Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks schien der zukünftige Weg Osteuropas in Form eines erfolgreichen und schnellen demokratischen und marktwirtschaftlichen Wandels Erfolg versprechend vorgezeichnet. Gegenwärtige wirtschaftliche, politische und soziale Probleme machen eine Relativierung dieser Erwartungen zwingend notwendig. Politische Konflikte strapazieren die jungen Demokratien über die Maßen und stellen sie vor existentielle Bewährungsproben. Die ökonomische Entwicklung steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen und benötigt massive Subvention aus Westeuropa. Soziale Unruhen brechen nach dem Ende der sozialistischen Unterdrückung aus und spalten die Gesellschaften.
Ziel dieser Arbeit ist es Ursachen und Perspektiven dieser Entwicklung aufzuzeigen. In einem ersten Schritt werden hierzu Probleme des wirtschaftlichen und politischen Transformationsprozesses von sozialistischen Volkswirtschaften zu liberaldemokratischen Marktwirtschaften aufgedeckt. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Gegenüberstellung von ost- und westeuropäischen Demokratieverständnis um die Frage zu klären, inwieweit die Transformation ein bloßes „Überstülpen“ westlicher Ideale sein kann, oder eine Eigenleistung der betroffenen Staaten sein muss. In einem dritten und letzten Schritt soll schließlich versucht werden mittels der vorangegangen Erkenntnisse zu Aussagen über die Zukunftschancen der liberalen Demokratie in Osteuropa zu gelangen.
Grundlage des ersten Kapitels über die Probleme im postsozialistischen Transformationsprozess sind die Aufsätze von Janusz Sztumski, Endre Kiss und Friedrich Schorlemmer, welche sich mit dem Thema in Bezug auf Polen, Ungarn und die ehemalige DDR auseinandersetzen. Die zentralen Ergebnisse dieser Überlegungen scheinen aber verallgemeinerbar genug um sie auf ganz Osteuropa beziehen zu können. Ausgangspunkt des zweiten Kapitels ist der Aufsatz Wolfgang Englers, der, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, mit seinen Ausführungen über die Bedeutung von Solidarität in der liberalen Demokratie wohl den zentralen Nerv der Differenz zwischen ost- und westeuropäischen Demokratieverständnis getroffen hat.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Probleme im postsozialistischen Transformationsprozess
1.1 Historische Hindernisse und ideologische Vorbehalte bei der ökonomischen Umstrukturierung
1.2 Verlust der sozialen Persönlichkeit
1.3 Differenz zwischen geschriebener und ungeschriebener Demokratie
1.4 Demokratiedefizit in Hinblick auf Beteiligung
2. Ost- und westeuropäisches Demokratieverständnis
3. Prognosen
III. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks schien der zukünftige Weg Osteuropas in Form eines erfolgreichen und schnellen demokratischen und marktwirtschaftlichen Wandels Erfolg versprechend vorgezeichnet. Gegenwärtige wirtschaftliche, politische und soziale Probleme machen eine Relativierung dieser Erwartungen zwingend notwendig. Politische Konflikte strapazieren die jungen Demokratien über die Maßen und stellen sie vor existentielle Bewährungsproben. Die ökonomische Entwicklung steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen und benötigt massive Subvention aus Westeuropa. Soziale Unruhen brechen nach dem Ende der sozialistischen Unterdrückung aus und spalten die Gesellschaften.
Ziel dieser Arbeit ist es Ursachen und Perspektiven dieser Entwicklung aufzuzeigen. In einem ersten Schritt werden hierzu Probleme des wirtschaftlichen und politischen Transformationsprozesses von sozialistischen Volkswirtschaften zu liberaldemokratischen Marktwirtschaften aufgedeckt. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Gegenüberstellung von ost- und westeuropäischen Demokratieverständnis um die Frage zu klären, inwieweit die Transformation ein bloßes „Überstülpen“ westlicher Ideale sein kann, oder eine Eigenleistung der betroffenen Staaten sein muss. In einem dritten und letzten Schritt soll schließlich versucht werden mittels der vorangegangen Erkenntnisse zu Aussagen über die Zukunftschancen der liberalen Demokratie in Osteuropa zu gelangen.
Grundlage des ersten Kapitels über die Probleme im postsozialistischen Transformationsprozess sind die Aufsätze von Janusz Sztumski, Endre Kiss und Friedrich Schorlemmer, welche sich mit dem Thema in Bezug auf Polen, Ungarn und die ehemalige DDR auseinandersetzen. Die zentralen Ergebnisse dieser Überlegungen scheinen aber verallgemeinerbar genug um sie auf ganz Osteuropa beziehen zu können. Ausgangspunkt des zweiten Kapitels ist der Aufsatz Wolfgang Englers, der, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, mit seinen Ausführungen über die Bedeutung von Solidarität in der liberalen Demokratie wohl den zentralen Nerv der Differenz zwischen ost- und westeuropäischen Demokratieverständnis getroffen hat.
II. Hauptteil
1. Probleme im postsozialistischen Transformationsprozess
1.1 Historische Hindernisse und ideologische Vorbehalte bei der ökonomischen Umstrukturierung
Rückblickend lässt sich sagen, dass der Zusammenbruch des Ostblocks im Wesentlichen wohl der wirtschaftlichen Ineffizienz des sozialistischen Systems geschuldet war.[1] Der Versuch der Durchsetzung eines Primats der Politik, die ideologisch in hohem Maße aufgeladen war, führte die Gesellschaften Osteuropas an den wirtschaftlichen Abgrund.[2] Ökonomische Realitäten wurden in dem Glauben ignoriert sie durch staatliche Engriffe der Ideologie anpassen zu können.[3] Dieses Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Ideologie zwischen Realität und Wunsch besteht auch nach dem Fall des Sozialismus in Osteuropa fort.[4]
Einerseits macht die wirtschaftliche Lage der ehemaligen Ostblockstaaten eine rasche kapitalistische Umstrukturierung zwingend erforderlich um den totalen Kollaps zu verhindern.[5] Andererseits ist die Masse der Bevölkerung sozialisiert durch ein Leben in der Planwirtschaft mit ihrer egalitären Bedürfnisbefriedigung und nicht willens und fähig sich im Kapitalismus zu orientieren.[6] Das Konzept der individuellen Nutzenmaximierung ist ihnen methodisch fremd und ideologische verschrien, weil mit zu vielen persönlichen Risiken behaftet.
Die Einführung des Kapitalismus stößt heute im Osten Europas also auf eine völlig andere historische Situation als im Westen zur Zeit der Industriellen Revolution. Im Gegensatz zu damals ist jetzt die Konfrontation mit einer institutionell und ideologisch gut organisierten und handlungsfähigen Arbeiterklasse unausweichlich.[7] Zudem ist die gesellschaftliche Struktur eine völlig andere. Während kapitalistische Ideen im Westen Europas eine feudalistische Klassengesellschaft vorfanden, in die sich das Prinzip von Kapital und Arbeit relativ problemlos integrieren ließ, stehen sie im ehemaligen Ostblock vor Gesellschaften mehr oder weniger Gleicher.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die notwendige Entstehung einer kapitalistischen Elite Besitzender eine bisher ungeahnte Schärfe.[8] Zum ersten Mal in seiner Geschichte steht der Kapitalismus ernsthaft vor der Frage, wer ausbeutet und wer ausgebeutet wird. Zum einen sind weder tradierte Strukturen der Ungleichheit vorhanden, die diese Frage vorgreifend beantworten könnten. Zum anderen ist das potentielle „Opfer“ der Ausbeutung, die Arbeiterklasse, viel zu gut organisiert um sie gegen ihren Willen in diese Rolle zu drängen. Die jungen Demokratien Osteuropas finden sich also in dem Dilemma wieder einerseits den Kapitalismus möglichst schnell einführen zu müssen um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern, andererseits aber diese Entwicklung nicht allzu forciert vorantreiben zu können da sonst soziale Konflikte drohen, die ihr politisches Überleben höchst unwahrscheinlich werden lassen.[9]
Es gilt also den goldenen Mittelweg einer möglichst raschen aber auch behutsamen wirtschaftlichen Transformation zu finden, also die kapitalistische Umstrukturierung durchzuführen ohne das dabei größere Teile der Bevölkerung auf der Strecke bleiben. Die Antwort der Arbeiterklasse auf dieses Problem ist die Forderung nach einem Kapitalismus mit menschlichem Antlitz, in dessen Zentrum die Abkopplung der individuellen Würde vom Besitz steht.[10] Inwieweit diese Forderung als Erbe der sozialistischen Indoktrination zu verstehen ist, die tagtäglich die moralische Verwerflichkeit des Westens predigte, und inwieweit sie Produkt verständlicher und massiver Zukunftsängste ist kann nur schwer abgeschätzt werden. In jedem Fall ist sie aufgrund der Quantität und Qualität mit der sie vertreten wird ein wesentlicher Faktor
[...]
[1] Vgl. Sztumski, Janusz: Zwischen katastrophaler Kapitalisierung und kapitaler Katastrophe:
Bemerkungen zu den Transformationsprozessen in Osteuropa, S.72, in: Saage, Richard/Berg, Gunnar (Hrsg.): Zwischen Triumph und Krise: Zum Zustand der liberalen Demokratie nach dem Zusammenbruch der Diktaturen in Osteuropa, Opladen 1998, S.71-76.
[2] Vgl. Lepsius, Rainer M.: Diskussion: Die liberale Demokratie im postsozialistischen
Transformationsprozess, S.111f., in: a.o.a.O., S.101-115.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. Sztumski, Janusz: Zwischen katastrophaler Kapitalisierung und kapitaler Katastrophe:
Bemerkungen zu den Transformationsprozessen in Osteuropa, S.72, in: a.o.a.O., S.71-76.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. ebd., S.71ff.
[7] Vgl. ebd.
[8] Vgl. ebd., S.72.
[9] Vgl. ebd., S.73ff.
[10] Vgl. ebd., S.74.
Vgl. Sztumski, Janusz: Diskussion: Die liberale Demokratie im postsozialistischen
Transformationsprozess, S.102, in: a.o.a.O., S.101-115.
- Arbeit zitieren
- Jan Trützschler (Autor:in), 2004, Zur Situation der liberalen Demokratie im postsozialistischen Transformationsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32708
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