alliierten kümmerten sich nun fast ausschließlich um die außenpolitische und wirtschaftspolitische Stabilisierung Deutschlands und erklärten die innenpolitische Umerziehung zur Sache der Deutschen.
1.1. Die Re-education der Amerikaner
Unter den amerikanischen Alliierten gab es konkurrierenden Positionen. Die eine wollte ein Bestrafungskonzept durchsetzen, das deutsche Industriepotenzial sollte zerstört werden außerdem sollte eine Reagrarisierung, die Entnationalisierung sowie die politische Dezentralisierung durchgesetzt werden. Die Realpolitiker hatten sich dagegen einen schnellen Wiederaufbau und die Westintegration zum Ziel gemacht. Die Konflikte um beide Konzepte führten dazu, dass die amerikanische Besatzungsmacht nach dem Krieg kein einheitliches Re-educationsprogramm hatte.
In der amerikanischen Besatzungspolitik hatte die Erziehung einen besonders hohen Stellenwert. Die Amerikaner strebten eine Demokratie durch Erziehung der Deutschen an. Die Demokratisierung des deutschen Bildungssystems sowie die Umerziehung der Jugend war, nach Meinung der Amerikaner, eine Vorraussetzung für die Erholung Deutschlands.
Das deutsche Schulsystem sollte reformiert werden, weil dieses dreigliedrige System Mitschuld am Nationalsozialismus habe. Durch das deutsche Schulsystem seien die Klassenunterschiede betont worden, was zu Minderwertigkeitsgefühlen bei vielen Deutschen geführt habe, auf welchen das Führerprinzip gedeihen konnte.
Die Amerikaner waren für ein Gesamtschulsystem nach amerikanischem Vorbild, welches die Demokratie stabilisieren sollte. Die weiterführende Bildung sollte kein Privileg mehr für die oberen Klassen, sondern ein Recht für alle Fähigen sein. Weiter wollten die Amerikaner die Elementarschule auf sechs Jahre verlängern und die Schulpflicht auf mindestens neun Jahre anheben. Demokratische Erziehung bedeutete für die amerikanische Besatzungsmacht eine egalitäre Erziehung basierend auf Chancengleichheit, Erziehung zu selbstständigem Denken und Handeln, Vermittlung von Grundwerten und sozialer Mobilität. Die Bildungsreform der Amerikaner sollte die hierarchischen Strukturen des deutschen Bildungswesens aufheben und statt Dogmatismus den freien Meinungsaustausch fördern.
Die Klassenzimmer sollten nichtmehr den Eindruck strikter Reglementierung erwecken, das Lehrer-Schüler-Verhältnis sollte freundlicher und familiärer werden und ebenso die Einführung von außerplanmäßigen Aktivitäten im Rahmen der Schule wurde von den Amerikanern angestrebt. Auf der Ebene eines partnerschaftlichen Lehrer-Schüler-Verhältnisses sollten neue Unterrichtsmethoden angewandt werden.
1.1.1. Die Phasen der Re-education
Die amerikanische Re-educationspolitik ist durch vier Phasen geprägt. In der ersten Phase, direkt nach Ende des Krieges, wollten die Amerikaner alle Direktiven Schulen schließen und den Nationalsozialismus eliminieren. Die Volks-, Mittel-, und Berufsschulen sollten so früh wie möglich wiedereröffnet werden und es sollten neue Schulbücher und Lehrpläne im Sinne der Demokratie erarbeitet werden. Die amerikanische Besatzungsbehörde entschied in dieser Phase, ohne deutsche Beteiligung, über Entwicklung und Gestaltung des Bildungswesens.
In der zweiten Phase wurde die Re-education in den Rahmen des gesamten Wiederaufbaus Deutschlands gestellt. Außerdem forderten die Amerikaner nach einer verantwortlichen Mithilfe der Deutschen bei der Rekonstruktion ihres Erziehungsprogramms.
Die dritte Re-educationsphase war die aktivste Phase der amerikanischen Umerziehungspolitik. Sie wurde durch den Bericht der amerikanischen Erziehungskommission (Zook-Kommission) eingeleitet. Ausgangspunkt dieses Berichtes war die These, dass Demokratie nicht nur eine Regierungsform sondern insbesondere eine Lebensform sei, die bis ins einzelne gelehrt werden müsse. Der Hauptfaktor für die Demokratisierung Deutschlands ist, nach dem Bericht der Zook-Kommission die Schule. Es wurden auch Entwürfe zur Ausführung dieser Vorschläge erstellt. Sechsjährige Elementarschulen sowie weiterführende Schulen für die Klasen sieben bis zwölf sollten eingerichtet werden. Die Kommission war für einen gemeinsamen Unterricht in Volksschulen, unabhängig von Geschlecht, sozialer Herkunft, Rasse und beruflichen Absichten. Insgesamt sollte das Schulwesen so eingerichtet werden, dass es Erfahrungen mit einer demokratischen Lebensgestaltung vermittelt, dazu gehörte die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben, Klassenausschüssen, Diskussionsgruppen, Schulbeiräten und vielem mehr. Auch die sozialwissenschaftlichen Fächer sollten nach Inhalt und Form umgestaltet werden. Der verstärkte Druck der amerikanischen Re-education rief verstärkten Widerstand der Deutschen hervor.
In der vierten Phase der Re-education lockerten die Amerikaner schließlich den Druck auf die Deutschen und verzichteten auf diese Reform. Ursachen für den Meinungsumschwung der Amerikaner war der Ost-West-Konflikt, die Auffassung, dass die Anwendung totalitärer Methoden unvereinbar mit den amerikanischen Grundprinzipien sei, sowie die Überzeugung, dass die Schulstruktur nicht so wichtig sei, wie das, was gelehrt, wie es gelehrt und durch wen es gelehrt wird.
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- Arbeit zitieren
- Lenka Eiermann (Autor:in), 2004, Politische Bildung in Deutschland zwischen 1945 und 1960, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32878
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