Vorliegende Arbeit thematisiert den Strukturwandel im Automobilvertrieb sowie die damit einhergehende Entwicklung von Automobilhandelsgruppen und deren informationstechnologischer Infrastruktur. Die Analyse der Fachliteratur sowie die Auswertung der Fragebögen und Interviews hat eine Fülle von Erkenntnissen hervorgebracht, die in den einzelnen Kapiteln umfassend dargestellt werden. Die wichtigsten Aussagen lassen sich dessen ungeachtet durch einige Eckpunkte zusammenfassen:
> Die wirtschaftliche Lage in der deutschen Automobilbranche ist weiterhin angespannt. Besonders bedrohlich ist ein anhaltender Rabattkampf in diesem Gewerbe. Die Automobilhandelsbranche befindet sich unlängst in einer Konsolidierungsphase, die immer weiter voranschreitet. Unterstützt wird dieser Vorgang nicht zuletzt durch die neue GVO 1400/02 und den gewachsenen Ansprüchen der Kfz-Hersteller durch ihre Standardpolitik. Kleine Autohändler verschwinden zunehmend vom Markt und gehen entweder in Handelsgruppen auf, restrukturieren sich zu Servicestandorten oder müssen das Geschäft ganz aufgeben. Die Folge ist eine steigende Professionalität und Komplexität in größeren Unternehmensstrukturen.
> Für die Zukunft wird von einer Abnahme um cirka 50 Prozent bei den klassischen Autohäusern ausgegangen, das Wachstumspotential von Handelsgruppen dagegen als groß eingeschätzt.
> Die untersuchten Handelsgruppen kennzeichnen sich durch unterschiedliche Ausprägungen in Größe und Struktur.
> International agierende Handelsunternehmen entdecken immer mehr den deutschen Markt für sich und drängen durch eine mehr oder weniger aggressive Wachstumspolitik in die ansässige Händlerstruktur.
> Der deutsche Automobilhandel reagiert und entwickelt eigene Strategien zur Bewältigung der bestehenden Marktsituation. Kooperationen, Zusammenschlüsse und Fusionen sind die Antworten der Autohändler und stützen damit den Trend zur Konsolidierung.
> Komplexere Unternehmensstrukturen erfordern ein differenzierteres Management als im traditionellen Familienautohaus. Demzufolge ist die Informationsbereitstellung und –verarbeitung ein entscheidendes Thema in den Führungsebenen der Handelsgruppen.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Management Summary
1 Aufgabenstellung
1.1 Problemstellung
1.2 Abgrenzung und Zielsetzung
2 Definition und Abgrenzung der Begriffe
2.1 Organisation, Strukturen und Prozesse
2.2 Automobilhandelsgruppen
2.3 Internet, Intranet, Extranet und Informationstechnologie
2.4 Dealer Management System
2.5 Kommunikation und Wissensmanagement
3 Studienaufbau
3.1 Sekundärerhebung
3.2 Primärerhebung
4 Strukturwandel im Automobilvertrieb
4.1 Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen
4.1.1 Mittelständische Unternehmen und Basel II
4.1.2 Die neue Gruppenfreistellungsverordnung GVO 1400/02
4.2 Auswirkungen auf den Automobilhandel
4.2.1 Handlungsoptionen für kleine Automobilhändler
4.2.2 Handlungsoptionen für Handelsgruppen
4.3 Bedeutung von Handelsgruppen im Automobilmarkt
4.4 Trends im Automobilvertrieb
4.5 Wachsende Anforderungen an die Informationstechnologie
5 Evaluierung der IT-Systeme und kommunikativen Prozesse
5.1 Analyse von Automobilhandelsgruppen
5.2 Analyse von Dealer Management Systemen
6 Einsatz eines Intranets als systemübergreifendes Informationsinstrument
6.1 Grundlagen zum praktischen Wissensmanagement
6.2 Das Intranet als Informationsplattform
6.3 Die Händlergruppen-Intranet-Lösung
6.4 Argumente für den Einsatz eines Intranets in Handelsgruppen
7 Handlungsempfehlungen für die Siller AG
7.1 Zielgruppe
7.2 Die Siller-Lösung
7.3 Beispielhafte Konkurrenzlösungen
7.4 Wahl eines Kooperationspartners
7.5 Strategische Alternativen
8 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
A Fragebögen
B Interview-Leitfaden und Aufzeichnungen
C Sonstige Studienergebnisse (nicht verwendete Tabellen, Häufigkeiten)
D Atrium Automotive
E Projektplan
Ehrenwörtliche Erklärung
Danksagung
Für die tatkräftige Mitarbeit und Unterstützung an der vorliegenden Diplomarbeit danken die Autoren:
Prof. Horst-Fritz Siller (Betreuung); Jörn Bülow (Projektleiter); Prof. Hannes Brachat (Beratung) und dem Auto Business Verlag; Silke Beer, Christoph Woywode und Christoph Stelzig (Programmierung Online-Fragebogen); Martin Bopp (Händlerfragebogenkontrolle und Pretest, Auto Palazzo Stuttgart); Thomas Diez (DMS-Fragebogenkontrolle); Thomas Walz (E-Mail-Aktion); Gerhard Wirtz (Interview, Heister-Gruppe Trier); Dr. Volker Borkowski (Interview, AVAG Augsburg); Christiane Krauth (Interview, Auto Krauth Hockenheim); Michael Eidenmüller (Interview, Auto Scholz Bamberg); allen Umfrageteilnehmern; Herrn Exl (SPSS München); Kerstin Reichersporner (Mercer Consulting); Peter G. Baier (Korrektur); dem Alatis-Team (Catering); der Siller AG und allen ungenannten, die uns in den vergangenen Monaten ertragen mussten – DANKE !!
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Gewachsenes, klassisches DMS
Abbildung 2-2: Klassisches DMS + Zusatzfunktionen
Abbildung 2-3: Beispiel: ERP-basierendes DMS
Abbildung 2-4: Kriterien der Kommunikation
Abbildung 2-5: Kettenkommunikation
Abbildung 2-6: Kreiskommunikation
Abbildung 2-7: Vollkommunikation
Abbildung 2-8: Dialog
Abbildung 2-9: Monolog
Abbildung 2-10: Zyklus des Wissensmanagement
Abbildung 3-1: Einordnung der Primärerhebung
Abbildung 3-2: Überblick zum Field-Research
Abbildung 4-1: Wettbewerb im Mobilitätsmarkt
Abbildung 4-2: Einfluss des Internets
Abbildung 4-3: Akzeptanz der verschiedenen Vertriebskanäle
Abbildung 4-4: Betriebswirtschaftliche Situation der Automobilhändler
Abbildung 4-5: Kleine und mittlere Unternehmen
Abbildung 4-6: GVO-Säulen
Abbildung 4-7: Qualitative und quantitative Standards
Abbildung 4-8: Synopse – alte und neue GVO
Abbildung 4-9: Informationspolitik der Hersteller
Abbildung 4-10: GVO als Chance oder Risiko
Abbildung 4-11: Konsolidierung des Automobilhandels
Abbildung 4-12: Typische Einkaufsgesellschaft
Abbildung 4-13: Typische Vertriebskooperation mit Zustimmung
Abbildung 4-14: Typische Vertriebskooperation ohne Zustimmung
Abbildung 4-15: Typische Holding
Abbildung 4-16: Satellitenvertrieb
Abbildung 4-17: Center-Modell
Abbildung 4-18: Dezentrales Systemhändler Modell
Abbildung 4-19: Struktur der Händlerlandschaft
Abbildung 4-20: Beispiele für deutsche Handelsgruppen
Abbildung 4-21: Händler- und Verkaufsstruktur
Abbildung 4-22: Top 50 Handelsgruppen im europäischen Vergleich
Abbildung 4-23: Marktanteilsprognose Neuwagen
Abbildung 4-24: Marktanteilsprognose Gebrauchtwagen
Abbildung 4-25: Mehrkanalvertrieb
Abbildung 4-26: Professionalisierung der Autohändler
Abbildung 5-1: Größe und Struktur der befragten Automobilhandelsgruppen
Abbildung 5-2: Betriebsstätten
Abbildung 5-3: Mitarbeiter
Abbildung 5-4: NW-Absatz
Abbildung 5-5: Anzahl Fabrikate
Abbildung 5-6: Fabrikate in Handelsgruppen
Abbildung 5-7: Anteil Holdings
Abbildung 5-8: Angabe Holdings
Abbildung 5-9: Betriebssysteme
Abbildung 5-10: EDV-Anwendungen
Abbildung 5-11: Verbesserungspotential Geschäftsprozesse
Abbildung 5-12: Präferierte Wissenshaltung
Abbildung 5-13: Betriebswirtschaftliches Reporting
Abbildung 5-14: Sonstige Reportings
Abbildung 5-15: Automatische Datenkonsolidierung
Abbildung 5-16: Informationszugriff – Berichte
Abbildung 5-17: Aspekt der Zeit im Berichtswesen
Abbildung 5-18: Übersichtlichkeit des Berichtswesens
Abbildung 5-19: Einkaufs- bzw. Beschaffungsorganisation
Abbildung 5-20: Bevorzugte Bezugsquellen
Abbildung 5-21: Informationsverfügbarkeit
Abbildung 5-22: Geplante EDV-Einführungen
Abbildung 5-23: Internetzugang
Abbildung 5-24: Zugang zum Hersteller-Extranet
Abbildung 5-25: Puls-Umfrage – Zufriedenheit Hersteller-Intranet
Abbildung 5-26: Verbreitung von Intranets
Abbildung 5-27: Intranetaffinität
Abbildung 5-28: GW-Bestandshaltung
Abbildung 5-29: Technologie zum GW-Absatz
Abbildung 5-30: Startseite von Unirent
Abbildung 5-31: Unirent – Verkaufsportal
Abbildung 5-32: Unirent - Opel-Neuwagensuche
Abbildung 5-33: Unirent – Opel-Neuwagendatenbank – Suchergebnis
Abbildung 5-34: Unirent – Fahrzeug-Detailansicht
Abbildung 5-35: Verwendete Kommunikationsmittel
Abbildung 5-36: Verbesserungspotential Kommunikation
Abbildung 5-37: Einsatzbereiche eines Intranet
Abbildung 5-38: Persönliche Beurteilung der EDV
Abbildung 5-39: Puls-Umfrage – Hersteller-EDV-Servicelösungen
Abbildung 5-40: Puls-Umfrage – Hersteller-EDV-Verkaufslösungen
Abbildung 5-41: Puls-Umfrage – Hersteller-EDV-Verwaltungslösungen
Abbildung 5-42: DMS Modularität
Abbildung 5-43: DMS Mehrfilialfähigkeit
Abbildung 5-44: DMS Mehrmandantenfähigkeit
Abbildung 5-45: DMS Netzwerkfähigkeit
Abbildung 5-46: DMS Personalisierbarkeit
Abbildung 5-47: DMS Fabrikatskompatibilität
Abbildung 5-48: Unterstützte Fabrikate
Abbildung 5-49: DMS Sprachunterstützung
Abbildung 5-50: DMS Einführung von Sprachen
Abbildung 5-51: DMS-unterstützte Sprachen
Abbildung 5-52: Serverbetriebssysteme
Abbildung 5-53: Clientbetriebssysteme
Abbildung 5-54: Anteil ERP-basierter DMS
Abbildung 5-55: DMS Funktionalitäten
Abbildung 5-56: DMS Datenspeicherung
Abbildung 5-57: Verhinderung von Redundanzen
Abbildung 5-58: Datenkonsolidierung über Abteilungen
Abbildung 5-59: Datenkonsolidierung über Betriebe
Abbildung 5-60: Datenkonsolidierung über Unternehmen
Abbildung 5-61: MDE-Anbindung
Abbildung 5-62: Notebook-Anbindung
Abbildung 5-63: PDA-Anbindung
Abbildung 5-64: Mobile Standards
Abbildung 5-65: DMS als ASP-Lösung
Abbildung 6-1: Intranet Einsparungspotentiale
Abbildung 6-2: Intranet-Profil
Abbildung 6-3: DMS-Datenbankplattformen
Abbildung 6-4: Beispielhafte Systemlandschaft
Abbildung 7-1: Händlerumfrage EDV-Kapazität
Abbildung 7-2: Händlerumfrage Softwareaktualität
Abbildung 7-3: Atrium Automotive Reporting-Modul
Abbildung 7-4: Fehlende EDV-Anwendungen
Abbildung 7-5: Wichtigkeit einer Herstellerempfehlung
Abbildung 7-6: DMS-Empfehlungen der Hersteller
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Management Summary
Vorliegende Arbeit thematisiert den Strukturwandel im Automobilvertrieb sowie die damit einhergehende Entwicklung von Automobilhandelsgruppen und deren informationstechnologischer Infrastruktur. Die Analyse der Fachliteratur sowie die Auswertung der Fragebögen und Interviews hat eine Fülle von Erkenntnissen hervorgebracht, die in den einzelnen Kapiteln umfassend dargestellt werden. Die wichtigsten Aussagen lassen sich dessen ungeachtet durch einige Eckpunkte zusammenfassen:
- Die wirtschaftliche Lage in der deutschen Automobilbranche ist weiterhin angespannt. Besonders bedrohlich ist ein anhaltender Rabattkampf in diesem Gewerbe. Die Automobilhandelsbranche befindet sich unlängst in einer Konsolidierungsphase, die immer weiter voranschreitet. Unterstützt wird dieser Vorgang nicht zuletzt durch die neue GVO 1400/02 und den gewachsenen Ansprüchen der Kfz-Hersteller durch ihre Standardpolitik. Kleine Autohändler verschwinden zunehmend vom Markt und gehen entweder in Handelsgruppen auf, restrukturieren sich zu Servicestandorten oder müssen das Geschäft ganz aufgeben. Die Folge ist eine steigende Professionalität und Komplexität in größeren Unternehmensstrukturen.
- Für die Zukunft wird von einer Abnahme um cirka 50 Prozent bei den klassischen Autohäusern ausgegangen, das Wachstumspotential von Handels-gruppen dagegen als groß eingeschätzt.
- Die untersuchten Handelsgruppen kennzeichnen sich durch unterschiedliche Ausprägungen in Größe und Struktur.
- International agierende Handelsunternehmen entdecken immer mehr den deutschen Markt für sich und drängen durch eine mehr oder weniger aggressive Wachstumspolitik in die ansässige Händlerstruktur.
- Der deutsche Automobilhandel reagiert und entwickelt eigene Strategien zur Bewältigung der bestehenden Marktsituation. Kooperationen, Zusammen-schlüsse und Fusionen sind die Antworten der Autohändler und stützen damit den Trend zur Konsolidierung.
- Komplexere Unternehmensstrukturen erfordern ein differenzierteres Management als im traditionellen Familienautohaus. Demzufolge ist die Informationsbereitstellung und –verarbeitung ein entscheidendes Thema in den Führungsebenen der Handelsgruppen.
- Die EDV-Zufriedenheit steht in Korrelation zu den vertriebenen Kfz-Marken und bestätigt dadurch einen Herstellereinfluss auf die IT-Struktur der Autohäuser.
- Die Informationsverteilung in Handelsgruppen gilt in den meisten Fällen als suboptimal.
- Die zerklüftete EDV-Systemlandschaft im Automobilhandel gilt als das größte Hindernis für eine reibungslose Betriebsführung. Demnach wird der Homogenisierung der benötigten Systeme bzw. der einheitlichen Datenhaltung eine große Bedeutung zukommen.
- Bei geplanten Investitionen tendieren Handelsgruppen zu häuserübergreifenden Lösungen.
- Der Wunsch nach einer zentralen Datenhaltung durch die Händler bestätigt das EDV-Entwicklungspotential im Automobilhandel. ERP-Systeme auf DMS-Basis versuchen dieser Anforderung gerecht zu werden. Indes sind solche Lösungen aus Expertensicht erst in etwa fünf Jahren fähig die Autohandelsprozesse hinreichend abzudecken.
- Die eingesetzten Dealer Management Systeme unterstützen wichtige Prozesse für das Autohausmanagement nicht immer ausreichend. Sie eignen sich nur in wenigen Fällen als Informationsplattform in einer Handelsgruppe.
- Eklatant ist die häufige Ermangelung einer betriebswirtschaftlichen Datenkonsolidierung durch die EDV-Systeme. An dieser Stelle wird der Nachteil einer heterogenen IT-Infrastruktur deutlich.
- Ein Intranet eignet sich, um die Lücken einer uneinheitlichen Systemlandschaft zu überbrücken. Dies ermöglicht ein effektives Informationsmanagement über alle Systeme und Arbeitsstellen hinaus. Als problematisch jedoch erweisen sich häufig ändernde Schnittstellen der bestehenden IT-Systeme.
- Dem Intranet als Kommunikationsplattform wird ein starkes Wachstum bescheinigt. Handelsgruppen, die noch kein eigenes Intranet besitzen, könnten sich solch ein System auch in ihrem Unternehmen vorstellen. Jedoch müsste die Hälfte der Befragten zuvor in ein geeignetes Betriebssystem investieren.
- Beim Einsatz eines Intranets ist auf die Zuteilung rollenbasierter Nutzerrechte zu achten, um unnötige Suchvorgänge zu vermeiden. Dies setzt eine redaktionelle Datenaufbereitung voraus. Nur so kann ein Intranet die Basis für ein effektives Wissensmanagement darstellen.
- Synergieeffekte innerhalb einer Gruppe werden oft noch nicht professionell genutzt und offenbaren wichtiges Potential zur Weiterentwicklung der Unternehmung. Im Einkauf beispielsweise könnten Intranetfunktionen eine Bündelung der Einkaufsmacht im Ge- und Verbrauchsgüterbereich erreichen.
- Intranets werden bereits erfolgreich im Gebrauchtwagenvertrieb eingesetzt und gelten dort als ideale Organisationsplattform.
- Handelsgruppen müssen die Pflege und Aufbereitung ihrer oft ungenutzten Informationen als Wettbewerbsvorteil erkennen. Damit einhergehend können interne Prozesse gestrafft und Optimierungen vorangetrieben werden.
- Der Siller AG bieten sich zwei strategische Alternativen an eine Intranetlösung in der Automobilhandelsbranche zu etablieren. Zum einen kann sie sich auf den Einsatz eines Intranets als Kommunikations- und Informationsplattform konzentrieren und diese mit offenen Schnittstellen an bestehende Systeme anbinden. Zum anderen kann Siller eine strategische Zusammenarbeit mit einem DMS-Anbieter anstreben, wobei die Lösung direkt an dieses eine Dealer Management System angepasst wird.
1 Aufgabenstellung
Als Hinführung zum Thema sei ein Ausschnitt aus der Rede des designierten Bundeskanzlers Gerhard Schröder anlässlich der Eröffnung eines Opel-Werkes am 05.02.2002 zitiert (Mitschnitt Bundespresseamt):
„Wir haben, meine Damen und Herren, erneut eine Sache vor uns, die bewältigt werden muss und die wir miteinander bewältigen müssen. Das ist die Gruppenfreistellungsverordnung. Das klingt so daher gesagt. Wer außer den Fachleuten kann sich unter Gruppenfreistellungsverordnung schon etwas vorstellen?
Die meisten Fachleute sitzen hier, aber denen die uns zuhören, die es aufschreiben, die uns sehen und die es senden, sei gesagt: Die Zerstörung der Gruppenfreistellungsverordnung hat schon enorme Wettbewerbsnachteile für die deutsche Automobilindustrie, aber nicht zuletzt deswegen, weil es bei uns ein gewachsenes Verhältnis zwischen guten Händlerorganisationen – die nach Auffassung der Automobilbauer immer noch besser werden können; das gilt aber auch umgekehrt – und hochqualifizierten Händlern, die auch hochqualifizierten Service bieten einerseits und den Automobilbauern andererseits gibt.
Wer in dieses Gewachsene unter Wettbewerbsgesichtspunkten eingreift, muss sich immer nicht nur klar machen, was er fördert, sondern auch klar machen, was er zerstört. ...“[1]
1.1 Problemstellung
Der seit einigen Jahren stattfindende Strukturwandel in der Automobilbranche formt insbesondere den Automobilvertrieb um. Resultat ist eine sich ändernde Händlerlandschaft, die sich mit neuen oder bekannten Herausforderungen konfrontiert sieht. Der stark fragmentierte deutsche Markt befindet sich mitten in einem Konsolidierungsprozess. Der Trend zur Konzentration macht sich durch Fusionen oder verschiedenartige Kooperationen bemerkbar und wird durch die Gesetzesänderungen Basel II und Gruppenfreistellungsverordnung GVO 1400/02 noch verstärkt.
Die entstehenden Organisationsformen zeichnen sich durch zunehmende Komplexität der Unternehmensstrukturen und die Veränderung kommunikativer und informationstechnologischer Prozesse aus. Die Entscheidungsträger müssen höhere Ansprüche an die EDV-technische Ausstattung des Betriebes oder der Organisation stellen, um die erhofften Synergien nutzen zu können. Die oft antiquierte Informationstechnologie in automotiven Handelsunternehmen verlangt geradezu nach modernen State-of-the-art Lösungen, um betriebliche Vorgänge zielführend unterstützen zu können.
1.2 Abgrenzung und Zielsetzung
Untersuchungsfeld ist die Wirtschaftsstufe zwischen Pkw-Herstellern bzw. Importeuren und Endkunden, also der Automobilhandel, auf dem deutschen Markt. Relevant sind in der Studie nur solche Händler, die sich als Gruppe, d.h. mindestens ein Hauptbetrieb und zwei angeschlossene Betriebe oder drei gleichberechtigte Betriebe, organisieren.
Vorliegende Arbeit beschäftigt sich damit, wie die EDV-Infrastuktur von Automobilhandelsgruppen organisiert ist. Zu untersuchen ist, welche Anforderungen an die Informationstechnologie gestellt werden. Zudem findet eine nähere Betrachtung aktueller Dealer Management Systeme im Hinblick auf die notwendigen und erwünschten Funktionalitäten zur Realisierung der Händleraufgaben statt. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf dem Einsatz eines Intranets in einer Gruppenstruktur zur Verbesserung der Kommunikation und des Wissensmanagements. Die Arbeit liefert der Siller AG eine umfassende Informationsgrundlage und exklusives Datenmaterial vom Automobilhandels-gruppenmarkt zur richtigen Positionierung einer branchenspezifischen Intranetlösung. Die zu evaluierenden Kernfragen sind:
- Wie groß sind die Handelsgruppen durchschnittlich?
- Wie viele Fabrikate werden angeboten? Wie wichtig ist das Mehrmarkengeschäft?
- Welche Synergieeffekte werden genutzt? Wo ist Potential?
- Wie sieht die IT-Struktur in etwa aus?
- Welche Lösungen bieten die branchenspezifischen Hersteller von Dealer Management Systemen (DMS)?
- Inwieweit sind die DMS den neuen Herausforderungen gewachsen?
- Ist die Führungsebene zufrieden mit den bisherigen IT-Lösungen?
- Wie ist Kommunikation und Wissenshaltung organisiert?
- Werden Intranets bereits zur unternehmensweiten Kommunikation und Informationsversorgung eingesetzt?
- Inwiefern kann ein Intranet als Schnittstelle zwischen DMS und automotiven Speziallösungen fungieren?
- Wo liegen Funktionalitäten, die von den Entscheidungsträgern gewünscht und in einem Intranet realisiert werden können?
Angesichts der unterschiedlichsten Geschäftsmodelle und Organisationsformen der Händlergruppen ist eine allgemein gültige Empfehlung natürlich nicht möglich. Vielmehr sollen Chancen und Risiken zu einer Sammlung von Handlungsoptionen führen.
2 Definition und Abgrenzung der Begriffe
2.1 Organisation, Strukturen und Prozesse
Der Begriff Organisation bezeichnet einerseits die Tätigkeit der zielorientierten Steuerung von Aktivitäten in einem sozialen System mit mehreren Mitgliedern (funktionaler Organisationsbegriff) und anderseits beschreibt er das soziale Gebilde an sich (institutionaler Organisationsbegriff).[2]
Vorliegende Studie analysiert die funktionale Organisation zur zielorientierten Steuerung von Aktivitäten.
Die Aktivitäten einer funktionalen Organisation sind alle Maßnahmen einer Instanz, die dazu dienen, die Entscheidungen der Mitarbeiter zu beeinflussen bzw. zu steuern. Organisation beschäftigt sich mit wiederholenden Prozessen und versucht Regelungen und Ordnungssysteme zu finden, die dauerhaft Gültigkeit haben und damit die Unsicherheit wechselnder Strukturen absorbieren. Das essentielle Organisationsziel ist eine dynamische Anpassung an sich ändernde Gegebenheiten, wobei der Begriff der Dauerhaftigkeit relativiert wird. Einmalige Abläufe unterliegen in der Regel nicht organisatorischer Gestaltung.[3]
Strukturen sind abhängig von der funktionalen Organisation und definieren sich durch Aufbau- und Ablauforganisation. Die Aufbauorganisation zeigt, wie die aus unternehmerischen Zielsetzungen folgerichtige Aufgabe nach Verrichtung (was ist geistig / körperlich zu tun?) und Objekt (woran ist etwas zu tun?) gebildet wird. Sie bestimmt die Einteilung von Sachaufgaben auf Stellen und regelt die Gestaltung der Beziehungen zwischen den Stellen durch Kompetenz-, Verantwortungs- und Informationsregelungen. Dagegen erläutert die Ablauforganisation den Ablaufprozess der betrieblichen Aktivitäten, deren Vollzug sowie die Ausübung und Erfüllung von Funktionen. Dabei gliedert die Ablauforganisation die jeweilige Aufgabe nach Merkmalen der Zeit (wann ist etwas zu tun?) und des Raumes (wo ist etwas zu tun?).[4]
Im Zuge des „Business Process Reengineering“ wurde die Ablauforganisation in den Vordergrund gerückt. Im traditionellen Sinne war diese der Aufbauorganisation nachgelagert. Deren Bestimmung war es, die durch sich selbst geschaffenen Potentiale zu nutzen. Eine Ablauforganisation kehrt nun dieses Verhältnis um. Die betrieblichen Abläufe, also die Prozesse werden zur organisatorischen Richtlinie. An diesen hat sich die Aufbauorganisation auszurichten. Die Wertschöpfung wird so gestaltet, dass autonome, am Kunden orientierte Prozesse dominieren, welche ohne Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen das Unternehmen durchlaufen. Folglich ist das Ziel die Beseitigung aller Schnittstellen, weil sie zu Abstimmungsproblemen führen, Informationsverluste hervorrufen und die Zuordnung von Verantwortlichkeiten erschweren.[5]
2.2 Automobilhandelsgruppen
Als Automobilhändler werden Händler bezeichnet, die an einen Automobilhersteller vertraglich gebunden sind. Dies trifft ebenfalls auf die Verkaufsniederlassungen der Hersteller zu. Neben dem Fahrzeugverkauf bieten die Händler dem Kunden Beratungs- und Serviceleistungen und stehen in direkten Geschäftsbeziehungen mit dem Hersteller.[6] Der Automobilvertrieb in Deutschland ist geprägt von traditionellen mittelständischen Unternehmen (siehe Kapitel 4.1.1). Zumeist sind dies markengebundene Vertragshändler, die von einem Standort aus operieren. Im Fokus dieser Arbeit jedoch befinden sich filialisierte Automobilhandelsgruppen (AHGs), die zunehmend den deutschen Markt beherrschen . Die Fachliteratur spricht auch von Händlergruppen, Kettenbetrieben oder Kettenhändlern. Diese Begriffe werden in den weiteren Ausführungen synonym verwendet.
Mit diesem Gruppenkonstrukt wird eine funktionale Verbindung von verschiedenen Betriebsstätten zu einer Unternehmenszentrale mit entsprechendem Leistungsanspruch verbunden. Die Zuordnung eines Verbundes von Autohäusern zu Automobilhandelsgruppen ist von der Anzahl der Betriebsstätten sowie der rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung abhängig.[7] Die Literatur nennt für AHGs eine Mindestgröße von einem Stammhaus und drei angeschlossenen Standorten.[8] In dieser Studie definiert sich eine Automobilhandelsgruppe durch mindestens drei operativ zusammenhängende Betriebsstätten, inklusive Stammhaus. Nach Ansicht der Autoren bietet bereits diese Größe eine ausreichende Komplexität bei der Analyse von informationstechnologischen Strukturen und Prozessen. Um die verschiedenen Arten von Handelsgruppen besser greifen zu können, nimmt diese Arbeit über die Mindestgröße des Unternehmens hinaus eine Unterscheidung nach der Größe des bearbeiteten Gebietes vor:
A) Lokal tätige Handelsgruppen
Handelsgruppen mit lokaler Bedeutung sind Unternehmen, die mit mehreren Standorten und meist auch mehreren Marken innerhalb der Grenzen eines klassischen Händler-Marktverantwortungsgebiets arbeiten.[9] Beispiele hierfür sind etwa die VW- und Audi-Vertragshändler Schwaba in Augsburg oder AVW in Würzburg.[10]
B) Regional tätige Handelsgruppen
Die Bedeutung von regional tätigen Handelsgruppen geht über das klassische Händler-Marktverantwortungsgebiet hinaus. Sie sind ebenfalls mit mehreren Standorten und Fabrikaten innerhalb einer definierten Region tätig.[11] Beispielhaft seien hier die Fahrzeugwerke Lueg genannt, größter Mercedes-Vertreter in Deutschland, die den Verkaufsschwerpunkt im Ruhrgebiet setzen.[12]
C) Überregional tätige Handelsgruppen
Zu den überregionalen Handelsgruppen zählen Unternehmen, die mit mehreren Standorten und mehreren Marken in einem großflächigen Marktgebiet (meist bundeslandübergreifend) agieren und aufgrund ihres Modellmix und/oder ihrer Standortdichte eine überregionale Bedeutung inne haben.[13] Ein Beispiel dafür ist die MAHAG als größter deutscher VW-, Audi- und Porsche-Händler. Neben dem Großraum München ist die MAHAG auch in Berlin, Ulm sowie Dresden präsent.[14]
D) Megadealer
Als Megadealer oder Mega-Distributoren werden Unternehmen bezeichnet, die international operieren und neben der Einzelhandelsfunktion auch den Großhandel, z.B. als Importeur ausüben. Beispielhaft seien hier die AVAG Holding AG (Still-Gruppe) aus Augsburg oder die Emil Frey Gruppe (CH) genannt. Das Schweizer Unternehmen ist sowohl als Importeur in Deutschland für die Marken Subaru, Hyundai und Proton als auch durch angeschlossene Handelsgruppen, wie die Schwabengarage oder Auto Palazzo, auf der Einzelhandelsstufe tätig.[15]
Bedeutend ist zudem die Anzahl der vertriebenen Fabrikate. Die Tatsache, ob ein Unternehmen nur konzerneigene oder auch konzernübergreifende Marken anbietet, kann als zusätzliches Klassifizierungsmerkmal herangezogen werden.
Automobilhandelsgruppen können als sogenannte Systemhändler tätig sein. Dieser Begriff beschreibt eine Unternehmensstruktur mit einer bestimmten strategischen Bedeutung aus Herstellersicht. Kapitel 4.2.2 erläutert das Systemhändler-Modell näher.
2.3 Internet, Intranet, Extranet und Informationstechnologie
A) Das Internet
Das Internet ist ein globaler Verbund vieler Millionen Rechner, die über das Netzwerkprotokoll TCP/IP (Transmission Control Protocol / Internet Protocol) Daten austauschen können. Es gibt dabei keine hierarchische oder zentrale Verwaltung. Erste Ansätze des Internets sind in den späten 60er Jahren der USA zu finden. Wenige Computer waren im ARPANet (Advanced Research Project Agency Network) zu militärischen und später zu universitären Zwecken miteinander verbunden. In den 80ern wurde das TCP/IP Protokoll entwickelt und Europa übernahm diese Vernetzungsform Anfang der 90er. Das World Wide Web (WWW), der wichtigste Internet-Dienst, wurde 1993 erstmalig vorgestellt.[16]
Damit das vielfältige WWW-Angebot von Texten, Bildern, Sound, Videos und Hyperlinks genutzt werden kann, bedient sich der Anwender eines (Web-)Browsers, der auf dem Rechner installiert sein muss. Technisch ist dies ein Programm, welches HTML (Hypertext Markup Language) kodierte Dateien über das auf das TCP/IP-Protokoll aufsetzende HTTP-Protokoll (Hypertext Transfer Protocol) anfordern, empfangen interpretieren und auf dem Bildschirm anzeigen kann.[17]
Weitere wichtige Internet-Dienste sind E-Mail zur Versendung von elektronischer Post und das File Transport Protocol (FTP) zum Hoch- und Herunterladen von Dateien.
B) Das Intranet
Das Intranet charakterisiert eine Bedieneroberfläche, welche auf Internet-Technologie aufbaut. Der Einsatz und Zugriff beschränkt sich dabei ausschließlich auf das firmeninterne Computernetzwerk.
Somit kann das Intranet als ein TCP/IP-basiertes Netzwerk definiert werden, in dem Informationen für eine geschlossene Benutzergruppe über einen Internet-Browser zugänglich gemacht werden.[18]
Einerseits kann sich dies auf ein lokales Netzwerk (LAN – Local Area Network) beschränken, andererseits kann das auch ein globales privat genutztes Netzwerk (WAN - Wide Area Network) sein. Kleinere Unternehmen betreiben ihr Intranet über das hauseigene Netzwerk. Größere Unternehmen dagegen koppeln zusätzlich ihre verschiedenen Standorte zu einem großen Intranet. Große Entfernungen werden entweder über eine eigene Standleitung oder über ein Virtual Private Network via Internet (I-VPN) überbrückt.[19]
Zu den Vorteilen eines Intranets zählen unter anderem[20]:
- Vielfältige Einsetzbarkeit durch allgemeine Standards (HTML, XML, etc.)
- Einheitliche Nutzeroberfläche zur Verknüpfung einzelner EDV-Systeme
- Multimediale Darstellungsfähigkeit (Daten, Grafiken, Audio, Video, etc.)
- Konsolidierung (Zusammenführen und Bereinigen) von Daten aus unterschiedlichen EDV-Systemen
- Verbesserung von Informationsfluss und Kommunikation (zeitnah)
- Einfacher und schneller Zugriff auf Informationen, z.B. durch zentrale Organisation von relevanten Dokumenten
- Festgelegte Prozesse (durch die Unternehmensleitung)
- Transparenz der Abläufe (für die Mitarbeiter)
- Skalierbarkeit auf beliebige Anzahl an Nutzern
- Bildung von virtuellen Teams (ortsunabhängig)
- zusätzlichen Funktionsmöglichkeiten, wie Rollenzuweisungen.
Übliche Vorgänge innerhalb eines Intranets sind[21]:
- Kommunikation per Mail und/oder Messenger
- Suchen und Ablegen von Informationen
- Nutzen gemeinsamer Rechner, Ressourcen und Dateien (Kalkulationsmetriken, etc.)
- Diskussionsportale.
C) Das Extranet
Während das Intranet ein firmeninternes Internet darstellt, welches nur für eine geschlossene Benutzergruppe zugänglich ist, öffnet sich das Extranet nach außen.
Es wird dementsprechend ein kontrollierter Zugriff durch externe Partner auf das eigene Intranet ermöglicht.[22] Partner können beispielsweise sein:
- Kooperierende Unternehmen
- Arbeitsgemeinschaften
- Zulieferer
- Händler
- Beteiligte Firmen
- Außenstellen mit eigenem Intranet.
Die externen Zugriffe auf das Extranet finden über das Internet statt. Hierbei müssen einige Sicherheitsfragen beachtet werden (z.B. verschlüsselte Seiten und Passwort-Eingabe). So lassen sich Informationen unter der Berücksichtigung von Zugriffsberechtigungen unternehmensweit verteilen, ohne dass dazu eine zusätzliche Infrastruktur geschaffen werden muss.
D) Informationstechnologie
Im amerikanischen gibt es für Technik und Technologie ein Wort: technology. Im deutschen unterscheidet man allerdings diese Begriffe. Technik ist die Kunst, etwas zu fertigen (z.B. ein Gerät). Technologie dagegen ist die Technik einschließlich des organisatorischen, volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeldes. Griechisch übersetzt ist Technologie die Lehre von der Technik. Eine Technologie basiert immer auf einem Rohstoff, der nicht zwangsläufig materiell sein muss (z.B. Gentechnologie, Kerntechnologie, Informationstechnologie). Zur Informations-technik gehören Computer, ihre Bestandteile und die Art und Weise, wie sie hergestellt werden. Zur Informationstechnologie gehören zudem das Datenschutzgesetz und die Änderung des Urheberrechts, die erst durch die Informationstechnik erforderlich wurde.[23]
2.4 Dealer Management System
Die ersten Kfz-Informations-Systeme, heute als Dealer-Management Systeme (DMS) bekannt, kamen Anfang der 80er Jahre auf den Markt. Manche aktuellen Systeme bauen noch auf den damals entwickelten Programmen auf. Diese EDV löste die Schreibmaschine als Hilfsmittel bei der Rechnungserstellung ab und war darüber hinaus sogar in der Lage Fahrzeuge– und Teilelager zu verwalten, Aufträge zu erfassen und Kundeninformationen zu speichern.[24]
Grafik 2-1 verdeutlicht, was ein klassisch gewachsenes DMS üblicher Weise heutzutage leistet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Gewachsenes, klassisches DMS[25]
Mangels einschlägiger Literatur müssen die Autoren an dieser Stelle eine eigene Arbeitsdefinition entwickeln. Grundsätzlich fungieren Dealer Management Systeme als informationstechnologische Kommunikationsschnittstelle zwischen Hersteller und Händler. Naturgemäß stellt die Beschaffung von und die Informationsversorgung über Neuwagen eine Hauptaufgabe dar. Daneben bildet die Abwicklung der Teilebeschaffung, das Gebrauchtwagenmanagement und diverse Zusatzfunktionen sozusagen das Grundgerüst. Eine integrierte Buchhaltung versorgt den Händler und Hersteller mit unternehmensrelevanten Kennzahlen. Diese Anwendungen bilden die Basis für das Kerngeschäft eines Automobilhändlers. In der Praxis bieten DMS über die standardmäßige Ausstattung hinweg modulare Erweiterungen. Oft werden aber auch selbstentwickelte Programme und spezielle Softwarelösungen in die IT-Infrastruktur eingebunden. Herr Dr. Volker Borkowski (AVAG) skizziert ein klassisches DMS mit möglichen Zusatzfunktionen wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-2: Klassisches DMS + Zusatzfunktionen
Auf dem Markt befinden sich im Moment zwei verschiedene Softwarekonzepte. Einmal wird das gewachsene DMS, wie oben beschrieben, angeboten.
Aktueller dagegen ist ein DMS basierend auf der Software-Architektur eines ERP-Systems (Enterprise Resource Planning). Diese als Komplettlösung bekannten Standardsoftware-Produkte (z.B. von SAP, Siebel und Microsoft) decken neben Einkauf, der Auftragsabwicklung und der Materialwirtschaft beispielsweise auch den Finanz-, Controlling und Personalbereich ab. Ein ERP ist in der Lage, das gesamte Unternehmen mit seiner Ablauforganisation und seinen Prozessen durch elektronische Standardprozesse zu definieren.[26] Eine einheitliche Stammdaten-haltung über alle Geschäftsbereiche hinaus verhindert bei diesen Systemen eine redundante Datenhaltung (siehe Abbildung 2-3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-3: Beispiel: ERP-basierendes DMS
2.5 Kommunikation und Wissensmanagement
A) Kommunikation
Kommunikation bezeichnet den Austausch von Informationen zwischen Personen bzw. Stellen über eine sprachliche oder bildliche Verständigung, also ein wechselseitiger Kontext.[27]
Damit Kommunikation pragmatisch dargestellt werden kann, ist es sinnvoll sich Axiomen zu bedienen. Heinen gibt Watzlawick, Baevin und Jackson wie folgt wieder:[28]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Jede Form der Zusammenarbeit setzt Kommunikation voraus. Sie ist unverzichtbarer Teil eines funktionierenden Produktionsprozesses. Die Kommunikation wird nach verschiedenen Kriterien gegliedert:[29]
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Abbildung 2-4: Kriterien der Kommunikation
a) Kommunikation nach dem Träger
Mediale Kommunikation verläuft über Medien wie Telefon, Post, Telefax und IT-Systeme.
Soziale Kommunikation erfolgt direkt zwischen den Menschen. Sie befriedigt das Bedürfnis des verbalen Kommunizierens mit anderen Individuen. Ein wichtiger Aspekt ist daneben die nonverbale Verständigung wie z.B. Lachen, Mimik und Gestik.
b) Kommunikation nach dem Formalisierungsgrad
Formelle Kommunikation entspricht dem „Dienstweg“ von Anordnungen, Beschwerden, etc. Sie kann schriftlich oder auch mündlich erfolgen und unterwirft sich den hierarchischen Bedingungen in einer Unternehmung.
Informelle Kommunikation ergänzt die dienstliche Verständigung. Dabei durchbricht sie den formellen Weg und ist soziale Kommunikationskomponente im Unternehmen.
c) Kommunikation nach der Struktur:
Bei der Kettenkommunikation laufen Informationen in eine Richtung auf dem Instanzenweg. Sie ist leicht planbar, bewirkt allerdings eine unterschiedliche Teilhabe der Kommunikationspartner.
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Abbildung 2-5: Kettenkommunikation
Kreiskommunikation mündet über mehrere Stationen wieder in den Ausgangspunkt. Erhöhte Flexibilität durch Rückkopplung ist die Folge.
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Abbildung 2-6: Kreiskommunikation
Bei der Vollkommunikation gibt es unbeschränkten Informationsfluss zwischen den Teilnehmern. Der direkteste Weg vermeidet Informationsverluste und Ungleichheit.
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Abbildung 2-7: Vollkommunikation
d) Kommunikation nach Teilnehmern
Der Dialog beschreibt eine interaktive Verständigungsform. Dabei tauschen mindestens zwei Gesprächspartner gegenseitig Informationen aus.[30]
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Abbildung 2-8: Dialog
Der Monolog, das Pendant zum Dialog, beschreibt eine Verhaltensweise der Autorität, bei der der Sender nur Informationen weitergibt aber keine Informationen aufnimmt.[31]
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Abbildung 2 - 9 : Monolog
Daraus ergibt sich die Arbeitsdefinition des Kommunikationsbegriffes: Kommunikation im Sinne der Autoren meint den formellen und informellen Informationsaustausch auf medialem Wege. Sie kann dialogisch oder monologisch innerhalb der Ketten-, Kreis-, oder Vollkommunikation erfolgen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Realisierung der medialen Vollkommunikation zu.
B) Wissensmanagement
Die Literatur grenzt den Begriff Wissen nicht eindeutig ein, da keine allgemein anerkannte Begriffsauffassung existiert. Zudem wird eine Abgrenzung zu den Begriffen Information, Know-how und auch teilweise Technologie vermisst. Vielmehr werden diese Begriffe zur gegenseitigen Definition herangezogen.[32] Damit vorliegender Arbeit eine Arbeitsdefinition gegeben werden kann, wird in Anlehnung an Bode und der daraus entstandene Weiterentwicklung von Amelingmeyer folgende Begriffsbestimmung zugrunde gelegt: „Wissen ist jede Form der Repräsentation von Teilen der realen oder gedachten Welt in einem körperlichen Trägermedium.“[33]
Die Management- und Organisationslehre beantwortet die Frage: Was ist Management ? Sie behandelt die nachhaltige Ausgestaltung formaler Strukturen. Diverse Ansätze versuchen bewährte Praxis zu identifizieren und in Regeln zu fassen, mit deren Hilfe andere in der Lage sind ebenfalls erfolgreiche Verfahren verwirklichen zu können. Solche Ansätze bieten Leitfäden zur Arbeitsteilung, zur Disziplinierung der Arbeitsgemeinschaft und zur Gestaltung des hierarchischen Koordinationssystems über die Art und Weise, wie Planung und Kontrolle durchgeführt werden sollen.[34] Management bedeutet demnach eine zielgerechte Lenkung, Gestaltung und Entwicklung von Strukturen und Prozessen.
Mit dem Thema Wissensmanagement befassen sich wissenschaftliche Disziplinen verschiedener Ausrichtung, ergo präsentiert sich das Forschungsfeld vielseitig und heterogen. Die involvierten Fachrichtungen sind unter anderem die Organisations- und Managementforschung, die Wirtschaftsinformatik, die Forschung der künstlichen Intelligenz, die Kognitionspsychologie, die (Wissens-) Soziologie, die Bibliotheks- und Informationswissenschaft und die Pädagogik. Infolgedessen wird das Thema aus verschiedensten Blickwickeln und Erkenntniszielen interpretiert und betrachtet.[35]
Die Universität St. Gallen (Schweiz) gibt als Erweiterung von Schmid folgende Arbeitsdefinition, die in vorliegender Arbeit ebenfalls Verwendung findet:[36]
Wissensmanagement ist ein...
- systematischer und strukturierter (explizites und gezieltes Management)...
- ganzheitlicher Ansatz (vor dem Hintergrund der Informations- und Kommunikationstechnologie, Human Resources, Strategie und Organisationslehre)...
- der implizites (z.B. verborgenes Expertenwissen oder Handlungskompetenzen)...
- und explizites (z.B. dokumentierte Standardabläufe oder Projekterfahrungen)...
- Wissen im Unternehmen als strategische Schlüssel-Ressource versteht und daher darauf abzielt, ...
- den Umgang mit Wissen auf allen Ebenen (Individuum, Gruppe, Organisation) nachhaltig zu verbessern, ...
- um Kosten zu senken, Qualität zu steigern, Innovation zu fördern und Entwicklungszeiten zu verkürzen.
Diese Definition führt die elementaren Bestandteile des Wissensmanagement an und lässt die Komplexität des Themas erahnen. Die wesentlichen Aufgabenstellungen sind dabei:[37]
- Implementierung und Umsetzung einer wissensorientierten Unternehmensstrategie
- Beeinflussung von Unternehmenskultur und Organisationspsychologie (Humanfaktoren)
- Gestaltung von Aufbau- und Ablauforganisation (organisatorische Gegebenheiten)
- Nutzung von Intranets, Dokumentenmanagement und Groupware als Wissensmanagementsystem; technologische Unterstützung.
Die Unterstützung durch Wissensmanagementsysteme ist dort bedeutsam, wo komplexe wissens- und informationsintensive Aktivitäten, insbesondere unterhalb der darstellbaren Geschäftsprozesse (Granularitätsniveau), vorliegen. Bei solchen Aktivitäten ist es besonders hilfreich, wenn der Benutzer auf zusätzliches Wissen zur Bearbeitung seiner Aufgabe zugreifen kann.
Abbildung 2-10 skizziert den Zyklus des Wissensmanagements:
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Abbildung 2-10: Zyklus des Wissensmanagement
Im Bereich der Sozialisation wird durch Zusammenarbeit implizites und explizites Wissen durch dialogische Kommunikation genutzt. Daneben basieren alle anderen Transformationsvorgänge auf einer monologen Kommunikation, bei der Wissensbestandteile und zur (Re-)Konstruierung von Wissen relevante Informationen ausgetauscht werden. Dazu muss zunächst Wissen in austauschbare Einheiten über ein Trägermedium, z.B. Schrift, externalisiert werden. Dieser Transfer kann durch Zwischenspeicherung erfolgen. Die beim Empfänger ankommende Information wird von ihm internalisiert und durch Interpretation in handlungsrelevantes, verstandenes Wissen transformiert.[38]
Als Management-Aktivität mit weitreichenden Implikationen für die Arbeitsabläufe einer Organisation, muss sich Wissensmanagement an den Zielsetzungen der Unternehmung ausrichten.
3 Studienaufbau
Die Realisierung der Studie beruht auf der Sichtung und Verarbeitung von Sekundärforschungsmaterial. Daneben trägt eine Primärerhebung zur Erreichung des Studienziels bei.
3.1 Sekundärerhebung
Die Sekundärforschung (Desk-Research) evaluiert alle bereits erhobenen und formulierten relevanten Informationen. Die Marktforschung unterscheidet im Allgemeinen zwischen internem und externem Datenmaterial. Das interne Datenmaterial stammt vorwiegend aus:[39]
- Daten des Rechnungswesens (intern und extern)
- Unternehmensstatistiken
- Vertriebsanalysen und Statistiken
- Kundeninformationen und Statistiken
- Eigene Geschäftsberichte
- Bereits vorhandenes Marktforschungsmaterial, etc.
Externe Quellen sind dagegen:[40]
- Statistisches Bundesamt und die Landesämter
- Allgemeine Tages- Wirtschaftszeitungen
- Fachliteratur
- Geschäftsberichte
- Banken und Versicherungen
- Wirtschaftsverbände (Arbeitnehmer und Arbeitgeberseitig)
- Publikationen von Verlagen, Verbänden und Branchen
- Wirtschaftsforschungsinstitute
- Marktforschungsinstitute
- Unternehmensberatungen, etc.
Die vorliegende Studie stützt sich ausschließlich auf externe Quellen. Insbesondere wurde Datenmaterial aus der Fachliteratur, der Fachpresse sowie einschlägigen Studien von Unternehmensberatungen und Forschungsinstituten zur besseren Interpretation und Einordnung des Gesamtergebnisses eingearbeitet.
3.2 Primärerhebung
Die primäre Marktforschung (Field-Research) dient dazu, neue Erkenntnisse zu gewinnen und unzureichendes Datenmaterial zu vervollständigen. Um Antworten auf bestimmte Fragestellungen zu erhalten, dienen im Allgemeinen Beobachtungen oder Befragungen von Personen als Instrumente der Primärerhebung.[41] Die Beobachtung ist im Folgenden nicht weiter relevant.
Die Marktforschung bezeichnet eine Befragung aller Elemente als Vollerhebung. Eine Alternative dazu ist die Teilerhebung, bei der nur eine Stichprobe (Sample) der Grundgesamtheit untersucht wird. Eine Teilerhebung kann nur repräsentativ für die Grundgesamtheit sein, wenn bei der Stichprobe die Verteilung aller interessierenden Merkmale denen der Grundgesamtheit entspricht. Neben vermeidbaren methodischen Fehlern, wie ungünstiges Auswahlverfahren oder zu kleiner Stichprobe, beeinflusst der zwangsläufig auftretende mathematische Standardfehler die Repräsentativität einer Stichprobe. Zur Stichprobenziehung muss eingangs die Grundgesamtheit definiert werden. Des weiteren wird der Stichprobenumfang determiniert, bevor ein bestimmtes Auswahlverfahren die Elemente für die Stichprobe festlegt.[42]
Bei der Bestimmung des Auswahlverfahrens kann auf zwei verschiedene Verfahren zurückgegriffen werden:[43]
- Unbewusste Zufallsauswahl
- Bewusste Zufallsauswahl
Werden die Teilnehmer so ausgewählt, dass man prinzipiell keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Ergebnisse hat, so spricht man vom Zufallsverfahren.
Alle nachfolgend skizzierten Verfahren streben eine Auswahl an, die eine Übertragung der Ergebnisse von der Teilmasse in die Grundgesamtheit gestattet.
A) Verfahren der bewussten Zufallsauswahl (Randomverfahren)
Wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen zufolge, lässt sich beim Randomverfahren, im Gegensatz zur bewussten Auswahl, der Stichproben- bzw. Zufallsfehler mathematisch berechnen. Mit zunehmender Anzahl der ausgewählten Einheiten wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Stichprobe in ihrer Zusammensetzung der Grundgesamtheit gleichkommt; damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Genauigkeit denen einer Vollerhebung annähern.[44]
- Einfache, reine Zufallsauswahl
Symbolisiert durch das sogenannte Urnenmodell (Lotterieauswahl) werden hier alle Elemente, die in das Sample eingehen, unmittelbar aus der Grundgesamtheit gezogen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Grundgesamtheit zumindest andeutungsweise vorliegt (z.B. als Kartei) und so vermischt ist, dass eine äquivalente Auswahlchance der einzelnen Element vorliegt.
- Geschichtete Zufallsauswahl
Die Grundgesamtheit wird in mehrere Untergruppen (Schichten) aufgeteilt. Aus denen wird dann jeweils ein separates Sample gebildet. Diese Vorgehensweise eignet sich vor allem bei einer insgesamt heterogenen Grundgesamtheit, die jedoch aus relativ homogenen Teilgruppen besteht (z.B. im Einzelhandel: Kleinläden vs. Discounter).
- Klumpenauswahl
Eine Klumpenauswahl liegt dann vor, wenn die Grundgesamtheit in Klumpen d.h. Konglomerate von Untersuchungseinheiten unterteilt wird. Danach wird eine Zahl dieser Klumpen ausgesucht und mit allen ihren Elementen in das Sample impliziert.
B) Verfahren der bewussten Auswahl
Diese Verfahren beruhen auf der bewussten Auswahl des Samples. Demzufolge erfolgt eine gezielte, sachrelevante und überlegte Merkmalsauswahl. Gewiss geht es auch hier darum, die Auswahl so vorzunehmen, dass das Sample möglichst repräsentativ für die Grundgesamtheit ist.[45]
- Quota Verfahren
Wenn die Verteilung aller gefragten Merkmale (Quoten) einer Grundgesamtheit bekannt wäre, so wäre eine Entwicklung einer Stichprobe möglich, welche in allen Merkmalen für die Grundgesamtheit charakteristisch ist. Anders als bei dem Zufallsprinzip setzt dies aber die Kenntnis der Merkmale und ihre anteilmäßige Verteilung in der Grundgesamtheit voraus, um vergleichbare Quoten bilden zu können (z.B. Frauen 55 %, Männer 45 %)
- Cut-off-Verfahren (Auswahl aus dem Konzentrationsprinzip)
Hierbei beschränkt sich die Erhebung auf solche Elemente der Grundgesamtheit, denen für den Untersuchungstatbestand ein besonderes Gewicht zukommt. Dieses Verfahren eignet sich nur dann, wenn unter den einzelnen Elementen ein starkes Ungleichgewicht herrscht. Zudem ist relativ wenigen Elementen ein sehr hoher Erklärungsbeitrag für die zu untersuchenden Sachverhalte in der Grundgesamtheit beizumessen.
- Typische Auswahl
Die typische Auswahl ist ein nicht methodisch gesichertes Verfahren. Dabei werden nach freiem Ermessen solche Elemente aus der Grundgesamtheit ausgewählt, die als besonders charakteristisch und typisch betrachtet werden. Die erzielten Ergebnisse sollen entsprechend auf die Grundgesamtheit schließen lassen.
In der vorliegenden Studie führten die Autoren sowohl eine mündliche, als auch zwei schriftliche Befragungen durch.[46] Das folgende 3-Säulen-Modell ordnet die Primärforschung in den Studienaufbau ein:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3-1: Einordnung der Primärerhebung
1. Säule: Onlinebefragung von Automobilhandelsgruppen
Die Onlinebefragung wurde als Teilerhebung durchgeführt. Die einzige Möglichkeit eine repräsentative, und somit auch theoretisch und mathematisch fundierte, Stichprobe zu erhalten, ist die gezielte Ansprache aus einer gegebenen Grundgesamtheit zufällig ausgewählter Personen.
Alle in Deutschland tätigen Automobilhandelsgruppen bilden die Grundgesamtheit. Nach jetzigem Wissenstand gibt es allerdings keinerlei Erhebung über die Organisation und Zugehörigkeit aller Autohäuser in Deutschland. Das Problem, eine gewünschte Repräsentativität zu erreichen, beginnt in diesem Fall also schon bei der Definition der Grundgesamtheit.
Zudem ist eine gezielte Ansprache und Auswahl im Netz durch einen für jeden zugänglichen Fragebogen auf einer Website nicht realisierbar. „Mehrfachausfüller“ und Personen, die nicht als qualifiziert angesehen werden können, verzerren das Ergebnis. Außerdem zeigen Erfahrungswerte eine sehr geringe Rücklaufquote bei solchen „offenen“ Fragebögen. Mailing-Listen eignen sich dagegen besser für Umfragen hinsichtlich einer methodisch sauberen Stichprobenziehung. Die Mailadressen aller Teilnehmer, d.h. der Grundgesamtheit, müssen dafür registriert sein, um eine repräsentative Stichprobe aus dem Adressenpool zu ziehen. Das Problem, das Teilnehmer mit mehr als einer Adresse in einer Liste stehen ist zwar vorhanden, kann aber vernachlässigt werden. Problematisch dagegen ist der Umstand, dass der Adressat in der Regel eine Vielzahl von verschiedensten E-Mails bearbeiten muss (Stichwort „Spam“ und Werbung) und somit auf die Anfrage nicht reagiert.[47]
Wie bereits erwähnt, konnte aufgrund mangelnder Kenntnis über die Elemente der Grundgesamtheit keine vollständige Mailing-Liste generiert werden. Stattdessen beruht die Stichprobe in Form einer typischen Auswahl auf einer vom Auto Business Verlag zur Verfügung gestellten E-Mail Liste. Diese diente bereits dem Verlag für eine Umfrage unter Automobilhandelsgruppen. Die typische Auswahl der Befragten kann wissenschaftlich zwar nicht als repräsentativ gelten. Dennoch war nach Ansicht der Autoren die Auswahl einer für die Grundgesamtheit typischen Stichprobe mit persönlicher Adressierung die bestmögliche Alternative.
Um eine möglichst große Rücklaufquote zu erzielen, war eine Bereinigung der Kontaktdaten von Redundanzen und veralteten Adressen notwendig. Personalisierte E-Mails sprachen die gewünschten Personen der Zielgruppe (>200 Unternehmen) direkt an und warben für die Teilnahme an der Befragung. Die Umfrage sollte vier Wochen andauern. Die mangelnde Resonanz jedoch machte telefonische und erneute E-Mail Aktionen sowie eine zweiwöchige Verlängerung erforderlich, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Der Onlinefragebogen wurde unter der Internet-Adresse http://autohaus.siller.net publiziert. Zudem bestand die Möglichkeit, ein PDF-Dokument von der Website herunterzuladen und den schriftlich ausgefüllten Fragebogen per Post an die Autoren zu versenden.
Bei der Befragung wurden die Schwerpunkte auf Informationsverarbeitung,
-speicherung, -systeme und auf spezifische Kommunikationsprozesse gebildet. Von den insgesamt über 200 angeschriebenen und angerufenen Führungskräften der Zielgruppe erklärten sich 41 bereit, den Fragebogen auszufüllen, was in etwa einer Erfolgsquote von 21 Prozent entspricht. 91 Prozent der Befragten waren männlich, nur 9 Prozent weiblich. Das Durchschnittsalter der Ausfüllenden betrug 42,5 Jahre.
Die Eingaben der Probanden wurden in einer Microsoft SQL Datenbank gespeichert. Nach Ablauf der des Befragungszeitraumes erfolgte ein Datentransfer in die Marktforschungssoftware SPSS. Die Auswertung bestand aus zwei Stufen, zuerst wurde eine Häufigkeitsanalyse über alle Antworten angefertigt. Danach halfen Kreuztabellen die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Fragen zu analysieren bzw. zu erkennen. Zur graphischen Darstellung wurden die Ergebnisse aus SPSS in Excel übertragen.
2. Säule: Schriftliche Befragung der DMS-Hersteller
Die Umfrage unter den Herstellern von Dealer Management Systemen stellt eine quasi Vollerhebung dar, da versucht wurde die Grundgesamtheit aller deutschen DMS-Hersteller zu erfassen. Die Auswahl der Probanden beruht auf Angaben der AUTOHAUS-Spezial-Ausgabe EDV 2003 vom Juni 2003, in der alle bekannten deutschen DMS-Hersteller registriert waren. 28 Anbieter wurden über eine postalische Versendung der Fragebögen schriftlich befragt. Der Befragungszeitraum betrug wie bei der Onlinebefragung zunächst vier Wochen, wurde aber ebenso um zwei Wochen verlängert.
Der Fragebogen befasst sich maßgeblich mit den im System integrierten Funktionalitäten zu Informationsbereitstellung und Kommunikation sowie den entstehenden Anforderungen an Dealer Management Systeme bezüglich der GVO 1400/02. Der Rücklauf umfasste 23 Fragebögen, dass entspricht einer Erfolgsquote von 85 Prozent. Die Umfrage wurde ausschließlich von männlichen Vorständen, Geschäftsführen und Marketingleitern mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren bearbeitet. Die beantworteten Fragebögen wurden nach Rücksendung in SPSS eingepflegt und die Ergebnisse ausgewertet. Zur Visualisierung der Ergebnisse diente, wie oben, Excel.
3. Säule: Persönliche Interviews mit Automobilhandelsgruppen
Mündliche Befragungen, in Form von face-to-face Interviews, lieferten zum einen tiefergehende Informationen, zum anderen gaben sie Anstöße zu einem Best-Practice-Entwurf für ein Intranet (Siehe Kapitel 6.3). Die insgesamt vier Interviewpartner wurden nach unterschiedlichen Kriterien ausgewählt, um eventuell unterschiedliche Tendenzen besser zu erkennen:
AVAG Holding AG (Still-Gruppe):
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Die Gespräche wurden mit Hilfe eines Leitfadens geführt. Im Vordergrund stand jedoch jeweils ein offenes und freies Gespräch. Der Leitfaden diente zur Gesprächsorientierung. Die Inhalte waren prozessanalysierend und teilweise visionär aufgebaut. Um dem Best-Practice Anspruch gerecht zu werden, wurde darauf geachtet, dass es sich bereits um gut organisierte Unternehmen handelt, die vorbildhaft der Studie dienlich sind.
Abbildung 3-2 fasst die Vorgehensweise bei der Durchführung der drei Säulen nach marktforschungstheoretischen Gesichtspunkten zusammen:
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Abbildung 3-2: Überblick zum Field-Research
4 Strukturwandel im Automobilvertrieb
Nach über 100 Jahren Automobil und mittelständisch strukturiertem Handels- und Werkstattnetzen befindet sich der Automobilvertrieb in Deutschland seit einigen Jahren in einem grundlegenden Strukturwandel. Die Einflussfaktoren und Gründe kommen aus unterschiedlichen Richtungen:
Traditioneller Automobilhändler
Die meist inhabergeführten kleinen und mittelgroßen Handelsbetriebe kämpfen mit der drängenden Nachfolgeproblematik. Unbefriedigende Arbeitsbedingungen und schlechte wirtschaftliche Erwartungen sorgen dafür, dass die jüngere Generation die Familientradition des Handels mit Kraftfahrzeugen vielfach nicht fortsetzen will. Die meist schwache Eigenkapitalbasis und die damit verbundenen Probleme bei der Kreditfinanzierung machen den Händlern zu schaffen. Brisant sind in dieser Hinsicht die steigenden Anforderungen der Hersteller in Form von höheren qualitativen und quantitativen Standards. Die Händler sind gezwungen, teilweise hohe Investitionen zu tätigen, wollen sie ihren Vertriebs- oder Servicevertrag nicht verlieren, bei gleichzeitig verschlechterten Finanzierungsmöglichkeiten.[49]
Kfz-Hersteller
Die Hersteller entwickeln neue Vertriebsstrategien und Margensysteme, um Vertriebskosten, die oft 35 Prozent der gesamten Kosten ausmachen, einzusparen.[50] Vor diesem Hintergrund straffen Hersteller ihre überbesetzten Händlernetze. Dabei verfolgen sie verschiedene Strategien:[51]
- Förderung von Kooperationen zwischen örtlichen Markenhändlern und Unterstützung bei der Fusionierung kleinerer Einheiten zu größeren Handelsbetrieben
- Vorwärtsintegration auf die Retailebene bzw. Gründung von hersteller-bestimmten Gemeinschaftsunternehmen durch Aufkauf regionaler Händler-gruppen
- Vertragskündigungen.
Endverbraucher
Das Kundenverhalten zeigt eine sinkende Loyalität zur Marke und zum Point-of-Sale sowie steigende Ansprüche in Bezug auf Betreuung sowie Auswahl und Vergleichsmöglichkeiten.[52] Die mangelnde Marketingprofessionalität der kleinen und mittleren Handelsbetriebe entzieht der erfolgreichen Kundenansprache und Firmenpräsentation nach außen die notwendige Grundlage.
Drittanbieter und Internet
Trotz der hohen Händleranzahl drängen nach und nach neue Wettbewerber in den Markt „rund um das Automobil“. Abbildung 4-1 stellt die Intensivierung des Wettbewerbs für den traditionellen Händler im Rahmen seines gesamten Leistungsspektrums dar:
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Abbildung 4 - 1 : Wettbewerb im Mobilitätsmarkt[53]
Innerhalb der Wertschöpfungskette setzen mittlerweile alle Wirtschaftsstufen das Internet als Verkaufsmedium ein, um den Handel zu umgehen. Der Machtverlust (siehe Abbildung 4-2) ist spürbar, aber hält sich aufgrund der Erlebnisorientierung beim Automobilkauf (noch) in Grenzen.
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Abbildung 4-2: Einfluss des Internets[54]
Das Internet kann sich erst bei hohen Preisnachlässen als Vertriebskanal etablieren (siehe Abbildung 4-3). Auch Supermärkte, wie Edeka oder WalMart, erhalten bisher nur eine geringe Akzeptanz beim Kunden.[55]
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Abbildung 4-3: Akzeptanz der verschiedenen Vertriebskanäle
Der Internettechnologie kommt aber eine zentrale Bedeutung bei der Unterstützung der Geschäftsprozesse und der bestehenden Handelsfunktionen zu.
Die genannten Einflussfaktoren bilden zusammen mit der schlechten wirtschaftlichen Situation und der damit verbundenen Kaufzurückhaltung die Ursache für die negative Entwicklung der mittelständischen Händler. Abbildung 4-4 veranschaulicht die dramatisch verschlechterte betriebswirtschaftliche Situation:
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Abbildung 4-4: Betriebswirtschaftliche Situation der Automobilhändler[56]
Zusammenfassend zeichnet sich der Strukturwandel durch einen wachsenden Wettbewerbsdruck und erschwerte Bedingungen für den traditionellen mittelständischen Automobilhandel aus. In diese Neuorientierung des Marktes hinein beeinflussen zwei europäische Gesetzesentwürfe den Automobilhandel zusätzlich. Das nächste Kapitel beleuchtet die beiden gesetzlichen Neuregelungen und geht näher auf die Eigenart des deutschen Mittelstandes ein.
4.1 Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen
4.1.1 Mittelständische Unternehmen und Basel II
Laut Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn werden in der Bundesrepublik Deutschland mittelständische Unternehmen nach quantitativen und qualitativen Kriterien abgegrenzt: Bei einem Jahresumsatz von unter 50 Mio. Euro und bei weniger als 500 Beschäftigten wird ein Unternehmen als mittelständisch bezeichnet. Die quantitative Unterscheidung von kleinen und mittleren Unternehmen definiert das IfM gemäß Abbildung 4-5:
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Abbildung 4-5: Kleine und mittlere Unternehmen
Qualitativ werden Merkmale wie Rechtsform, Übernahme der persönlichen Haftung und Bindung zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern zur Abgrenzung herangezogen.
In mittelständischen Unternehmen spielt meist eine Person die zentrale Rolle in der Unternehmensführung. Diese Person führt das inhabergeführte Unternehmen als Eigentümerunternehmen und nicht als Führungsperson eines Großunternehmens mit Fremdverwaltung und fremdem Eigentum. Sie ist also mit dem Unternehmen enger verbunden. Die Führung des Unternehmens basiert meist auf eigenem Risiko.[57]
Nur eine Minderheit von mittelständischen Unternehmen verfügt über einen schriftlichen Organisationsplan, auf dem der betriebliche Ablauf und die unternehmerischen Verantwortungen fixiert sind. Ausgeprägte und systematische Management-Informationssysteme sind nur sehr begrenzt vorhanden. Abläufe sind dadurch schlechter zu durchschauen und der Informationsfluss ist stark eingeschränkt.
Die Abgrenzung des IfM schließt den allergrößten Teil der deutschen Automobilhandelsunternehmen ein. Mittelständische Unternehmen im Allgemeinen unterliegen spezifischen externen und internen Risiken:
A) Externe Risiken
Externe Risiken sind nicht zu beeinflussen oder steuerbar. Der Markt und die Gesellschaft bestimmen größtenteils das Handeln der Unternehmen.
a) Globaler Strukturwandel
Ein externes Risiko stellt heute der globale Strukturwandel dar. Einst unterschiedliche und von einander unabhängige Märkte wachsen zusammen. Es entsteht ein immenser Änderungs- und Anpassungsdruck auf die Unternehmen. Diese sind gezwungen, sich auf den internationalen Märkten zu bewegen, um in Zukunft bestehen zu können. Mittelständische Unternehmen sind aber aufgrund ihrer spezifischen Nachteile oft nicht in der Lage, sich an die Gegebenheiten schnell genug anzupassen. Wird der Anschluss an die Internationalisierung verpasst, so besteht auf lange Sicht kaum eine Überlebenschance.[58]
b) Steuerlastnachteil
Ein Problem mittelständischer Unternehmen ist der Steuerlastnachteil. Im Unterschied zur allgemeinen Auffassung, dass Großunternehmen die wesentlichen Steuerzahler in der Bundesrepublik sind, ist anhand von durchgeführten Belastungsvergleichen ein anderes Ergebnis Tatsache. Die absolute Steuerlast mit Gewinnsteuern, Faktorsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen ist bei mittelständischen Unternehmen insgesamt wesentlich höher als bei Großunternehmen. Dies mag entweder an der niedrigeren Rentabilität der größeren Unternehmen liegen, wahrscheinlicher ist aber, dass Großunternehmen im Gegensatz zu den mittelständischen Unternehmen über die nötigen Ressourcen verfügen, um jeden vorhandenen Steuervorteil konsequent für sich ausnutzen. Dabei bringen mittelständische Unternehmen cirka 70 Prozent des Steueraufkommens auf, während Großunternehmen nur zu etwa 30 Prozent dazu beitragen.
c) Bürokratie
Je entwickelter eine Staatsbürokratie ist, desto höher ist für die Unternehmen der Verwaltungsaufwand. Dieser Aufwand wird immer mehr auf die einzelnen Unternehmen abgewälzt. Die meisten bürokratischen Rechtspflichten kommen in gleicher Zahl und Umfang sowohl auf Großunternehmen wie auch auf mittelständische Unternehmen zu. Rechnet man den Kosten- und Zeitaufwand quantitativ auf die Unternehmensgröße um, so stellt man fest, dass die Belastung mit zunehmender Größe relativ abnimmt. Dadurch entsteht ein erheblicher Nachteil für mittelständische Unternehmen.
B) Interne Risiken
Im Gegensatz zu externen Risiken, die nicht beeinflusst werden können, stellen interne Risiken Faktoren dar, die nur im Unternehmen selbst auftreten und dort auch korrigiert werden müssen:
a) Erbnachfolge
Ein internes Risiko ist die Erbnachfolge der mittelständischen Unternehmen. Diese Unternehmen wurden durch einzelne Personen oder Familien gegründet. Die Gründungen waren zur finanziellen Sicherung der Familien, wie aber auch als Form von Selbstverwirklichung zu verstehen. Das weiterführende Ziel des „Altunternehmers“ war und ist es, dieses Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben. Allerdings haben 60 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten einen geeigneten Nachfolger aus der eigenen Familie für das Unternehmen zu gewinnen. Dadurch stehen manche Unternehmen vor dem Aus und es bleibt meist nur der Verkauf als Alternative.
b) Qualifikation
Einen weiteren Teil der internen Risiken stellt die Qualifikation der Unternehmer selbst dar. Die Fluktuation in den Führungsebenen der Großunternehmen ist um ein vielfaches höher als die der mittelständischen Unternehmen. Durch eine hohe Fluktuation ist die „Erneuerung von Wissen“ gewährleistet. Hierdurch können neue Methoden und Entwicklungen in das Unternehmen fließen und dieses im Markt halten. Der Wissensstand der meisten mittelständischen Unternehmer ist dagegen oft mehrere Jahrzehnte alt. Hinzu kommt die sinkende Lernbereitschaft. Dadurch kann der Anschluss an den Markt und dessen Trends verpasst werden.
c) Marketing
Ohne ein ausgeprägtes strategisches Marketing ist heute keine Unternehmung am Markt lebensfähig. Mittelständische Unternehmen weisen aber diesbezüglich teilweise große Defizite auf. Sie sind immer noch daran gewöhnt, auf Marktanforderungen zu reagieren, statt aktiv die Marktchancen zu auszunutzen. So werden die Unternehmer immer wieder von Konjunkturzyklen und Rezessionen überrascht und können der Marktentwicklung nur schwer folgen. Wird der Abstand der Unternehmung zum Markt zu groß, kann dies das Ende des Unternehmers bedeuten.
d) Finanzierung
Die Unternehmerbezogenheit wirkt sich auch auf die Finanzierung und Investition aus. Während Großunternehmen in der Regel über eine eigene Finanzabteilung verfügen, muss sich der Unternehmer selbst um die Finanzierungsfragen kümmern. Für den Erfolg ist dann die Kenntnis des Unternehmers ausschlaggebend. Die Kapitalbeschaffung gestaltet sich weitaus schwieriger als bei Großunternehmen. Mittelständische Unternehmen haben gegenüber Groß-unternehmen meist ein vielfach kleineres Betriebsvermögen. Die Aufnahme von Teilhabern in mittelständischen Unternehmen stellt wegen des höheren Risikos von kleineren Unternehmen ein Problem dar. Aus Unabhängigkeitsgründen wird dies auch vom Unternehmer selbst vermieden. Es bleibt zumeist nur die Möglichkeit, den Kapitalbedarf privat oder über Kredite zu decken, wobei für größere Investitionen allein die Aufnahme eines Kredites das notwendige Kapital gewährleisten kann.
In diesem Zusammenhang ist die jüngste Änderung der rechtlichen Grundlagen zur Kreditfinanzierung von Bedeutung. Am 16. Januar 2001 verabschiedete der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht unter dem Arbeitstitel „Die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung“ ein zweites Konsultationspapier zur Neuordnung der Eigenkapitalanforderungen im Bankensektor. Die hier angesprochene Basel II -Richtlinie verfolgt das Ziel, mehr Sicherheit, Transparenz und Wettbewerbsgleichheit im internationalen Finanzwesen zu erreichen. Die wesentlichen Inhalte der neuen internationalen Eigenkapitalvorschriften stehen mittlerweile fest und sollen 2006 in geltendes nationales Recht umgesetzt werden. Laut Basel II sollen Kreditinstitute mehr Finanzreserven für Krisenzeiten aufweisen. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung, dass Eigenkapitalanforderungen im Bankensektor stärker als bisher von der individuellen Bonität des Kreditnehmers abhängen soll. Die wirtschaftliche Situation der Bankkunden wird über die Eigenkapitalbelastung des Kreditinstitutes zukünftig verstärkt in die Kreditkonditionen einfließen. Es besteht kein Zweifel, dass diese Neuregelungen erhebliche Auswirkungen auf die traditionell enge Bindung zwischen mittelständischen Unternehmen und ihren Hausbanken haben wird. Die veränderten Rahmenbedingungen der Finanzdienstleister werden unmittelbar auf das Kreditgeschäft mit den mittelständischen Geschäftskunden übertragen.[59]
Basel II bewirkt eine Bonitätsprüfung der einzelnen Unternehmen, ein sogenanntes Rating. Je besser die Bonität eines Unternehmens, desto günstiger gestalten die Banken die Finanzierungskonditionen. Im Mittelstand ist allerdings zum Großteil mit einer Steigerung der Kreditkosten zu rechnen, da die allgemein geringe Eigenkapitaldecke das Rating negativ beeinflusst. Laut einer Studie der Deutschen Bundesbank ist in deutschen mittelständischen Unternehmen in den letzten 30 Jahren die Eigenkapitalquote von 30 auf 19 Prozent gefallen. Da der klassische Firmenkredit die dominierende Finanzierungsart darstellt, kommt dem Rating in Zukunft eine zentrale Rolle zu.[60]
Neben dem externen Rating durch eine Ratingagentur, welches auf Grund hoher Kosten für kleine und mittlere Unternehmen kaum Bedeutung haben wird, steht das interne Rating durch die Kreditinstitute im Mittelpunkt.[61] Das Augenmerk liegt bei diesen Ratings grundsätzlich auf dem Geschäftsrisiko und dem finanziellen Risiko. Bei der Analyse des Geschäftsprofils wird in einem Management-Rating vornehmlich die Qualifikation, Firmenphilosophie und Strategie der Geschäftsleitung evaluiert. Ebenso fließen Marktform, Marktgröße, Markt-wachstumspotential zur Einschätzung der Wettbewerbsposition ein. Basis zur Untersuchung der finanziellen Situation bilden bekannte finanzwirtschaftliche Kennziffern, wie Verschuldungsgrad, Liquidität, Cash-Flow oder Rentabilität. Außerdem beschäftigt sich die Analyse mit den Sicherheiten des Unternehmens und der Nachfolgeregelung.[62]
Durch den immer kapitalintensiver werdenden Wettbewerb sind heute viele mittelständische Unternehmen an der Grenze ihrer Eigenkapitalausstattung. Es besteht eine ständige Existenzgefahr, da in Verlustperioden nicht mehr genügend liquide Mittel vorhanden sind.[63] Wie schwer es insbesondere eigenkapitalschwache Mittelstandsbetriebe in Deutschland haben, verdeutlicht die Prognose von Helmut Rödl, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftauskunftei Creditreform am 03.02.2004. Er prognostiziert in 2004 einen neuen Rekord von 42.000 Firmenpleiten, zumindest aber eine Stagnation auf hohem Niveau bei etwa 40.000 wie in 2003.[64]
Viele mittelständische Unternehmen können und müssen ihr Ratingergebnis auf die geänderten Finanzierungsstrategien der Banken ausrichten. Sie sollten durch die Aufnahme neuer Eigenkapitalpartner, durch eine klare strategische Planung und durch Fokussierung auf Kernkompetenzen sowie durch Optimierung der internen Steuerungssysteme und –prozesse ihre Bonität aktiv positiv beeinflussen.[65]
4.1.2 Die neue Gruppenfreistellungsverordnung GVO 1400/02
Am 17. Juli 2002 beschloss die Kommission der Europäischen Union eine grundsätzliche Veränderung der Kraftfahrzeugbranche. Die am 01. Oktober 2002 in Kraft getretene GVO Nr. 1400/02 löste nach einem Jahr Übergangsfrist im Oktober 2003 die bis dahin geltende GVO Nr. 1475/95 ab.
Die GVO an und für sich beschreibt eine Sonderregelung, die die Kfz-Branche zumindest teilweise vom Verbot der Wettbewerbsbeschränkung in Art. 81 (1) des EG-Vertrages „freistellt“. Sie gilt für Verträge zwischen Herstellern bzw. Importeuren und Händlern über den Kauf und Verkauf neuer Personenkraftwagen, leichter Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen und Busse in der Europäischen Union (mit Norwegen, Island und Liechtenstein). Zudem regelt die GVO den Verkauf oder Kauf von neuen Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge sowie Verträge bezüglich des Kundendienstes.
Die alte GVO ermöglichte es den Herstellerunternehmen und Importeuren, Vertragshändlersysteme zum exklusiven Vertrieb ihrer Automobilmarken aufzubauen. Die Vertragshändler verpflichteten sich beispielsweise dazu, Kundendienstleistungen anzubieten, bestimmte Standards einzuhalten, keine Verkaufsstellen außerhalb des eigenen Verkaufsgebietes zu eröffnen und keine konkurrierenden Automarken in einem gemeinsamen Verkaufslokal zu veräußern. Im Gegenzug garantierten die Hersteller und Importeure den Händlern die exklusive Belieferung mit Automobilen und Original-Ersatzteilen in einem räumlich abgegrenzten Verkaufsgebiet. Das EU-Wettbewerbskommissariat nutzte das Auslaufen der GVO 1475/95, um die Wettbewerbseinschränkung im Sinne des Verbrauchers zu lockern.[66]
Die neue GVO enthält, im Gegensatz zur bisherigen, nur noch Klauseln, die nicht in den Automobilhändlerverträgen zur Wettbewerbsbeschränkung verwendet werden dürfen. Die Automobilhändlerverträge regeln die Voraussetzungen, die ein Handelsbetrieb erfüllen muss, um Vertriebs- und Servicerechte für den jeweiligen Hersteller zu erhalten. Mit der Neuregelung entsteht mehr rechtliche Gestaltungsfreiheit in Händlerverträgen. Die GVO 1400/02 ist befristet bis 31.05.2010. Ob es anschließend eine neue GVO geben wird oder ob Vereinbarungen im Kfz-Sektor überhaupt nicht mehr geregelt werden, lässt sich heute noch nicht absehen.
Die EU-Kommission hatte bei ihrer Gesetzesänderung folgende Ziele vor Augen:[67]
- Förderung des markeninternen Wettbewerbs („Intrabrand-Wettbewerb“)
- Preisharmonisierung innerhalb der Europäischen Union
- Größere Unabhängigkeit der Händler gegenüber den Herstellern
- Liberalisierung der Ersatzteilbeschaffung
- Freie Durchführung von Wartungs- und Reparaturdiensten („After-Sales-Service“).
Zur Erreichung dieser Ziele stützt sich die GVO 1400/02 auf vier Säulen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4-6: GVO-Säulen[68]
a) Rechtliche Trennung zwischen Verkauf und Service
Die GVO 1400/02 trennt Vertrieb und Kundendienst. Der Unternehmer kann sich entscheiden, ob er neben dem Automobilhandel zusätzlich eine Werkstatt betreiben und Ersatzteile verkaufen will. Er kann also die betriebswirtschaftlich günstigste Alternative wählen, indem er sich allein auf Service, allein auf Vertrieb oder auf beides festlegt.
Außerdem erlaubt die GVO den Vertragshändlern ihre Rechte und Pflichten aus dem Vertriebs- oder Servicevertrag ohne Zustimmung des Herstellers an einen Markenkollegen zu veräußern.
b) Freie Wahl des Vertriebssystems
Der Hersteller muss sich entweder für den selektiven oder den exklusiven Vertrieb entscheiden. Generell sind Mischformen unzulässig, jedoch kann sich der Hersteller in einem Land der EU für einen exklusiven, in einem anderen für einen selektiven Vertrieb entscheiden. Auch der Direktvertrieb des Herstellers ist zulässig.
Exklusiver Vertrieb bedeutet, dass der Hersteller ausgewählten Händlern ein exklusives Vertragsgebiet zuweisen kann. Der Händler darf aktiv und passiv in diesem Gebiet verkaufen, außerhalb jedoch nur passiv. Passiv bedeutet, der Kunde kommt unaufgefordert in den Verkaufsraum oder kontaktiert den Händler anderweitig aus eigenem Antrieb, z.B. über die Homepage. Allerdings darf der Hersteller diesen Händlern nicht verbieten an fabrikatsfremde Wiederverkäufer, z.B. Supermärkte, zu verkaufen. Im exklusiven Vertriebssystem können Supermärkte also als Wiederverkäufer tätig sein. Der Hersteller bzw. Importeur kann ein exklusives Vertriebssystem nur wählen, wenn sein Marktanteil auf dem betreffenden Markt unter 30 Prozent liegt.
Beim selektiven Vertrieb gibt der Hersteller qualitative und quantitative Standards vor, die ein Händler erfüllen muss (siehe Abbildung 4-7).
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Abbildung 4-7: Qualitative und quantitative Standards
Das Vertragsgebiet erstreckt sich über das gesamte Gebiet der EU. Händler dürfen aktiv und passiv an alle Kunden aus der EU verkaufen. Allerdings kann ihm verboten werden, an nicht autorisierte Wiederverkäufer, z.B. Supermärkte, zu verkaufen. Im selektiven Vertriebssystem können Supermärkte aber grundsätzlich offizielle Vertragshändler werden, wenn ihnen der Hersteller/Importeur einen gültigen Vertriebsvertrag anbietet. Die qualitativen Standards können in den einzelnen Mitgliedsstaaten voneinander abweichen. Liegt der Marktanteil eines Herstellers oder Importeurs über 40 Prozent, so darf er keine quantitativen, sondern nur qualitative Kriterien anwenden. Da zurzeit kein Hersteller/Importeur die 40 Prozent–Schwelle überschreitet, wählen sämtliche Hersteller/Importeure das selektive Vertriebssystem mit quantitativer und qualitativer Selektion.
Die Auswirkungen werden jedoch erst ab 2005 richtig zum Tragen kommen, denn noch kontrolliert der Kfz-Hersteller mittels der Standortklausel, wo ein Händler seine Verkaufs- oder Auslieferstellen errichtet. Der entstehende Gebietsschutz schränkt den Wettbewerb zwischen Händlern der gleichen Marke ein. Das bisherige Vertriebssystem kann durch die Kombination von Gebietsschutz und selektivem Vertrieb fast ungeändert beibehalten werden. Die neue Verordnung verbietet jedoch ab 01.10.2005 mit dem Fall der „Location Clause“ Standortklauseln im Falle eines selektiven Vertriebs. Einem selektiven Vertriebssystem angehörige Händler dürfen dann Zweigstellen zum Verkauf oder zur Auslieferung andernorts in der EU errichten, sofern sie den vom Hersteller in diesem Gebiet festgelegten Kriterien entsprechen.
In einem exklusiven Vertriebssystem behält der Hersteller de facto weiterhin die Kontrolle über den Standort seiner Vertriebshändler, da er exklusive Verkaufs-gebiete zuweist.
c) Mehrmarkenvertrieb
Die neue Regelung hebt die vor kurzem noch zulässigen Beschränkungen beim Mehrmarkenvertrieb, wie räumlich getrennte Verkaufslokale, getrennte Geschäftsführung und getrennte Rechtspersönlichkeit, weitgehend auf. Der Einzelhändler und auch der Kunde erhält mehr Wahlfreiheit, was die Auswahl mehrerer Marken betrifft. Der Hersteller kann lediglich die räumliche Trennung seiner Marke innerhalb des Verkaufsraumes verlangen. Markenspezifisches Verkaufspersonal kann der Hersteller nur vorschreiben, wenn er die entstehenden Zusatzkosten übernimmt.[69]
Oft gibt es in der Praxis allerdings Anforderungen der Hersteller beispielsweise bezüglich der Corporate Identity oder des verfügbaren Ausstellungsraumes, die es dem Händler erschweren, Marken von konkurrierenden Lieferanten zu vertreiben. Händlerverträge müssen daher klare Vorgaben zum Mehrmarkenvertrieb enthalten, die besagen, dass Anforderungen im Falle der Behinderung des Mehr-markenvertriebs angepasst oder aufgegeben werden können.
d) Liberalisierung des Kundendienstes
Trotz der Trennung von Service und Vertrieb muss ein Händler ohne Werkstatt sicherstellen, dass notwendige Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten sowie Gewährleistungsarbeiten, unentgeltlicher Kundendienst und Kundendienst im Rahmen von Rückrufaktionen durchgeführt werden können. Er kann mit diesen Arbeiten eine autorisierte Werkstatt desselben Fabrikats beauftragen (Sub-Contracting). Seinen Kunden hat der Händler Namen, Anschrift und Entfernung zur Werkstatt mitzuteilen.
Davon können nicht nur markengebundene, sondern auch unabhängige Werkstätten profitieren, sofern sie die Standards des Herstellers erfüllen. Der Hersteller selbst kann die Anzahl von autorisierten Werkstätten nicht begrenzen und den Standort nicht bestimmen. Jede Werkstatt, die die qualitativen Standards des Herstellers erfüllt, hat einen Anspruch auf Autorisierung durch den Hersteller. Dieser hat grundsätzlich kein Ablehnungsrecht. Standards betreffen die Ausstattung der Werkstatt (Direktannahme, Diagnosegeräte, etc.) oder Vorgaben bezüglich der Qualifikation oder Schulung des Werkstattpersonals.
Neben dem Zugang zu Hersteller-Ersatzteilen haben unabhängige Werkstätten jetzt erweiterte Möglichkeiten zur Nutzung von technischen Informationen, Software, Programmiercodes, Diagnosegeräten und Werkzeugen.[70] Bei Erfüllung der jeweiligen Herstellerstandards kann sich die Werkstatt für mehrere Marken autorisieren lassen.
Auch auf der Beschaffungsseite können Servicebetriebe Nutzen aus der GVO 1400/02 ziehen. Durch die Neuregelung erlangen Teilehersteller besseren Zugang sowohl zu markengebundenen als auch zu unabhängigen Werkstätten. Teilehersteller stellen 80 Prozent sämtlicher Bauteile von Neufahrzeugen her, die Automobilbauer selbst lediglich 20 Prozent. Sie können nach der neuen Verordnung ihr Firmenzeichen neben dem des Automobilherstellers auf den an den Hersteller verkauften Teilen anbringen. Ferner können sie die gleichen Teile mit ihrem Firmenzeichen als „Original(ersatz)teile“ an zugelassene oder unabhängige Werkstätten verkaufen.[71] Für die Werkstätten bedeutet dies, dass sie die freie Auswahl haben, ob sie beim Kfz-Hersteller oder beim Originalteilehersteller zu in der Regel günstigeren Preisen bestellen wollen. Zudem haben sie die Möglichkeit, „qualitativ gleichwertige Ersatzteile“, die der Qualität von Originalersatzteilen entsprechen, zu bestellen. Beabsichtigt ein Händler Ersatzteile an den Kunden weiter zu verkaufen, so muss er mit dem Automobilhersteller einen gesonderten Ersatzteilvertriebsvertrag, der an qualitative Standards gebunden ist, abschließen.
Die folgende Synopse (Abbildung 4-8) zeigt die grundlegenden Merkmale der alten und neuen GVO im Vergleich:
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Abbildung 4-8: Synopse – alte und neue GVO[72]
Die beschriebenen theoretischen Vorgaben der neuen GVO sind in der Praxis allerdings nicht immer vollständig realisiert. Die Hersteller versuchen, bei der Umsetzung der GVO-Richtlinien in den Vertriebs- und Serviceverträgen ihre Machtposition zu behalten und strategische Vertriebsziele zu verwirklichen. Spätestens nach Ablauf der Übergangsfrist am 01.10.2003 hatten die Händler die neuen Vereinbarungen unterzeichnet oder waren aus dem Händlernetz des Herstellers ausgeschieden. Die Vorgehensweise bei der Umsetzung der Verträge war herstellerseitig sehr unterschiedlich (siehe Abbildung 4-9).
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Abbildung 4-9: Informationspolitik der Hersteller[73]
Tendenziell ist festzustellen, dass der Investitionsbedarf zur Erfüllung der auferlegten Standards meist enorm ist und der umfangreiche Vorschriftenkatalog die unternehmerische Freiheit der Händler oft eher einschränkt als erweitert.[74]
Dennoch sieht die Händlerlandschaft in der neuen GVO immer noch eher Chancen als Risiken (siehe Abbildung 4-10). Schließlich wirken sich die teilweise händlerfeindlichen Verträge negativ auf den Verbraucher aus. Mario Monti, Kommissar für Wettbewerbspolitik der EU-Kommission, wird mit allen Mitteln versuchen, das Ziel einer verbesserten Verbrauchersituation zu erreichen. So hat er bereits am 06. Februar 2003 in Brüssel verlauten lassen: „Ich will hier nochmals klarstellen, dass ich zu der Durchführung einer Reform entschlossen war und selbstverständlich will, dass diese Reform auch vollzogen wird.“ Die EU-Kommission wird die Händlerverträge auf die Konformität der GVO hin überprüfen und in Zweifelsfällen eher zugunsten der Verbraucher, respektive der Händler, entscheiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4-10: GVO als Chance oder Risiko[75]
4.2 Auswirkungen auf den Automobilhandel
Die Händlerlandschaft in der deutschen Automobilbranche ist, wie bereits erwähnt, eindeutig geprägt von mittelständischen Unternehmen. Sieht man einmal von den herstellereigenen Niederlassungen und den wenigen großen nationalen und internationalen Automobilhandelsgruppen ab, trifft die Eigenart und Problematik des mittelständischen Unternehmertums ohne Vorbehalte auf den Kfz-Handel zu. Die Gründe hierfür liegen auch in den Herstellerstrategien. So galt lange Zeit ein flächendeckendes Netz von relativ kleinen Autohäusern als Leitbild der Vertriebspolitik. Die verstärkte Kunden- und Kostenorientierung sowie die sich in der Veränderung befindlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen bewirken jetzt und insbesondere in der Zukunft eine Beschleunigung des oben skizzierten Strukturwandels im Automobilvertrieb.
Im Folgenden sind die wichtigsten Auswirkungen der neuen GVO und der bevorstehenden Umsetzung von Basel II verdeutlicht:[76]
A) Beschleunigung des Konsolidierungsprozesses
Der Konsolidierungszwang in den frühen 90er Jahren führte schon zu Händlergruppen. Händlergruppen werden in Deutschland weiter zunehmen. Begründet ist dies einerseits durch Kooperationszwänge kleiner Automobilhändler. Andererseits betreiben bestehende Händlergruppen eine aktive Expansionspolitik. Die Gruppen nutzen die zunehmende Zahl von Insolvenzen und Nachfolgeproblemen in traditionellen Autohäusern aus und übernehmen kleine Händler. Auch die veränderten Herstellerstrategien begünstigen Händlergruppen.[77] Die Hersteller haben erkannt, dass der Kontakt mit möglichst wenig direkten Vertragspartnern Transaktionskosten reduziert und dass infolgedessen die Vertriebskosten sinken.
Der wachsende Druck für kleine, lokal tätige Händler erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Händlerverträge kapitalisieren, indem sie diese an Händlerkollegen veräußern. Das Institut für Automobilwirtschaft erstellte schon im Jahr 2000 eine Prognose wonach die Zahl der selbständigen Automobilhändler in Deutschland von damals 17.000 auf 8.000 im Jahr 2010 sinken werde, während die absolute Anzahl der Betriebe weniger stark zurückgehen wird (siehe Abbildung 4-11). Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen aufgrund des beschleunigten Strukturwandels durch die veränderten rechtlichen Bedingungen schon früher erreicht werden.
[...]
[1] Vgl. Schröder: Enorme Wettbewerbsnachteile (2002).
[2] Vgl. Laux und Liermann (1997), S. 1.
[3] Vgl. Laux und Liermann (1997), S. 21.
[4] Vgl. Müller-Stewens und Lechner (2001), S. 332.
[5] Vgl. Müller-Stewens und Lechner (2001), S.338.
[6] Vgl, Durmaz (2000), S. 2.
[7] Vgl. Diez und Reindl (1998), S. 5.
[8] Vgl. Brachat (2002), S.67.
[9] Vgl. Dohrmann (2002), S. 18.
[10] Vgl. Diez und Rabe (2002), S. 27.
[11] Vgl. Dohrmann (2002), S. 18.
[12] Vgl. Diez und Rabe (2002), S. 27.
[13] Vgl. Dohrmann (2002), S. 18.
[14] Vgl. Diez und Rabe (2002), S. 26.
[15] Vgl. Diez und Rabe (2002), S. 25.
[16] Vgl. Horn (1999), S. 11.
[17] Vgl. Horn (1999), S. 50.
[18] Vgl. Block (2003) S. 16.
[19] Vgl. Horn (1999), S. 261.
[20] Vgl. Block (2003) S. 17.
[21] Vgl. Block (2003) S. 16.
[22] Vgl. Horn (1999), S. 265 f.
[23] Vgl. Mörike und Verhoeven (1995), S. 21.
[24] Vgl. Ewen: Moderne Zeiten (2003), S. 4.
[25] Vgl. Tilp (2003), S. 9.
[26] Vgl. Ewen: Allheilmittel (2003), S. 14.
[27] Vgl. Kropp (1997), S. 224.
[28] Vgl. Heinen (1991), S. 254 f.
[29] Vgl. Kropp (1997), S. 224.
[30] Vgl. Kropp (1997), S. 56.
[31] Vgl. Kropp (1997), S. 56.
[32] Vgl. Amelingmeyer (2002), S. 40 f.
[33] Amelingmeyer (2002), S. 43.
[34] Vgl. Kieser und Walgenbach (2003), S. 32.
[35] Frank und Schauer (2001), S. 165.
[36] Vgl. Abecker u.a. (2002), S. 2.
[37] Vgl. Abecker u.a. (2002), S. 2 f.
[38] Vgl. Abecker u.a. (2002), S. 13 f.
[39] Vgl. Fröhlich und Thiel (1991), S.16 f.
[40] Vgl. Fröhlich und Thiel (1991), S.16.
[41] Vgl. Dannenberg und Barthel (2002), S. 128.
[42] Vgl. Dannenberg und Barthel (2002), S. 130.
[43] Vgl. Dannenberg und Barthel (2002), S. 132.
[44] Vgl. Berekoven u.a. (1999), S. 51 – 54.
[45] Vgl. Berekoven u.a. (1999), S. 55 – 58.
[46] Fragebögen und Interviewprotokolle siehe Anhang.
[47] Vgl. Hauptmanns und Lander (2003), S. 33.
[48] Vgl. AVAG, S. 1.
[49] Vgl. Kapitel 4.1.1.
[50] Vgl. Meunzel: Kennzahlen (2000); S. 4.
[51] Vgl. Landmann (1999), S. 78 – 90.
[52] Vgl. Landmann (1999), S. 78 – 90.
[53] Vgl. Mercer (2003), S. 19.
[54] Vgl. Landmann (1999), S. 78 – 90.
[55] Vgl. Mercer (2003), S. 20.
[56] Vgl. Seeba (2003).
[57] Vgl. Hamer (1990), S.85-102.
[58] Vgl. Hauser (2000), S.9-16.
[59] Vgl. Zwecker (2002), S. 63 – 65.
[60] Vgl. Zwecker (2002), S. 63 – 65.
[61] Vgl. Zwecker (2002), S. 63 – 65.
[62] Vgl. Zwecker (2002), S. 70 – 71.
[63] Vgl. Hamer (1990), S.127-158.
[64] Vgl. o.V.: Insolvenzgefahr (2004).
[65] Vgl. Zwecker (2002), S. 86.
[66] Vgl. Zielke u.a. (2002), S. 128.
[67] Vgl. o.V.: Fairer Wettbewerb (2004), S. 1.
[68] Vgl. o.V.: Die neue GVO (2002), S. 8.
[69] Vgl. o.V.: Mario Montis Argumente (2002), S. 42
[70] Vgl. o.V.: Mario Montis Argumente (2002), S. 44
[71] Vgl. o.V.: Mario Montis Argumente (2002), S. 44
[72] Vgl. o. V., Alte und neue GVO (2002), S. 10 - 12
[73] Vgl. Meunzel: GVO Sichtweisen (2003), S. 27.
[74] Vgl. Meunzel: Zartes Pflänzchen GVO (2004), S. 20 – 23.
[75] Vgl. Meunzel: GVO Sichtweisen (2003), S. 27.
[76] Vgl. Diez: GVO 2002 (2002), S. 70 – 73.
[77] Vgl. Diez: Händlergruppen (2003).
- Arbeit zitieren
- Sebastian Lüttig (Autor:in), Andreas Baier (Autor:in), 2004, Strukturen und Prozesse in Automobilhandelsgruppen - Aspekte zum Einsatz eines Intranets in deren Organisation und Informationstechnologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32516
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