Das Thema der nun folgenden Darlegungen soll der literarische Einfluss
der Brüder Grimm in ihren Kinder- und Hausmärchen sein. Es stellt sich die
Frage, welcher Titel ihnen am ehesten gerecht wird, da sie sich selbst ausdrücklich
als Sammler bezeichneten. Die moderne Märchenforschung aber
zeigt, dass die Grimms die Märchen nicht nur nacherzählt haben, sondern
dass man ihnen eine weitaus größere dichterische Bedeutung zusprechen
muss.
Im Verlauf der Ausführungen soll versucht werden die stileigenen Merkmale
der Grimms herauszuarbeiten und zu analysieren, ob ihnen der literarische
Rang eines Autoren gebührt.
Unser Vorhaben ist es nun, den Anteil der Grimms an den 1812 erstmals
veröffentlichten Märchen im historischen, sprachlichen und literaturwissenschaftlichen
Kontext zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Theorie der Autorschaft1
1.1 Sigmund Freud
1.2 Jan Mukařovský
1.3 Martha Woodmansee
2 Die Brüder Grimm und ihre Märchen1
2.1 Anfänge der Sammlung
2.2 Die Gewährspersonen
2.3 Kinder- oder Hausmärchen?
2.4 „Treue“ und „Wahrheit“
3 Dornröschen in der Form der Gebrüder Grimm2
4 Individual- und Kollektivdichtung bei den Grimmschen Märchen2
Schluss
Literaturverzeichnis
Einleitung
Das Thema der nun folgenden Darlegungen soll der literarische Einfluss der Brüder Grimm in ihren Kinder- und Hausmärchen sein. Es stellt sich die Frage, welcher Titel ihnen am ehesten gerecht wird, da sie sich selbst aus- drücklich als Sammler bezeichneten. Die moderne Märchenforschung aber zeigt, dass die Grimms die Märchen nicht nur nacherzählt haben, sondern dass man ihnen eine weitaus größere dichterische Bedeutung zusprechen muss.
Im Verlauf der Ausführungen soll versucht werden die stileigenen Merkmale der Grimms herauszuarbeiten und zu analysieren, ob ihnen der literarische Rang eines Autoren gebührt.
Unser Vorhaben ist es nun, den Anteil der Grimms an den 1812 erstmals veröffentlichten Märchen im historischen, sprachlichen und literaturwissenschaftlichen Kontext zu untersuchen.
1 Theorie der Autorschaft
1.1 Sigmund Freud
Freud beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit der Frage wie der Dichter zu seinem Stoff kommt und warum den Leser derselbige so berührt. Er geht dabei von der Theorie aus, dass der Mensch, der als Kind spielt, als Erwach- sener fantasiert. Er ersetzt sich also das Spiel durch Tagträume. Diese Tag- träume werden durch ein Ereignis in der Gegenwart ausgelöst, welches die Erinnerung an ein Erlebnis aus der Kindheit weckt. Diese Erinnerung führt nun zum Tagtraum, welcher die Erfüllung eines Wunsches in der Zukunft beinhaltet. Bei der Dichtung werden zwei verschiedene Arten unterschie- den, einmal die freie Schöpfung und einmal die Bearbeitung von fertigen Stoffen. Bei ersterem handelt es sich um eben genannte Tagträume oder Fantasien, nur in abgewandelter Form und weniger egoistisch. Bei letzte- ren jedoch hat der Dichter zwar die Entscheidungsfreiheit welchen Stoff er wie bearbeitet, doch die Grundgerüste dieser Sagen, Märchen und vor al- lem Mythen im „Volksschatz“ entstammen „den entstellten Überresten von Wunschphantasien ganzer Nationen, [. . . ]“1
1.2 Jan Mukařovský
Hier geht es vor allem um das Verhältnis zwischen Autor und Leser, bzw. allgemein um das Verhältnis Künstler - Aufnehmender. Er geht dabei da- von aus, dass der Autor sein Werk immer für den Leser schafft, und in dem Moment, in dem er überlegt, wie der Leser sein Werk aufnehmen wird, selbst zum Leser wird. Die Grenzen zwischen Leser und Autor bzw. kunst gibt es keinen Unterschied zwischen Autor und Aufnehmenden, die Rollen wechseln hier immer von Hörer zu Erzähler und zurück.2
1.3 Martha Woodmansee
Hier wird vor allem dargestellt, wie sich das Verhältnis zur Person des Autors im laufe der Zeit geändert hat. Im gesammten Mittelalter bis zur Renaissance war das kollektive Schreiben der vorherrschende Schreibprozess. Im 13. Jahrhundert definierte der Franziskaner Bonaventura vier verschiedene Arten der Buchentstehung:
Schreibt jemand die Werke anderer ab, wobei er nichts hinzufügt und nichts verändert, so nennt man ihn einfach einen „Schreiber“. Je- mand anders schreibt die Werke von anderen mit Zusätzen ab, wel- che nicht seine eigenen sind; man nennt ihn dann Herausgeber. Ein anderer schreibt sowohl das Werk von anderen als auch sein eigenes nieder, räumt jedoch den Werken der anderen den Vorrang ein, indem er sein eigenes nur zum Zwecke der Erklärung hinzufügt; man nennt ihn einen Kommentator. [. . . ] Ein anderer schreibt sowohl sein eigenes Werk als auch das anderer, räumt jedoch dem eigenen Werk Vorrang ein indem er das der anderen nur zum Zwecke der Bestätigung hinzu- fügt; ein solcher sollte „Autor“ genannt werden.
Sogar noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein wurde der Schrift- steller - von sich selbst und anderen - als einer von vielen Handwerkern betrachtet, die zum Entstehen eines Buches beitrugen. Erst in der Romantik kam die Vorstellung des modernen Autors als Individuum auf. Doch auch heute wird in fast allen Bereichen - abgesehen von den Geisteswissenschaft und den Künsten - kollektiv geschrieben. Gerade durch die neuen Medien wird der Schreibprozess wieder unindividueller und kollektiver.3
2 Die Brüder Grimm und ihre Märchen
2.1 Anfänge der Sammlung
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Entstehen der Märchensamm- lung übten Clemens Brentano und Achim von Arnim aus, die zu dem Zeit- punkt ihrer ersten Begegnung mit den Grimms an der Volksliedersamm- lung Des Knaben Wunderhorn arbeiteten. Brentano spielte mit dem Gedan- ken, auch eine Märchensammlung herauszugeben, allerdings hatte er von Anfang an vor, die Märchen zu bearbeiten und zu verändern. Als er 1810 die Brüder um deren Aufzeichnungen bat, schrieb er: „Da ich sie ganz frei nach meiner Art behandle, so entgeht Euch nichts dadurch, und Ihr kommt mir dadurch zu Hilfe“1.
Zwei Jahre später, als die erste Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen gerade gedruckt wird, verurteilt Jacob die Bearbeitung der Märchen durch Brenta- no und ist überzeugt, dass ihre „einfache, treu gesammelte Erzählung die seine jedesmal gewisslich beschämen“2 wird. Auch in der Vorrede zu den Kinder- und Hausmärchen erklären sich Jacob und Wilhelm „gegen sogenann- te Bearbeitungen [. . . ], welche die Märchen zu verschönern und poetischer auszustatten vorhaben“, da diese lediglich den Standpunkt eines einzelnen Dichters widerspiegeln und so bloßzum „einmaligen Anhören oder Lesen“ taugen.3
Die Angaben der Grimms über die Herkunft der Märchen beschränken sich meist auf sehr unbestimmte Begriffe wie „Mündlich“ oder „Eingesandt“.4 Dies erweckt natürlich den Eindruck eines kollektiven und anonymen Ur- sprungs, auf den die Grimms immer bestanden. Nur eine Märchenbeiträge- rin wird von ihnen genauer beschrieben; die Viehmännin, die als Idealbild für Märchenerzähler herangezogen wird: eine alte „Bäuerin“5, von der sie einige der „ächt hessischen Märchen“6 erhalten haben. In Wirklichkeit war sie eine „Schneidersfrau, deren Märchenrepertoire [. . . ] teilweise eindeu- tig französischen Ursprungs ist“7, da sie von Hugenotten abstammt. Die Bezeichnung „ächt hessisch“ fiel im Vorwort der 2. Auflage kommentarlos weg. Auch die Märchenbeiträgerinnen der Familie Hassenpflug stammten von Hugenotten ab und waren daher sehr gut mit den Märchen Perraults vertraut.
Die Gewährspersonen waren also durchweg „gutsituierte Bürgerliche oder Adelige“8, die ihre Märchen vorwiegend aus Büchern oder aber aus Erzählungen der Dienstboten bezogen. Diese Dienstboten „werden sich sehr gehütet haben, ihren Herrschaften mit Zoten oder klassenkämpferischen Texten zu kommen“.9 Die so zensierten Märchen wurden zusätzlich von den Grimms überarbeitet. Im Vorwort zur 6. Auflage schreibt Wilhelm: „Fortwährend bin ich bemüht gewesen, Sprüche und eigentümliche Redensarten des Volks, auf die ich immer horche, einzutragen“.10
Die Grimms waren sich der Internationalität ihrer Märchen offensichtlich bewusst: Zum einen fehlt der Zusatz „deutsch“ im Titel, der sich sonst in fast allen ihren Werken findet, zum anderen schrieb Wilhelm schon 1811:
und so scheint es immer deutlicher zu werden, wie die Völker auf einander gewirkt, was sie gegenseitig sich mitgetheilt [. . . ]. Haben wir dieses vollständig erkannt, dann dürfen wir es wagen, dem Faden nachzugehen, welchen die alte Fabel gesponnen und in wunderbaren Kreisen und Figuren durch die Welt gezogen. Wie wäre es aber mög- lich, ohne dies Forschen nach ihren Völkerwanderungen das Leben der Poesie, ihre Entstehung und ihr Wachsthum zu begreifen?11
2.3 Kinder- oder Hausmärchen?
Während Jacob stets den wissenschaftlichen Charakter ihrer Sammlung in den Vordergrund stellte, betonte Wilhelm die Poesie der Märchen und ar- beitete auf ihre lebendige Wirkung hin. Beide wünschten sich, die Kinder- und Hausmärchen würden „ein Volks und Erziehungsbuch, namentlich auch in der feineren Welt“12. Allerdings waren sie zuerst für Erwachsene ge- dacht und nicht für Kinder, „aber es kommt ihnen recht erwünscht und das freut mich sehr“, schreibt Jacob.13 Überhaupt trennte Jacob die Interessen der Kinder nicht von denen der Erwachsenen: „Der Unterschied zwischen Kinder- und Hausmärchen und der Tadel dieser Zusammenstellung, auf unserem Titel, ist mehr spitzfindig als wahr, sonst müßten streng genom- men die Kinder aus dem Haus gebracht [. . . ] werden.“14
[...]
1 von Daniela Rabe
2 von Lydia Fuchs
1 Zitat und erklärende Angaben entnommen aus: Sigmund Freud: Der Dichter und das Phantasieren. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hrsg. v. Fotis Jannidis, Gerhard Lauer u. a. Stuttgart 2000, S. 35-45.
2 Ich berufe mich bei dieser Darstellung auf: Jan Mukařovský: Die Persönlichkeit in der Kunst. In: ebd., S. 65-79.
3 Zitat und erklärende Angaben entnommen aus: Martha Woodmansee: Der Autor-Effekt. Zur Wiederherstellung von Kollektivität. In: ebd, S. 298-314.
1 Zitat (S. 213) und erklärende Angaben entnommen aus: Gunhild Ginschel: Der junge Jacob Grimm 1805-1819, 2. erw. Auflage. Stuttgart 1989.
2 ebd., S. 214.
3 Zitate und erklärende Angaben entnommen aus: Vorrede zur 2. Auflage der Kinder- und Hausmärchen, entnommen aus dem Internet: http://www.maerchenlexikon.de/khm/vorrede.htm, siehe Anhang.
4 Zitiert nach: Heinz Rölleke: Die ‚stockhessischen‘ Märchen der ‚Alten Marie‘. Das Ende eines Mythos um die frühesten KHM-Aufzeichnungen der Brüder Grimm. In: Heinz Rölleke: Die Märchen der Brüder Grimm. Quellen und Studien. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. v. Heinz Kosok u. Heinz Rölleke. Tier 2000, S. 8-22. Hier: S. 9.
5 ebd.
6 ebd.
7 ebd., S. 17.
8 Heinz Rölleke: Neue Ergebnisse zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. In: Rölleke, 2000, S. 37-44. Hier: S. 42.
9 ebd.
10 ebd., S. 43.
11 Rölleke: Die ‚stockhessischen‘ Märchen. In: Rölleke, 2000. S. 22.
12 Ginschel, 1989. S. 245.
13 ebd., S. 248.
14 ebd., S. 249.
- Arbeit zitieren
- Daniela Rabe (Autor:in), Lydia Fuchs (Autor:in), 2002, Sind die Gebrüder Grimm Autoren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32727
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