Vorbemerkung
Wasserbau und Wasserwirtschaft haben in China eine lange Tradition. Hochwasserschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel das Anlegen von Deichen, sowie die Kontrolle über Flüsse und Kanäle zu Zwecken der Bewässerung und als Verkehrswege, war schon immer ein vordringliches Ziel der chinesischen Herrscher. Deshalb bezeichnete Karl August Wittfogel China, wie auch Ägypten oder Babylonien, als eine „hydraulische Kultur“(1) , die sich seiner Meinung nach nur in einem zentral gelenkten Staat entwickeln konnte, der in Bereichen des Wasserbaus wie auch anderer Monumentalbauwerke (Festungsbauten, Infrastruktur) Einfluss nahm. Grundlagen für solch eine hydraulische Kultur sind seiner Meinung nach eine Organisation der Infrastruktur (Nachrichtenwesen, Transportwege, ...), die einhergeht mit einer Bürokratisierung, sowie eine weitgehende Unterbindung von Privatinitiative, angefangen beim Grundbesitz. Diese Anforderungen konnten nur von einem despotischen Regime bewältigt werden, dem entspricht in China die gesamte Zeit des Kaiserreichs.
[...]
______
1 Wittfogel. Die Orientalische Despotie
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkung
2. Hintergrundinformationen zum Drei-Schluchten-Projekt
2.1 Zur Geschichte
2.2 Das Projekt in Zahlen
3. Die verschiedenen an der Diskussion um das Projekt beteiligten Gruppen und ihre Argumente
3.1 Die Befürworter des Sanxia-Staudammprojekts
3.2 Gegner des Staudammprojekts
3.3 Die internationale Bedeutung des Sanxia-Staudamms
4. Zusammenfassung und Diskussion
5. Literaturverzeichnis
1. Vorbemerkung
Wasserbau und Wasserwirtschaft haben in China eine lange Tradition. Hochwasserschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel das Anlegen von Deichen, sowie die Kontrolle über Flüsse und Kanäle zu Zwecken der Bewässerung und als Verkehrswege, war schon immer ein vordringliches Ziel der chinesischen Herrscher. Deshalb bezeichnete Karl August Wittfogel China, wie auch Ägypten oder Babylonien, als eine „hydraulische Kultur“[1], die sich seiner Meinung nach nur in einem zentral gelenkten Staat entwickeln konnte, der in Bereichen des Wasserbaus wie auch anderer Monumentalbauwerke (Festungsbauten, Infrastruktur) Einfluss nahm. Grundlagen für solch eine hydraulische Kultur sind seiner Meinung nach eine Organisation der Infrastruktur (Nachrichtenwesen, Transportwege, ...), die einhergeht mit einer Bürokratisierung, sowie eine weitgehende Unterbindung von Privatinitiative, angefangen beim Grundbesitz. Diese Anforderungen konnten nur von einem despotischen Regime bewältigt werden, dem entspricht in China die gesamte Zeit des Kaiserreichs.
Auch auf das Sanxia-Staudammprojekt der Volksrepublik China am Changjiang, auch bekannt als „Yangtze“ oder „Jangtsekiang“, lässt sich seine Theorie, zumindest teilweise, anwenden.
Der Changjiang ist mit ca. 6300 Kilometern Länge der längste Fluss Asiens und damit auch Chinas, sowie der drittlängste Fluss der Welt. Er entspringt, wie die meisten Flüsse Chinas, im Hochland Tibets und durchquert in seinem Verlauf sieben Provinzen, wobei er sich durch das osttibetische Randgebirge frisst, die berühmten Changjiangschluchten Qutang, Wu und Xiling im mittelchinesischen Bergland in der Provinz Sichuan formte und durchfließt, um in seinem Mittel- und Unterlauf in der zentralchinesischen Tiefebene in einen breiten Tieflandstrom überzugehen. In dieser Ebene werden aufgrund des überaus fruchtbaren Bodens fast 70 Prozent der gesamten chinesischen Reisproduktion erzeugt. Der Changjiang mündet nördlich von Shanghai in einem langgezogenen Flussdelta ins Ostchinesische Meer und stellt eine der wichtigsten Wasserstraßen Chinas dar[2].
Ich will mich im weiteren Verlauf mit dem Staudamm, der seit 1994 am Ausgang des Changjiang aus den Drei Schluchten entsteht, sowie seiner Geschichte beschäftigen. Desweiteren will ich versuchen, die Position der verschiedenen beteiligten Interessengruppen vorzustellen und mögliche Konflikte aufzeigen. Dazu gehören sowohl die Probleme, die die Diskussion um das Staudammprojekt innerhalb Chinas aufwarf, als auch die internationale Tragweite eines solchen Vorhabens.
2. Hintergrundinformationen zum Drei-Schluchten-Projekt
2.1 Zur Geschichte
Die Idee eines Großstaudamms bei den berühmten Drei Schluchten nahe der Kleinstadt Sandouping, am Beginn des Mittellaufs des Changjiang, besteht bereits seit über achtzig Jahren. Sun Yat-sen, Präsident der Republik China, spielte erstmals 1919 mit der Idee, einen gigantischen Damm an dieser Stelle zu errichten, um Strom zu erzeugen, und die Schifffahrt zu erleichtern.
Während des Zweiten Weltkriegs erhielt die Republik China logistische Unterstützung von den Vereinigten Staaten von Amerika, die 1944 durch das „US Bureau of Reclamation“ (US-Behörde für Landgewinnung) auch eine erste Machbarkeitsstudie vorlegten. Mit der kommunistischen Machtübernahme durch Mao Zedong 1949 stellten die USA ihre Hilfe jedoch ein, die Pläne für einen Staudamm wurden auf Eis gelegt.
In den 50er Jahren griff Mao Zedong die Überlegungen zum Bau eines Staudamms wieder auf und erhielt erneut ausländische Hilfe, diesmal jedoch von Seiten der Sowjetunion.
Nach dem 1960 erfolgten Bruch mit Stalin und dem damit verbundenen Abbruch der Beziehungen zur UdSSR, wurden die Staudammpläne aufgrund mangelnden Know-hows und fehlender Finanzierungsmöglichkeiten wiederum abgesetzt.
Erst ab 1980 setzte sich mit Li Peng wieder ein führender Politiker für eine Wiederaufnahme des Projektes ein. Verschiedene Untersuchungskommissionen wurden - auch mit ausländischer Unterstützung - gebildet, die die Machbarkeit, sowie die Kosten analysieren sollten.
Zu Beginn der Achtziger Jahre bildeten sich jedoch erste Oppositionsgruppen, die auch im Ausland Beachtung fanden, und ihre Ablehnung dem Staudammprojekt gegenüber artikulierten und auf die möglichen Negativfolgen hinwiesen. Als eine der bekanntesten Vertreter sei hier die Journalistin Dai Qing genannt, die ab 1986 versuchte, staudammkritische Artikel und Aufsätze zu publizieren. Mit dem Massaker auf dem Tian’anmen-Platz von 1989 erlitt auch diese Bewegung einen herben Rückschlag.
Mit dem 1991 stattfindenden „Seminar für die rasche und frühzeitige Lancierung des Drei-Schluchten-Projekts“ und einer im selben Jahr von der Regierung verordneten Publicitykampagne, in deren Rahmen sämtliche Medien in Propagandabeiträgen über das Staudammprojekt berichteten, wurde der Weg für die 1992 erfolgte Zustimmung des Nationalen Volkskongresses geebnet.
Mit den Arbeiten zum Bau des Dammes wurde im Jahr 1994 begonnen, 1997 erfolgte die Fertigstellung der provisorischen Staumauer zur Umleitung des Changjiang, womit die Arbeiten für den eigentlichen Damm in Angriff genommen werden konnten, dessen endgültige Fertigstellung für das Jahr 2009 geplant ist.
2.2 Das Projekt in Zahlen
Entsprechend der Größe des gesamten Projekts, stellen sich auch die Kosten dar, die, wie bei Vorhaben dieser Kategorie üblich, bis jetzt stets nach oben korrigiert wurden. Zu unterscheiden ist bei den vorhandenen Zahlen zu den Kosten des Projekts jedoch immer die Grundlage, auf der diese Zahlen entstanden. So gibt es auch unter Befürwortern verschiedene Ansichten über die Definition von „Gesamtkosten“, was die oftmals unterschiedlichen Zahlen erklären kann. Zur Veranschaulichung seien die veranschlagten Kosten aus den Jahren 1985 sowie 1993 genannt, wobei zu beachten ist, dass diese Kosten den damals geltenden Preisniveaus entsprechen. Ging man bei den Planungen 1985 von Gesamtkosten in Höhe von ca. 16 Mrd. Yuan aus[3], so waren es im Jahre 1993 inklusive Zinsen für die benötigten Kredite bereits 224 Mrd. Yuan[4].
[...]
[1] Wittfogel. Die Orientalische Despotie.
[2] Sämtliche Daten dieses Abschnitts aus: Der Brockhaus. Stichwort: „Jangtsekiang“.
[3] Wang Jiazhu. „How much investment is required by the TGP?”. Megaproject. S.196.
[4] Bosshard. Damm zu Babel. S.7.