Zunächst begebe ich mich auf die biographischen Spuren Célestin Freinets und der von ihm gegründeten pädagogischen Bewegung, welche sich als Kooperative versteht. Anschließend erläutere ich die Grundbegriffe und methodischen Mittel der Freinet-Pädagogik, „das experimentelle Tasten“, „den freien Ausdruck“ sowie „die Erziehung durch Arbeit“.
Inhaltsverzeichnis
1. Geschichte von Célestin Freinet und einer pädagogischen Bewegung, die sich als Kooperative versteht
1.1 Eine Schule für alle Kinder
1.2 die pädagogischen Grundsätze der Freinet-Pädagogik
2. Methodische Mittel der Freinet-Pädagogik
2.1 Das experimentelle Tasten
2.2 Der freie Ausdruck
2.2.1 Der freie schriftliche Ausdruck
2.2.2 Schöpferisch tätig sein
2.3 Erziehung durch Arbeit
3. Abschlussbemerkung
4. Literaturverzeichnis
Zunächst begebe ich mich auf die biographischen Spuren Célestin Freinets und der von ihm gegründeten pädagogischen Bewegung, welche sich als Kooperative versteht. Anschließend erläutere ich die Grundbegriffe und methodischen Mittel der Freinet-Pädagogik, „das experimentelle Tasten“, „den freien Ausdruck“ sowie „die Erziehung durch Arbeit“.
1. Geschichte von Célestin Freinet und einer pädagogischen Bewegung, die sich als Kooperative versteht
Célestin Freinet (geboren 1896) war ein Dorfschullehrer in Frankreich, der sich schon als junger Lehrer für eine Revolution in der Pädagogik einsetzte. Er kritisierte die Pauk- und Buchschule und trat ein für eine „Schule des Volkes“ (Dietrich, 1995, S.14). Er forderte von der Bildungseinrichtung Lebensnähe und hatte Kontakt zu zahlreichen ReformpädagogInnen seiner Zeit (Kerschensteiner, Montessori, Petersen u.a.; vgl. ebd. S.16), von welchen er viele Anregungen für seinen Unterricht verwendete.
Nach einer Reise in die junge Sowjetrepublik trat er 1926 in die KPF, die Kommunistische Partei Frankreichs ein, die er zu Beginn der 50er Jahre wieder verließ.
Nach einer schweren Kriegsverletzung im Ersten Weltkrieg war er umso mehr überzeugter Pazifist und Internationalist. Während des Zweiten Weltkrieges engagierte er sich als Mitglied der Resistance und verbrachte mehrere Jahre in Arbeitslagern.
Ein Schulkampf wegen eines freien und abgedruckten Textes eines Schülers, den Freinet nicht zensierte, führte zu seiner Entlassung aus dem öffentlichen Schuldienst. In Nice gründete er, angeregt durch die Landerziehungsheimbewegung von Lietz in Deutschland, ein privates Landerziehungsheim. „Er praktizierte dort internationale Solidarität, indem er elternlos gewordene jüdische Kinder aus Deutschland und vom spanischen Bürgerkrieg betroffene Kinder aufnahm. Seine Stellungnahmen gegen den Faschismus in Deutschland, Spanien und Italien trugen ihm anderthalb Jahre Aufenthalt in verschiedenen Internierungslagern ein, die seine ohnehin angegriffene Gesundheit stark gefährdeten“ (Dietrich, 1995, S.17).
1.1 Eine Schule für alle Kinder
Wichtigste Ziele der Pädagogik Freinets sind die Befreiung der Arbeiter und eine Schule für alle. Die Einrichtung einer gemeinsamen Grundschule für alle Kinder in Deutschland, nach dem Ersten Weltkrieg, begrüßte er als eine Überwindung der Klassenschranken (vgl. Dietrich, 1995, S.14).
Er will sich absetzen von der Künstlichkeit der Lebensferne und dem Zwangscharakter herkömmlicher schulischer Erziehung. Diese bezeichnet er schlicht als „Krankheit“, für die er – in Analogie zum Begriff des Hospitalismus – den Begriff des „Scolatismus“ prägt (vgl. Dietrich, 1995, S.15). Wichtig war ihm die Umgestaltung „der „öffentlichen Volksschule“, in der die Herrschenden die Kinder des Volkes in ihrem Sinn manipulieren, zu einer „Schule des Volkes“, in der die Kinder zum kritischen Erkennen und Durchschauen der (politischen) Wirklichkeit, zur Hochschätzung der manuellen Arbeit gegenüber einseitiger Wertschätzung der intellektuellen Arbeit sowie zum freien schriftlichen und mündlichen Ausdruck zwecks wirksamer Vertretung der eigenen Interessen angeleitet werden (…)“ sollten (Hervorhebung: Tobias Baron; ebd. S.18).
Zusätzlich organisiert Freinet als politisch engagierter Gewerkschafter landwirtschaftliche Produktions- und Einkaufsgenossenschaften für die Kleinbauern seiner Umgebung. Auch seine Schulklasse betrachtet er als „Kooperative “ (ebd. S.17).
Zusammen mit seiner Frau Elise Freinet und vielen KollegInnen z.B. Paul Le Bohec, entwickelte er eine Pädagogik der Arbeit, die den freien Ausdruck fördern soll und auf die Selbsttätigkeit der Kinder und Jugendlichen zielt.
Freinet hat sich gegen die Gründung einer elitären Privatschule nach freinet-pädagogischen Unterrichtsmethoden ausgesprochen. Die Freinet-Pädagogik bezieht sich ja gerade auf die sozial Schwächsten (Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien, Kinder mit Behinderungen, Kinder aus Migrantenfamilien, Kinder aus Arbeiter- und Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängerfamilien etc.) und möchte eine „Schule des Volkes“ verwirklichen. Interessen der ökonomischen Elite, aus der sich ja überwiegend gewollt und zwanghaft die Bildungselite rekrutiert (vgl. Kapitel Armut und PISA in dieser Arbeit) sollten durch das Besuchen einer privaten Freinetschule nicht bedient werden. Er sah „(…) die Umgestaltung der öffentlichen Pflichtschule mit Hilfe seiner pädagogischen „Techniken“ als vordringlich an, weil hier die Kinder zu finden sind, die keine teuren Privatschulen mit der jeweils modernsten Alternativschul-Pädagogik besuchen können“ (Hervorhebung im Original; Freinet zit. in Dietrich, 1995, S.19-20).
Auch gegen einen institutionsabhängigen, expliziten Nachweis einer Lehrbefähigung als geprüfter und anerkannter Freinetpädagoge, hat er sich gewehrt.
Er baute eine internationale, kooperativ organisierte Lehrerorganisation auf[1], die mittlerweile in 40 Ländern vertreten ist (vgl. Dietrich 1995 S.22f.), die Lehr- und Arbeitsmittel und pädagogische Konzepte austauscht. Diese formulierte 1979 eine Charta über die fundamentalen Rechte und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen[2], die die Grundzüge der Freinet-pädagogischen Erziehungspraxis beinhaltet (vgl. Charta im Anhang). Im Vorwort dazu heißt es: „(…) Wir setzen als unerlässliche Bedingung voraus, daß sie in keinem Augenblick ihres Lebens Objekte sind, über die sich die Erwachsenen das Recht anmaßen, sie zu „formen“, zu manipulieren und sie zu unterwerfen nach Maßgabe ihrer Wünsche oder ihrer eigenen Unterdrückung; die Erwachsenen sollen ebenfalls nicht das Recht haben, sie politischen und wirtschaftlichen Erfordernissen zu unterwerfen, welche nicht in Frage gestellt werden dürfen.(…)“ (Französische Freinet-Bewegung zit. in Dietrich, 1982, S.53).
In Deutschland hat sich die Freinet-Kooperative mit Sitz in Bremen „zu einer Art Zentrale entwickelt“ (Dietrich, 1995, S.24). Die Freinet-Kooperative bietet u.a. zahlreiche Workshops zu unterschiedlichen Unterrichtstechniken und Themengebieten an bspw. „die natürliche Methode im Mathematikunterricht“. Sie vermittelt interessierten Studierenden oder Lehrenden kompetente AnsprechpartnerInnen, ist dabei zugleich auch eine landesweite Stellenbörse und gibt eine vierteljährlich erscheinende Zeitung (von SchülerInnen und LehrerInnen für LehrerInnen und SchülerInnen) „Fragen und Versuche“ heraus. Die Freinet-Kooperative zählt zurzeit ca. 1000 Mitglieder bundesweit. Außerdem gibt es noch den „Arbeitskreis Schuldruckerei“ der 1963 von Hans Jörg gegründet wurde (vgl. ebd. S.24). Nach Dietrich vertritt dieser in Deutschland den konservativ-dogmatischen Flügel der Freinet-AnhängerInnen. Diese lehnen jeden politischen Bezug der Pädagogik, der über das Kind hinausgeht, kategorisch ab (vgl. Dietrich, 1982, S.10).
[...]
[1] F.I.M.E.M. Féderation Internationale du Mouvement de´Ecole Moderne/Internationale Vereinigung der Freinet-Bewegungen.
[2] In der französischen Originalausgabe: „ Perspectives d’éducation populaire“, die von Dietrich 1982 unter dem Titel: „Politische Ziele der Freinet-Pädagogik“ ins Deutsche übersetzt wurde.
- Quote paper
- Gesamtschullehrer Tobias Baron (Author), 2004, Grundlagen der Freinet-Pädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32676
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