Ende des 19. Jahrhunderts verwandeln sich die deutschen Universitäten in spezialisierte
Großbetriebe. Gegen die einseitige Anpassung des Studiums an die Erfordernisse des
Berufslebens protestieren u. a. die sogenannten „Freistudenten“, die sich einem ganzheitlichen
Bildungsideal verpflichtet fühlen. In diesem Zusammenhang laden sie zu einer Vortragsreihe
über „Geistige Arbeit als Beruf“, für die Max Weber als Referent gewonnen wird. Seine
zweite Rede, gehalten am 28.1.1919 in München, widmet er der „Politik als Beruf“.
Die sich abzeichnende Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg bzw. die
chaotischen Situation der unmittelbaren Nachkriegszeit bilden unüberhörbar den
zeitgeschichtlichen Hintergrund seiner Stellungnahmen. Auch die für die vorliegende
Hausarbeit relevante politische Situation Deutschlands ist geprägt von zunehmender
Komplexität moderner Lebensweisen, die ihren Ausdruck in Rationalisierung,
Bürokratisierung und Demokratisierung finden. Max Weber sieht die Gelegenheit der Stunde
als „illusionsloser wie engagierter Anwalt intellektueller Redlichkeit“1 die gewachsene
Situation „wissenschaftlich“ zu analysieren, um dann, zumindest formal, normative Aussagen
über politisches Handeln zu formulieren. Er bezieht Stellung und provoziert das Publikum zu
eigener Stellungnahme.
Erkenntnisleitende Fragestellungen der vorliegenden Arbeit werden neben dem Inhalt der
Rede „Politik als Beruf“ Webers sozialwissenschaftliche Vorgehensweise aber auch die
Qualitäten des Textes als historische Quelle sein. Wie argumentiert Max Weber, wie belegt er
seine Thesen? Formuliert er eventuell eine Theorie? Die Frage nach Methoden, Paradigmen,
Schwerpunkten Perspektiven und nicht zuletzt Motivationen seiner Überlegungen? In wie
weit übt sich Max Weber selbst als Historiker und nimmt so Einfluß auf das Selbstverständnis
der Geschichtswissenschaft? In wie weit und unter welchen Bedingungen können Aussagen
über die beschriebene Zeit extrahiert werden?
Beide Vorträge, „Wissenschaft als Beruf“ als auch „Politik als Beruf“ gelten seit langem als
einzigartige und entsprechend viel diskutierte, zum Teil polarisierende Beiträge zur Analyse
der theoretischen und praktischen Aspekte neuzeitlicher Rationalität. Bei mancher
Verstaubtheit verspürt der Leser eine tiefe persönliche und gesellschaftliche Aktualität.
1 Jakob Ossner, Michael Rumpf, Joachim Vahland (Hg.), Weber: Wissenschaft als Beruf, Politik als Beruf, Stuttgart
1995, S.4
Inhaltsangabe
1 Einleitung
2 Politik als Beruf: Die Rede
2.1 Politik, Staat
2.2 Macht, Herrschaft
2.3 Politik als Beruf
2.4 Verwaltung
2.5 Berufspolitiker
2.6 Politischer Betrieb, ökonomischer Aspekt
2.7 Beamtentum, Selbstherrschaft, Parlament, leitende Politiker
2.8 Berufspolitiker, Haupttypen
2.9 Parteibeamte, Parteiwesen
2.10 Ethik
3 Die soziologische Analyse
3.1 „Äußere“ Betrachtung
3.1.1 Entwicklungsgeschichtliches Verstehen und Deuten
3.1.2 kulturelle Vergleiche
3.1.3 Idealtypen
3.2 „Innere“ Betrachtung
4 Die historische Quelle
5 Zusammenfassung und Frage nach der Aktualität des Textes
6 Literatur
1 Einleitung
Ende des 19. Jahrhunderts verwandeln sich die deutschen Universitäten in spezialisierte Großbetriebe. Gegen die einseitige Anpassung des Studiums an die Erfordernisse des Berufslebens protestieren u. a. die sogenannten „Freistudenten“, die sich einem ganzheitlichen Bildungsideal verpflichtet fühlen. In diesem Zusammenhang laden sie zu einer Vortragsreihe über „Geistige Arbeit als Beruf“, für die Max Weber als Referent gewonnen wird. Seine zweite Rede, gehalten am 28.1.1919 in München, widmet er der „Politik als Beruf“.
Die sich abzeichnende Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg bzw. die chaotischen Situation der unmittelbaren Nachkriegszeit bilden unüberhörbar den zeitgeschichtlichen Hintergrund seiner Stellungnahmen. Auch die für die vorliegende Hausarbeit relevante politische Situation Deutschlands ist geprägt von zunehmender Komplexität moderner Lebensweisen, die ihren Ausdruck in Rationalisierung, Bürokratisierung und Demokratisierung finden. Max Weber sieht die Gelegenheit der Stunde als „illusionsloser wie engagierter Anwalt intellektueller Redlichkeit“[1] die gewachsene Situation „wissenschaftlich“ zu analysieren, um dann, zumindest formal, normative Aussagen über politisches Handeln zu formulieren. Er bezieht Stellung und provoziert das Publikum zu eigener Stellungnahme.
Erkenntnisleitende Fragestellungen der vorliegenden Arbeit werden neben dem Inhalt der Rede „Politik als Beruf“ Webers sozialwissenschaftliche Vorgehensweise aber auch die Qualitäten des Textes als historische Quelle sein. Wie argumentiert Max Weber, wie belegt er seine Thesen? Formuliert er eventuell eine Theorie? Die Frage nach Methoden, Paradigmen, Schwerpunkten Perspektiven und nicht zuletzt Motivationen seiner Überlegungen? In wie weit übt sich Max Weber selbst als Historiker und nimmt so Einfluß auf das Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft? In wie weit und unter welchen Bedingungen können Aussagen über die beschriebene Zeit extrahiert werden?
Beide Vorträge, „Wissenschaft als Beruf“ als auch „Politik als Beruf“ gelten seit langem als einzigartige und entsprechend viel diskutierte, zum Teil polarisierende Beiträge zur Analyse der theoretischen und praktischen Aspekte neuzeitlicher Rationalität[2]. Bei mancher Verstaubtheit verspürt der Leser eine tiefe persönliche und gesellschaftliche Aktualität.
2 Politik als Beruf: Die Rede
Bei der allgemeinen Frage, was Politik als Beruf ist und was es bedeuten kann, geht es vom Standpunkt einer soziologischen Betrachtung explizit nicht um Art oder Inhalt, um moralische Aspekte politischen Handelns.
2.1 Politik, Staat
Wird Politik im weitesten als „jede Art selbständig leitender Tätigkeit“[3] verstanden, konzentriert sich die Betrachtung ausschließlich auf die „Leitung oder die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes, heute also: eines Staates“[4].
Der „Staat“ aber läßt sich soziologisch nur definieren aus einem Mittel, das ihm „eignet“[5]: der physischen Gewaltsamkeit. „Gewaltsamkeit ist natürlich nicht etwa das normale oder einzige Mittel des Staates: – davon ist keine Rede –, wohl aber: das ihm spezifische.“[6] Das der Gegenwart spezifische wiederum ist der Staat als „alleinige Quelle des „Rechts“ auf Gewaltsamkeit“[7]. Somit ist Staat „diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes – dies: das „Gebiet“ gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht“[8]
2.2 Macht, Herrschaft
„Politik“ als Leitung oder Beeinflussung der Leitung eines solchen „Staates“ heißt also: „Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt.“[9] So stehen hinter einer „politischen„ Frage, „politischen“ Menschen oder „politischem“ Handeln nach Max Weber immer „Machtverteilungs-, Machterhaltungs- oder Machtverschiebungsinteressen“[10]. „Wer Politik treibt, erstrebt Macht, – Macht entweder als Mittel im Dienst anderer Ziele – idealer oder egoistischer – oder Macht „um ihrer selbst willen“: um das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen.“[11]
Wenn so der Staat „ein auf das Mittel der legitimen (das heißt: als legitim angesehenen) Gewaltsamkeit gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen“[12] ist, auf welche inneren Rechtfertigungsgründe und auf welche äußeren Mittel stützt sich diese Herrschaft? Oder anders gefragt: Warum fügen sich die beherrschten Menschen in die Autorität der Herrschenden, wie kann dieses System funktionieren?
Auf der Suche nach „Legitimitätsgründen einer Herrschaft“[13] arbeitet Weber derer drei heraus. „Traditionale“ Herrschaft kraft Autorität des „ewig Gestrigen“[14], „charismatische“ Herrschaft kraft Autorität einer „außeralltäglichen persönlichen Gnadengabe“[15] und Herrschaft kraft „Legalität“ im Glauben an die „Geltung legaler Satzung und der durch rational geschaffene Regeln begründeten sachlichen „Kompetenz“[16]. Dieser dritte Typ von Herrschaft ist es, den der moderne „Staatsdiener“ ausübt.
Auf der Suche nach der verborgenen Struktur der Herrschaft begnügt sich Max Weber mit diesen drei „reinen“ Typen.[17]
2.3 Politik als Beruf
Um den „Gedanken des Berufes“[18] zu verfolgen stellt er die Herrschaft kraft Hingabe der Gehorchenden an das rein persönliche „Charisma“ des „Führers“ in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Der Führer gilt als persönlich innerlich „berufene“ Leiter der Menschen, seiner Person und ihren Qualitäten gilt die Fügsamkeit oder Hingabe seines Anhanges weder kraft Sitte oder Satzung, noch aufgrund des“Werkes“ nachdem dieser „trachtet“[19], sondern weil sie an ihn glauben. Dabei wiederum liegt das Hauptaugenmerk auf dem „politischen“ Führertum in der Gestalt des freien „Demagogen“, und des parlamentarischen „Parteiführers“.[20]
Doch: Wie fangen die politisch herrschenden Gewalten es an, sich in ihrer Herrschaft zu behaupten? Die Frage gilt für jede Art von Herrschaft, also auch für die politische Herrschaft in allen ihren Formen: für die traditionale ebenso wie für die legale und die charismatische.
2.4 Verwaltung
Jeder Herrschaftsbetrieb benötigt einen personalen Verwaltungsstab und sachliche Verwaltungsmittel. Zur Garantie des Gehorsams gegenüber jeglichen Herren kommen zwei Mittel, welche an das „persönliche Interesse“ appellieren, ins Spiel[21]: Materielles Entgelt und soziale Ehre[22]. Die Notwendigkeit materieller äußerer Sachgüter ist jeder Herrschaft mit einem wirtschaftlichen Betrieb gemein, wenn es um das eigene Bestehen geht. Staatsordnungen lassen sich nun in diesem Zusammenhang in zwei Kathegorien einteilen: Entweder der Verwaltungsstab ist im eigenen Besitz der Verwaltungsmittel[23] oder der Verwaltungsstab ist von den Mitteln getrennt.[24] Dieser Unterschied, konstatiert Max Weber, geht durch alle Verwaltungsorganisationen der Vergangenheit hindurch. Während im „ständischen“ Verband der Herr mit Hilfe einer eigenständigen „Aristokratie“ herrscht, also mit ihr die Herrschaft teilt, haben z.B. Formen patriarchaler und bureaukratischer Staatsordnung keinerlei konkurrierende eigenständige Macht unter den Füßen.[25] Die Konsequenzen für die Machtbalance zwischen Herrschenden und Beherrschten sind augenscheinlich.
Für die Entwicklung des modernen Staates, mit seiner bürokratischen Staatsordnung, in ihrer „rationalsten Ausbildung“[26], macht Weber die folgenden Regelmäßigkeiten aus: Werden im kapitalistischen Betrieb suksessive die selbständigen Produzenten enteignet, werden im Staat die Enteignung der neben ihm stehenden selbständigen „privaten“ Träger von Verwaltungsmacht betrieben. Das heißt, der moderne Staat ist ein anstaltsmäßiger Herrschaftsverband, der „innerhalb eines Gebietes die legitime physische Gewaltsamkeit als Mittel der Herrschaft zu monopolisieren mit Erfolg getrachtet hat und zu diesem Zweck die sachlichen Betriebsmittel in der Hand seiner Leiter vereinigt, die sämtlichen eigenberechtigten ständischen Funktionäre aber, die früher zu Eigenrecht darüber verfügten, enteignet und sich selbst in seiner höchsten Spitze an deren Stelle gesetzt hat“[27].
2.5 Berufspolitiker
Im Zuge dieses „politischen Enteignungsprozesses“[28], tritt eine andere „Kathegorie“ von „Berufspolitikern“ in einem zweiten „Sinn“ auf den Plan. Sie sind nicht mehr, wie der charismatische Führer, selbst Ausgangspunkt von Herrschaft, sondern treten in den Dienst von politischen Herren.[29] Da diese aus ihren Diensten einen materiellen Lebenserwerb einerseits, einen ideellen Lebensinhalt andererseits machen[30], sind explizit für diese Kathegorie die bereits erwähnten Mittel von materiellem Entgelt und sozialer Ehre von Bedeutung.
Max Weber unterscheidet „Gelegenheits“politiker, nebenberufliche und hauptberufliche Politiker.[31] In den Fokus der Untersuchung tritt letzterer, weil er der historisch gewachsene Vertreter des zeitgenössischen politischen Betriebes darstellt.[32] Des weiteren sind sie es, die in „idealtypischer“ Weise aus der Politik ihr Leben in den beschriebenen Formen „alimentieren“. „Entweder: man lebt „für“ die Politik, – oder aber: „von“ der Politik. Der Gegensatz ist keineswegs ein exklusiver.“[33] In einem gewissen „Sinn“ leben beide „von“ der Politik, und so soll im Folgenden die „massivere“, ökonomische Seite des Sachverhaltes betrachtet werden.
[...]
[1] Jakob Ossner, Michael Rumpf, Joachim Vahland (Hg.), Weber: Wissenschaft als Beruf, Politik als Beruf, Stuttgart 1995, S.4
[2] auf die Debatte der einzelnen Interpretationen, v.a. der ethischen Dimensionen, soll jedoch nicht eingegangen werden
[3] Max Weber, Politik als Beruf, aus Jakob Ossner, Michael Rumpf, Joachim Vahland (Hg.), Weber: Wissenschaft als Beruf, Politik als Beruf, Stuttgart, 1995, S.29
[4] ebenda, Max Weber grenzt ab und schließt aus seinen Betrachtungen aus: z.B. Devisenpolitik, Schulpolitik, u.a.m.
[5] ebenda
[6] ebenda
[7] ebenda
[8] ebenda, S. 30
[9] ebenda
[10] ebenda
[11] ebenda
[12] ebenda
[13] ebenda
[14] ebenda
[15] ebenda
[16] Max Weber, Politik als Beruf, aus Jakob Ossner, Michael Rumpf, Joachim Vahland (Hg.), Weber: Wissenschaft als Beruf, Politik als Beruf, Stuttgart, 1995, S.31
[17] wiederum werden abgegrenzt und aus der Betrachtung ausgeschlossen z.B Motive der Furcht und der Hoffnung – Furcht vor der Rache magischer Mächte oder des Machthabers, Hoffnung auf jenseitigen oder diesseitigen Lohn
[18] ebenda
[19] vgl. ebenda
[20] abgegrenzt und aus der Betrachtung ausgeschlossen werden z.B. Magier und Propheten, gekorene Kriegsfürsten, Bandenführer, Kondottiere, vgl. ebenda
[21] ebenda, S.32
[22] Max Weber führt als Beispiele an: Lehen der Vasallen, Pfründen der Patrimonialbeamten, Gehalt der modernen Staatsdiener, – Ritterehre, ständische Privilegien, Beamtenehre; Kriegsehre und Beute für die kriegerische, die „spoils“: Ausbeutung der Beherrschten durch Ämtermonopol, politisch bedingte Profite und Eitelkeitsprämien
[23] Max Weber führt als Beispiele an: Geld, Gebäude, Kriegsmaterial, Wagenparks, Pferde
[24] in Analogie der Trennung des Proletariers im kapitalistischen Betrieb von den Produktionsmitteln, vgl. ebenda
[25] vgl. Max Weber, Politik als Beruf, aus Jakob Ossner, Michael Rumpf, Joachim Vahland (Hg.), Weber: Wissenschaft als Beruf, Politik als Beruf, Stuttgart, 1995, S.32
[26] ebenda, S. 33
[27] ebenda, S.34
[28] ebenda
[29] vgl. ebenda
[30] Max Weber belegt diesen Sachverhalt mit seinem Entstehungsprozeß durch die Geschichte
[31] ebenda
[32] oder beschreibt Weber in seiner Zeit eine Zukunftsvision des Politikers, der allemal als Prototyp existiert?
[33] ebenda, S.35
- Quote paper
- Joachim Klenk (Author), 2003, Max Weber: Politik als Beruf, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32638
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.