1. Einleitung
„ Die Geschichte des Verrats der europäischen Demokratien an der tschechoslowakischen Republik gehört zu den schmutzigsten Stücken, die je gespielt worden sind.“
So hat Thomas Mann das Münchener Abkommen im gleichen Jahr seiner Verabschiedung charakterisiert.
Aber was verdeutlicht diese Aussage? Das Abkommen erhitzte die Gemüter, vor allen Dingen natürlich die der tschechoslowakischen Menschen. Dieses Zitat von Thomas Mann zeigt letztendlich, was für eine Ungerechtigkeit das Abkommen darstellte. Aber wieso hat Mann das Ausmaß des Münchener Abkommens schon 1938 erkannt, während führende europäische Staatsmänner „ihre Augen verschlossen“?
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Forschungsstand
2. Die Vorgeschichte der Münchener Konferenz
2.1 Das Friedenswerk von Versailles – „Ein Dorn im Auge der Nationalsozialisten“
2.2 Der Aufstieg Hitlers und ideologische Komponenten seiner Weltanschauung
2.3 Zur Außenpolitik HitlersS.10
2.4 Hitler, Henlein und das „Karlsbader Programm“
2.5 Die Appeasementpolitik Chamberlains
2.6 Chamberlains „Kapitulation“ führt zu München
3. Die Münchener Konferenz
3.1 „Das Diktat der Großmächte“
3.2 Der weitere Verlauf der Verhandlungen
3.3 Auswirkungen und Ergebnisse der Konferenz
4. Schlußbemerkung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Die Geschichte des Verrats der europäischen Demokratien an der tschechoslowakischen Republik gehört zu den schmutzigsten Stücken, die je gespielt worden sind.“[1]
So hat Thomas Mann das Münchener Abkommen im gleichen Jahr seiner Verabschiedung charakterisiert.
Aber was verdeutlicht diese Aussage? Das Abkommen erhitzte die Gemüter, vor allen Dingen natürlich die der tschechoslowakischen Menschen. Dieses Zitat von Thomas Mann zeigt letztendlich, was für eine Ungerechtigkeit das Abkommen darstellte. Aber wieso hat Mann das Ausmaß des Münchener Abkommens schon 1938 erkannt, während führende europäische Staatsmänner „ihre Augen verschlossen“?
1.1 Fragestellung
Die Problematik des Münchener Abkommens ist überaus weitreichend. Um es in seinen ganzen Ausmaßen verstehen zu können, müßte man eigentlich bis zur Staatsgründung der Tschechoslowakei im Jahre 1918 zurückgehen. Diese Hausarbeit soll aber nur versuchen das Zustandekommen und die Auswirkungen des Münchener Abkommens in seinen Grundzügen zu erläutern und aufzeigen, was für eine Bedeutung es für die Vorkriegsgeschichte und besonders für die Tschechoslowakei hatte.
Wie kam es zu dieser schicksalhaften Konferenz von München, zum Abschluß eines Abkommens, daß einen souveränen Staat förmlich zerrissen hat? Warum griff keine der anderen europäischen Demokratien rechtzeitig ein? Welche Rolle spielten Hitler, Chamberlain, Daladier und Mussolini?
Will man sich allen Meinungen der damaligen Zeit objektiv gegenüberstellen, so muß letztlich die Frage gestellt werden:
War München ein Sieg des Rechtes oder eine Kapitulation vor der Gewalt?
Dieser Frage versucht die Arbeit nachzugehen. Dafür wird die Vorgeschichte des Abkommens und des Zweiten Weltkrieges betrachtet, sowie die Meinungen und die Situationen in den beteiligten Staaten und Außenministerien. Es soll gezeigt werden, welche Spannungen es auf allen Seiten gab und wie überall versucht wurde, den drohenden Krieg zu verhindern. Es soll auch gezeigt werden, daß die Konferenz von München in weiten und entscheidenden Aspekten eigentlich unnötig war, denn vieles war bereits im voraus entschieden worden:
„Wir sind nicht nach München gegangen, um zu entscheiden, ob die vorwiegend deutschen Gebiete des Sudetenlandes nach Deutschland überführt werden sollen. Das war bereits entschieden.“[2]
1.2 Forschungsstand
Die Literatur- und Quellenlage zum behandelten Thema ist günstig. Das Geschehen dieser Zeit ist weitestgehend erschlossen, sei es in Einzelpublikationen, Gesamtdarstellungen oder Quelleneditionen.
Die Arbeit greift auf eine Zahl von Veröffentlichungen über das Münchener Abkommen zurück. Darunter die zwar recht alten, aber aussagekräftigen Arbeiten von Boris Celovsky und Keith Robbins, sowie der zehn Jahre alte Sammelband von Peter Glotz.
Von Bedeutung für diese Arbeit sind weiterhin die Werke von Rainer Blasius und Michael Bloch, die zum einem die Person Weizsäckers, zum anderen die Person Ribbentrops im Zusammenhang mit dem Münchener Abkommen darstellen. Die 19 bzw. 8 Jahre alten Werke entsprechen nicht dem allerneuesten Forschungsstand, sind aber umfassend und detailliert geschrieben.
Aufpassen muß der Leser allerdings, aus welcher Richtung die Veröffentlichungen kommen. Wird z.B. in dem Werk von Hans Bock München als „später Sieg des Rechtes“ betrachtet, so liest man dagegen im Werk von Peter Glotz das am Anfang dieser Arbeit stehende Zitat von Thomas Mann. Der Forscher kann sich also bei der Berücksichtigung dieses Themenkomplexes nicht nur auf eine Richtung der Veröffentlichungen stützen.
Nicht zu vergessen bei dieser Arbeit sind die Akten des Auswärtigen Amtes, in denen man die Geschehnisse der vergangenen Tage sozusagen noch einmal „hautnahe miterleben kann“.
2. Die Vorgeschichte der Münchener Konferenz
Das Hoßbach-Protokoll[3] über die Besprechung vom 5. November 1937 in der Reichskanzlei gab bereits frühzeitig zu erkennen, welche Ziele die nationalsozialistische Führung, insbesondere Hitler, verfolgte. Hitler gab seinen Oberbefehlshabern und Reichsaußenminister Neurath den Entschluß bekannt, die angeblichen Raumprobleme auf dem Wege der Gewalt lösen zu wollen. Desweiteren setzte er sie von der Absicht in Kenntnis, Österreich und die Tschechoslowakei zu überfallen.[4]
Auf deutscher Seite war man also schon 1937 bereit, Gewalt gegen die Tschechoslowakei anzuwenden. Diese Besprechung in der Reichskanzlei unterlag strengster Geheimhaltung, aber bereits nach dem deutschen Einmarsch in Österreich hätte den Alliierten Hitlers Vorhaben auffallen müssen. Man nahm die Geschehnisse zur Kenntnis, aber warum unternahm man nichts, um das deutsche Reich auf dem Weg zur europäischen Hegemonie zu stoppen. Wo aber hatten die nationalsozialistischen Gründe für diese Expansionspolitik gelegen? Diese Gründe muß man schon in den Versailler Verträgen von 1919 suchen?
2.1 Das Friedenswerk von Versailles – „ Ein Dorn im Auge der Nationalsozialisten“
Am 18. Januar 1919 hieß der französische Staatspräsident Poincaré in Paris die Delegierten von 21 Nationen willkommen, nachdem in Compiègne der geschlossene Waffenstillstand zwischen Deutschland und seine Kriegsgegnern unterzeichnet worden war. Nicht zur Konferenz geladen waren allerdings die deutschen Delegierten. Sie wurden erst gegen Ende April 1919 nach Versailles „vorgeladen“.[5] Nicht zuletzt aufgrund des deutsch-französischen Friedensvertrages von 1871 kam es zu einer derartigen Schmach für Deutschland.
Am 7. Mai nahm die deutsche Delegation die Friedensbedingungen entgegen. Die Bekanntgabe der Vertragspunkte rief in der jungen deutschen Republik Empörung hervor. Neben den Gebietsabtrennungen im Osten und im Westen und den Bestimmungen der Entmilitarisierung, stieß vor allem die Feststellung der Alleinschuld Deutschlands an diesem Krieg[6] auf eine nahezu einhellige Ablehnung im Volk und im Reichstag. Die Regierung Scheidemann trat daraufhin zurück, unwillens den „Schandfrieden“ zu unterzeichnen.
Um jedoch einen Einmarsch alliierter Truppen nach Deutschland zu vermeiden, entschloß sich die nachfolgende Reichsregierung dennoch zur Unterzeichnung.
Die Unterzeichnung der nicht akzeptierten Vertragsbestimmungen[7] war dann auch einer der Grundpfeiler, auf denen später das nationalsozialistische Machtsystem entstehen konnte, wenngleich die Regierungen der Weimarer Republik, vor allem die Außenpolitik Stresemanns, einige der Friedensbestimmungen mildern und Deutschlands Ansehen in der Welt kontinuierlich verbessern konnte.
2.2 Der Aufstieg Hitlers und ideologische Komponenten seiner Weltanschauung
Die Festlegung der deutschen Ostgrenzen durch die Versailler Verträge schuf schwerwiegende Probleme. Eine große Zahl von Deutschen wurde in den polnischen und den tschechoslowakischen Staat einbezogen. Höchstwahrscheinlich hat keine Bestimmung des Versailler Vertrages in Deutschland so viel Verbitterung hervorgerufen, wie diese Regelung. Polen und die junge Tschechoslowakei[8] schlossen nun Millionen von Deutschen in ihren Staatsgebieten mit ein, die Anfangs unter erheblichen Repressalien zu leiden hatten. Besonders der Fall der Tschechoslowakei bewegte die Gemüter.[9] Im Vertrag von Versailles und im Vertrag von St. Germain wurden Deutschland und Österreich gezwungen, die von den Tschechen gewünschten Grenzen anzuerkennen. „Das Schicksal der sudetendeutschen Volksgruppe war nicht nur ohne ihre Zustimmung, sondern gegen ihren Willen entschieden.“[10] Das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker als Grundlage der internationalen Politik wurde macht- und sicherheitspolitischen Interessen geopfert.
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[1] Thomas Mann, zitiert nach: Spielmann, Peter: Das Münchener Abkommen in der Kultur der Tschechoslowakei, in: Glotz, Peter, u.a. (Hg.):München 1938. Das Ende des alten Europa, Essen 1990, S.385.
[2] Sir Neville Chamberlain, zitiert nach: Bock, Hans: Der Weg nach München, Wolfenbüttel 1968, S.17.
[3] Oberst Hoßbach fertigte am 10. November 1937 eine Niederschrift dieser Besprechung an, an der unter anderem auch die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Marine, sowie der Reichsaußenminister teilnahmen
[4] „Hoßbach-Protokoll“, in: Kluge, Dankwart: Das Hoßbach-Protokoll. Die Zerstörung einer Legende, Augsburg 1980, S.123-140.
[5] Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg.): „Die Stunde der Abrechnung ist da“, in Militärgeschichte, Heft 3, 3. Quartal 1999, S. 48.
[6] Manifestiert in Artikel 231 des Vertragswerkes.
[7] „Welche Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legte“, Philipp Scheidemann, zitiert nach: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg.): „Die Stunde der Abrechnung ist da“, in Militärgeschichte, Heft 3, 3. Quartal 1999, S. 53..
[8] Die Entstehung der Tschechoslowakei war ein Resultat des 1. Weltkrieges. Sie wurde am 28. Oktober 1918 ausgerufen und bestand aus Teilen Österreich-Ungarns (Böhmen, Mähren, Österreich-Schlesien, Slowakei).
[9] Vgl. dazu: Bock, Wolfenbüttel 1968, S. 5-19.
[10] Ders.: S. 9.
- Arbeit zitieren
- Axel Möhring (Autor:in), 2000, Der Weg nach München - Wie kam es zur Münchener Konferenz und was waren die Verhandlungsergebnisse?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3259